Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (3. Kammer) - 3 A 2506/17 HGW

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 22. März 2018 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.831,68 Euro nebst Zinsen daraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 6. Dezember 2017 zu zahlen.

3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist wegen Ziffer 2) und wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenausbaubeitrag.

2

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes auf dem F 1. Das Grundstück grenzt an den H-L-Weg. Der Beklagte baute die Straße H-L-Weg im Jahr 2003 aus. Die Ausbaumaßnahme wurde im Jahr 2003 abgeschlossen. Die Schlussrechnung für die Baumaßnahme stammte vom 16. Februar 2004 (Blatt 50 der Beiakte). Mit Schreiben vom 9. Mai 2005 erteilte die T. GmbH dem Beklagten eine Gutschrift für maßnahmebezogene Kosten in Höhe von 2.127,12 Euro. Die Straße H-L-Weg verläuft auf einer Fläche von etwa 30 m2 über Grundstücke, die nicht im Eigentum der Stadt A-Stadt stehen. Ein Eigentumserwerb durch die Stadt A-Stadt kam nicht zustande. Am 12. Oktober 2016 beschloss die Stadtvertretung der Stadt A-Stadt, die Satzung der Stadt A-Stadt über die Abweichung von § 9 der Straßenausbaubeitragssatzung im Rahmen der Beitragserhebung H-L-Weg (Abweichungssatzung H-L-Weg - AS-HLW). § 1 Abs. 2 AS-HLW sieht vor, dass abweichend von § 9 der Satzung der Stadt A-Stadt über die Erhebung von Beiträgen für den Ausbau von Straßen, Wegen und Plätzen (Straßenausbaubeitragssatzung - SAS) für den im Jahr 2003 durchgeführten Ausbau des H-L-Weges bestimmt wird, dass die grundbuchrechtliche Durchführung des Grunderwerbs an den Flurstücken F 2, F 3 und F4, keine Voraussetzung für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht ist. Nach ihrem § 2 sollte die Satzung am Tage nach ihrer öffentlichen Bekanntmachung in Kraft treten. Die Satzung wurde in der St. Zeitung vom 19. November 2016 veröffentlicht. Mit Bescheid vom 10. Januar 2017 zog der Beklagte den Kläger zur Zahlung eines Straßenausbaubeitrages für den H-L-Weg in Höhe von insgesamt 6.831,68 Euro heran, den der Kläger vollständig zahlte. Gegen diesen Heranziehungsbescheid erhob der Kläger am 25. Januar 2017 Widerspruch.

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Am 5. Dezember 2017 hat der Kläger Klage erhoben und zunächst beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die bereits gezahlten 6.831,68 Euro an den Kläger zu erstatten. Der Kläger ist der Auffassung, der Bescheid des Beklagten sei rechtswidrig. Nach der Straßenausbaubeitragssatzung habe der Beitragsanspruch noch nicht entstehen können, da diese den Abschluss des Grundstückserwerbs als Merkmal des Entstehens der Beitragspflicht vorsehe. Die Abweichungssatzung H-L-Weg berechtige ebenfalls nicht zur Beitragserhebung. Die Satzung sei schon nicht ordnungsgemäß bekanntgemacht worden. Die vorgenommene Veröffentlichung der Abweichungssatzung entspreche weder den Bestimmungen der Hauptsatzung noch des Kommunalrechts. Zudem entstehe nach der Abweichungssatzung die Beitragspflicht mit der Fertigstellung der Anlage, also spätestens mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung. Dies sei im Jahr 2004 gewesen. Dieser Zeitpunkt sei jedoch von der Änderungssatzung nicht erfasst. Eine nachträglich in Kraft getretene Satzung könne die Beitragsberechtigung nicht nachträglich begründen. Messe man der Abweichungssatzung Rückwirkung bei, sei wegen des Beitragsanspruchs zwischenzeitlich Festsetzungsverjährung eingetreten. Selbst bei angenommener Unwirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung sei die Beitragsforderung nicht gerechtfertigt, da dann überhaupt keine Satzung vorläge.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 über die Heranziehung zu Straßenausbaubeiträgen in Höhe von 6.831,68 Euro in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. März 2018 aufzuheben und

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den Beklagten zu verurteilen, die bereits gezahlten 6.831,68 Euro dem Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

