Urteil vom Verwaltungsgericht Halle (5. Kammer) - 5 A 26/14

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen eine Rückforderung von Ausbildungskosten für ein Studium durch die Beklagte.

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Der am …1986 geborene Kläger wurde zum 01. Oktober 2005 als Anwärter für die Offizierslaufbahn in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in die Bundeswehr eingestellt. Er verpflichtete sich, 12 Jahre Wehrdienst zu leisten. Im Rahmen der Verpflichtung wurde der Kläger mehrfach schriftlich darüber belehrt, dass er verpflichtet sei, die Kosten des Studiums zu erstatten, wenn er auf seinen Antrag aus der Bundeswehr entlassen werde oder als entlassen gelte.

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Der Kläger wurde zunächst in den Dienstgrad eines Fliegers ernannt. Unter dem 18. November 2005 wurde er zum Gefreiten, zum 14. Februar 2006 zum Obergefreiten und zum 17. August 2006 zum Fahnenjunker befördert.

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Im Rahmen der Offiziersausbildung nahm er im Oktober 2006 an der Universität der Bundeswehr München ein Studium der Sportwissenschaften auf.

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Zum 21. Mai 2007 erfolgte die Beförderung des Klägers zum Fähnrich und zum 19. Februar 2008 zum Oberfähnrich und mit Wirkung vom 01. Oktober 2008 zum Leutnant.

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Mit Bescheid vom 29. Juli 2008 wurde das Dienstzeitende auf den 30. September 2011 festgesetzt.

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Die Universität der Bundeswehr München verlieh dem Kläger mit Diplomurkunde vom 04. Mai 2010 aufgrund der am 25. März 2010 erfolgreich abgelegten Diplomprüfung den akademischen Grad eines Diplom-Sportwissenschaftlers.

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Mit Schreiben vom 12. April 2010 beantragte der Kläger seine Anerkennung als Kriegdienstverweigerer. Das Bundesamt für den Zivildienst erkannte die Kriegsdienstverweigerung des Kläger mit Bescheid vom 27. Mai 2010 an.

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Die Universität der Bundeswehr München erstellte unter dem 06. Juni 2010 eine Bescheinigung über die Exmatrikulation des Klägers zum 25. März 2010 nach insgesamt 11 Trimestern und Beendigung des Studiums nach abgeschlossener Prüfung.

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Mit Bescheid vom 20. Juli 2010 entließ die Beklagte den Kläger gemäß § 55 Abs. 1 in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Nr. 7 Soldatengesetz (SG) aus dem Dienstverhältnis, weil dem Kläger das Recht zuerkannt worden war, den Kriegsdienst mit der Waffe zu verweigern. Die Entlassung sollte mit dem Tag des Zugangs der Verfügung wirksam werden. Dem Kläger wurde der Bescheid am 30. Juli 2010 zugestellt.

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Das Bundesamt für Wehrverwaltung teilte dem Personalamt der Bundeswehr mit Schreiben vom 01. April 2011 mit, dass die Kosten des Studium des Kläger vom 01. Oktober 2006 bis 25. März 2010 auf 42.550,17 € zuzüglich persönlicher Kosten von 87,00 € auf insgesamt 42.637,17 € ermittelt worden seien. Der Mitteilung war eine tabellarische Kostenaufstellung beigefügt.

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Mit Schreiben vom 27. Mai 2011 hörte die Beklagte den Kläger zu beabsichtigten Rückforderung von Ausbildungskosten über eine voraussichtliche Höhe von etwa 31.000,00 € an und bat zur Anwendung der Härtefallprüfung um nähere Angaben des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen. Mit Antwortschreiben vom 14. Juli 2011 erklärte der Kläger, er habe sich am 02. August 2010 zunächst arbeitslos gemeldet und sei dann in die Selbständigkeit gegangen. Bis zum 27. Juni 2011 habe er monatlich 200,00 € im Rahmen einer Fördermaßnahme für Existenzgründungen erhalten. Aus seiner Selbständigkeit habe er von Januar bis einschließlich April 2011 ein Betriebsergebnis von 2.519,42 € erzielt, mithin einen monatlichen Durchschnitt von 629,85 €. Ein Einkommenssteuerbescheid liege noch nicht vor.

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Im Rahmen einer internen Vergleichsberechnung zur Abdienquote gelangte die Beklagte insgesamt zu einem Rückforderungsbetrag von 41.160, 68 € demgegenüber die Kosten nach dem geldwerten Vorteil des Studiums für den Kläger mit insgesamt 30.615,03 € für den Kläger günstiger seien.

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Mit in diesem Verfahren strittigen Leistungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 13. Oktober 2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, den ihm anlässlich seines Studiums verbliebenen geldwerten Vorteil zu erstatten und setzte den Erstattungsbetrag auf 30.615,03 € fest. Zur Vermeidung einer besonderen Härte stundete die Beklagte – unter der Voraussetzung gleichbleibender wirtschaftlicher Verhältnisse beim Kläger – den Betrag zunächst bis zum 31. März 2012. Ferner bestimmte sie, dass mit der Bestandskraft des Bescheides, spätestens ab dem 25. November 2011 Stundungszinsen in Höhe von jährlich 4 % erhoben werden. Die Berechnung und Einziehung der Zinsen erfolge nach Erledigung der Hauptforderung. Die eingeräumte Stundung erstrecke sich auch auf die angefallenen Stundungszinsen. Die für eine Einziehung zuständige Wehrbereichsverwaltung West werde gegen Ende der Stundungsfrist anhand der dann gegebenen Einkommens- und Vermögenslage des Klägers über die zukünftigen Rückzahlungsmodalitäten entscheiden. Sollte der Kläger mit seiner Rückzahlungsverpflichtung zu gegebener Zeit mit zwei Teilzahlungen mehr als einen Monat in Zahlungsrückstand geraten, werde die Restforderung zuzüglich der angefallenen Zinsen sofort fällig, sofern für den Rückstand keine triftigen Gründe geltend gemacht werden könnten. In Anwendung des § 54 Abs. 4 SG und zur Vermeidung einer besonderen Härte werde dem Kläger zugesichert, einem Antrag auf Erlass des restlichen Erstattungsbetrages zwei Jahre vor Erreichen des dann für den Kläger geltenden Renteneintrittsalters (Regelaltersgrenze) stattzugeben, wenn der Kläger bis dahin seinen Mitwirkungs- und Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sei.

