Urteil vom Verwaltungsgericht Greifswald (2. Kammer) - 2 A 265/20 HGW

Tenor

Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.

Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 80 % der Klägerin und zu 20 % der Beklagten auferlegt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung nach Maßgabe der Kostenfestsetzung abwenden, falls die Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um Wohngeld für die Klägerin.

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Mit Bescheid vom 22.5.2017 wurde der Klägerin vom Beklagten aufgrund ihres Antrags vom 17.2.2017 für den Wohnraum Feldberger Seenlandschaft, A-Stadt, A-Straße, ein Lastenzuschuss bewilligt und ihr Wohngeld nach § 19 Wohngeldgesetz (WoGG) für den Zeitraum vom 1.2.2017 bis 31.1.2018 bewilligt. Hierfür hatte der Beklagte ein anrechenbares Monatseinkommen der Klägerin von 616,13 € und eine monatliche Belastung von 351,00 € sowie ein Haushaltsmitglied zugrunde gelegt.

3

Mit Bescheid vom 15.12.2017 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin mit, dass sie auf ihren Antrag vom 22.9.2017 Altersrente für langjährig Versicherte erhalte, die Rente am 1.8.2017 beginne und laufend monatlich ausgezahlt werde und die Höhe der laufenden Zahlung monatlich ab dem 1.8.2017 867,65 € betrage und ihr für die Zeit vom 1.8.2017 bis zum 31.12.2017 ein Betrag von 3.845,85 € nachgezahlt werde. Daraufhin bat der Beklagte die Klägerin unter dem 15.12.2017, Nachweise über die Leistungen der Rentenversicherung bei ihm einzureichen. Mit Bescheid vom 1.3.2018 hob der Beklagte seinen Bescheid vom 22.5.2017 mit Wirkung vom 1.8.2017 auf und setzte er das Wohngeld auf 0,00 € fest. Hierfür legte er ein anrechenbares Monatseinkommen von 1.389,36 € und eine monatliche Belastung von 351 € zugrunde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Lastenzuschuss für den Wohnraum der Klägerin mit Wirkung vom 1.8.2017 aufgrund der eingetretenen Änderung der Verhältnisse entfallen sei, weil das monatliche Gesamteinkommen den Höchstbetrag nach § 19 WoGG übersteige.

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Mit Bescheid vom 20.3.2019 bewilligte der Beklagte der Klägerin den Lastenzuschuss mit Wirkung vom 1.2.2017 von Amts wegen neu und nahm er den Bescheid vom 22.5.2017 gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurück. Zugleich setzte er das Wohngeld nach § 19 WoGG auf monatlich 274 € fest. Für die Entscheidung hatte der Beklagte ein anrechenbares Monatseinkommen von 361,28 € und eine zu berücksichtigende Miete/Belastung von 351,00 € zugrunde gelegt. Außerdem verfügte der Beklagte die Nachzahlung des Wohngeldes in Höhe von 828,00 € an die Klägerin und die Reduzierung des Wohngeldbeitrages bis zur vollständigen Tilgung des Rückforderungsbetrages in Höhe von 448 € zu 100 %.

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Mit Bescheid vom 19.7.2019 verfügte der Beklagte gegenüber der Klägerin, dass aufgrund der eingetretenen Änderung der Verhältnisse der Lastenzuschuss für den genannten Wohnraum mit Wirkung vom 1.2.2017 entfalle und ab diesem Zeitpunkt der Bescheid vom 20.3.2019 gemäß § 45 SGB X aufgehoben werde. Zugleich forderte der Beklagte die Klägerin auf, den überzahlten Betrag in Höhe von 1.276,00 € bis zum 30.8.2019 an den Beklagten zu zahlen. Zur Begründung führte er aus, das Wohngeld entfalle, weil das anrechenbare monatliche Gesamteinkommen in Höhe von 1.134,51 € den Höchstbetrag nach § 19 WoGG übersteige. Der Bescheid vom 20.3.2019 sei zu korrigieren, da bei der Berechnung das Einkommen der Klägerin aus der Rentenversicherung nicht berücksichtigt worden sei. Es sei daher zu einer Überzahlung von 3.014,00 € gekommen, wovon die Klägerin bereits 1.738,00 € zurückgezahlt habe, sodass eine Restrückforderung von 1.276 € verbleibe.

