Urteil vom Verwaltungsgericht Aachen - 10 K 1874/15
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Beseitigung einer auf ihren Grundstücken Gemarkung K., Flur 00, Flurstücke 0000 und 0001, errichteten Bushaltestelle. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:
3Die klagende Gesellschaft hatte unter der vormaligen Firma L. S. GmbH am 6. Februar 2009 Insolvenzantrag beim Amtsgericht M. gestellt (91 IN 66/09). Daraufhin wurde mit Beschluss vom 6. Februar 2009 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und die Wirksamkeit von Verfügungen der Insolvenzschuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens von der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters abhängig gemacht. Mit Beschluss vom 1. April 2009 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der L. S. GmbH eröffnet. Am 2. April 2009 erfolgte die Eintragung in das Handelsregister beim Amtsgericht M. (Registerblatt HRB 3324), dass über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und die Gesellschaft aufgelöst sei. Nachdem am 15. Mai 2012 die Gesellschafterversammlung die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen hatte, wurde das Insolvenzverfahren unter dem 23. Mai 2012 aufgehoben. Mit weiterem Beschluss vom 24. Januar 2013 beschloss die Gesellschafterversammlung die Änderung der Firma in die von der Gesellschaft aktuell genutzte Firmenbezeichnung „B. GmbH“.
4Die Firma L. S. GmbH erwarb im Jahr 1993/1994 das Grundstück Gemarkung K., Flur 00, Flurstück 001 (postalische Anschrift: X.-Straße 1), das im Anfang der 1990er-Jahre entwickelten Gewerbegebiet „M. C.“ gelegen ist. Auf diesem Grundstück errichtete sie ein Verwaltungs- und Lagergebäude. Mit notariellem Kaufvertrag vom 5. März 2008 erwarb die Gesellschaft von der Stadt A. aus dem weiteren an der X.-Straße gelegenen Grundstück Gemarkung K., Flur 00, Flurstück 002, eine Teilfläche von 320 m², die nach Grundstücksteilung im Jahr 2011 die Flurstückbezeichnung 003 erhielt. Die Auflassung dieses Flurstücks datiert auf den 25. Januar 2012. Im Jahr 2012 wurden die von der Gesellschaft erworbenen und inzwischen in ihrem Eigentum stehenden Flurstücke geteilt; aus dem Flurstück 001 gingen die Flurstücke 0003, 0004 und das 152 m² große Flurstück 0000 hervor, aus dem Flurstück 0003 das Flurstück 0002 und das 12 m² große Flurstück 0001. Die streitgegenständlichen Flurstücke 0000 und 0001 sind mit der Wirtschaftsart „Verkehrsfläche“ im Grundbuch eingetragen. Eigentümerin ist die Klägerin. Nach Grundstücksvereinigung und -teilung im November 2014 entstanden überdies aus den im Eigentum der Klägerin stehenden Flurstücken 0004 und 0005 das 22.069 m² große Flurstück 0006, auf dem die wesentlichen Betriebsgebäude der Klägerin stehen, sowie das angrenzende und 15.174 m² große Flurstück 0007, das aktuell überwiegend als Abstell- und Lagerfläche genutzt wird.
5Die an das Betriebsgelände der Klägerin angrenzende X.-Straße wurde mit Verfügung vom 17. Dezember 1998, im Amtsblatt der Stadt A. veröffentlicht am 8. Januar 1999, als Gemeindestraße für den öffentlichen Verkehr gewidmet. Träger der Straßenbaulast war die Stadt A.. Mit der am 28. Juni 2005 beschlossenen und seit dem 30. September 2005 rechtskräftigen 2. Änderung des Bebauungsplans Nr. 009 „Gewerbegebiet M.er C.“ wurde die X.-Straße zur Kreisstraße als Teil einer „Osttangente“ bestimmt, die eine Verbindung zwischen der T.-Straße 000 und der nahegelegenen Bundesautobahn 00 schaffen und zur Entlastung der Ortsdurchfahrt K. sowie zur Entzerrung der Verkehrsverhältnisse im Gewerbegebiet dienen sollte.
6Übersichtskarte [Quelle: Geobasisdaten des Landes NRW (2020) - Lizenz dl-de/zero-2-0]
7-Bilddarstellung entfernt-
8Ausschnittvergrößerung [Quelle: Geobasisdaten des Landes NRW (2020) - Lizenz dl-de/zero-2-0]
9-Bilddarstellung entfernt-
10Im Zuge der Baumaßnahmen der Kreisstraße kam es wiederholt zu Gesprächen zwischen der Klägerin und der Stadt A. sowie dem Kreis M. als Rechtsvorgänger der Beklagten über die Schaffung einer weiteren Zufahrt zum östlichen Teil des Betriebsgeländes der Klägerin (Flurstück 0007) über die im Eigentum der Stadt A. stehenden Flurstücke 0010 und 0011. Zu diesem Zweck sollte die ursprünglich für den Bereich der Flurstücke 0010 und 0011 vorgesehene Bushaltestelle an der Kreisstraße nach Süden verlagert und so eine Zufahrtmöglichkeit über diese Grundstücke geschaffen werden. Mit E-Mail vom 16. April 2009 bat der Kreis M. Herrn B. P., der als Fachberater der R. Europa auftrat, um die kurzfristige schriftliche Bestätigung einer nach Auffassung des Kreises bereits im Jahr 2005 getätigten Zusage zu einem für die Anlage der Bushaltestelle erforderlichen Grunderwerb. Mit Schreiben vom 21. April 2009 bestätigte Herr B. P. dem Kreis M. daraufhin „unsere Zustimmung zu dem von Ihnen vorgelegten Konzept vom 10.3.2009 (sh. Anlage 1): Optimierte Lage der Bushaltestelle an der östlichen L.-Grundstücksgrenze“ und stimmte weiterhin „dem dadurch notwendigen Grunderwerb“ zu. Er nahm insoweit („sh. Anlage 1“) Bezug auf eine beigefügte Planskizze, in der das Flurstück 0000 mit „Grunderwerb L.“ gekennzeichnet war. Zu einer Übereignung der Flurstücke 0000 und 0001 ist es in der Folgezeit ebenso wenig gekommen wie zur Schaffung einer Zufahrt zum Betriebsgelände der Klägerin über die Kreisstraße. Eine Klage der Klägerin, mit der sie die von ihr begehrte Zufahrt zur Erschließung des Flurstücks 0007 erreichen wollte, wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts M. vom 21. Januar 2020 - inzwischen rechtskräftig - abgewiesen (3 K 1602/15).
11Im Jahr 2009/2010 erfolgte im Zuge des Ausbaus der Kreisstraße die Überbauung der Flurstücke 0000 und 0001mit einer Bushaltestelle für den öffentlichen Personennahverkehr, welche aus einer Haltebucht mit Fahrgastunterstand, einer Ein- und Ausfahrtspur, einem Gehweg mit Straßenlampen sowie einem Verkehrszeichen „Haltestelle“ (Z 224 zu § 41 Abs. 1 StVO) besteht. Hierbei wurden die Grundstücksflächen mit einer Pflasterung mit Randsteinen in Erweiterung des Gehwegs sowie mit einer Asphaltierung für die Haltebucht und Fahrspur versiegelt. Der auf der östlichen Grundstücksaußengrenze der Grundstücksflächen 0000 und 0001 zuvor verlaufende Metallgitter-Grenzzaun wurde hinter die Bushaltestelle auf die Höhe der westlichen Parzellengrenzen zurückgesetzt.