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Zur Begründung führte das Personalamt der Bundeswehr aus, die aufgrund der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erfolgte Entlassung aus der Bundeswehr gelte als Entlassung auf eigenen Antrag gemäß § 55 Abs. 1 in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SG. Gemäß § 56 Abs. 4 SG seien in einem solchen Fall die entstandenen Kosten eines Studiums zu erstatten. Hierüber sei der Kläger belehrt worden. Die gesetzliche Erstattungspflicht werde durch den Erlass B 156 „Kostenerstattungspflicht entlassener Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, deren militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war“ in der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 14/5 konkretisiert. Gemäß des Erlasses B 156 II Ziffer 4 a) seien alle Kosten zu erstatten, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Studium stünden. Für das Studium des Klägers seien nach der Aufstellung des Bundesamtes für Wehrverwaltung vom 01. April 2011, die Bestandteil dieses Bescheides sei, Kosten in Höhe von 42.550,17 € entstanden. Zusätzlich seien persönliche Kosten über 87,00 € (Reisekosten, Umzugskosten, Trennungsgeld) entstanden, so dass sich der Gesamtbetrag auf 42.637,17 € belaufe. Auf die Erstattung der Kosten könne nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn dies für den Kläger eine besondere Härte darstelle. Die Erstattungspflicht stelle sich für einen als Kriegsdienstverweigerer entlassenen Soldaten als besondere Härte dar, die den Dienstherrn zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht zwinge. Im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG sei § 54 Abs. 4 Satz 3 SG daher dahingehend auszulegen, das anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten ihrer Ausbildung nur im Umfang des geldwerten Vorteils erstatten müssten, der ihnen aus dem genossenen Studium für ihr weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verbleibe. Die zurückverlangten Kosten müssten angemessen und verhältnismäßig sein. Der zu ermittelnde erstattungspflichtige Vorteil bestehe in der Ersparnis von Aufwendungen für den im zivilen Bereich verwendbaren Studienabschluss. Es sei damit der Betrag zurückzuverlangen, den der Kläger hätte selbst aufbringen müssen, um sein Studium zu finanzieren. Auf der Grundlage der sogenannten „Bemessungssätze“ (Erlass BMVg – PSZ I 8 – Az 16-02-11 vom 22. Juli 2002) sei eine fiktive Berechnung vorgenommen worden. Nach der Anlage 4 des Erlasses könnten monatliche Beträge für Lebensunterhalt, Studiengebühren und Lernmittelzuschuss für Studienzeiten ab dem 01. Januar 2002 in Höhe von 612,00 € mit einer jährlichen Erhöhung von 2,9 % angesetzt werden. Dies sei sachgerecht, weil die tatsächlich ersparten Aufwendung nicht mehr ermittelt werden könnten. Hinzuzurechnen seien die gewährten persönlichen Kosten. Danach ergebe sich ein Gesamtbetrag von 30.615,03 € ersparter Aufwendungen für den Studienzeitraum, der zu erstatten sei. Dieser Betrag wäre bei einem Studium an einer zivilen Universität ebenfalls angefallen und stehe hinsichtlich der vermittelten Fähigkeiten und der erworbenen Qualifikation in einem angemessenen Verhältnis. Damit werde auf mehr als 28 % der tatsächlichen Kosten verzichtet. Es bestehe mit diesem Betrag kein Missverhältnis, welches im Rahmen der Härtefallregelung unter Berücksichtigung der Gewissensentscheidung des Klägers eine weitere Kürzung gebiete. Im Hinblick auf die vom Kläger dargelegten wirtschaftlichen Verhältnisse sei der Betrag verzinslich zu stunden. Die Berechtigung zur Erhebung von Stundungszinsen ergebe sich unmittelbar aus § 56 Abs. 4 Sätze 1 und 3 SG. Dort werde zwar nur der Verzicht erwähnt. Sonstige Maßnahmen, die einer ansonsten eintretenden Härte entgegenwirkten, seien aber nicht ausgeschlossen. Im Rahmen des insoweit eingeräumten Ermessens obliege ihr, der Beklagten, daher auch die Entscheidung ob und in welcher Höhe für die eingeräumte Stundung Zinsen erhoben werden. Durch die Stundung gelange die Forderung nicht in den Bundeshaushalt. Es komme zu einem Zinsverlust, der über die Stundungszinsen zumindest teilweise ausgeglichen werde. Der mit 4 % festgesetzte Zinssatz bewege im Verhältnis zu den auf dem Kapitalmarkt üblichen Soll- und Kreditzinsen auf sehr niedrigem Niveau. Durch die Einziehung der Zinsen erst nach der Hauptforderung trete nicht sofort eine finanzielle Belastung ein. Durch diese Maßnahmen werde vermieden, dass der Kläger in eine wirtschaftliche Notlage gerate. Da die Ratenzahlung nicht während des gesamten Berufslebens andauern dürfe, werde im Rahmen des zustehenden Ermessens angemessener Weise auf einen Zeitraum bis zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze für den Rentenbezug abgestellt.

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Gegen den Bescheid vom 13. Oktober 2011 erhob der Kläger mit Schreiben vom 18. Oktober Widerspruch. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. März 2006 (2 C 18.05) zur Auslegung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG bei Entlassung eines Soldaten aus der Bundeswehr wegen anerkannter Kriegsdienstverweigerung sei so zu verstehen, dass im Ergebnis ein anerkannter Kriegsdienstverweigerer nicht besser, aber auch nicht schlechter stehen solle, als als ziviler Student. Dies führe dazu, dass die Vermögenslagen eines zivilen Studenten und eines als anerkannter Kriegsdienstverweigerer entlassenen Bundeswehrsoldaten gegenüberzustellen seien. Zivile Studenten haben aber weiterhin Anspruch auf Kindergeld, welches ihnen selbst zustehe, und auf die Finanzierung ihres Studiums durch die Eltern, falls diese nicht leistungsfähig seien, auf Bundesausbildungsförderungsleistungen. Im Falle einer Finanzierung des Studiums durch die Eltern stehe der zivile Student am Ende in der Regel schuldenfrei mit einem Studienabschluss da, der Student, der Ausbildungsförderungsleistungen erhalten habe, habe diese zinslos zurückzuzahlen, höchsten aber einen Betrag von 10.000,00 € gemäß § 17 Abs. 2 BAFöG. Er stehe also in Ansehung der Rückzahlungsforderung durch die Beklagte deutlich schlechter da als ein ziviler Student. Allein dies sei geeignet, ihn davon abzuhalten, seinem Gewissen zu folgen und einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. Es bleibe unberücksichtigt, dass er auch als Soldat Lebenshaltungskosten gehabt habe. Von ersparten Lebenshaltungskosten könne daher keine Rede sein. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei insoweit nicht übertragbar, als es dort um einen Piloten gegangen sei, der eine kostenträchtige Ausbildung absolviert habe. Die Ausführungen zur Höhe der Rückforderung könnten daher nicht übernommen werden. Er habe sich zum Zeitpunkt seiner Entlassung in einem auf sechs Jahre von 2005 bis 2011 festgesetzten Dienstverhältnis befunden. Er habe zum Zeitpunkt seiner Entlassung nur noch ein Jahr und zwei Monate abzudienen gehabt. Ferner habe er während des Studiums etwa auch 10 bis 20 % der Studienzeit auf militärischen Dienst verwendet und sei in seiner Freizügigkeit auf den Bereich der Münchner-Verkehrs-Vereinigung beschränkt gewesen. Zu erstatten seien seien nur die Kosten der Ausbildung in dem Umfang des Vorteils, der verblieben sei. Dafür hätte die verbleibende Stehzeit berücksichtigt werden und zu einer weiteren Verminderung des zurückzuzahlenden Betrages führen müssen. Es sei fehlerhaft auf die Bemessungsgrundsätze und den Steigerungsbetrag von 2,9 % abgestellt worden. Die Erhöhung sei nicht sachgerecht, weil eine solche Erhöhung der Gehälter nicht erfolgt sei. Die Beklagte habe zu berücksichtigen, dass sie durch seine Entlassung erhebliche Kosten für Eingliederungsmaßnahmen im Bereich des Berufsförderungsdienstes, ferner Übergangsbeihilfe und Übergangsgebührnisse erspart habe, obwohl er die Anwartschaften hierfür erworben habe. Dies müsse angerechnet werden. Die Verzinslichkeit der gestundeten Forderung verstoße gegen Sinn und Zweck der Vorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Eine Rechtsgrundlage sei für eine Verzinsung nicht gegeben. Die Zinslast führe gerade zu einer Verkehrung des Zwecks der Härteklausel, weil dadurch die Last steige. Eine verfassungskonforme Auslegung der Rückzahlungsvorschrift im Lichte des Art. 3 GG bei einem Vergleich mit der Vorschrift des § 55 Abs. 2 GG bei einem wegen Dienstunfähigkeit entlassenen Soldaten müsse zu einem vollständigen Verzicht auf eine Erstattung führen. Denn Letzterer sei von einer Rückforderung freigestellt.