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Hiergegen legte die Klägerin am 29.7.2019 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, die Berechnungen im Bescheid vom 19.7.2019 seien falsch. Sie habe nicht vom 1.2.2017 an Rente bekommen, sondern erst vom 1. August des Jahres. Auch gehe der Beklagte fehlerhaft von einer Zahlung von 3.014 € aus, was einer monatlichen Zahlung von 274 € entspreche. Tatsächlich habe sie jedoch nur 158 € monatlich bekommen. Aus dem zu Jahresbeginn beim Beklagten eingereichten Steuerbescheid gingen ihre wirklichen Einnahmen hervor, die sich auf 7.925 € jährlich belaufen würden. Und darin sei die Monatsrente, wie auch aus dem Steuerbescheid hervorgehe, bereits enthalten. In den Monaten ohne Rente, also vom 1.2.2017 bis 1.8.2017 habe ihr Monatseinkommen bei 401,40 € gelegen.

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Mit so bezeichnetem Abhilfebescheid vom 10.9.2019 half der Beklagte dem Widerspruch der Klägerin ab und hob er den Wohngeldbescheid vom 19.7.2019 auf. Zudem entschied der Beklagte, dass für diesen Abhilfebescheid keine Kosten und Gebühren entstehen würden und der Klägerin entstandene Kosten nicht erstattet würden. Eine Begründung für die Kostenentscheidung enthält der Bescheid nicht.

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Mit Bescheid vom 10.9.2019 setzte der Beklagte aufgrund der eingetretenen Änderung der Verhältnisse den Lastenzuschuss der Klägerin für den bezeichneten Wohnraum mit Wirkung vom 1.2.2017 neu fest. Zugleich hob er den Bescheid vom 20.3.2019 ab 1.2.2017 gemäß § 45 SGB X auf und setzte das Wohngeld nach § 19 WoGG auf monatlich 127,00 € fest. Hierbei legte der Beklagte ein anrechenbares Monatseinkommen von 678,99 € und eine zu berücksichtigende Miete/Belastung von 351,00 € fest. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Bescheid vom 20.3.2019 rechtswidrig gewesen sei, da das Renteneinkommen hätte berücksichtigt werden müssen. Dadurch sei ein zu hohes Wohngeld bewilligt worden. Die Klägerin habe infolge grober Fahrlässigkeit die Rechtswidrigkeit des Bescheides nicht gekannt. Es bestehe die grundsätzliche Verpflichtung, einen Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Danach sei die Unkenntnis grob fahrlässig, wenn der Adressat, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen zur Kenntnis genommen, aufgrund einfachster naheliegender Überlegungen mit Sicherheit hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls nicht so besteht. Davon sei bei Fehlern auszugehen, die sich 1. aus dem begünstigenden Bescheid selbst oder anderen Umständen ergeben würden und 2. nach der individuellen Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Betroffenen ohne weiteres erkennbar seien. Der Fehler im Bescheid sei für die Klägerin auch ohne nähere Rechtskenntnisse erkennbar gewesen und hätte sich beim Lesen des Bescheides aufdrängen müssen. Bei dem fehlenden Einkommen handele es sich um eine Angabe, die bei der Antragstellung explizit erhoben worden sei. Dadurch hätte sie davon ausgehen können, dass diese Angabe Einfluss auf die Berechnung des Wohngeldes habe. Dennoch habe sie nicht erkannt und der Wohngeldbehörde gemeldet, dass das Renteneinkommen nicht berücksichtigt worden sei. Damit habe sie die ihr individuell mögliche und im allgemeinen Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Der überzahlte Betrag in Höhe von 827,00 € sei gemäß § 50 Abs. 1 SGB X bis zum 10. 9. 2019 an den Beklagten zu zahlen.

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Mit Schreiben vom 10.10.2019, beim Beklagten am 14.10.2019 eingegangen, erhob die Klägerin gegen den Abhilfebescheid vom 10.9.2000 bezüglich der Kostenentscheidung als auch gegen den Wohngeldbescheid vom 10.9.2019 und der dortigen Erstattungsverfügung Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass die Kostenentscheidung im Abhilfebescheid nicht nachvollzogen werden könne, da der Widerspruch erfolgreich gewesen sei. Es gebe keine rechtliche Grundlage für diese Kostenentscheidung. Der angegriffene Bescheid sei aufgehoben worden. Am Erfolg des Widerspruchs sowie an der Kausalität des Widerspruchs bezüglich der Aufhebung der angegriffenen Entscheidung bestünden keine nachvollziehbaren Zweifel. Vor diesem Hintergrund seien der Klägerin auch die Kosten des Widerspruchsverfahren zu erstatten.