12Mit der seit dem 21. Januar 2011 rechtskräftigen 13. Änderung des Bebauungsplans Nr. 009 sollte die planerische Grundlage für den veränderten Ausbau der Verkehrsflächen im Bereich D./X.-Straße/V.-Straße geschaffen werden. In der Begründung heißt es insoweit zu der vorliegend streitgegenständlichen Bushaltestelle (dort bezeichnet als Änderung „Nr. 5“): „Im nördlichen Plangebiet an der X.-Straße (K00) wird die westliche Bushaltestelle nach Süden verschoben und die Festsetzungen werden entsprechend angepasst.“
13Am 10. Juni 2011 wurde die „Kreisstraße/X.-Straße“ für den Verkehr freigegeben. Eine förmliche Widmung als Kreisstraße erfolgte zunächst nicht.
14Unter dem 10. August 2012 erkannte der Architekt J. H. im Namen der L. S. GmbH und mit dem Versprechen, eine Vollmacht nachzureichen, die Ergebnisse eines zuvor in deren Abwesenheit anlässlich der Teilung u. a. des Flurstücks 003 durchgeführten Grenztermins vom 7. August 2012 - ausweislich der hierüber angefertigten Niederschrift nach Erläuterung an Ort und Stelle - an. Unter dem 28. September 2012 bestätigte der Geschäftsführer der Klägerin schriftlich die zuvor mündlich erteilte Vollmacht für Herrn J. H., die L. S. GmbH im Grenztermin vom 10. August 2012 zu vertreten. Vorgelegt wurde überdies eine schriftliche Vollmacht vom 25. September 2012, durch die Herr H. im Namen der L. S. GmbH zur Beantragung und Vornahme von Akteneinsicht in behördliche Akten ermächtigt wurde.
15Am 5. Dezember 2013 erfolgte eine gemeinsame Besprechung der Beteiligten, in deren Rahmen die Frage einer Zufahrtsmöglichkeit zum Betriebsgelände der Klägerin über die Kreisstraße und die Anlage der Bushaltestelle an der Kreisstraße erörtert wurden. Den in diesem Gespräch „vermittelten Eindruck einer unberechtigten Inanspruchnahme des Grundstücks der Fa. L. durch die M.“ wies die Beklagte ausweislich eines undatierten Schreibens an die Klägerin, in dem sie u. a. die Ergebnisse dieses Gesprächs aus ihrer Sicht zusammenfasste (vgl. Beiakte I, Bl. 18), „nach Akteneinsicht als unberechtigt“ zurück. „In den überreichten Unterlagen“ seien „die Vereinbarung mit der SEW vom 02.03.2005 sowie die Zustimmung zur Verlegung der Busbucht und des Grunderwerbes vom 21.04.2009 enthalten“ gewesen.
16Mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 bat die Beklagte den Notar Dr. O. in A., der zuvor die Grundstücksübertragungen im Zusammenhang mit dem Bau der Kreisstraße beurkundet hatte, die Grundstücke Flur 00, Flurstücke 0003, 0000 und 0012 auf sie zu übertragen, weil diese Bestandteile der neuen Kreisstraße bzw. der G.-Straße seien. Das Flurstück 0000 sei aus dem Flurstück 001 ebenfalls fortgeschrieben worden, jedoch im Kaufvertrag UR.-Nr. 319/2008 nicht aufgeführt. Zu einer Eigentumsübertragung auf die Beklagte ist es bezogen auf das Flurstück 0000 in der Folge nicht gekommen.
17Am 3. Februar 2014, veröffentlicht im Amtsblatt der Beklagten am 14. Februar 2014, erfolgte durch die Beklagte die Widmung der X.-Straße zwischen den Netzknoten 5102076 und Netzknoten 5103092 von km 0,T.-Straße (Knotenpunkt Kreisverkehr K) bis km 2,384 (Knotenpunkt Kreisverkehr L) ohne Beschränkung als Kreisstraße für den öffentlichen Verkehr, und zwar mit dem Hinweis darauf, dass die Beklagte nunmehr Trägerin der Straßenbaulast sei.
18Mit Schreiben vom 6. August 2015 forderte die Klägerin die Beklagte zur Herausgabe ihrer Grundstücke 0000 und 0001 sowie zur Beseitigung des Überbaus dieser Grundstücke mit einer Bushaltestelle auf. Diese Forderung wies die Beklagte mit Schreiben vom 24. August 2015 als unbegründet zurück.
19Die Klägerin hat am 14. Oktober 2015 Klage erhoben, zu deren Begründung sie im Wesentlichen geltend macht: Sie sei unstreitig Eigentümerin der streitgegenständlichen 0000 und 0001. Ebenso unstreitig seien diese Grundstücksflächen nach 2009 mit einer Verkehrsfläche und Bushaltestelle überbaut worden. Damit sei in das Eigentumsrecht der Klägerin eingegriffen und deren Besitz an den Grundstücksflächen entzogen worden. Dieser Eingriff sei ohne bauplanungsrechtliche Grundlage, schuldrechtliche Gestattung oder vorherige dingliche Sicherung erfolgt, sodass die Klägerin als Eigentümerin der Grundstücksflächen den auf diesen rechtswidrig errichteten Überbau nicht zu dulden brauche und von der Beklagten dessen Beseitigung und Herausgabe der rückgebauten Grundstücksflächen an sich verlangen könne. Denn diese sei als Trägerin der Straßenbaulast heute hierfür verantwortlich. Der Überbau der Grundstücksflächen sei insbesondere ohne planungsrechtliche Grundlage und ohne Zustimmung der Klägerin erfolgt. Etwaige Festsetzungen in einem Bebauungsplan begründeten grundsätzlich keine Duldungspflicht des Grundstückseigentümers für Eingriffe in den Bestand seines Grundeigentums. An einer einvernehmlichen und rechtsverbindlichen vertraglichen Regelung der Beteiligten zur Nutzung der überbauten Grundstücksfläche fehle es ebenso wie an einer Enteignung in Form der Eintragung einer Zwangsdienstbarkeit. Insbesondere sei keine rechtsverbindliche Zustimmung der Klägerin zu einem Überbau oder sogar zu der Veräußerung der Grundstücksflächen gegenüber der Beklagten oder der Stadt A. erfolgt. Dahingehende rechtsgeschäftliche Erklärungen seien namens der Klägerin weder durch den zwischenzeitlich verstorbenen Herrn P. noch durch den Insolvenzverwalter abgegeben worden. Herr P. sei im Übrigen nicht bevollmächtigt gewesen, im Namen der Klägerin grundstücksbezogene Erklärungen abzugeben oder entsprechende Vertragsabschlüsse in Grundstücksangelegenheiten zu tätigen. Sämtliche angeblichen grundstücksbezogenen Absprachen zwischen den Beteiligten betreffend die streitgegenständlichen Flächen seien während der Insolvenz der L. S. GmbH erfolgt. Diese sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch in ihrer Verfügungsbefugnis hinsichtlich ihres Vermögens