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Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Januar 2014 zurück. Es werde zutreffend nur der dem Kläger verbliebene geldwerte Vorteil gefordert statt der entstandenen Studienkosten. Nach einer Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2008 (1 UZ 2203/07) stelle die fiktive Kostenermittlung nach der Anlage 4 des Erlasses Bemessungsgrundsätze eine in jeder Hinsicht tragfähige Grundlage für die Bemessung der nach Ermessen zu treffenden Rückforderungsentscheidung dar. Die Richtlinie enthalte genau jene ansatzfähigen Kosten, mit denen eine Ausbildung außerhalb der Bundeswehr bezuschusst würde. Hätte der Kläger ein ziviles Studium absolviert, wären ihm diese Kosten auch entstanden. Sie stellten den geldwerten Vorteil dar. Eine rückwirkende und hypothetische Kostenermittlung könne niemals mehr als eine Annäherung sein. Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18 und 19.06) gehe von einer generalisierten pauschalierten, an den durchschnittlichen Kosten einer gleichwertigen Ausbildung an einer zivilen Einrichtung orientierten Bemessung aus. Der Normzweck des § 56 Abs. 4 SG sei ein völlig anderer als die gesetzlichen Regelungen des BAFöG. Das BAFöG solle Mittel für den Lebensunterhalt und für die Ausbildung zur Verfügung stellen, wenn der Auszubildende diese nicht anderweitig aufbringen könne. § 56 Abs. 4 SG diene dem Ausgleich des durch die Ausbildung erlangten Vorteils. Ob der Kläger überhaupt Anspruch auf Bundesausbildungsförderungsmittel gehabt hätte, lasse sich rückwirkend nicht mit Sicherheit sagen. Der Kläger habe sich gezielt für ein Studium bei der Bundeswehr entschieden, welches ihm durch weniger vorlesungsfreie Zeit durch Trimester, fortlaufende Bezüge und Unterkunftsgewährung am Studienort ein Intensivstudium ermöglicht habe, innerhalb dessen er in kürzerer Zeit als an einer zivilen Universität den Abschluss habe erlangen können. Eine knebelnde Wirkung gehe von der Rückforderung nicht aus. Eine Abdienzeit sei nicht zu berücksichtigen, weil eine fiktive Kostenermittlung erfolgt sei, der keine realen Abdienzeiten gegenübergestellt werden könnten. Als Abdienzeit kämen allenfalls nur die Zeiten nach dem Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten in Betracht. Zeiten während des Studiums seien nicht zu berücksichtigen. Da der Betrag der tatsächlichen Studienkosten auch unter Einbeziehung der Stehzeit danach über dem der fiktiven Vorteilsberechnung liege, werde nur letzterer Betrag ohne eine Berücksichtigung von Abdienzeiten zurückgefordert. Hypothetische Annahmen für in der Zukunft liegende (Versorgungs-) Ansprüche könnten nicht berücksichtigt werden. Insoweit bestehe auch keine Aufrechnungsmöglichkeit mit dem Rückforderungsbetrag. Es sei gerichtlich anerkannt (OVG NRW, Urteil vom 16. August 1996 - 12 A 2476/94), dass im Rahmen des Ermessenspielraums des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG eine Berechtigung zu Erhebung von Stundungszinsen gegeben sei. Der Zinssatz von 4 % bewege sich auf niedrigem Niveau. Grundsätzlich sei der volle Erstattungsbetrag sofort fällig. Die Stundung berücksichtige im Sinne einer Härtefallregelung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers. Die Entlassung des Klägers aus der Bundeswehr infolge der anerkannten Kriegsdienstverweigerung gelte als Entlassung auf eigenen Antrag. Bei einer Entlassung wegen Dienstunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen stelle sich dies anders dar, so dass diese Fälle nicht verglichen werden könnten. Ein Gleichheitsverstoß dahingehend, dass in dem einen Fall Ausbildungskosten zurückverlangt werden und in dem anderen nicht, liege nicht vor. Es gebe hinreichende sachliche Unterschiede für eine unterschiedliche Behandlung der Konstellationen.

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Am 26. Februar 2014 hat der Kläger beim erkennenden Gericht Klage erhoben.