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Auch der neuerliche Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 10. 9. 2019 unterliege der Aufhebung. Eine solche käme allenfalls nach § 45 SGB X in Betracht, weil tatsächlich alle vorhergehenden Bescheide von Anfang an rechtswidrig gewesen wären. Dessen Voraussetzungen lägen aber, anders als in angegriffenen Bescheid dargestellt, nicht vor. Der angegriffene Bescheid sei bereits aus Gründen des Vertrauensschutzes wieder aufzuheben. Eine Aufhebung der Bewilligung vom 20.3.2019 würde nur in Betracht gekommen, wenn die Widerspruchsführerin die Rechtswidrigkeit des Bescheides infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hätte. Die Klägerin habe nicht die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Man könne von ihr nicht verlangen, schlauer als die verfügende Behörde zu sein, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte auch mit seinen falschen Bescheiden, insbesondere dem vom 1.3.2018, Vertrauenstatbestände geschaffen habe. Zudem sei auch der Bescheid vom 20.3.2019 nicht allein begünstigend für die Klägerin. Die Klägerin hätte die Rechtswidrigkeit nicht erkennen können. Der Bescheid vom 20.7.2019 sei mehr als ein Jahr nach dem letzten vorangegangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 1.3.2018 erlassen, welcher ebenfalls falsch gewesen sei und den Bescheid vom 22.5.2017 teilweise aufgehoben und die aufgehobenen Beträge in Höhe von 948,00 € zur Erstattung verfügt habe. Aus diesem Bescheid ergebe sich ausdrücklich, dass die nun in Dezember 2017 nachbezahlte Rente ab 1.8.2019 berücksichtigt worden sei. Nun verhalte es sich so, dass die Klägerin als Rentnerin keine nähere Kenntnis des Wohngeldgesetzes habe. Sie sei deshalb bis zum Erlass des Bescheides vom 20.3.2019 von der Richtigkeit des Bescheides vom 1.3.2018 ausgegangen und hätte mangels besseren Wissens auch davon ausgehen können. Aus diesem Grunde hätte sie auch bis zum Erlass des aufgehobenen Bescheides vom 20.3.2019 insgesamt 550,00 € zurück zu zahlen gehabt. Angesichts dieses Bescheides habe die Klägerin bei gründlicher Lektüre davon ausgehen können, dass die Rente nur in den Monaten angerechnet werde, in denen die Rente auch gezahlt werde, im Fall der Klägerin also ab August 2018. Sie habe also mangels besserer Rechtskenntnis aufgrund des Bescheides vom 1.3.2018 davon ausgehen können, dass sie aufgrund der Renten(nach)Zahlung für die Zeit von August 2017 bis Januar 2018 insgesamt in Höhe von 948,00 Euro überzahlt worden sei. Insofern habe die Klägerin ein gutes Jahr später die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 20.3.2019 nicht grob fahrlässig verkannt.

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Die Rechtswidrigkeit des Bescheides sei für die Klägerin überhaupt nicht erkennbar gewesen. Die Rentenzahlung sei nicht unter dem Punkt Einkommen in der Anlage zum Bescheid aufgeführt. Sie habe auch eine weitere erhebliche Zuwendung, die sie infolge ihres literarischen Schaffens erhalten habe, nicht auf ihren Wohngeldanspruch angerechnet bekommen. Tatsächlich sei auch gar nicht davon auszugehen, dass die Rentenzahlung im Bescheid vom 20.3.2019 nicht berücksichtigt worden sei. Es sei auch nicht der Bescheid vom 1.3.2018 zurückgenommen worden, der die Rentennachzahlung – wenn auch falsch – berücksichtigt habe, sondern erneut der Bescheid vom 22.5.2017, in dem die Rentennachzahlung mangels Zufluss derselben nicht berücksichtigt worden sei. Tatsächlich sei der Klägerin noch in dem Bescheid mitgeteilt worden, dass die Aufhebungsverfügung vom 1.3.2018 aufgrund der Nachzahlung der Rente aufrechterhalten bleibe und abzüglich des bereits zurückgezahlten Betrages von 500,00 € noch mit der ausstehenden Rückforderung von f448,00 € aufgerechnet werde. Insofern habe die Klägerin dem Bescheid vom 20.3.2019 dieselbe Rentenanrechnung wie schon im Bescheid vom 1.3.2018 entnehmen können.

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Schließlich sei kein Ermessen ausgeübt worden und auch die Frist des § 45 Abs. 4 SGB X nicht beachtet worden, wonach zumindest eine Herabsetzung des Wohngeldes unter 158,00 € gar nicht mehr in Betracht gekommen sei. Die Rentenzahlung sei in allen Einzelheiten am 1.3.2018 bekannt gewesen, die Anhörung der Klägerin bereits erfolgt. Zudem sei die Erstattungverfügung nicht nachvollziehbar, weil zu Unrecht erbrachte und bereits getätigte Überzahlungen nicht korrekt saldiert worden seien.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 5.2.2020, der Klägerin am 7.2.2020 zugestellt, wurde der Widerspruch als sachlich nicht begründet zurückgewiesen. Der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte führt dazu aus, dass der Klägerin im Abhilfebescheid keine Kosten zu erstatten gewesen seien, da ihr nachvollziehbare Kosten und Gebühren nicht entstanden seien.