und des bestehenden Grundeigentums gerichtlich beschränkt gewesen. Dies sei sowohl der Stadt A. als auch der Beklagten bekannt gewesen. Die L. S. GmbH sei im Zeitpunkt des Schreibens des Herrn P. am 21. April 2009 nicht zur Abgabe einer Zustimmungserklärung hinsichtlich in ihrem Eigentum stehender Grundstücke verfügungsbefugt gewesen, selbst wenn sie eine solche selbst oder durch einen Bevollmächtigten abgegeben hätte. Eine Zustimmung seitens des Insolvenzverwalters liege ebenfalls nicht vor. Dieser habe angebliche grundstücksbezogene Absprachen der Beteiligten weder nachträglich genehmigt noch selbst vertragliche Vereinbarungen betreffend die bauliche Anlage einer Bushaltestelle auf dem Grundstück der Insolvenzschuldnerin abgeschlossen. Die Widmung der Kreisstraße am 14. Februar 2014 sei vor diesem Hintergrund wegen eines Verstoßes gegen die Regelung des § 6 Abs. 5 StrWG NRW nichtig. Hiernach setze eine Widmung zwingend voraus, dass der Träger der Straßenbaulast Eigentümer des der Straße dienenden Grundstücks sei oder dass der Eigentümer und ein sonst zur Nutzung dinglich Berechtigter der Widmung zugestimmt hätten. Hieran fehle es. Weder sei die Beklagte oder die Stadt A. als deren Rechtsvorgängerin in der Funktion als Trägerin der Straßenbaulast der X.-Straße Eigentümerin der streitgegenständlichen Flurstücke 0000 und 0001 geworden, noch sei jemals eine rechtmäßige Zustimmung zur Widmung oder Besitzeinräumung seitens der Klägerin erfolgt. Eine verbindliche Zustimmung der L. S. GmbH als Grundstückseigentümerin zu dem Vorschlag einer Südverschiebung der Bushaltestelle anlässlich der baulichen Anlage einer weiteren Grundstückszufahrt zur Kreisstraße (sog. „Ostzufahrt“) sei zu keiner Zeit erteilt oder vereinbart worden. Ein solches bauliches Konzept sei nie realisiert worden, da sowohl die Stadt A. als Bauordnungsbehörde als auch die Beklagte als Zustimmungsbehörde der Anlage einer Grundstückszufahrt die Genehmigung verweigert hätten. Ungeachtet dessen hätte aufgrund vorhandener Ausführungsalternativen selbst eine Südverschiebung der Bushaltestelle nicht zwingend zur Folge gehabt, dass diese auf Grundstücksflächen der Klägerin habe baulich angelegt werden müssen. Vor einer genauen Vermessung der betroffenen Flächen habe sich der Klägerin auch nicht aufdrängen müssen, dass sich die streitgegenständliche Bushaltestelle bereits auf ihrem Grundstück befinde. Die katastermäßige Vermessung des tatsächlichen baulichen Straßenverlaufs der Verkehrsflächen ersetze zudem keine eigentums- und verfügungsrechtlichen Rechtsgeschäfte hinsichtlich einer Duldung oder Genehmigung des streitgegenständlichen Überbaus der Bushaltestelle. Im Übrigen sei Herr H., der die Ergebnisse des Grenztermins im Namen der Klägerin bestätigt haben solle, hierzu überhaupt nicht bevollmächtigt gewesen. Das Fehlen der erforderlichen Zustimmung und damit die Rechtswidrigkeit der gleichwohl vorgenommenen Widmung sei den handelnden Amtswaltern der Beklagten bewusst gewesen. Dies habe sich in Anbetracht der bekannten und offensichtlichen Umstände im Zusammenhang mit Planung und Ausbau der Kreisstraße geradezu aufgedrängt. Selbst Anfang 2012, als die streitgegenständlichen Grundstücke längst mit der Bushaltestelle überbaut und damit faktisch wertlos gewesen seien, seien diese der Klägerin sogar wider besseres Wissen noch mit der ausdrücklichen vertraglichen Zusicherung als „unbebaut“ und „dinglich unbelastet“ veräußert worden. Dies stelle eine vorsätzliche sittenwidrige Täuschung dar ebenso wie der Versuch der Beklagten im Dezember 2013 rechtsmissbräuchlich gewesen sei, das Eigentum hinsichtlich des Flurstücks 0000 „auf kaltem Weg“ zu erlangen. Im Anschluss an die bauliche Fertigstellung der Kreisstraße, deren Inbetriebnahme und die nachfolgende Verkehrsfreigabe sei die Widmung überdies missbräuchlich über vier Jahre lang hinausgezögert worden. Damit seien die Rechte der Klägerin in eklatanter Weise verletzt worden.
20Die Klägerin beantragt,
211. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die im Grundbuch beim AG M. eingetragenen Grundstücksflächen der Gemarkung K., Blatt 00013, Flur 00, Flurstück 0000, mit einer Fläche von 152 m², sowie Blatt 10200, Flur 00, Flurstück 0001, mit einer Fläche von 12 m², herauszugeben,
222. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen auf den Grundstücksflächen gemäß Ziffer 1. des Antrags eine Bushaltestelle, bestehend aus Haltebucht, Gehweg, Ein- und Ausfahrtspur, Fahrgastunterstand, Straßenlampe(n) und Verkehrszeichen „Haltestelle" 224 StVO für den öffentlichen Personennahverkehr zu betreiben, und
233. die Beklagte zu verurteilen, die auf den Grundstücksflächen gemäß Ziffern 1. und 2. des Antrags errichtete Bushaltestelle „V.-Straße 16 Q. M." zu beseitigen, soweit sich diese ganz oder teilweise auf den im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstücksflächen befindet und deren ursprünglichen Zustand unter vollständiger Beseitigung der Aufbauten, Bodenversiegelung und Begradigung des Grenzzauns der Klägerin auf deren östliche Grundstücksaußengrenze sowie Anlage einer renaturierten Grünfläche (Rasen/Wiese) auf den entsiegelten Flächen wieder herzustellen,
24hilfsweise hierzu
25festzustellen, dass die Klägerin berechtigt ist, die auf den Grundstücksflächen gemäß Ziffern 1. und 2. des Antrags errichtete Bushaltestelle selbst zu beseitigen,
26hilfsweise,
27festzustellen, dass die am 14.02.2014 im Amtlichen Mitteilungsblatt - Amtsblatt - Nr. 3 der Beklagten veröffentlichte Widmung der X.-Straße (K00) nichtig ist, soweit diese mit der Bushaltestelle gemäß Ziffern 2. und 3. des Antrags auf den im Grundbuch beim AG M. eingetragenen Grundstücksflächen der Gemarkung K., Blatt 00013, Flur 00, Flurstück 0000, sowie Blatt 10200, Flur 00, Flurstück 0001, verläuft.
28Die Beklagte beantragt,
29die Klage abzuweisen.
30Zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags trägt sie vor: Eine rechtswidrige Inanspruchnahme der streitgegenständlichen Grundstücksflächen habe es nicht gegeben. Im Rahmen der Ausführungsphase sei die Lage der Busbucht an der östlichen Seite des L.-Grundstücks vielmehr gemeinschaftlich besprochen und einvernehmlich in neuer Lage festgelegt worden. Mit Schreiben des Herrn B. P. vom 21. April 2009 sei die Zustimmung zum vorgelegten Konzept und dem damit verbundenen Grunderwerb ausdrücklich erteilt worden. Herr P. sei der zuständige Ansprechpartner der Firma L. gegenüber dem Kreis M. gewesen und habe in dieser Funktion die baulichen und grundstücksrechtlichen Angelegenheiten, die die Firma L. betroffen hätten und die im Rahmen des Baus der Kreisstraße gemeinsam mit dem damaligen Kreis M. zu regeln gewesen seien, fachlich begleitet und die notwendigen Entscheidungen in diesem Zusammenhang getroffen. Mit der Anerkennung der Grenzniederschrift am 10. August 2012 durch den von der L. S. GmbH hierzu bevollmächtigten Herrn J. H. sei die Lage der Busbucht auf den neu entstandenen Flurstücken 0000 und 0001 in vollem Umfang akzeptiert worden. Der notwendige Eigentumsübergang sei zudem mit dem an das Amtsgericht M. gerichteten Grundstücksteilungsantrag der L. S. GmbH vom 10. August 2012 bekräftigt worden. Die Firmenleitung und auch der Insolvenzverwalter seien mithin zu jeder Zeit eingebunden gewesen. Die Änderung der Verkehrsflächen sei schließlich im Rahmen der 13. Änderung des Bebauungsplans 009 durch die Stadt A. planungsrechtlich abgesichert worden. Aufgrund der Zustimmung der Klägerin zum einen zur Planänderung und zum anderen zur Grundstücksteilung sei nicht erkennbar, dass die Busbucht widerrechtlich auf dem Grundstück der Klägerin errichtet worden sei. Vor diesem Hintergrund sei die Widmung der Kreisstraße auch nicht etwa nichtig. Von einem missbräuchlichen Vorgehen der Beklagten könne keine Rede sein. Planung, Bauausführung und Widmung der Kreisstraße seien vielmehr im üblichen Verfahren erfolgt. Die Beklagte habe aufgrund der über einen langen Zeitraum geführten Gespräche mit der Klägerin von der Erteilung einer Zustimmung ausgehen dürfen. Ob sie möglicherweise fehlerhaft von einer wirksamen Zustimmung des Herrn P. ausgegangen sei, sei eine Frage der Rechtmäßigkeit der Widmung. Die Klägerin habe die Widmung jedoch nicht angefochten und müsse sich deren Bestandskraft nunmehr entgegenhalten lassen. Im Übrigen bestehe nach wie vor die Bereitschaft der Beklagten, die in Anspruch genommenen Grundstücksflächen von der Klägerin zum Verkehrswert zu erwerben.
31Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstrandes wird auf die Gerichtsakten sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
32E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber nicht begründet.
34A. Die Klage ist zulässig.
35Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet, weil die Klägerin die Beseitigung einer Eigentumsbelastung durch den Bau und die Nutzung einer Bushaltestelle an der Kreisstraße begehrt. Der behauptete Eingriff ist durch den Bau der öffentlichen Straße erfolgt, weshalb es sich unzweifelhaft um einen hoheitlichen Eingriff handelt.
36Vgl. u. a. OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2009 - 11 E 469/08 -, juris, Rn. 3 ff., m. w. N.
37B. Die zulässige Klage ist jedoch nicht begründet.
38Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung weder einen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Grundstücke noch auf eine Beseitigung der Bushaltestelle oder eine künftige Unterlassung ihres Betriebs (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch auf die hilfsweise begehrte Nichtigkeitsfeststellung hinsichtlich der Widmung der Kreisstraße besteht kein Anspruch.
39I. Der Sache nach macht die Klägerin mit ihrem Begehren in erster Linie einen Folgenbeseitigungsanspruch geltend. Dieser ist jedoch unbegründet.
40Der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch setzt voraus, dass durch einen hoheitlichen Eingriff in ein subjektives Recht ein noch andauernder rechtswidriger Zustand geschaffen worden ist. Der Beseitigungsanspruch, der ein Verschulden der Behörde nicht voraussetzt, ist auf die Wiederherstellung des ursprünglichen, durch einen hoheitlichen Eingriff veränderten (rechtmäßigen) Zustands gerichtet. Der Beseitigungsanspruch ist dann ausgeschlossen, wenn der Eigentümer aufgrund dinglicher Sicherung, vertraglicher Vereinbarung oder nach privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften zur Duldung verpflichtet ist. Er ist außerdem ausgeschlossen, wenn die Wiederherstellung des früheren Zustands durch Beseitigung der unmittelbaren Folgen tatsächlich oder rechtlich nicht möglich oder dem Hoheitsträger nicht zumutbar ist.
41Vgl. (auch zur dogmatischen Herleitung des Folgenbeseitigungsanspruchs) BVerwG, u. a. Urteil vom 26. August 1993 - 4 C 24.91 -, juris, Rn. 23 ff.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 17. Oktober 2018 - 5 S 1276/16 -, juris, Rn. 32 f., jeweils m. w. N.
42Die Voraussetzungen für den geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch liegen nicht vor.
431. Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass die fragliche Bushaltestelle auf den Flurstücken 0000 und 0001 errichtet worden ist und diese Flurstücke im Eigentum der Klägerin stehen. Durch diesen Überbau liegt unzweifelhaft ein Eingriff in das durch Art. 14 Abs. 1 GG subjektiv-rechtlich geschützte Eigentum der Klägerin an diesen Grundstücken vor. Die Klägerin ist dadurch in der grundsätzlich vom Eigentumsrecht geschützten Möglichkeit zur Nutzung ihrer Grundstücke beschränkt. Dieser Eingriff ist auch hoheitlich erfolgt, da der Überbau Folge des Baus der Kreisstraße gewesen ist, für die die Beklagte Trägerin der Straßenbaulast und für deren Bauausführung sie als Straßenbaubehörde die Verantwortliche ist.
44Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 2. April 2009 - 11 E 469/08 -, juris, Rn. 7 f., m. w. N.
452. Dieser hoheitliche Eingriff hat jedoch keinen andauernden rechtswidrigen Zustand geschaffen. Denn die Klägerin ist aufgrund einer wirksamen Widmung der Kreisstraße zur Duldung des Gemeingebrauchs und der in diesem Umfang der Beklagten zustehenden Befugnis zur Ausübung der Rechte und Pflichten eines Eigentümers und in diesem Zusammenhang insbesondere zur Hinnahme der Nutzung ihrer Grundstücksflächen als Bushaltestelle verpflichtet. Deshalb muss weder die Beklagte die Bushaltestelle beseitigen, noch ist die Klägerin (hilfsweise) berechtigt, die Bushaltestelle selbst zu beseitigen.
462.1 Mit Verfügung vom 3. Februar 2014 ist die Kreisstraße ohne Beschränkung als Kreisstraße dem öffentlichen Verkehr gewidmet worden. Mit dem Tag der Veröffentlichung am 14. Februar 2014 ist die Widmung wirksam geworden.
47Die Widmung einer Straße begründet die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft über sie. Durch die Widmung wird das Eigentum an dem Straßengrundstück zwar nicht entzogen. Die öffentlich-rechtliche Sachherrschaft überlagert das Eigentumsrecht jedoch und schränkt es kraft der staatlichen Hoheitsgewalt ein (sog. Grundsatz des modifizierten Privateigentums). Dem Träger der Straßenbaulast steht, wenn er nicht selbst Eigentümer des Straßengrundstücks ist, die Ausübung der Rechte des Eigentümers insoweit zu, als dies die Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs und die Verwaltung und Unterhaltung erfordern. In diesem Umfang obliegt es ihm, die Pflichten des Eigentümers zu erfüllen. Der Eigentümer des Straßengrundstücks kann eine bestimmte Nutzung im Rahmen des eröffneten Gemeingebrauchs hingegen nicht mehr untersagen und hat keinen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB gegen den Straßenbaulastträger.
48Vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rn. 135; Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 6, Rn. 17 ff., Kapitel 8, Rn. 8.
49Durch die Widmung wird die Straße zur öffentlichen Straße (vgl. § 2 Abs. 1 StrWG NRW). Zur öffentlichen Straße gehören neben dem Straßenkörper auch der Luftraum über dem Straßenkörper und das Zubehör sowie etwaige Nebenanlagen (vgl. § 2 Abs. 2 StrWG NRW). Die zu der streitgegenständlichen Bushaltestelle zählenden baulichen Anlagen, insbesondere die Bushaltestellenbucht, der dort verlaufende Gehweg sowie die aufgestellten amtlichen Verkehrszeichen, Verkehrseinrichtungen und sonstigen Anlagen, zählen daher als Bestandteile des Straßenkörpers bzw. als Zubehör zur Kreisstraße und sind von ihrer Widmung als öffentliche Straße erfasst.
50Dass in der Widmungsverfügung die Flurstücke 0000 und 0001 nicht ausdrücklich aufgeführt sind, ist unschädlich. In einer Widmungsverfügung ist zwar mit der erforderlichen Deutlichkeit festzulegen, welchen räumlichen Umfang die Widmung hat. Insbesondere muss erkennbar sein, welche Grundflächen vom Geltungsbereich der Widmung erfasst werden. Zwingende und für alle Fallkonstellationen geltende Vorgaben für die Bestimmtheit einer Widmungsverfügung bestehen jedoch nicht. Im Zweifel ist die Frage, welche Verkehrsflächen von der Widmung erfasst werden, wie bei anderen Verwaltungsakten auch, durch eine Auslegung der Verfügung nach dem Empfängerhorizont zu ermitteln. Lassen sich die Lage und die räumliche Ausdehnung der Straße auch anhand von anderen Kriterien zweifelsfrei feststellen, etwa durch eine Beschreibung oder durch die Darstellung in einem Lageplan oder in einer Karte, reicht dies aus.
51Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 4. Juni 2012 - 11 A 1422/11 -, juris, Rn. 12; Bay. VGH, Beschluss vom 9. Januar 2018 - 8 ZB 17.473 -, juris, Rn. 15; Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 8, Rn. 3.1 f.
52Vorliegend ist in der Widmungsverfügung die bereits im Jahr 2011 für den Verkehr freigegebene und vollständig ausgebaute „im Stadtgebiet A. zwischen K und L gebaute Kreisstraße - Osttangente - […] zwischen den Netzknoten 5102076 und Netzknoten 5103092 von km 0,T.-Straße (Knotenpunkt Kreisverkehr K) bis km 2,384 (Knotenpunkt Kreisverkehr L) ohne Beschränkung als Kreisstraße dem öffentlichen Verkehr gewidmet“ worden. Der Widmungsverfügung war eine Karte beigefügt, in der der genaue Straßenverlauf gekennzeichnet worden war. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Zweifel daran, dass mit dieser Widmung alle Grundstücksflächen als Straßenbestandteil gewidmet worden sind, die - wie die streitgegenständliche Bushaltestelle - für die Straße eine dienende Funktion haben. Damit finden die aufgezeigten Grundsätze zum sog. modifizierten Privateigentum auch auf die im Streit stehenden Grundstücksflächen der Klägerin Anwendung mit der Folge, dass die Klägerin den durch die Widmung eröffneten Gemeingebrauch und damit insbesondere die Nutzung ihrer Grundstücksflächen als Bushaltestelle grundsätzlich hinnehmen muss.
532.2 Soweit die Klägerin mit ihrer Klage die Widmung angreift und geltend macht, die Voraussetzungen für eine Widmung hätten nicht vorgelegen, insbesondere fehle es an der in § 6 Abs. 5 StrWG NRW geregelten Voraussetzung, dass sie als Eigentümerin der der Straße dienenden Flurstücke 0000 und 0001 der Widmung zugestimmt haben müsse, stellt dies ihre Duldungspflicht nicht in Frage.
54a. Da die Klägerin die Widmung der 0000 nicht angefochten hat, ist diese in Bestandskraft erwachsen. Der Einwand ihrer materiellen Rechtswidrigkeit ist damit grundsätzlich ausgeschlossen.
55Bei der Widmung handelt es sich um einen Verwaltungsakt in der Form einer Allgemeinverfügung i. S. d. § 35 Satz 2 VwVfG NRW (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG NRW). Sie entfaltet ihre Wirksamkeit mit dem Zeitpunkt ihrer öffentlichen Bekanntmachung (vgl. hierzu § 41 Abs. 3 und 4 VwVfG NRW i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW) allen Betroffenen gegenüber zeitgleich, und zwar zum einen unabhängig davon, ob diese sie zur Kenntnis genommen haben oder zur Kenntnis nehmen konnten, und zum anderen auch unabhängig davon, ob die getroffene Regelung mit dem materiellen Recht übereinstimmt.
56Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Auflage 2019, § 43 Rn. 3 ff., m. w. N.
57Nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eines mit einer - wie hier - ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Verwaltungsakts tritt ohne Rücksicht auf Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts dessen Unanfechtbarkeit ein, soweit der Verwaltungsakt nicht nichtig ist. Die Unanfechtbarkeit ist Ausdruck des Gebots der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens und damit eine Folge des Rechtsstaatsprinzips. Aus ihr folgt in materieller Hinsicht, dass Behörden und Beteiligte (auch) nach Ablauf der regulären Anfechtungsfristen an die im Verwaltungsakt getroffene - auch rechtswidrige - Regelung gebunden bleiben und sich an diese halten müssen.
58Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Auflage 2019, § 43 Rn. 1b und 29 ff., m. w. N.
59b. Entgegen der Annahme der Klägerin ist die Widmung der Kreisstraße auch nicht ausnahmsweise nichtig und deswegen nach § 43 Abs. 3 VwVfG NRW unwirksam.
60Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 44 Abs. 1 VwVfG NRW nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.
61Ein Rechtsfehler gilt dann als besonders schwerwiegend, wenn er von solchem Gewicht und solcher Bedeutung ist, dass er mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar ist. Hierfür genügt ein bloßer Verstoß auch gegen Rechtsnormen von herausragender Bedeutung wie die Bindung der Verwaltung an Gesetz und Recht gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nicht. Der Fehler muss schlechthin unerträglich für die Rechtsordnung sein und die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem solchen Maß verletzen, dass der Verwaltungsakt keine Geltung beanspruchen kann. Maßgebend insoweit ist der Verstoß gegen die der Rechtsordnung insgesamt oder in bestimmter Hinsicht zugrunde liegenden und diese tragenden Zweck- und Wertvorstellungen, insbesondere auch gegen tragende Verfassungsprinzipien, und das Ausmaß des Widerspruchs zu diesen. Der Verstoß muss nach Art und Ausmaß ein Gewicht haben, dass eine Einschränkung des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zugunsten der Rechtssicherheit nicht mehr gerechtfertigt erscheint. Selbst schwere Rechtsanwendungsfehler führen aber regelmäßig allein noch nicht zur Nichtigkeit, sofern nicht ein besonderes Unwerturteil (z. B. Willkür, Sittenwidrigkeit) hinzutritt. Der Fehler selbst und seine besondere Schwere müssen zudem „evident“ sein. Dies ist der Fall, wenn die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsakts für einen unvoreingenommenen, urteilsfähigen, weder besonders sach- noch rechtskundigen, aber aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter ohne weiteres ersichtlich ist und sich geradezu aufdrängt. Dem Verwaltungsakt muss die Fehlerhaftigkeit gewissermaßen „auf die Stirn geschrieben“ sein.