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Er trägt ergänzend vor, die Rückforderung dürfe nicht bezwecken und der Behörde die Möglichkeit geben, einen Soldaten davon abzuhalten, von seinem Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung Gebrauch zu machen und insofern einen Abschreckungseffekt aufrecht zu erhalten. In einem anderen ihm bekannten Klageerwiderungsschriftsatz habe die Beklagte ausgeführt, dass die Pflicht zur Rückerstattung der Fachausbildungskosten dem Soldaten vor Augen zu führen sei, um ihn zu motivieren, durchzuhalten, wobei es nicht in erster Linie um den wirtschaftlichen Vorteilsausgleich gehe. Derartige Äußerungen belegten den wahren Grund für die Rückforderung. Dies sei auch in seinem Verfahren zu berücksichtigen und mache den Bescheid ermessensfehlerhaft. Abzustellen sei für die Rückforderung auf den Betrag, den er hypothetisch gegenüber einer zivilen Ausbildung erspart hätte. Dies bilde den erlangten Vorteil der Ausbildung bei der Bundeswehr ab. Erspart habe er damit Ausbildungs- und Studienentgelte. Wenn das zivile Studium kostenfrei gewesen wäre, habe er nichts erspart. Die angesetzten Lebenshaltungskosten seien gerade nicht durch die Ausbildung erspart, sondern durch den erhaltenen Sold. Diese fiktiven Lebenshaltungskosten seien aber keine ersparten Ausbildungskosten. Sie entstünden unabhängig von einer Ausbildung und seien von jedem Menschen zu tragen. Der Sold stelle keinen Vorteil dar, der in der Ausbildung begründet sei, sondern sei für die geleisteten soldatischen Pflichten gewährt worden. Für die Rückforderung des Soldes bestehe aber keine Ermächtigungsgrundlage. Für das weitere Berufsleben verbleibende Vorteile könnten nur in der Fachausbildung selbst liegen und sich nicht auf die Lebenhaltungskosten beziehen. Deren Ersparnis wirke sich nicht auf das berufliche Fortkommen aus. Da die Beklagte nach Ziffer 3.3.1 ihrer Bemessungsgrundsätze 2002 bzw. der Ziffer 3.3 der Bemessungsgrundsätze 2012 gehalten sei, von der Rückforderung abzusehen, wenn eine vergleichbare zivile Ausbildung erheblich billiger sei, hätte ein vollständiger Verzicht stattfinden müssen. Eine Abdienquote sei einzubeziehen. Andernfalls sähe sich derjenige Soldat, der erst viele Jahre nach der Ausbildung als Kriegsdienstverweigerer anerkannt werde, der gleichen Rückforderung ausgesetzt, wie derjenige, der sogleich nach seiner Ausbildung aus dem gleichen Grund die Bundeswehr verlasse. Dies sei unbillig. Reales Handeln schlage auf die Erstattung fiktiver Kosten durch. Die Höhe der ermittelten tatsächlichen Kosten der Ausbildung werde bestritten. Es sei nicht nachvollziehbar, wie sich diese Kosten zusammensetzten. Die Aufstellung genüge nicht. Es sei nicht erkennbar, ob nicht Kosten für die Forschung eingestellt und welche Projekte drittmittelfinanziert seien. Da er nicht schlechter gestellt werde dürfe, als wenn er die Ausbildung zivil absolviert hätte, sei sehr wohl auf auf das Leistungsniveau nach dem BAFöG abzustellen. Er hätte auch Anspruch auf die Förderung gehabt, wie eine entsprechende Auskunft über die damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Eltern ergeben würde. Unabhängig von der Länge des Studiums könne nur eine hypothetische Höchstschuld von 10.000,00 € entstehen. Die Abdienzeit sei mit nur noch einem Jahr und zwei Monaten anzusetzen, weil die Verpflichtung zum 30. September 2012 geendet hätte. Zu einer Weiterverpflichtung auf die vollen 12 Jahre sei es nicht mehr gekommen. Die Nichtanrechnung ersparter Versorgungsansprüche für ihn als entlassenen Soldaten, der Anwartschaften hierauf erworben habe, wirke gleichfalls abschreckend, einen Antrag auf Kriegdienstverweigerung zu stellen. Daher seien diese ersparten Kosten gegenzurechnen. Die Praxis der Beklagten, in diesen Fällen generell keine Versorgungsansprüche anzuerkennen, sei deshalb mutmaßlich rechtswidrig. Die Begrenzung des Endes der Rückzahlungsverpflichtung auf nur zwei Jahre von Erreichen der Regelrentenaltersgrenze stelle eine Umgehung der Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichtes dar, das verlange, dass eine Rückerstattungspflicht nicht während des gesamten Berufslebens andauern dürfe. Die letzten zwei Jahre seien ein zu kurzer Zeitraum und schlicht zu vernachlässigen. Der ehemalige Soldat solle ein Berufsleben ohne Schulden führen können. Abzustellen sei daher auf einen Zeitraum wie bei einer Privatinsolvenz. Die zeitliche Begrenzung müsse bereits im Leistungsbescheid angelegt sein. Durch die Verzinslichkeit des gestundeten Betrages werde die von der Beklagten festgestellte Härte noch vergrößert. Auch beliefen sich die derzeitigen Refinanzierungskosten des Bundes auf etwa 1,37 % (Umlaufrendite). Ein Satz von 4 % übersteige damit die Opportunitätskosten. Die Beklagte habe ihre Verwaltungspraxis zwischenzeitlich geändert und fordere nunmehr in vergleichbaren Fällen nur noch 2 % über dem Basiszinssatz, der derzeit bei etwa 0,8 % liege. Die Praxis, dass bei Gewährung einer Ratenzahlung Zinsen praktisch von Anfang an erhoben würden, bei Rückforderung des Betrages auf einen Schlag jedoch erst ab Bestandskraft des Verwaltungsaktes, also regelmäßig deutlich später, verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Ökonomisch schlechter gestellte Soldaten müssten danach mehr zahlen und würden schlechter gestellt. Die Rückforderung sei insgesamt verfassungsrechtlich bedenklich, weil auch die Kriegsdienstverweigerung, ähnlich wie die gesundheitliche Dienstunfähigkeit, eine Zwangssituation darstelle. Ein privilegierungswürdiger Unterschied sei nicht feststellbar.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 13. Oktober 2011 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2014 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verteidigt ihre Bescheide. Der Vortrag in einem anderen Verfahren sei für die in diesem Verfahren erfolgte Ermessensausübung ohne Belang. Sie habe zwar ihre Praxis dahingehend geändert, dass nunmehr in den neu erstellten Leistungsbescheiden 2 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz verlangt würden. Die bisherige Praxis sei aber nicht rechtswidrig gewesen. Die Zinsforderung sei auf einen langen Zeitraum gerichtet. Bei Baudarlehen ergebe sich im Zeitraum von 1980 bis 2014 ein durchschnittlicher Zinssatz von 6,58 %. Gemessen hieran sei der festgesetzte Satz von 4 % nicht übersetzt. Die gelte erst recht, wenn man die Durchschnittszinsen von Verbraucherkrediten berücksichtige. Die seit März 2015 geänderte Verwaltungspraxis habe keinen Einfluss auf den Bescheid in diesem Verfahren, der im Oktober 2011 erstellt worden sei. Sie sei nicht gezwungen, bereits im Leistungsbescheid und bei der erstmaligen Festsetzung einer Rate einen fixen Zeitpunkt für das Ende der Ratenzahlungen zu bestimmen. Ausreichend sei die jährliche Überprüfung der Ratenhöhe und eines weiteren Erlasses von Restforderungen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Bundeswehr 24 Jahre alt gewesen. Zwei Drittel der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter, als anerkanntem Zeitraum für die Verpflichtung zu Ratenzahlungen, errechneten sich hier auf 28 Jahre. Bei einer monatlichen Zahlung über diesen Zeitraum ergebe sich eine Belastung von 91,12 € monatlich. Es sei davon auszugehen, dass dies für einen Absolventen eines Studiums aufzubringen sei. Einer weitergehenden Festlegung einer zeitlichen Begrenzung habe es daher nicht bedurft. Auf die tatsächlichen Kosten des Studiums komme es vorliegend nicht an. Diese seien für die Rückforderung nicht maßgeblich geworden. Die Berechnung habe nur dazu gedient, im Rahmen der Härtefallprüfung zu belegen, dass die tatsächlichen Kosten höher liegen würden, als der geforderte Erstattungsbetrag. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Ermittlung der Kosten des Studiums in einem Maße fehlerhaft sei, dass die tatsächlichen Kosten unter dem Rückforderungsbetrag lägen, seien nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Grundsätzlichen seien auch die Lebenshaltungskosten als ersparte Aufwendungen einzubeziehen. Diese seien auch nicht durch den Betrag gedeckelt, den der Kläger nach dem BAFöG zurückzahlen müsste. Leistungen nach dem BAFöG stellten keinen geeigneten Maßstab dar, den geldwerten Vorteil einer Ausbildung zu ermitteln. Sie würden nach den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen des jeweiligen studierenden Antragstellers ermittelt und hingen von anderen Faktoren ab, als den Kosten eines Studiums. Der Steigerungsbetrag von 2,9 % nach der Anlage der 4 der Bemessungsgrundsätze 2002 richte sich nicht nach dem Steigerungssatz für den Warenkorb der Allgemeinbevölkerung, sondern dem besonderen Bedarf eines Studierenden. Eine Orientierung an der langfristigen durchschnittlichen Entwicklung der Beamtenbesoldung führe zu realistischen Ergebnissen. Ihr sei insoweit ein Pauschalierungs- und Typisierungsermessen eingeräumt.