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Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Klägerin nicht aufgefallen sei, dass bei der Einkommensermittlung im Bescheid vom 20.3.2019 ihre monatliche Rente nicht berücksichtigt worden sei, sondern lediglich das Einkommen aus selbstständiger Arbeit in Höhe von 401,42 €. Die Klägerin könne sich auf Vertrauen nach § 45 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht berufen. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin die Rechtswidrigkeit des Wohngeldbescheides vom 20.3.2019 erkannt habe. Sollte dies zu verneinen sein, wäre ihre Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit des Wohngeldbescheides auf grobe Fahrlässigkeit zurückzuführen. In diesem Zusammenhang müsse auf den Verstoß gegen die Mitteilungspflicht im laufenden Bewilligungszeitraum vom 1.2.2017 bis 31.1.2018 hingewiesen werden. Erst durch den Datenabgleich sei bekannt geworden, dass die Klägerin am 19.12.2017 eine einmalige Rentennachzahlung in Höhe von 3.845,85 € erhalten habe, die dem Beklagten nicht mitgeteilt worden sei. Allein dieser Umstand hätte die Klägerin veranlassen müssen, die weiteren Wohngeldbescheide einer genaueren Prüfung, insbesondere bezüglich einer berücksichtigten Rente, zu unterziehen. Die Fehlerhaftigkeit des Wohngeldbescheides aufgrund der nicht berücksichtigten Rente sei auch trotz eingeschränkter individueller Kenntnisse und Fähigkeiten erkennbar gewesen. Dem Wohngeldbescheid sei schon bei flüchtiger Durchsicht – erst recht unter Beachtung des Wissens der einmaligen nicht angegebenen Rentennachzahlung vom 19.12.2017 – ohne weiteres zu entnehmen gewesen, dass die Rente unberücksichtigt geblieben sei. Die Klägerin habe aus vorhergehenden Wohngeldbescheiden gewusst, dass die Rente ein anrechenbares Einkommen sei. Sie hätte an der Höhe des Wohngeldes zweifeln müssen. Der Klägerin hätte auffallen müssen, dass bei korrekter Berücksichtigung aller Einkommen sich aus dem Bescheid vom 20.3.2019 kein höheres monatliches Wohngeld als im Bescheid vom 22.5.2017 ergeben könne. Demnach könne sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen.

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Am 9.3.2020, einem Montag, hat die Klägerin Klage gegen den Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte erhoben. Sie verweist auf die Widerspruchsbegründung und trägt ergänzend vor, der Beklagte könne vor dem Hintergrund, dass er selbst vollkommen unfähig gewesen sei, einen einfachen Wohngeldtatbestand zu regeln, nicht ernsthaft verlangen, dass die Klägerin als Rentnerin bei einfacher Lektüre die vom Beklagten verfügte widersprüchliche Bescheidbegründung verstehe, in der einerseits keine Rentenzahlung im Berechnungsbogen auftauche, andererseits aber die Rückzahlung wegen der Rentenzahlung beibehalten und mehr bewilligte Leistungen in Höhe von 448,00 € wegen der Rentennachzahlung einbehalten werden. Die Klägerin hätte dies nicht anders verstehen können, als dass die Rentennachzahlung auch in diesem Bescheid berücksichtigt werde. Wenn der Beklagte wolle, dass der Bürger einfache Fehler im Bescheid erkennen könne, müsse er entsprechend einfache Verfügungen anbieten und widerspruchsfrei begründen. Hinzu komme, dass der Beklagte von sich aus, ohne Zutun der Klägerin, von Amts wegen einen falschen Bescheid aufgehoben habe und durch einen noch falscheren Bescheid ersetzt habe.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 10.9.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.2.2020 aufzuheben

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Der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, dass die Klage schon unzulässig sei, da sie nicht gegen den richtigen Beklagten gerichtet sei und zumindest unbegründet, da die ihr zugrundeliegenden Verwaltungsentscheidungen rechtmäßig seien und die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt werde.