9

Er ist der Auffassung, die Beitragserhebung sei rechtmäßig erfolgt. Es seien mehrere Anläufe unternommen worden, die Frage der Überbauung privater Grundstücksflächen zu klären. Dies sei gescheitert. Die sachliche Beitragspflicht habe aufgrund des ursprünglich geltenden Satzungsrechts deshalb nicht entstehen können. Mit Inkrafttreten der Abweichungssatzung, die ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht worden sei und auf das Erfordernis des Grundstückserwerbs verzichte, sei das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht dann herbeigeführt worden. Der Vertrauensschutz des Klägers sei nicht verletzt worden, da die Voraussetzungen für eine Beitragsforderung zum Zeitpunkt der Baumaßnahme vorgelegen hätten. Lediglich die sachliche Beitragspflicht sei zu einem späteren Zeitpunkt herbeigeführt worden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts B-Stadt zu Ausbaumaßnahmen in satzungsloser Zeit sei hier nicht anwendbar. Diese Rechtsprechung gehe davon aus, dass für den Beitragsschuldner im Zeitpunkt der Fertigstellung der Anlage erkennbar sein müsse, dass und inwieweit Beiträge erhoben werden könnten. Dies stehe einer Beitragserhebung hier nicht entgegen. Für den Kläger sei hier zu erkennen gewesen, dass Beiträge erhoben werden würden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts sei hier auch deshalb nicht anzuwenden, weil sie auf der Annahme beruhe, dass die rückwirkende Inkraftsetzung einer Beitragssatzung nur dann in Betracht komme, wenn vormals eine fehlerhafte Beitragssatzung in der Welt gewesen sei. Erschwerend komme hier hinzu, dass es der Kläger gewesen sei, der sich geweigert habe, die benötigten Straßengrundstücke an die Stadt A-Stadt zu veräußern. Der Kläger habe damit letztlich selbst verhindert, dass die Beitragspflicht nach Maßgabe der ursprünglichen Satzung entstehen konnte.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Heranziehungsbescheid vom 10. Januar 2017 zurück. Mit Schriftsatz vom 27. März 2018, der am 28. März 2018 beim Verwaltungsgericht einging, hat der Kläger den Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 zum Gegenstand dieses Verfahrens gemacht.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge, die dem Gericht vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 21. November 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

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Die Klage hat Erfolg; sie ist zulässig und begründet.

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1. Die Klage ist zulässig. Dass der Kläger die Klage vor erfolgslosem Abschluss des Vorverfahrens, § 68 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), erhoben hat, ist unschädlich. Denn die Prozessvoraussetzung des erfolglos durchgeführten Vorverfahrens kann bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Klage nachgeholt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 02.09.1983 - 7 C 97/81 -, juris Rn. 10). Das ist hier der Fall. Der Beklagte hat nach Erhebung der Klage am 5. Dezember 2017 mit Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018, den der Kläger am 28. März 2018 zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht hat, den Widerspruch des Klägers gegen den Beitragsbescheid vom 10. Januar 2017 zurückgewiesen. Sofern nicht bereits ein gesetzliche Einbeziehung des nach Klagerhebung erlassenen Widerspruchsbescheides in das laufende Verfahren eintritt (so wohl Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 75 Rn. 26 und 21), stellt die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides jedenfalls eine nach § 91 Abs. 1 VwGO zulässige Klageänderung dar. Die Einbeziehung des Widerspruchsbescheides in das laufende Klageverfahren ist sachdienlich. Der Beklagte hat sich zudem nach erfolgter Einbeziehung widerspruchlos auf die geänderte Klage eingelassen.

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2. Die Klage ist begründet.

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a) Der angefochtene Beitragsbescheid des Beklagten vom 10. Januar 2017 ist auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 gefunden hat, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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aa) Der Beitragsbescheid des Beklagten kann, entgegen der Ansicht des Beklagten, nicht auf die Straßenausbaubeitragssatzung vom 19. Oktober 2012 (SAS) in der Fassung der 1. Satzung zur Änderung der Straßenausbaubeitragssatzung vom 18. Dezember 2012 (1. Änderungssatzung) in Verbindung mit der Abweichungssatzung H-L-Weg gestützt werden.

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bb) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung hat das Gericht nicht. Weder werden vom Kläger Gründe, die zur Unwirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung führen können, geltend gemacht noch drängen sie sich dem Gericht auf.