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Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Gerichts gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Der Leistungsbescheid des Personalamtes der Bundeswehr vom 13. Oktober 2011 in der Gestalt dessen Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der mit dem angefochtenen Bescheid geltend gemachte Erstattungsanspruch ist zwar dem Grunde nach gegeben. Die konkrete Festsetzung erweist sich jedoch als ermessensfehlerhaft. Daher ist der angefochtene Leistungsbescheid in Gestalt seines Widerspruchsbescheides insgesamt - und nicht nur teilweise - rechtswidrig und durch die Kammer insgesamt gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.

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Rechtsgrundlage für den von der Beklagten erstellten Rückforderungsbescheid stellt § 56 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Satz 3 Soldatengesetz (SG) (neugefasst durch Bekanntmachung vom 30. Mai 2005 - BGBl. I S. 1482) dar. Danach muss ein früherer Soldat auf Zeit, dessen militärische Ausbildung mit einem Studium oder einer Fachausbildung verbunden war und der auf seinen Antrag entlassen worden ist oder als auf eigenen Antrag entlassen gilt, die entstandenen Kosten des Studiums oder der Fachausbildung erstatten. Nach Satz 3 der Vorschrift kann auf die Erstattung ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie für den früheren Soldaten eine besondere Härte bedeuten würde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine grundsätzliche Erstattungspflicht des Klägers liegen vor.

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Der Kläger ist früherer Soldat auf Zeit. Er ist zum 01. Oktober 2005 als Anwärter für die Offizierslaufbahn in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit in die Bundeswehr berufen und entsprechend ernannt worden. Er verpflichtete sich, 12 Jahre Wehrdienst zu leisten. Mit seinem im Oktober 2006 aufgenommenen Studium der Sportwissenschaften an der Universität der Bundeswehr München war seine militärische Ausbildung mit einem Studium verbunden. Dies ist zwischen den Beteiligten unstrittig. Infolge der Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer ist der Kläger gemäß § 55 Abs. 1 in Verbindung mit § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG mit Bescheid vom 20. Juli 2010 aus dem Dienstverhältnis entlassen worden. Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7 SG ist ein Berufssoldat zu entlassen, wenn er als Kriegsdienstverweigerer anerkannt ist; nach dem 2 Halbsatz dieser Nummer gilt diese Entlassung als Entlassung auf eigenen Antrag.

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Jedoch haben Zeitsoldaten, die wegen ihrer Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer vorzeitig aus der Bundeswehr ausgeschieden sind, die Kosten einer Fachausbildung oder eines Studiums nur insoweit zu erstatten, als ihnen ein Vorteil aus der Ausbildung verblieben ist, wobei der Vorteil in der Ersparnis der Kosten der Fachausbildung oder des Studiums besteht, soweit diese für eine Berufstätigkeit außerhalb der Bundeswehr genutzt werden kann (BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 - juris, Beschluss vom 02. Juli 1996 - 2 B 49.96 - Buchholz 236.1 § 56 SG Nr. 2). Die Einbeziehung der anerkannten Kriegsdienstverweigerer in den Kreis der Zeit- und Berufssoldaten, die bei ihrem vorzeitigen Ausscheiden Ausbildungskosten erstatten müssen, verstößt nicht gegen Art. 4 Abs. 3 GG. Zwar darf gemäß Art. 4 Abs. 3 GG niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Die Pflicht Ausbildungskosten zurückzuzahlen, liegt jedoch außerhalb des Schutzbereichs des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG. Die Erstattungspflicht knüpft nicht an die Kriegsdienstverweigerung an, sondern an das Ausscheiden aus dem Soldatenverhältnis. Die Erstattungspflicht ist objektiv mit Art 4 Abs. 3 GG vereinbar, wenn und soweit sie nicht ein Druckmittel darstellt, den Soldaten von der Grundrechtsausübung abzuhalten, sondern ein Instrument des wirtschaftlichen Ausgleichs ist (BVerwG, Urteil vom 30. März 2006, a.a.O.). Hierzu hat das BVerwG ausgeführt:

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„Da das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit entsprechend der eingegangenen Verpflichtung andauern soll, kann der Dienstherr, der einem Zeitsoldaten im dienstlichen Interesse eine kostspielige Fachausbildung gewährt hat, grundsätzlich davon ausgehen dass ihm der Soldat die erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten bis zum Ende der Verpflichtungszeit zur Verfügung stellen wird. Wenn der Zeitsoldat auf Grund eigenen Entschlusses aus dem Dienstverhältnis ausscheidet, stellen für ihn die auf Kosten des Dienstherrn erworbenen Spezialkenntnisse und Fähigkeiten im weiteren Berufsleben einen erheblichen Vorteil dar, während der Dienstherr die Kosten der Ausbildung insgesamt oder teilweise vergeblich aufgewendet hat. Diese Lage erfordert einen billigen Ausgleich, den der Gesetzgeber durch die Normierung des Erstattungsanspruches verwirklicht hat (BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 - 2 BvL 51/71 und 10, 14/73 - BVerfGE 39, 128, 142).

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Die Höhe des Erstattungsanspruches ist vom Gesetz nicht auf die Höhe der entstandenen Ausbildungskosten festgelegt, sondern der Dienstherr ist ermächtigt, von einem Erstattungsverlangen ganz abzusehen oder den Betrag zu reduzieren, wenn die Erstattung der Ausbildungskosten eine besondere Härte für den Soldaten bedeuten würde, § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995. Im Lichte des Art. 4 Abs. 3 GG ist § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 dahin auszulegen, dass anerkannte Kriegsdienstverweigerer die Kosten ihrer Ausbildung nur in dem Umfang des geldwerten Vorteils erstatten müssen, der ihnen aus der genossenen Fachausbildung für ihr weiteres Berufsleben real und nachprüfbar verblieben ist.

33

Die Erstattungspflicht, der sich ein wegen seiner Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer entlassener Soldat gegenübersieht, stellt eine besondere Härte im Sinne des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 dar, die den Dienstherrn nach dieser Vorschrift zu Ermessenserwägungen über den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf einen Ausgleich der Ausbildungskosten zwingt. "Besondere Härte" ist ein gerichtlich voll überprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff (Urteil vom 29. März 1979 - BVerwG 2 C 16.77 - Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 12 S. 52). Der Begriff umreißt und charakterisiert u.a. die von der Regelvorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 1 SG 1995 nicht erfassten „schwerwiegende(n) Umstände..., denen sich der Offizier nicht entziehen und nur durch ein sofortiges Ausscheiden aus dem Wehrdienst Rechnung tragen kann" (Urteil vom 11. Februar 1977 - BVerwG 6 C 135.74 - a.a.O. S. 95). Bei einem Zeitsoldaten, der eine Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst getroffen hat, besteht eine solche Ausnahmesituation. Zwar könnte er der Erstattungsverpflichtung dadurch entgehen, dass er den für die Anerkennung seiner Gewissensentscheidung erforderlichen Antrag nicht stellt und so im Wehrdienstverhältnis verbleibt, er müsste damit aber seinem Gewissen zuwider handeln. Diese Zwangslage, der sich der Soldat nicht entziehen kann, stellt eine besondere Härte dar. Die Anwendung der Härteklausel setzt nicht voraus, dass außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine Reduzierung der grundsätzlich unbeschränkten Erstattungspflicht verlangen. Vielmehr greift die Härteregelung bereits auf Grund einer verfassungsrechtlich gebotenen Korrektivfunktion ein. Sie ermöglicht den angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des grundrechtsgeschützten ehemaligen Soldaten einerseits und des Dienstherrn andererseits, eine Ausbildung zu finanzieren, die im zivilen Leben mit erheblichen Kosten verbunden ist.