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Mit Schriftsatz vom 14.4.2020, am selben Tag bei Gericht eingegangen, hat die Klägerin die Klage geändert und gegen den Beklagten gerichtet. Er hat hierzu ausgeführt, dass die Klageänderung zulässig sei. Es komme für die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung nur darauf an, ob die ursprünglich erhobene Klage innerhalb der Klagefrist bei Gericht eingegangen sei. Dass ein Wechsel des Beklagten nach Ablauf der Klagefrist nicht zur Unzulässigkeit der Klage wegen Fristversäumnis führe, entspreche dem Bestreben der Verwaltungsgerichtsordnung, im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes die Erhebung einer Klage nicht mehr als aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nötig an formellen Mängeln scheitern zu lassen. Im Übrigen sei die Klageänderung auch innerhalb der einjährigen Klagefrist erfolgt. Diese gelte, da die Rechtsmittelbelehrung unrichtig sei. Wenn – wie vorliegend – Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nicht identisch seien, erwecke die bloße Belehrung, dass gegen den (Widerspruchs-)Bescheid Klage erhoben werden könne, den unzutreffenden Eindruck, die Klage sei stets gegen die Widerspruchsbehörde bzw. deren Rechtsträger zu richten. Hierdurch sei die Rechtsbehelfsbelehrung objektiv geeignet, eine rechtzeitige Rechtsbehelfsbelegung nennenswert zu erschweren. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass hier zwei Bescheide angegriffen worden seien, in der Rechtsmittelbelehrung hingegen nur von einem Bescheid die Rede sei.

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Der Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte hat darauf hingewiesen, dass sich die Frage stelle, ob der Bescheid als bestandskräftig anzusehen wäre, da die Klage nicht rechtzeitig gegen den richtigen Beklagten erhoben worden sei.

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Mit Verfügung vom 16.6.2020 hat die Kammer die Klage an den Beklagten zugestellt und das Verfahren mit dem Beklagten anstelle des Landrates des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte fortgeführt.

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Der Beklagte beantragt unter Verweisung auf die Sach- und Rechtslage im Bescheid vom 10.9.2019 und den Widerspruchsbescheid vom 5.2.2020,

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die Klage abzuweisen.

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Mit Beschluss vom 7.7.2020 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.

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In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte den Abhilfebescheid vom 10.9.2019 dahingehend abgeändert, dass die Kosten der Klägerin im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 19.07.2019 für erstattungsfähig erklärt werden. Zugleich hat er in der mündlichen Verhandlung den Wohngeldbewilligungsbescheid vom 10.9.2019 insoweit aufgehoben, als darin ein höherer Betrag als 777,00 Euro als Rückforderung geltend gemacht worden ist.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die bei Akten befindlichen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben ist das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einzustellen.

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Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

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Die Klage ist zunächst zulässig. Sie ist insbesondere zulässig, soweit die Klägerin sie gegen den Beklagten gerichtet hat. Die insofern von ihr ausgesprochene Klageänderung, in der sie den Beklagten ausgewechselt hat, ist gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässig. Danach ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Bei einer Auswechslung des Beklagten handelt es sich um eine Klageänderung (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 91, Rn. 2). Diese Änderung ist zuzulassen. Zwar fehlt es an einer Einwilligung des früheren Beklagten. Jedoch hält das Gericht die Klageänderung für sachdienlich, sodass die Klageänderung zugelassen werden muss. Sachdienlichkeit ist anzunehmen, wenn auch für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die Klageänderung die endgültige Beilegung des Streites fördert und dazu beiträgt, dass ein weiterer sonst zu erwartender Prozess vermieden wird (Schenke, a.a.O., Rn. 19). So verhält es sich vorliegend. Der Streitstoff bleibt derselbe, da weiterhin um den Anspruch der Klägerin auf Bewilligung von Wohngeld für die Zeit vom 1.2.2017 bis 31.12.2017 und die Erstattung ihrer Kosten im Widerspruchsverfahren gestritten wird bzw. wurde und die Bescheide des neuen Beklagten vom 10.9.2019 von Anfang an als Streitgegenstand dieser Klage bezeichnet und zu den Akten gereicht worden sind. Würde das Gericht die Klage mit der Begründung abweisen, dass es bei einer Klage gegen den bisherigen Beklagten auf eine Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerspruchsbescheides beschränkt wäre, so wäre eine weitere Klage gegen den neuen Beklagten zu erwarten. Eine solche wäre auch nicht verfristet. Die Klagefrist beträgt im vorliegenden Fall gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr ab Zustellung des Widerspruchsbescheides. Danach ist die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung zulässig, wenn die Belehrung über den Rechtsbehelf unrichtig erteilt worden ist. Eine Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich Angaben, die nach § 58 Abs. 1 VwGO nicht erforderlich sind, ist auch dann unrichtig, wenn Sie einen nicht erforderlichen Zusatz enthält, der fehlerhaft oder irreführend ist und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch davon abhalten kann, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen (Schenke, a.a.O., § 58 Rn 12). Dies ist insbesondere dann gegeben, wenn nur auf die Anfechtbarkeit des Widerspruchsbescheides hingewiesen wird, sofern Ausgangs- und Widerspruchsbehörde nicht identisch sind (Schenke, a.a.O., § 58 Rn. 12). So verhält es sich vorliegend. In der Rechtsbehelfsbelehrung des angefochtenen Widerspruchsbescheides vom Landrat des Landkreises Mecklenburgische Seenplatte vom 5.2.2020 heißt es „Gegen diesen Bescheid kann ... Klage ... erhoben werden. ...“ Damit weist die Rechtsbehelfsbelehrung den Widerspruchsbescheid vom 5.2.2020 als Klagegegenstand aus. Tatsächlich ist aber Streitgegenstand nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Da gemäß § 78 VwGO die Klage gegen die Behörde zu richten ist, die den Verwaltungsakt erlassen hat, wirkt sich der Fehler unmittelbar auf die Bezeichnung und damit richtige Wahl des Beklagten aus. Damit ist dieser Fehler generell geeignet, bei dem Betroffenen einen Irrtum über die formellen und materiellen Voraussetzungen des in Betracht kommenden Rechtsbehelfs hervorzurufen und ihn dadurch davon abhalten kann, den Rechtsbehelf überhaupt, rechtzeitig oder in der richtigen Form einzulegen.