62Vgl. Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Auflage 2019, § 44 Rn. 8 ff. und 12 ff., m. w. N.; Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2012 - 7 LB 84/11 -, juris, Rn. 29 und 00.
63Ausgehend hiervon stellt eine ohne Zustimmung des Grundstückseigentümers erfolgende Widmung ohne Zweifel einen erheblichen Eingriff in dessen Eigentumsgrundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG dar, die einem enteignungsgleichen Eingriff ähnlich ist.
64Vgl. Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2012 - 7 LB 84/11 -, juris, Rn. 30.
65Das Privateigentum wird, wie aufgezeigt, durch die Widmung modifiziert und von der öffentlich-rechtlichen Sachherrschaft überlagert. Aus diesem Grunde setzt § 6 Abs. 5 StrWG NRW die Zustimmung des Eigentümers oder sonst dinglich Berechtigten zu der Widmung voraus.
66Gleichwohl ist die fehlende Zustimmung des Grundstückseigentümers zur Widmung des in seinem Eigentum stehenden Straßengrundstücks regelmäßig nicht als besonders schwerwiegender „für die Rechtsordnung schlechthin unerträglicher“ Fehler anzusehen. Er macht die Widmung der Straße rechtswidrig und für den Eigentümer anfechtbar. Dieser wird hierdurch nicht rechtlos gestellt und kann seine Rechte verteidigen. Die fehlende Zustimmung führt im Regelfall jedoch nicht zur Nichtigkeit der Widmung.
67Vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rn. 50 und 80; Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 8, Rn. 30; Bachmeier/Müller/Rebler, Straßen- und Straßenverkehrsrecht für Kommunen, 2017, Kapitel 9., Ziffer 9.1.2; Grupp, in: Marshall, FStrG, Kommentar, 6. Auflage 2012, § 2 Rn. 16; Walprecht/Neutzer/Wichary, StrWG NRW, Kommentar, 2. Auflage 1986, § 6 Rn. 56; Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen, 3. Auflage 1989, § 6 Rn. 26; BGH, Urteil vom 12. Juli 1967 - V ZR 61/64 -, juris, Rn. 11 ff.; OVG Schl.-H., Beschluss vom 7. September 1995 - 4 M 84/95 -, juris, Rn. 2; VG Gera, Urteil vom 14. Januar 2004 - 2 K 1853/98.GE -, juris, Rn. 33; VG Köln, Beschluss vom 12. Mai 2016 - 18 L 682/16 -, juris, Rn. 21 ff. (jeweils m. w. N. auch zur Gegenmeinung); vgl. zum Streitstand überdies: Majcherek, in: Hengst/Majcherek, StrWG NRW, Kommentar, Loseblatt-Sammlung (Stand: Februar 2020), § 6 Rn. 6.4; Bay. VGH, Beschluss vom 8. August 2T.-Straße - 8 ZB 00.1744 -, juris, Rn. 7 f.; Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2012 - 7 LB 84/11 -, juris, Rn. 30; Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 20. Auflage 2019, § 44 Rn. 21 und 30.
68Die Umstände des vorliegenden Einzelfalls gebieten keine hiervon abweichende Bewertung. Denn ein besonders grober, schlechthin unerträglicher Rechtsverstoß, der nicht nur die Rechtswidrigkeit der Widmung begründet, sondern zu ihrer Unwirksamkeit führt, lässt sich hier nicht feststellen. Die Bewertung der im Namen der Klägerin abgegebenen Erklärungen durch die Beklagte mag rechtsfehlerhaft gewesen sein. Dass sich die Beklagte aber willkürlich und missbräuchlich über die klägerischen Interessen hinweggesetzt und bewusst ohne deren erforderliche Zustimmung die Widmung vorgenommen und die Klägerin hierdurch ohne Rechtsgrund faktisch enteignet hat, ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus dem ihr bekannten Akteninhalt nicht.
69aa. Die Zustimmung des Eigentümers zur Widmung einer Straße auf seinem Grundstück ist eine empfangsbedürftige, grundsätzlich nach Zugang unwiderrufliche Willenserklärung, für die keine Form vorgeschrieben ist. Auch wenn sie dem öffentlichen Recht angehört, sind bei ihrer Auslegung die Grundsätze der §§ 133 ff. BGB anwendbar. Aus der Formfreiheit der Zustimmung folgt, dass sie sowohl schriftlich als auch mündlich oder durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden kann. Schon im Hinblick auf die Auswirkungen der Zustimmung für den Grundstückseigentümer muss ihr aber ein dem Art. 6 Abs. 5 StrWG NRW entsprechender Erklärungsinhalt zu entnehmen sein, d. h., die - ausdrücklich oder konkludent gegebene - Zustimmung muss das Einverständnis des Grundstückseigentümers enthalten, dass auf einer näher bestimmten Fläche mit seiner Billigung öffentlicher Verkehr stattfinden soll. Ist eine Erklärung in sich widersprüchlich oder nicht hinreichend klar, so kann sie nicht die Voraussetzung für eine straßenrechtliche Widmung bilden.
70Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 28. August 2002 - 8 B 97.2432 -, juris, Rn. 15, m. w. N. Herber, in: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 7. Auflage 2010, Kapitel 8, Rn. 16 ff.; Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rn. 46 ff.
71bb. Dies zugrunde legend geht die Kammer nach dem Akteninhalt und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung von Folgendem aus:
72(1) Eine Zustimmung der Klägerin zur Nutzung ihrer Grundstücksflächen 0000 und 0001 für den Betrieb einer Bushaltestelle ist - entgegen der im Verfahren geäußerten Annahme der Beklagten - nicht bereits dem Schreiben der Stadtentwicklung A. GmbH & Co. KG vom 2. März 2005 und der auf diesem Schreiben und im Auftrag der L. S. GmbH erfolgten „Bestätigung“ des Inhalts des Schreibens durch den Architekten J. H. zu entnehmen (vgl. Beiakte I, Bl. 5 f.). Denn zum damaligen Zeitpunkt war noch keine Rede davon, die ursprünglich für den Bereich der Flurstücke 0010 und 0011 vorgesehene Bushaltestelle nach Süden zu verlagern. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus Ziffer 3. des Schreibens vom 2. März 2005. Denn die dort angesprochene „nach Abzug der für die Anlegung einer Bushaltestelle verbleibende Restfläche von 320 m²“ des Flurstücks 002, die von der L. S. GmbH erworben werden sollte, entspricht dem später tatsächlich erworbenen Flurstück 003, das nach Grundstücksteilung zu den Flurstücken 0002 und 0001 geworden ist. Die „für die Anlegung einer Bushaltestelle“ ausgenommenen Teilflächen entsprechen den im Eigentum der Stadt A. stehenden Flurstücken 0010 und 0011. Hier sollte nach damaliger Vorstellung die Bushaltestelle errichtet werden. Diese Planung ist später jedoch gerade nicht verwirklicht worden.