34

Im Rahmen des Ermessens, das die Bundesrepublik bei einer besonderen Härte ausüben muss, hat sie sich wegen der Verflechtung von Tatbestand und Rechtsfolge in der Vorschrift des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 (vgl. Urteile vom 11. Februar 1977 - BVerwG 6 C 135.74 - a.a.O. S. 93 sowie vom 29. März 1979 - BVerwG 2 C 16.77 - Buchholz 238.4 § 46 SG Nr. 12 ) für eine Reduzierung zu entscheiden. Art. 4 Abs. 3 GG fordert, dass diese Reduzierung zu dem Betrag führt, den der als Kriegsdienstverweigerer anerkannte Soldat dadurch erspart hat, dass die Bundesrepublik Deutschland den Erwerb von Spezialkenntnissen und Fähigkeiten, die ihm in seinem weiteren Berufsleben von Nutzen sind, finanziert hat.

35

[...]

36

Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass das Soldatengesetz in der Fassung von 1995 die anerkannten Kriegsdienstverweigerer, nicht aber die wegen Dienstunfähigkeit entlassenen (§ 55 Abs. 2 SG 1995) [...] aus der Bundeswehr ausgeschiedenen Soldaten zur Erstattung von Ausbildungskosten heranzieht. Zwischen den Personengruppen bestehen Unterschiede, die eine solches Gewicht haben, dass sie die unterschiedliche Rechtsfolge rechtfertigen (BVerfG, stRspr, vgl. u.a., Urteil vom 17. Juli 2002 - 1 BvF 1, 2/01 - BVerfGE 105, 313 <352 m.w.N.). Das Ausscheiden der Soldaten, die als Kriegsdienstverweigerer anerkannt sind, beruht auf der Initiative dieser Soldaten (vgl. KDVNG); ihre Entlassung gilt gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 SG 1995 als Entlassung auf eigenen Antrag (Beschluss vom 2. Juli 1996 - BVerwG 2 B 49.96 - a.a.o.). Soldaten, die als anerkannte Kriegsdienstverweigerer aus dem Wehrdienstverhältnis ausgeschieden sind, werden außerdem eher eine Beschäftigung finden, in der sie die erworbenen Fachkenntnisse verwerten können. Demgegenüber sind Soldaten, die dienstunfähig geworden sind [...], ohne einen darauf gerichteten Antrag aus dem Soldatenverhältnis ausgeschieden. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie als gesundheitlich eingeschränkte [...] eine der Fachausbildung entsprechende Beschäftigung finden und Gelegenheit haben, in ihrem weiteren Berufsleben die in der Fachausbildung erworbenen Fähigkeiten anzuwenden, ist weitaus geringer. [...]

37

Der Vorteil aus der Fachausbildung, den die Bundesrepublik Deutschland nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG 1995 in Ausübung ihres Ermessens zu bestimmen und zu bemessen hat, besteht in der Ersparnis von Aufwendungen, nicht in der Aussicht auf künftige Einnahmen. [...]. Bestimmen, wenn auch generalisierend und pauschalierend, lassen sich jedoch die Aufwendungen, die der Soldat dadurch erspart hat, dass er die Fachausbildung nicht auf eigene Kosten hat absolvieren müssen."

38

Die erkennende Kammer macht sich die vorstehenden Grundsätze für die hier zu treffende Entscheidung zu Eigen. Sie sind ohne weiteres auf diesen Fall übertragbar. Die vom Bundesverwaltungsgericht angesprochenen Vorschriften sind insoweit unverändert geblieben. Statt der vom Bundesverwaltungsgericht in Bezug genommenen Fachausbildung geht es in dem hier zu entscheidenden Fall zwar um ein Studium. Rechtlich ergibt sich daraus aber kein Unterschied, weil auch das Studium neben den Fachausbildung in den Vorschriften angeführt wird. Soweit der Kläger sich grundsätzlich aus verfassungsrechtlichen Erwägungen gegen eine Rückerstattungsverpflichtung wendet, vermag die Kammer dem aus den vom Bundesverwaltungsgericht angeführten Gründen nicht zu folgen.

39

Ist bei dem Kläger danach vom Vorliegen einer besonderen Härte auszugehen, hat die Beklagte nach § 56 Abs. 4 Satz 3 SG im Rahmen des ihr zukommenden Ermessens abweichend von den tatsächlich für das Studium entstandenen Kosten über einen Teilverzicht oder vollständigen Verzicht zu entscheiden. Hierbei ist die Beklagte den höchstrichterlichen Vorgaben, die Ersparnis der Aufwendungen für den Kläger durch das Studium bei der Bundeswehr zu bemessen, nicht fehlerfrei nachgekommen.

40

Das Bundesverwaltungsgericht bestimmt in der angeführten Entscheidung als ersparte Kosten zunächst die unmittelbaren Ausbildungskosten im engeren Sinne, wie Ausbildungsgebühren und Aufwendungen für Ausbildungsmittel. Im Weiteren benennt das Gericht die mittelbaren Kosten der Ausbildung, wie Reisekosten und Trennungsgeld sowie die ersparten Lebenshaltungskosten und die Kosten für die Krankenversicherung. Soweit der Kläger also meint, dass die Lebenshaltungskosten bei richtigem Verständnis des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu den zu erstattenden Kosten gehören, werden diese in dem Urteil vom 30. März 2006 indessen ausdrücklich angeführt. Gegen die Einbeziehung der Lebenshaltungskosten in den Erstattungsbetrag ist in der Sache auch nichts einzuwenden. Denn hätte der Kläger zivil an einer Universität sein Studium absolviert, hätte er diese Kosten aufbringen müssen, um seine Lebenshaltung während des Studiums zu sichern. Bei generalisierender und pauschalierender Betrachtung ist in diesem Zusammenhang auch nicht darauf abzustellen, ob der Kläger im Einzelfall Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) gehabt hätte und in welchem Umfang er ggf. erhaltene Leistungen hätte zurückzahlen müssen. Es geht vielmehr darum, welche Kosten entstanden, nicht wie sie im Einzelfall zu finanzieren gewesen wären. Zu Fragen ist dem gebotenen generalisierenden Ansatz danach, welche Mittel ein Student üblicherweise durchschnittlich hätte aufwenden müssen, um die Lebenshaltungskosten abzudecken und studieren zu können. Woher diese Mittel stammen, ob aus Unterhaltsleistungen der Eltern, BAFöG-Leistungen des Staates, vorhandenem Vermögen oder Arbeitseinkommen oder sonstigen Einkünften, kann im Hinblick darauf, dass die Beklagte dem Kläger jedenfalls den notwendigen Unterhalt gewährt hat, und ein Ausgleich für die dadurch erlangte Ausbildung herzustellen ist, nicht berücksichtigt werden. Eine solche hypothetische Betrachtung und Ermittlung der Verhältnisse in jedem Einzelfall im Nachhinein ist mit einer hinreichenden Ergebnissicherheit auch erkennbar nicht leistbar.