18

Rechtsfehlerhaft ist zwar die Vorschrift in § 5 Abs. 5 Buchst. a) SAS über den Ansatz eines nutzungsbezogenen Artzuschlages. Soweit die Vorschrift den Ansatz des nutzungsbezogenen Artzuschlages an die Belegenheit des gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstückes in einem der dort genannten Baugebietstypen knüpft, ist dies nach der Rechtsprechung des erkennenden Gerichts weder mit dem Vorteilsprinzip des § 7 Abs. 1 Satz 1 HS 1 KAG M-V noch mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vereinbar (vgl. VG Greifswald, Urt. v. 02.04.2015 - 3 A 196/14 -, juris Rn. 22). Allerdings wirkt sich dieser Rechtsfehler auf die Wirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung hier nicht aus. Es ist im Straßenbaubeitragsrecht allgemein anerkannt, dass nach dem sogenannten Grundsatz der regionalen Teilbarkeit eine fehlerhafte Verteilungsregelung nur dann zur Unwirksamkeit der Beitragssatzung und damit zur Rechtswidrigkeit des Heranziehungsbescheides führt, wenn sie im Abrechnungsgebiet auch tatsächlich zur Anwendung kommen muss. (vgl. OVG Greifswald, Beschl. v. 26.02.2004 - 1 M 242/03 -, juris Rn. 46). Davon ist hier nicht auszugehen. Die Satzungsnorm ist hier nicht angewendet worden und ist auch nicht anzuwenden gewesen, da nach den Erkenntnissen des Gerichts keine gewerblich oder gewerbeähnlich genutzten Grundstücke zu dem Abrechnungsgebiet gehören.

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Die Unwirksamkeit der Straßenausbaubeitragssatzung folgt auch nicht daraus, dass die Vorschrift über den Beitragsmaßstab in § 5 Abs. 2 Nr. 4 SAS, wonach für bebaute Grundstücke im Außenbereich, § 35 Baugesetzbuch (BauGB) als Grundstücksfläche für den bebauten Teil die mit Gebäuden überbaute Fläche mit dem Vervielfältiger 5, höchstens aber die tatsächliche Grundstücksgröße, berücksichtigt wird, keine Definition der Lage der sogenannten Umgriffs- oder Abgeltungsflächen enthält. Der Grundsatz der Einmaligkeit des Beitrages gebietet zwar, dass feststehen muss, für welche Grundstücksfläche die Beitragspflicht abgegolten wird, und dass ein einmal entstandener Beitrag für dasselbe Grundstück nicht zu anderer Zeit und in anderer Höhe noch einmal entstehen kann, sodass die Beitragssatzung die Lage der Umgriffsflächen bestimmen muss (vgl. zum Anschlussbeitragsrecht m.w.N. OVG Greifswald, Beschl. v. 03.12.2002 - 1 L 127/02 -, juris Rn. 6). Allerdings führt das Fehlen einer Umgriffsflächenregelung nicht zur Fehlerhaftigkeit der Maßstabsregelung insgesamt. Die Maßstabsregelung gibt Auskunft über die auf das beitragspflichtige Grundstück entfallenden Beitragseinheiten. Solange sie diese Funktion in einer unter Vorteilsgesichtspunkten nicht zu beanstandenden Weise erfüllt, ist sie wirksam und löst die Folgen des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V nicht aus. Die Umgriffsflächenregelung ist mit der Maßstabsregelung zwar eng verknüpft. Ihr Fehlen oder ihre Fehlerhaftigkeit hat jedoch nicht die Unvollständigkeit der Beitragssatzung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V zur Folge. Denn die Zuordnung der auf Grundlage der Umgriffsflächenregelung ermittelten Beitragseinheiten dient nicht der Ermittlung der auf das betreffende Grundstück entfallenden Beitragseinheiten, sondern soll mit Blick auf den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung lediglich gewährleisten, dass die Teilfläche des Grundstücks, für die ein Anschlussbeitrag erhoben wird, bei einer Beitragserhebung für die Restfläche – z.B. nach einer Überplanung des gesamten Grundstücks – nicht nochmal berücksichtigt wird (vgl. OVG Schleswig, Urt. v. 27.04.2009 – 2 LB 64/08 –, juris Rn. 33 ff.). Die Flächezuordnung gehört damit nicht zur eigentlichen Maßstabsregel. Eine Fehlerhaftigkeit der Zuordnungsregelung kann sich daher erst bei einer weiteren Beitragserhebung für das betreffende Grundstück auswirken (VG Greifswald, Urt. v. 05.05.2018 – 3 A 619/15 HGW –, juris Rn. 43). Zudem ist im Bereich des Straßenausbaubeitragsrechts ein Bedürfnis für eine derartige Vorschrift, die erst im Fall von Beitragsnacherhebungen zum Tragen kommt, nicht ersichtlich. Im Straßenausbaubeitragsrecht sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht maßgeblich sind, was spätere Änderungen rechtlicher oder tatsächlicher Art unbeachtlich erscheinen lässt (vgl. m.w.N. Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, Kommunalabgabengesetz Mecklenburg-Vorpommern, Anm. 1.7 zu § 8, Stand 07/2013).