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Die danach zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 10.9.2019, mit dem der Beklagte den vorhergehenden Wohngeldbescheid vom 20.3.2019 aufgehoben, eine Reduzierung des Wohngeldes vorgenommen und die Rückzahlung von empfangenen Leistungen in Höhe von 700,00 € verfügt hat, ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides von 5.2.2020 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Rechtsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 20.3.2019 ist § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach darf, soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

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Der Bescheid vom 20.3.2019 begünstigt die Klägerin, da er ihr ein Wohngeld gewährt. Er ist auch rechtswidrig. Soweit in dem Bescheid vom 20.3.2019 als anrechenbares Monatseinkommen ein Betrag von 361,28 € zugrunde gelegt worden ist, ist diese Grundlage fehlerhaft. Der Beklagte hat insoweit außer Betracht gelassen, dass bei dem anrechenbaren Monatseinkommen auch die ab dem 1.8.2017 erfolgten monatlichen Rentenzahlungen bzw. die tatsächliche erfolgte Nachzahlung der Rente an die Klägerin in Höhe von 867,65 € pro Monat in das Monatseinkommen einzurechnen waren. Da sich die Höhe des Wohngeldanspruchs nach §§ 13 bis 18, 19 WoGG nach dem Gesamteinkommen berechnet, wirkt sich ein fehlerhaft eingesetztes Gesamteinkommen auf das zu berechnende Wohngeld aus und bedingt daher eine fehlerhafte Festsetzung des Wohngeldanspruchs, sodass der den Wohngeldanspruch beziffernde Bescheid vom 20.3.2019 rechtswidrig war.

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Die Rücknahme des Bescheides vom 20.3.2019 ist nicht durch § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X gehindert. Danach darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Gemäß Abs. 2 Satz 2 ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Feststellungen hierzu hat der Beklagte nicht getroffen. Solche konnten jedoch auch unterbleiben, da die Klägerin nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X gehindert ist, sich auf Vertrauensschutz zu berufen.

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Nach § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauensschutz berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schweren Maße verletzt hat. Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, wer schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Anzuwenden ist insoweit ein subjektiver Maßstab, wonach das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen des Beteiligten sowie der besonderen Umstände des Falles zu beurteilen (BSG, Urt. v. 08.02.2001 - B 11 AL 21/00 R – Juris Rn. 23 m.w.Nw.).