41

Die Ermessensausübung der Beklagten ist in diesem Zusammenhang aber insoweit zu beanstanden und überschreitet den gesetzlichen Rahmen der Ermächtigungsgrundlage (§ 114 Satz 1 VwGO), was der gerichtlichen Kontrolle unterliegt, als die Beklagte für die Bemessung der Lebenshaltungskosten auf eine Erlasslage, nämlich den Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 22. Juli 2002 PSZ I8 - Az 16-02-11/Bemessungsgrundsätze abstellt, in dessen Anlage 4 ein „Kostenansatz für die fiktiven Lebenshaltungskosten usw." enthalten ist. Der Nutzung dieses Kostenansatzes stehen zwei Gesichtspunkte entgegen. Der Ansatz legt neben den reinen Lebenshaltungskosten Gebühren für die Universität in Höhe von 230,08 € und eine Lernmittelkostenzuschuss von 115,04 € je Semester auf der Basis des Jahres 2001 zugrunde. Diese Kosten erscheinen sehr hoch, haben niemals alle Bundesländer Studiengebühren erhoben und erscheint auch der Lernmittelzuschuss eher großzügig bemessen. Der Kostenansatz geht denn auch nicht von dem unumgänglich notwendigen aus, sondern von dem, was an Studienbeihilfen für Nachwuchskräfte gewährt wird (vgl. Fußnote 1 der Anlage). Zum zweiten ist Grundlage ein so errechneter Wert von 612,00 € für das Jahr 2002, der mit 2,9 % pro Jahr erhöht wird, wobei sich die Steigerung an der durchschnittlichen Besoldungserhöhung in den Jahren 1980 bis 2002 orientiert (vgl. Fußnote 5 der Anlage).

42

Derartige durchschnittliche Besoldungserhöhungen sind in den Jahren von 2002 bis 2010 nicht mehr erzielt worden. So betrug die Besoldungserhöhung zum 01. Januar 2002 2,2 % von denen 0,2 % für die Versorgungsrücklage in Abzug zu bringen sind. Zudem wurde die Sonderzuwendung von 88,21 % auf 86,31 % abgesenkt (BBVAnpG 2000 vom 19. April 2001, BGBl. I S. 618). Im Jahr 2003 wurde die Besoldung zum 01. April 2003, für die Besoldungsgruppen A 12 und höher erst ab 01. Juli 2003 um 2,4 % angehoben. Die Sonderzuwendung fiel auf 84,29 % (vgl. BBVanpG 2003/2004 vom 10. September 2003, BGBl. I S. 1798). Die nächste Besoldungserhöhung erfolgte zum 01. April 2004 um 1,0 %, zugleich wurde die Sonderzuwendung in eine Sonderzahlung in Höhe von 60 % umgewandelt und das Urlaubsgeld in Höhe von 255,65 € abgeschafft BBVAnpG 2003/2004, a.a.O.). Eine weitere Erhöhung der Besoldung erfolgte zum 01. August 2004 um 1,0 % (BBVAnpG 2003/2004, a.a.O.). In den Jahren 2005, 2006 und 2007 wurde die Besoldung überhaupt nicht angehoben und die Sonderzahlung auf 30 % abgesenkt (Bundessonderzahlungsgesetz vom 28. Februar 2005, BGBl. I S. 464). Zum 01. Januar 2008 erhöhte sich die Besoldung um 50 € zuzüglich 3,1 % und zum 01. Januar 2009 um 2,8% (BBVanpG 2008/2009, BGBl. I S. 1582). Mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 05. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) wurden die Besoldungstabellen zum 01. Juli 2009 von 12 Altersstufen auf 8 Erfahrungsstufen umgestellt. Damit verbunden war eine leichte Besoldungserhöhung im Einzelfall um einige Euro. Die Sonderzahlung wurde zugleich auf die Monate aufgeteilt. Im Jahr 2010 wurde die Besoldung zum 01. Januar 2010 um 1,2 % erhöht (BBVAnpG 2010/2011 vom 19. November 2010, BGBl. I S. 1552). Im Durchschnitt der neun Jahre von 2002 bis 2010 einschließlich liegt die lineare Erhöhung pro Jahr damit bei 1,52 %. Dabei sind alle Kürzungen von Urlaubsgeld und Sonderzuwendung bzw. Sonderzahlung noch außer acht gelassen worden. Ein Satz von 2,9 % wird damit ungefähr zur Hälfte erreicht. Der Kostenansatz aus der Anlage 4 der Bemessungsgrundsätze bildet mithin die tatsächlichen Verhältnisse erkennbar nicht mehr realistisch ab und kann als Grundlage für eine Ermessensbetätigung auch selbst angesichts einer zulässigen Pauschalierung nicht mehr genutzt werden.

43

Zudem besteht ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt zur Bestimmung der Höhe der Lebenshaltungskosten für einen Studenten, nämlich der Höchstsatz der Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG). Das Bundesausbildungsförderungsgesetz dient nach seinem § 1 dazu, die Mittel bereitzustellen, die für einen Auszubildenden für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlich sind. Nach § 11 BAFöG wird die Ausbildungsförderung für den Lebensunterhalt und die Ausbildung geleistet. In den §§ 13, 13a BAFöG werden der Bedarf für die Studierenden und für die Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung im Einzelnen bestimmt. Soweit die Beklagte meint, dass das BAFöG wegen seiner anderen Zielrichtung nicht herangezogen werden kann, übersieht die Beklagte, dass dieses Gesetz genau jenen Parameter – den Bedarf – abbildet, der die Höhe der Kosten bei einem zivilen Studium für den Studierenden betrifft. Besteht aber eine gesetzliche Grundlage, so kann ein Rückgriff auf eine abweichende Erlasslage nicht mehr in Betracht kommen. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Umfang der während der notwendigen Dauer der Ausbildung ersparten Lebenshaltungskosten sich notfalls anhand vergleichender Betrachtung der Fördersätze ermitteln lässt, die das Bundesausbildungsförderungsgesetz vorsieht (Urteil vom 30. März 2006, a.a.O). Die Beklagte hat damit ihrer Ermessensausübung einen unrichtigen, nicht tragfähigen Sachverhalt zugrunde gelegt, was zu einem Ermessensfehler führt, der den angefochtenen Leistungsbescheid insgesamt rechtswidrig werden lässt.

44

Soweit der Hessische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 28. November 2008 (1 UZ 2203/07 - juris) die Bemessungsgrundsätze als tragfähige Grundlage für die Bemessung der auf der Ebene des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG zu treffenden Ermessensentscheidung ansieht, teilt das erkennende Gericht diese Auffassung nicht. Zwar mögen im Ergebnis in dem dem Beschluss zugrunde liegenden Zeitraum von 1998 bis 2002 die Unterschiede zwischen den Sätzen nach den Bemessungsgrundsätzen und dem BAFöG-Höchstsatz geringer gewesen sein. Von daher mag im Fall des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vertretbar gewesen sein, auf die Bemessungsgrundsätze abzustellen, weil eine Berechnung nach BAFöG-Sätzen kein für den dortigen Kläger besseres Ergebnis erbracht hätte. Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch anders.

45

Die Beklagte setzt für drei Monate in 2006 monatlich 686,14 € an, für je 12 Monate in den Jahren 2007,2008 und 2009 je Monat 706,04 €, 726,52 € und 747,59 € und für die drei Monate in 2010 je Monat 769,27 €, zusammengerechnet für 3 Jahre und 6 Monate 30.528,03 €.