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cc) Die Heranziehung des Klägers zu einem Straßenausbaubeitrag für die Ausbaumaßnahme H-L-Weg ist dennoch nicht gerechtfertigt.

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(1) Auf Grundlage allein der Straßenausbaubeitragssatzung, die sich in der Fassung der 1. Änderungssatzung ihrerseits Rückwirkung ab dem 13. Mai 1991 beimisst, konnte die sachliche Beitragspflicht für die Ausbaumaßnahme H-L-Weg bisher nicht entstehen. Sie berechtigt deshalb nicht zur Beitragserhebung.

22

Nach § 9 Satz 1 SAS entsteht die sachliche Beitragspflicht mit dem Abschluss der Baumaßnahme, sobald die Kosten feststehen und der erforderliche Grunderwerb grundbuchrechtlich durchgeführt ist. Das ist frühestens mit dem Eingang der letzten Unternehmerrechnung der Fall (§ 9 Satz 2 SAS). Neben dem Abschluss der Baumaßnahme und dem Feststehen der Kosten stellt die Vorschrift mit der grundbuchrechtlichen Durchführung des Grunderwerbs zulässigerweise ein weiteres Entstehensmerkmal auf. Dem steht höherrangiges Recht nicht entgegen. Die Vorschrift des § 8 Abs. 5 KAG M-V, wonach die sachliche Beitragspflicht mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung entsteht, ist insoweit nicht abschließend und steht der Bestimmung weiterer Entstehensmerkmale nicht entgegen. Insbesondere die Durchführung des Grunderwerbs kann der Ortsgesetzgeber als zusätzliches Merkmal für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht bestimmen (vgl. m.w.N. OVG Greifswald, Urt. v. 27.01.2016 - 1 L 1/12 -, juris Rn. 29). Das Merkmal des erforderlichen Grunderwerbs ist dabei dahin zu verstehen, dass damit der Erwerb aller Flächen gemeint ist, über die die ausgebaute Anlage beziehungsweise Straße unmittelbar verläuft (vgl. OVG Greifswald a.a.O., Rn. 32).

23

Zwischen den Beteiligten ist hier unstreitig, dass das Entstehensmerkmal der grundbuchrechtlichen Durchführung des erforderlichen Grunderwerbs für die Ausbaumaßnahme H-L-Weg nicht erfüllt ist. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass die Straße auf einer Fläche von etwa 30 m2 über Grundstücke (Flurstücke F 2, F 3, F4,) verläuft, die nicht im Eigentum der Stadt A-Stadt, sondern - jedenfalls teilweise - im Eigentum des Klägers stehen. Der erforderliche Grunderwerb ist damit bisher nicht durchgeführt worden. Das steht der Entstehung der sachlichen Beitragspflicht entgegen. Zwar mag sich aus Sicht des Beklagten die Situation, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht - und damit die Beitragserhebung insgesamt - an der Verweigerung der Anlieger, erforderliche Grundstücke zu veräußern, scheitert, als misslich darstellen. Allerdings steht die „Bösgläubigkeit“ der Grundstückseigentümer dem Eintritt der Rechtsfolge (Nichtentstehen der sachlichen Beitragspflicht) nicht entgegen. Maßgeblich ist allein die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale der Entstehensregel erfüllt sind. Nicht maßgeblich sind indessen die Umstände, die zu deren Nichterfüllung geführt haben mögen.

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(2) Der Erlass der Abweichungssatzung H-L-Weg vom 12. Oktober 2016 berechtigt den Beklagten ebenfalls nicht zur Beitragserhebung für die hier in Rede stehende Ausbaumaßnahme.