36

Die Klägerin musste die Rechtswidrigkeit der Wohngeldberechnung im Bescheid vom 20.3.2019 erkennen, da ihr die Fehlerhaftigkeit der Berechnungsgrundlage bezüglich des fehlerhaften Einkommens hätte auffallen müssen. Die Klägerin wäre gehalten gewesen, den sie begünstigenden Wohngeldbescheid auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen. Dabei wäre ihr die Unrichtigkeit ohne weiteres aufgefallen. Anders als der mit dem Bescheid vom 20.3.2019 zurückgenommene Bescheid vom 22.5.2017, der bei dem Monatseinkommen das damals nicht bekannte Renteneinkommen nicht berücksichtigt hatte, lag dem Bescheid vom 20.3.2019 die nunmehr von der Klägerin mitgeteilten Einkünfte aus einer Rente gemäß Festsetzung der Deutschen Rentenversicherung Bund im Bescheid vom 15.12.2017 zugrunde. Von daher hätte der Klägerin ohne weiteres auffallen müssen, dass sich unter Einrechnung der Rentenzahlungen das Monatseinkommen nicht gegenüber der vorherigen mit Bewilligungsbescheid vom 22.5.2017 deutlich reduzieren konnte, sondern sich stattdessen hätte erhöhen müssen. Von daher hätte sie das gegenüber dem Bescheid vom 22.5.2017 deutlich höhere Wohngeld anzweifeln müssen und den Beklagten hierüber informieren müssen. Dies aber hat sie unterlassen. Damit hat sie einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss. Bei dieser Sachlage kann sich die Klägerin auch nicht darauf berufen, dass der Beklagte eine Vielzahl von Bescheiden erlassen hat und sie dadurch verwirrt habe. Die Klägerin brauchte hier nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides durch einen Abgleich mit sämtlichen anderen Bescheiden feststellen, sondern lediglich erkennen, dass der streitgegenständliche Bescheid im Vergleich mit dem ersten Bewilligungsbescheid eindeutig Anlass geboten hat, an der Richtigkeit dieser Entscheidung zu zweifeln.

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Da ein Fall des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt, durfte der Bescheid vom 20.3.2019 gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Die Frist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, wonach die Behörde die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen, aussprechen darf, wurde eingehalten.

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Die weiter mit dem Bescheid vom 10.9.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.06.2018 erfolgte Festsetzung einer Pflicht der Klägerin zur Rückzahlung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 50 Abs. 1 SGB X. Danach sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten. Laut Abs. 3 ist – wie hier geschehen – die zu erstattende Leistung durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen und soll die Festsetzung, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden. Bedenken an der Richtigkeit des ermittelten überzahlten Betrages in Höhe von 777,00 € bestehen nicht.

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Dem Beklagten sind auch keine Ermessensfehler zum Rückforderungsverlangen unterlaufen. Zwar hat der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden kein Ermessen ausgeübt. Dies ist jedoch nicht zu beanstanden. Eine Ermessensentscheidung kommt allenfalls in Betracht, wenn ein atypischer Ausnahmefall abweichend vom Regelfall vorliegt. Der Beklagte war vorliegend nicht gehalten, ein Erstattungsermessen auszuüben. Soweit der zurückgenommene Verwaltungsakt – wie vorliegend – mit der Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit durch § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X bereits eine vorweggenommene Ermessensentscheidung auch für das Rücknahmeverlangen darstellt, kann sich dies nur in atypischen Fällen auswirken, während für den Regelfall von einer insoweit gebundenen Entscheidung hinsichtlich des Rückzahlungsverlangens auszugehen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.11.2001 – 5 C 10.00 –, juris Rn. 10; SächsOVG, Urt. v. 5.12.2017 – 4 A 273/17 –, Rn. 24, juris).

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Auch hinsichtlich der Festsetzung des Wohngeldes in Höhe von 127 € hat die Klage keinen Erfolg. Die Klage ist auch insoweit unbegründet. Die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein höheres Wohngeld.

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Die Wohngeldberechnung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Die grundsätzliche Wohngeldberechtigung ergibt sich für die Klägerin aus § 3 Abs. 1 Satz 1 WoGG. Danach ist wohngeldberechtigte Person jede natürliche Person, die Wohnraum gemietet hat. Gemäß § 4 WoGG richtet sich das Wohngeld nach 1. der Anzahl der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder (§§ 5 bis 8), 2. der zu berücksichtigenden Miete der Belastung (§§ 9 bis 12) und 3. dem Gesamteinkommen (§§ 13 bis 18) und ist nach § 19 zu berechnen. Dass dem Beklagten hierbei Fehler unterlaufen sind, hat die Klägerin nicht dargetan; augenscheinlich akzeptiert sie die Berechnung und wendet sich nur gegen die Rücknahme der früheren höheren Begünstigung im zurückgenommene Bescheid vom 20.3.2019. Auch für das Gericht sind keine Fehler in der Berechnung feststellbar.

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Zutreffend hat der Beklagte von dem vereinbarten Mietentgelt in Höhe von 475,48 Euro nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WoGG Nebenkosten für Heizung/Warmwasser in Höhe von 124,48 € abgesetzt und eine zu berücksichtigende Miete von 351,00 € errechnet, die unter dem Höchstbetrag nach § 12 Abs. 1 und § 11 Abs. 3 WoGG liegt und daher vollumfänglich zu berücksichtigen ist.