73(2) Im Zuge der im Jahr 2009 aufgenommenen Baumaßnahmen für die Kreisstraße kam es wiederholt zu Gesprächen zwischen der Klägerin und der Stadt A. sowie dem Kreis M. über die Schaffung einer weiteren Zufahrt zum östlichen Teil des Betriebsgeländes der Klägerin (Flurstück 0007) über die im Eigentum der Stadt A. stehenden Flurstücke 0010 und 0011. Zu diesem Zweck sollte die ursprünglich für den Bereich der Flurstücke 0010 und 0011 vorgesehene Bushaltestelle an der Kreisstraße nach Süden verlagert werden. Eine von der Klägerin im Verlauf der Gespräche signalisierte grundsätzliche Bereitschaft, für die Errichtung der nach Süden zu verlagernden Bushaltestelle ihre Flurstücke 0000 und 0001 zur Verfügung zu stellen, war ersichtlich getragen von der Erwartung, im Gegenzug die Zufahrtsmöglichkeit über die Flurstücke 0010 und 0011 zu erhalten. Offenbar vor diesem Hintergrund erteilte Herr B. P. dem Kreis M. mit Schreiben vom 21. April 2009 „unsere Zustimmung zu dem von Ihnen vorgelegten Konzept vom 10.3.2009 (sh. Anlage 1): Optimierte Lage der Bushaltestelle an der östlichen L.-Grundstücksgrenze“ und zu „dem dadurch notwendigen Grunderwerb“ (vgl. Beiakte I, Bl. 11 f.). Aufgrund dieser unter Bezugnahme auf eine beigefügte Planskizze, in der das streitgegenständliche Flurstück 0000 mit „Grunderwerb L.“ gekennzeichnet war, abgegebenen Erklärung war die Beklagte damals davon ausgegangen, dass Herr P. im Namen der L. S. GmbH einer Inanspruchnahme der Flurstücke 0000 und 0001 für den Betrieb einer Bushaltestelle zugestimmt hatte.
74Vgl. zur Berücksichtigung des maßgeblichen Empfängerhorizonts im Rahmen der Auslegung einer Willenserklärung Bay. VGH, Urteil vom 28. August 2002 - 8 B 97.2432 -, juris, Rn. 15.
75Die Vertretungsvollmacht des Herrn P. war allerdings ausweislich der Akten nicht durch die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nachgewiesen. Die Wirksamkeit der von ihm erteilten - und grundsätzlich bedingungsfeindlichen - Zustimmung war überdies angesichts der auch aus dem Betreff des Schreibens vom 21. April 2009 deutlich werdenden Verknüpfung der Zustimmung mit der Schaffung einer „Zufahrt zum L.-Grundstück an der östl. Grenze“ jedenfalls Bedenken ausgesetzt. Zutreffend weist die Klägerin überdies darauf hin, dass diese Zustimmung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der L. S. GmbH erklärt worden ist. Dass der Insolvenzverwalter Herrn P. zur Abgabe der Erklärung ermächtigt oder diese nachträglich genehmigt hat, ergibt sich aus der Akte nicht. Da sich die Erklärung, die eine Zustimmung zur Inanspruchnahme der Grundstücksflächen 0000 und 0001 für den Betrieb einer Bushaltestelle und damit zu einer Einschränkung der Nutzbarkeit der Grundstücksflächen beinhaltete, wohl auf die Insolvenzmasse auswirkte, spricht Vieles dafür, dass die Zustimmung (jedenfalls) im Zeitpunkt ihrer Erklärung nach § 81 Abs. 1 InsO unwirksam war.
76Vgl. Vuia, in: Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Auflage 2019, § 81 Rn. 3 ff., 13, vgl. aber auch Rn. 18 (zum Wirksamwerden einer zunächst unwirksamen Verfügung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens); vgl. überdies, die Unwirksamkeit für den Fall eines Veräußerungsverbots nach § 23 ZVG verneinend: VG Gera, Urteil vom 14. Januar 2004 - 2 K 1853/98.GE -, juris, Rn. 35.
77Dies hätte die Beklagte, die von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Kenntnis hatte, ohne weiteres erkennen können. Dass sie die Unwirksamkeit der Erklärung des Herrn P., der nach ihren nicht widerlegten Angaben in der Vergangenheit mehrfach und wiederholt als Ansprechpartner der L. S. GmbH aufgetreten war und nach einer ihr zur Kenntnis gebrachten E-Mail vom 26. März 2009 die Frage der Zustimmung zuvor mit dem Insolvenzverwalter hatte abstimmen wollen (vgl. Beiakte I, Bl. 8 = Gerichtsakte Bl. 136), tatsächlich kannte und sich bewusst und missbräuchlich hierüber hinweggesetzt hat, ist jedoch nicht erkennbar.
78(3) Zudem hatte am 10. August 2012 der Architekt J. H. im Namen der L. S. GmbH die Ergebnisse eines zuvor vor Ort durchgeführten Grenztermins vom 7. August 2012 anerkannt (vgl. Beiakte I, Bl. 22 f.). Damit war zwar keine ausdrückliche Zustimmung in eine damals - also mehr als ein Jahr nach der Freigabe der Kreisstraße für den öffentlichen Verkehr - vor Ort bereits ohne weiteres erkennbare Nutzung der Grundstücksflächen 0000 und 0001 als Bushaltestelle erklärt worden. Die Beklagte musste aber auch nach diesem Grenztermin, der zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat, als das Insolvenzverfahren und damit auch das insolvenzrechtliche Verfügungsverbot bereits aufgehoben war, keinen Anlass haben, an einem Fortbestehen der aus ihrer Sicht bereits erteilten Zustimmung zur Nutzung der Grundstücksflächen als Bushaltestelle zu zweifeln. Soweit die Klägerin darauf verweist, die schriftliche Vollmacht vom 25. September 2012 habe Herrn H. allein zur Beantragung und Vornahme von Akteneinsicht in behördliche Akten ermächtigt, übersieht sie, dass ihr Geschäftsführer unter dem 28. September 2012 ausdrücklich die zuvor mündlich erteilte Vollmacht für Herrn J. H., die L. S. GmbH im Grenztermin vom 10. August 2012 - und zwar ohne eine Beschränkung auf Handlungen im Zusammenhang mit einer Einsichtnahme in Behördenakten - zu vertreten, schriftlich bestätigt hat (vgl. Beiakte I, Bl. 24).
79(4) Zweifel an der Erteilung einer Zustimmung mussten ausweislich des Akteninhalts allerdings am 5. Dezember 2013 aufkommen, als in einer gemeinsamen Besprechung der Beteiligten u. a. auch der Vorwurf einer unberechtigten Inanspruchnahme der Grundstücke der Klägerin für den Bau der Bushaltestelle erhoben wurde. Aus dem Umstand, dass die Beklagte diesen Vorwurf ausweislich des über die Besprechung gefertigten „Vermerks“ jedoch unter Verweis auf eine in den Jahren 2005 und 2009 erteilte Zustimmung der Klägerin zurückgewiesen hat (vgl. Beiakte I, Bl. 17 ff.), folgt zugleich, dass sie offenbar davon ausging, die Zustimmung sei wirksam erteilt.