25

aaa) Es ist der Stadt A-Stadt zunächst nicht verwehrt, Maßnahmensatzungen zu erlassen, die von den allgemeinen Vorschriften ihrer Straßenausbaubeitragssatzung abweichende Regelungen in Bezug auf eine einzelne Ausbaumaßnahme treffen (vgl. Holz in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O., Anm. 1.3.1 zu § 8 sowie m.w.N. Driehaus in ders., Kommunalabgabenrecht - Band II, 9/2015, § 8 Rn. 444). Gegen den Erlass der Abweichungssatzung H-L-Weg ist deshalb im Grundsatz nichts einzuwenden. Dass diese maßnahmebezogene Satzung unter Abweichung von § 9 Satz 1 SAS auf das Merkmal der grundbuchrechtlichen Durchführung des Grunderwerbs für das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht verzichtet, ist für sich genommen ebenfalls nicht bedenklich. Denn dieses Entstehensmerkmal darf - wie bereits ausgeführt - durch Satzung zulässigerweise geregelt werden, ist jedoch nicht von höherrangigem Recht geboten.

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bbb) Die Abweichungssatzung H-L-Weg erweist sich aber als unwirksam, weil nicht feststellbar ist, dass sie ordnungsgemäße öffentlich bekanntgemacht worden ist.

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Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 Kommunalverfassung (KV M-V) sind Satzungen, also auch Abgabensatzungen, öffentlich bekanntzumachen. Die öffentliche Bekanntmachung einer Satzungsnorm ist Wirksamkeitsvoraussetzung (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 08.10.2014 - 1 L 168/11 -, juris Rn. 25; Aussprung in: Aussprung/Siemers/Holz, a.a.O., Stand 11/2015, Anm. 8.5 zu § 2). Unterbleibt die öffentliche Bekanntmachung oder erfolgt sie fehlerhaft, wird die Satzungsnorm nicht wirksam.

28

Wie die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen zu erfolgen hat, insbesondere die Form, Fristen und das Verfahren, bestimmt die Gemeinde im Rahmen der auf Grundlage von § 174 Abs. 1 Nr. 2 KV M-V erlassenen Durchführungsverordnung zur Kommunalverfassung (KV-DVO) in der Hauptsatzung (§ 5 Abs. 4 Satz 2 und 3 KV M-V). Die Form der öffentlichen Bekanntmachung ist gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 KV-DVO in der Hauptsatzung festzulegen. § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Hauptsatzung der Stadt A-Stadt vom 7. Mai 2015 (Hauptsatzung - HS) bestimmt, dass Bekanntmachungen von Satzungen der Stadt A-Stadt, soweit es sich nicht um solche nach dem Baugesetzbuch handelt, im Internet, zu erreichen über die Internetseite des Amtes St. Land über den Menüpunkt „Ortsrecht“, erfolgen. Darüber hinaus werden Satzungen im amtlichen Bekanntmachungsblatt „St. Zeitung“ veröffentlicht (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 HS). Nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 HS ist die Bekanntmachung und Verkündung mit Ablauf des ersten Tages bewirkt, an dem die Bekanntmachung in der Form des Absatzes 1 im Internet verfügbar ist. Dieser Tag wird in der Bekanntmachung vermerkt. Für den hier gegebenen Fall der öffentlichen Bekanntmachung im Internet ordnet § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KV-DVO an, dass in der Hauptsatzung die Internetadresse anzugeben ist.