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Auch das zu berücksichtigende Gesamteinkommen der Klägerin hat der Beklagte nunmehr zutreffend ermittelt. Nach § 13 Abs. 1 WoGG ist das Gesamteinkommen die Summe der Jahreseinkommen (§ 14 WoGG) der zu berücksichtigenden Haushaltsmitglieder abzüglich der Freibeträge (§ 17) und der Abzugsbeträge für Unterhaltsleistungen (§ 18). § 13 Abs. 2 WoGG bestimmt, dass das monatliche Gesamteinkommen 1/12 des Gesamteinkommens ist. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist das Jahreseinkommen eines zu berücksichtigenden Haushaltsmitgliedes vorbehaltlich des Absatzes 3 die Summe der positiven Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes zuzüglich der Einnahmen nach Absatz 2 abzüglich der Abzugsbeträge für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge (§ 16 WoGG). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 5 WoGG gehören zum Jahreseinkommen auch steuerfreie Renten. Sofern wir hier diese ein kommen nicht gleich bleiben das ganze Jahr über geflossen sind, ist das Jahresgesamteinkommen festzustellen und durch 12 zu teilen sodass sämtliche für das Jahr 2017 erfolgen Rentenzahlungen zu berücksichtigen sind.

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Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WoGG ist zwar das Einkommen zugrunde zu legen, das im Zeitpunkt der Antragstellung im Bewilligungszeitraum zu erwarten ist. Bei Beantragung des Wohngeldes durch die Klägerin am 17.2.2017 war die auf den Antrag der Klägerin vom 22.9.2017 laut des Bescheides der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 15.12.2017 festgesetzte Rentenzahlung in Höhe von 867,65 € nicht zu erwarten.

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Allerdings ist gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 3 WoGG über die Leistung des Wohngeldes von Amts wegen mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides neu zu entscheiden, wenn sich im laufenden Bewilligungszeitraum nicht nur vorübergehend das Gesamteinkommen um mehr als 15 Prozent erhöht und dadurch das Wohngeld wegfällt oder sich verringert. Vorliegend war eine entsprechende Erhöhung durch die Begründung des Rentenanspruchs gegeben. Bei Antragstellung betrug das jährliche Bruttoeinkommen 7.393,56 €. Durch die Rentenzahlung kamen noch einmal 3.845,85 € dazu. Hierdurch erhöhte sich das jährliche Bruttoeinkommen um 52 % und verringerte sich wegen des erhöhten Jahreseinkommens der Wohngeldanspruch.

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Von daher hatte der Beklagte von Amts wegen nachträglich auch das zusätzliche Einkommen der Klägerin durch die Rentenzahlungen zur Grundlage der Wohngeldberechnung zu machen. Dass die Bruttoeinkünfte zugrunde zu legen sind, ergibt sich zum einen aus dem Verweis in § 14 WoGG auf das Einkommensteuergesetz und zum anderen aus der Regelung in § 16 WoGG, der bestimmt, welche Beträge von dem Bruttoeinkommen abzuziehen sind.

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Dass höhere Werbungskosten/Absetzungen als 102 € vom Beklagten vom Jahreseinkommen abzuziehen gewesen wären, hat weder die Klägerin dargetan noch ist dies für das Gericht erkennbar. Ein Abzug nach § 16 WoGG von 30 % war nicht vorzunehmen. Dieser ergibt sich, wenn Steuern, Pflichtbeiträge zur gesetzlichen oder privaten Kranken- und Rentenversicherung zu leisten sind. Die Klägerin hat indessen lediglich nachgewiesen, dass sie Beiträge zur Krankenversicherung zahlte. Nachweise einer Rentenbeitragszahlung und der tatsächlichen Steuerzahlung hat sie nicht vorgelegt. Demzufolge war auch nur – wie vom Beklagten vorgenommen – ein Abzug von 10% für die Kranken- und Pflegeversicherung einzurechnen.

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Bei einem sich danach ergebenden monatlichen Gesamteinkommen von 790,54 € und einer zu berücksichtigenden Miete i. H. v. 678,99 € ergibt sich nach § 19 Abs. 1 WoGG i.V.m. der Wohngeldtabelle nach Anlage 1 der WoGVwV ein monatlicher Wohngeldbetrag von 127,00 €, wie vom Beklagten berechnet.

49

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1, § 161 Abs. 2, § 188 Satz 2 VwGO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf § § 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung [ZPO].

50

Gründe für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor (§ 124 VwGO).

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