80(5) Soweit die Klägerin sich darauf beruft, im Zeitpunkt der Auflassung des Flurstücks 002 (nach späterer Grundstücksteilung Flurstücke 0002 und 0001) im Januar 2012 sei dieses Grundstück bereits für die Anlage der Bushaltestelle in Anspruch genommen worden, weshalb es sich zum einen als rechtsmissbräuchlich erweise, dieses Flurstück als „unbebaut“ und „dinglich unbelastet“ zu übereignen, und zum anderen nicht nachvollziehbar sei, weshalb die Beklagte im Jahr 2009 überhaupt die Zustimmung der Klägerin habe erwirken wollen, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht Eigentümerin des Flurstücks 0001 gewesen sei, führt auch dieser Einwand nicht zur Annahme eines besonders schwerwiegenden Fehlers der Widmung. Das gleiche gilt für ihren Vortrag, die Beklagte habe im Dezember 2013 versucht, die Umschreibung des Flurstücks 0000 durch Einflussnahme auf den Notar „auf kaltem Wege“ und damit rechtsmissbräuchlich zu erreichen. Denn zum einen war die Beklagte hinsichtlich des Erwerbs des Flurstücks 0001 bereits nicht Vertragspartnerin der Klägerin, dies war vielmehr die Stadt A.. Zum anderen steht auch der für Dezember 2013 beschriebene Vorgang betreffend das Flurstück 0000 in keinem direkten Zusammenhang mit der vorliegend relevanten Frage, ob die Klägerin eine grundsätzlich unwiderrufliche Zustimmung zur Inanspruchnahme ihres Grundstücks bereits erteilt hatte bzw. die Beklagte - möglicherweise rechtswidrig - im Zeitpunkt der Vornahme der Widmung im Jahr 2014 von (dem Fortbestehen) einer solchen Zustimmung ausgegangen war.
81cc. Vor dem Hintergrund dieser Feststellungen ist der vorliegende Fall - anders als die Klägerin meint - nicht mit der Sachverhaltskonstellation vergleichbar, die der Entscheidung des Niedersächsischen OVG aus dem Jahr 2012 zugrunde lag. In dem dort zur Entscheidung stehenden Fall hatte sich u. a. aus einem internen Vermerk ergeben, dass nach Auffassung der Behörde die beabsichtigte Widmung rechtswidrig sei, da keine Zustimmung der Grundstückseigentümerin vorliege. Gleichwohl wurde die Widmung vorgenommen. Die Behörde hatte nach den Feststellungen des Niedersächsischen OVG in voller Kenntnis der Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens gehandelt, um unter Missbrauch der Regelungen über die Bestandskraft von Verwaltungsakten und Umgehung der gesetzlichen Regelungen des Straßengesetzes die Eigentümerin faktisch entschädigungslos zu enteignen. Dass ein derart gravierender Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten keinesfalls akzeptabel ist, wie das Niedersächsische OVG meint,
82vgl. Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2012 - 7 LB 84/11 -, juris, Rn. 32 und 00,
83liegt auf der Hand und wird von der erkennenden Kammer nicht anders beurteilt. Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an belastbaren Anhaltspunkten für ein vorsätzliches und missbräuchliches Agieren der Beklagten. Dass sie möglicherweise rechtswidrig gehandelt hat, weil sie die Widmung ohne eine wirksame Zustimmung vorgenommen hat, reicht für eine Nichtigkeit - wie dargelegt - nicht aus. Ihr Vortrag, im Zeitpunkt der Widmung von der Wirksamkeit der Zustimmung ausgegangen zu sein, ist nicht widerlegt und wird vom Inhalt der Akten zudem gestützt.
843. Die Klägerin war und ist als Eigentümerin der in Anspruch genommenen Grundstücksflächen auch nicht rechtsschutzlos gestellt. Bis zu der im Jahr 2014 erfolgten und nach dem zuvor Gesagten eine Duldungspflicht begründenden Widmung hätte sie der seit dem Jahr 2011 und damit immerhin schon mehrere Jahre andauernden Nutzung als Bushaltestelle ausdrücklich widersprechen und unter Berufung auf eine nicht erteilte Zustimmung die Unterlassung der Nutzung und die Beseitigung der Bushaltestelle nebst Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen und ggf. im Klageweg durchsetzen können.
85Vgl. etwa Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rn. 171.
86Überdies sieht das Gesetz für den Fall des Auseinanderfallens von Eigentum am Straßengrundstück und Straßenbaulast auf Antrag des Eigentümers eine fristgebundene Erwerbspflicht des Straßenbaulastträgers vor (vgl. § 11 Abs. 2 StrWG NRW). Die für die Erwerbspflicht normierte Fünf-Jahres-Frist ist vorliegend zwar inzwischen abgelaufen. Die Beklagte hat im Klageverfahren jedoch deutlich gemacht, nach wie vor zu einem Erwerb der Grundstücke zum Verkehrswert bereit zu sein.
87Im Übrigen bleibt es der Klägerin unbenommen, gegebenenfalls etwaige Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen.
88II. Aus den dargelegten Gründen bleiben auch der geltend gemachte Herausgabe- und der Unterlassungsanspruch ohne Erfolg, ohne dass es darauf ankäme, ob diesen Ansprüchen neben dem zur Entscheidung gestellten umfassenden Folgenbeseitigungsanspruch überhaupt eine eigenständige Bedeutung zukommt. Jedenfalls steht die dargelegte Duldungspflicht der Klägerin diesen Ansprüchen ebenfalls entgegen (vgl. auch §§ 986 Abs. 2, 1004 Abs. 2 BGB).
89Vgl. hierzu Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rn. 135.
90III. Soweit die Klägerin hilfsweise begehrt, die Nichtigkeit der Widmung der Kreisstraße festzustellen, bleibt auch diesem Antrag der Erfolg verwehrt. Wie zuvor bereits im Einzelnen ausgeführt, ist die Widmung entgegen der Auffassung der Klägerin nicht nichtig.
91C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 3 K 1602/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 5 StrWG 3x (nicht zugeordnet)
- BGB § 986 Einwendungen des Besitzers 1x
- V ZR 61/64 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 35 Begriff des Verwaltungsaktes 1x
- 18 L 682/16 1x (nicht zugeordnet)
- § 41 Abs. 1 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 113 1x
- Urteil vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (7. Senat) - 7 LB 84/11 4x
- BGB § 985 Herausgabeanspruch 1x
- § 6 Abs. 1 Satz 1 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 167 1x
- VwVfG § 43 Wirksamkeit des Verwaltungsaktes 1x
- § 11 Abs. 2 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- 11 A 1422/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 1 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 2 StrWG 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch 1x
- VwVfG § 41 Bekanntgabe des Verwaltungsaktes 1x
- 2 K 1853/98 2x (nicht zugeordnet)
- §§ 133 ff. BGB 1x (nicht zugeordnet)
- ZVG § 23 1x
- VwGO § 40 1x
- 11 E 469/08 2x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 44 Nichtigkeit des Verwaltungsaktes 1x
- 91 IN 66/09 1x (nicht zugeordnet)
- InsO § 81 Verfügungen des Schuldners 1x
- 4 M 84/95 1x (nicht zugeordnet)
- 5 S 1276/16 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 1 Satz 2 StrWG 1x (nicht zugeordnet)