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Dass die Bekanntmachung in der von § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS bestimmten Form erfolgt ist, kann das Gericht hier nicht feststellen. Nach den Regelungen der Hauptsatzung soll eine rechtsfolgenauslösende (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO; § 5 Abs. 5 Satz 1 KV M-V) öffentliche Bekanntmachung ausschließlich im Internet auf der Internetseite www. de erfolgen. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 3 HS, der wegen der Bewirkung der Bekanntmachung auf die Verfügbarkeit der Bekanntmachung im Internet abstellt. Sowohl aus den von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgängen (Blatt 32 der Beiakte I) als auch aus dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 22. März 2018 ergibt sich indessen, dass eine Veröffentlichung in der St. Zeitung vom 19. November 2016 erfolgt ist. Von einer Bekanntmachung im Internet und noch dazu auf der in der Hauptsatzung genannten Internetseite ist hingegen keine Rede. Nichts anderes folgt auch aus dem mit Schriftsatz vom 13. September 2018 übersandten Screenshot. Auf diesem ist vermerkt: „am 19.11.2016 in der St. Zeitung erschienen, somit am 20.11.2016 bekannt gegeben“. Dass eine den Maßgaben des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS genügende öffentliche Bekanntmachung erfolgt ist, ist den Ausführungen des Beklagten indessen nicht zu entnehmen. Der Beklagte hat mit dem Schriftsatz vom 13. September 2018 selbst eingeräumt, dass in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS angegebene Internetseite nicht mehr existiere und stattdessen eine Weiterleitung auf die Internetseite .de erfolge. Das entspricht gerade nicht den Maßgaben des § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS. Seit wann dies der Fall ist und ob die Abweichungssatzung H-L-Weg jemals auf der Internetseite www. de eingestellt worden ist, hat er nicht erläutert. Soweit der Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Abweichungssatzung H-L-Weg die in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS genannte Internetseite noch existiert habe und die Abweichungssatzung H-L-Weg dort eingestellt worden sein soll, handelt es sich dabei um eine nicht näher substantiierte und nicht belegte Behauptung. Sie steht noch dazu nicht in Einklang mit dem früheren Vortrag des Beklagten in dem Schriftsatz vom 13. September 2018, wonach die Satzung am 9. November 2016 auf der Internetseite der Stadt A-Stadt eingestellt worden sein soll. Zudem ergibt, wenn denn die Satzung im Internet zutreffend zur Verfügung gestellt worden sein soll, der Vermerk auf dem übersandten Screenshot keinen Sinn. Der Screenshot selbst belegt die Behauptung ebenso wenig. Er mag eine Liste von irgendwo (im Internet) verfügbaren Satzungen zeigen, sagt aber nichts über eine § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS entsprechende Bekanntmachung auf der maßgeblichen Internetseite aus. Selbst wenn indessen eine Bekanntmachung auf der in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS genannten Internetseite erfolgt sein sollte, sind die näheren Umstände der Bekanntmachung gleichermaßen nicht nachvollziehbar. Der von § 11 Abs. 1 Nr. 3 HS geforderten Vermerk über den Zeitpunkt der Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung im Internet ist nicht ersichtlich. Dasselbe gilt für die Einhaltung von § 8 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 4 KV-DVO, wonach, wenn die öffentliche Bekanntmachung amtsangehöriger Gemeinden auf der Internetseite des Amtes erfolgt, der Internetnutzende abweichend höchstens mit zwei Mausklicks von Startseite in den Bereich des gemeindlichen Ortsrechts gelangen muss. Hierzu hat der Beklagte nichts dargelegt, da die Internetseite www. de nicht mehr existiere und er über keine Aufzeichnungen der Art und Weise der Bekanntmachung verfüge.

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Eine gegebenenfalls zeitlich nachfolgende erneute Veröffentlichung der Satzung auf der Internetseite .de ist für die Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung nicht ausreichend. Sie entspricht nicht den Bestimmungen der Hauptsatzung. Der Hauptsatzung kommt insoweit bestimmender und individualisierender Charakter zu, als dass durch die Angabe der einzig maßgeblichen Internetseite für jedermann klar erkenntlich sein muss, an welchem Ort eine rechtsfolgenauslösende öffentliche Bekanntmachung erfolgt. Allein dies wird auch § 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KV-DVO gerecht, der die Angabe „der“ Internetadresse fordert. Die Sache liegt bei Bekanntmachungen im Internet insoweit nicht anders als in Fällen der Bekanntmachung mittels eines Bekanntmachungsblattes. Wenn die Gemeinde sich statt des bisherigen Bekanntmachungsblattes eines anders benannten Bekanntmachungsblattes bedienen möchte, wäre auch in diesem Fall aus Gründen der Bestimmbarkeit eine - zutreffende - namentliche Bezeichnung und eine Änderung der Hauptsatzung erforderlich (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KV-DVO).

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Für die Bewirkung der öffentlichen Bekanntmachung der Abweichungssatzung H-L-Weg ebenfalls unzureichend ist, dass die Abweichungssatzung H-L-Weg zusätzlich in der St. Zeitung veröffentlicht wurde. Aus dem Wortlaut von § 5 Abs. 4 Satz 2 KV M-V und § 3 Abs. 2 Satz 1 KV-DVO, der jeweils davon spricht, dass „die Form der öffentlichen Bekanntmachung“ (Singular) in der Hauptsatzung zu bestimmen ist, ergibt sich, dass die Hauptsatzung grundsätzlich eine einzige Bekanntmachungsform zu bestimmen hat. Daraus folgt zugleich, dass - ungeachtet der Möglichkeit der Notbekanntmachung nach § 3 Abs. 3 KV-DVO und der Ersatzbekanntmachung nach § 4 KV-DVO - die öffentliche Bekanntmachung wirksam nur in der einen Form, die in der Hauptsatzung bestimmt ist, erfolgen kann. Diese Bestimmung ist hier - wie bereits dargelegt - mit § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 HS im Sinne einer öffentlichen Bekanntmachung im Internet getroffen. Die zusätzliche Veröffentlichung in der St. Zeitung, wird in § 11 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 HS zwar erwähnt und für den Sonderfall der Satzungen und Bekanntmachungen nach dem Baugesetzbuch in § 11 Abs. 4 HS speziell ausdrücklich geregelt. Dies gilt jedoch nicht für Satzungen, die nicht auf Grund des Baugesetzbuches erlassen werden. Für alle anderen Satzungen mag es sich bei der Veröffentlichung in der St. Zeitung um einen Service handeln. Er bewirkt aber keine öffentliche Bekanntmachung.

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b) Der Kläger hat ferner Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von 6.831,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit.

33

Hebt das Gericht einen bereits vollzogenen Verwaltungsakt auf, so kann es nach § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Die Voraussetzungen des prozessualen Vollzugsbeseitigungsanspruchs liegen vor. Der Kläger hat den festgesetzten Straßenausbaubeitrag in Höhe von 6.831,68 Euro an den Beklagten gezahlt, sodass der Verwaltungsakt schon vollzogen wurde, wobei der Beitrag nach den vorstehenden Ausführungen zu Unrecht gezahlt worden ist. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 262 Satz 1 ZPO und §§ 291 Satz 1 und 2, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie § 90 Satz 1 VwGO, § 187 Abs. 1 BGB (an.).

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3. Für den Fall einer erneuten Heranziehung des Klägers nach einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Abweichungssatzung weist die Kammer vorsorglich darauf hin, dass ein rückwirkendes Inkrafttreten der Satzung für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht nicht erforderlich ist. Es ist vielmehr ausreichend, wenn die Abweichungssatzung mit Wirkung für die Zukunft („ex-nunc“) in Kraft tritt. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

35

Im Straßenausbaubeitragsrecht entsteht die sachliche Beitragspflicht nach § 8 Abs. 5 Var. 1 KAG M-V mit der endgültigen Herstellung der Einrichtung. Der Begriff der Herstellung ist nicht (nur) in einem tatsächlichen Sinn, sondern im beitragsrechtlichen Sinn zu verstehen. Neben dem tatsächlichen Abschluss der im Ausbauprogramm vorgesehenen Maßnahme (Bauabnahme) und ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen, die verwirklicht sein müssen, damit die sachliche Beitragspflicht entsteht (etwa das Vorliegen der letzten Unternehmerrechnung), kann das Ortsrecht - wie bereits ausgeführt - zusätzliche Merkmale, wie etwa den Grunderwerb als Herstellungsmerkmal, fordern.

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Überdies geht das OVG Greifswald davon aus, dass Straßenbaubeiträge nur dann erhoben werden dürfen, wenn der Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Beitragspflicht im zeitlichen Geltungsbereich einer wirksamen Beitragssatzung liegt. Es reicht damit nicht aus, dass eine wirksame Satzung ohne Rückwirkung der Vorteilslage nachfolgt (Beschl. v. 29.07.1997 - 6 M 93/97 -, juris Rn. 17 ff.; Urt. v. 09.06.1999 - 1 L 307/98 -, juris Rn. 27 ff.). Daran hält das OVG Greifswald in ständiger Rechtsprechung fest (Beschl. v. 20.03.2018 - 1 L 292/15 -, juris Rn. 16). Lediglich der Begriff „Vorteilslage“ wird wegen seiner erstmaligen Verwendung in § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V in der Fassung des Ersten Gesetzes zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 14. Juli 2016 (GVOBl. M-V S. 584) in dem hier in Rede stehenden Sinnzusammenhang nicht mehr gebraucht (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 17.04.2018 - 1 L 389/15 -, juris Rn. 16).

37

Diese Rechtsprechung ist auf die nachträgliche Modifikation der Herstellungsmerkmale einer wirksamen Straßenausbaubeitragssatzung durch Erlass einer Maßnahmesatzung nicht übertragbar. Neben systematischen Erwägungen nennt das OVG Greifswald als Grund für das Rückwirkungserfordernis unter anderem im Anschluss an eine vergleichbare Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Beschl. v. 23.08.1989 - 9 L 153/89 -, juris) den Gedanken des Vertrauensschutzes (vgl. OVG Greifwald, Beschl. v. 29.07.1997 - 6 M 93/97 -, juris Rn. 29). Der Bürger darf darauf vertrauen, dass Maßnahmen beitragsfrei bleiben, die vor Inkrafttreten der Satzung beendet worden sind (vgl. OVG Greifswald a.a.O.). Damit sind die Fälle erfasst, in denen Maßnahmen in satzungsloser Zeit oder zu einem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind, in denen lediglich eine rechtswidrige und damit unwirksame Straßenausbaubeitragssatzung Geltung beansprucht hat. Ein solcher Fall liegt hier ersichtlich nicht vor. Die Maßnahme ist - wie dargelegt - auch gegenwärtig nicht abgeschlossen. Die Straßenausbaubeitragssatzung, auf deren Grundlage die sachliche Beitragspflicht entstehen kann, ist - wie ebenfalls dargelegt - wirksam. Lediglich die darin definierten Voraussetzungen für die Entstehung der sachlichen Beitragspflicht liegen nicht vor. Bei dieser Sachlage kann ein Vertrauen darauf, dass die Maßnahme beitragsfrei bleibt, nicht entstehen. Der Fall ist vielmehr vergleichbar mit Fällen, in denen eine beitragsfähige Anlage nicht vollständig, sondern nur in einem Teilabschnitt oder nicht in allen vorhandenen Teileinrichtungen ausgebaut wird und deshalb die sachliche Beitragspflicht zunächst nicht entstehen kann. Auch hier entsteht sie erst mit der Fassung des Abschnittsbildungs- oder Kostenspaltungsbeschlusses (§§ 7 Abs. 3 und 8 Abs. 4 KAG M-V), ohne dass dem ein Vertrauenstatbestand entgegen gehalten werden kann.

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Etwas anderes ergibt sich auch dann nicht, wenn man den vorstehenden Erwägungen nicht folgt und der Auffassung ist, dass auch die Abweichungssatzung zum Zeitpunkt des Eintritts der Vorteilslage gelten muss. Denn auch diesen Maßgaben genügt ein bloßes „ex-nunc“-Inkrafttreten der Abweichungssatzung. Es ist nämlich zu beachten, dass erst mit dem Inkrafttreten der Maßnahmesatzung für den H-L-Weg das in der Straßenausbaubeitragssatzung normierte Herstellungsmerkmal „erforderlicher Grunderwerb“ entfällt, so dass auch erst dann die sachliche Beitragspflicht entsteht. Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass bei einem Wegfall des genannten Herstellungsmerkmals die sachliche Beitragspflicht bereits mit dem Eingang der Gutschrift vom 9. Mai 2005 entstanden ist, so dass ein „ex-nunc“-Inkrafttreten der Maßnahmesatzung nicht ausreicht. Denn dieser Einwand verkennt, dass bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Maßnahmesatzung die Straßenausbaubeitragssatzung auch für den H-L-Weg in unveränderter Form gilt und die Vorteilslage somit nicht eintreten kann. Dies ändert sich erst mit dem Inkrafttreten der Maßnahmesatzung, denn zeitgleich entsteht auch die Vorteilslage.

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Abweichendes folgt schließlich nicht aus dem Umstand, dass der Begriff der Vorteilslage nunmehr in § 12 Abs. 2 Nr. 2 KAG M-V verwandt wird. Damit wird insbesondere kein vom Regelungsgehalt der Beitragssatzung unabhängiger Zeitpunkt festgelegt, so dass dieser auch nicht vor dem Inkrafttreten der Maßnahmesatzung liegen kann. Dies folgt aus dem Regelungszweck der Vorschrift: Mit dem Eintritt der Vorteilslage in diesem Sinne wird der Lauf der aus dem Gebot der Belastungsklarheit und -vorhersehbarkeit folgenden 20-jährigen Festsetzungshöchstfrist ausgelöst. Da diese Frist unabhängig vom Bestehen der sachlichen Beitragspflicht ist, kann es bei dem Merkmal der Vorteilslage im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V nicht um den Zeitpunkt gehen, zu dem eine Straßenausbaubeitragssatzung unter Berücksichtigung der darin normierten Herstellungsmerkmale gelten muss, um das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht auszulösen. Demgemäß verwendet das OVG Greifswald diesen Begriff in Bezug auf den erforderlichen Inkrafttretenszeitpunkt nicht mehr (vgl. OVG Greifswald, Urt. v. 17.04.2018 - 1 L 389/15 -, juris Rn. 16).

II.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Berufung (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.

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