46

Gemessen am jeweiligen BAFöG-Höchstsatz für Studierende ergibt sich demgegenüber folgende Berechnung: Von Oktober 2006 bis einschließlich Juli 2008 über 22 Monate je Monat 513,00 € (333,00 € monatlicher Bedarf + 133,00 € Unterkunftskosten + 47,00 € Kranken- und Pflegeversicherungskosten), von August 2008 bis Februar 2009 über 7 Monate je Monat 562,00 € (366,00 € monatlicher Bedarf + 146,00 € Unterkunftskosten + 50,00 € Kranken- und Pflegeversicherungskosten) und von März 2009 bis einschließlich März 2010 566,00 € (366,00 € monatlicher Bedarf + 146,00 € Unterkunftskosten + 54,00 € Kranken- und Pflegeversicherungskosten), zusammengerechnet ein Betrag von 22.578,00 €. Hinzuzurechnen sind die persönlichen Kosten in Höhe von 87,00 € auf einen Betrag von 22.665,00 €. Der Differenzbetrag zur Forderung der Beklagten errechnet sich auf 7.863,03 €. Damit ergibt sich aber anders als im Fall des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes hier ein deutlich anderes Ergebnis.

47

Die möglicherweise längere Studiendauer bei einem zivilen Studium kann in diesem Zusammenhang keine Berücksichtigung finden. Abzustellen ist auf den Zeitraum, für den die Beklagte dem Kläger den Unterhalt während der Ausbildung gewährt hat. Ob der Kläger in der gleichen Zeit in der Lage gewesen wäre, an einer zivilen Universität mit zwei Semestern im Jahr ebenso den Abschluss zu erlangen oder dafür vielleicht ein Semester mehr gebraucht hätte, hängt maßgeblich von den individuellen Studienleistungen ab. Ein Studium kann auch unterhalb einer Regelstudienzeit abgeschlossen werden. Demgegenüber kann ein Studierender an einer Hochschule der Bundeswehr trotz des Systems von Trimestern in einem Kalenderjahr über die Regelstudienzeit hinaus Zeit benötigen, um den Studienabschluss zu erreichen. Als fixierbarer Anknüpfungspunkt muss es bei der messbaren tatsächlichen Studiendauer verbleiben. Alles andere erscheint spekulativ.

48

Angesichts dieses Ergebnisses kann das Gericht davon absehen, die tatsächlichen Kosten des Studiums des Klägers an der Universität der Bundeswehr München weiter zu ermitteln. Die Beklagte hat diese Kosten mit 42.550,17 € angegeben und hierzu zumindest eine grobe Aufteilung der Kostenpositionen nach Personal- und Sachkosten und der Anzahl der Studierenden vorgelegt. Zwar wird diese Darstellung vom Kläger als nicht ausreichend und hinreichend nachvollziehbar gerügt. dem muss die Kammer aber hier nicht weiter nachgehen.

49

Die Frage, inwiefern die sog. „Abdienquote", also die Zeit, die der Kläger nach Abschluss seines Studiums der Bundeswehr noch zur Verfügung gestanden hat, bei der Ermittlung des Erstattungsbetrages anspruchsmindernd zu berücksichtigen ist, stellt sich im vorliegenden Verfahren nicht. Denn die Abdienquote steht in Bezug zu den tatsächlich der Beklagten entstandenen Ausbildungskosten und wirkt sich ggf. diesen gegenüber mindernd aus, wie die Beklagte in dem streitigen Bescheid auch festgestellt hat. Gegenstand des strittigen Leistungsbescheides sind jedoch nicht die tatsächlich der Beklagten entstandenen Ausbildungskosten, sondern nur die dem Kläger persönlich in Form ersparter Aufwendungen entstandenen Vorteile infolge des von der Beklagten finanzierten Studiums. Zu diesen Kosten steht die „Abdienquote“ in keinem Bezug. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 - BVerwGE 52, 84) bereits geklärt, dass die Länge der im Anschluss an die Fachausbildung abgeleisteten Dienstzeit nur in besonderen Ausnahmefällen eine besondere Härte darstellt. Mithin könnte allenfalls bei einem deutlichen Missverhältnis des Rückforderungsbetrages im Vergleich zu einer sehr hohen Abdienquote auch im Rahmen der reinen Vorteilsabschöpfung ggf. Veranlassung bestehen, diese ergänzend anspruchsmindernd zu berücksichtigen (vgl. hierzu: HessVGH, a.a.O.). Dies bedarf im vorliegenden Fall jedoch angesichts der relativ geringen Abdienquote des Klägers von etwa 3 1/2 Monaten gerechnet vom 01. April 2010, nach dem Ablegen der Prüfungen, bis zum 10. Juli 2010, dem Entlassungszeitpunkt, keiner Entscheidung.

50

Die Beklagte ist auch nicht berechtigt, Stundungszinsen festzusetzen. Hierfür fehlt es an einer Rechtsgrundlage (so auch: VG Hannover, Urteil vom 25. März 2004 – 2 A 3429/02 -). Diese kann nicht darin gesehen werden, dass § 56 Abs. 4 Satz 3 SG ein Ermessen eröffnet, welches bei Einräumung einer Stundung aus Härtegründen dann sogleich auch beinhalten soll, hier wiederum Zinsen geltend machen zu dürfen, um so den Zinsverlust für die Stundung auszugleichen (so aber: HessVGH, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Vielmehr ist dem Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes folgend für einen staatlichen Eingriff bzw. für eine staatlich ausgelöste Belastung eine dies ausdrücklich legitimierende Rechtsgrundlage zu verlangen. Die Auferlegung einer Zinslast stellt einen solchen den Bürger belastenden Eingriff dar. Die Rechtsordnung sieht deshalb an anderer Stelle auch dementsprechende ermächtigende Regelungen zur Erhebung von Stundungszinsen ausdrücklich vor, etwa in § 234 AO, § 49a Abs. 3 VwVfG, § 50 Abs. 2a SGB X, § 59 Abs. 1 BHO. So kennt auch das Beamtenrecht bei der Rückforderung von Dienstbezügen (§ 12 BBesG); keine Regelung zur Erhebung von Stundungszinsen. Selbst Verzugszinsen können analog § 288 Abs. 1 BGB im öffentlichen Recht nur verlangt werden, wenn es dafür entweder eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage im jeweiligen Fachrecht gibt oder wenn dies durch Vertrag bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Juni 2002 – 9 C 6.01 – BVerwGE 116, 312; Urteil vom 22. Februar 2001 – 5 C 34.00 – BVerwGE 114, 61; BVerwG, Urteil vom 24. September 1987 - 2 C 43.85 – juris; VG Hannover a.a.O.). An einer solchen Regelung fehlt es hier. Der sich mangels Fälligkeit nicht in Verzug befindliche Kläger kann aber nicht schlechter stehen, als wenn er sich in Verzug befinden würde.

51

Im Übrigen wäre wegen der Zinshöhe ebenfalls eine Entscheidung des Gesetzgebers nötig und diese Entscheidung könnte nicht der Verwaltung überlassen werden. Selbst wenn man – entgegen dem oben Ausgeführten – eine Ermächtigung der Beklagten zur Zinserhebung unterstellen würde, könnte nicht auf den Marktzinssatz für Haus- oder Verbraucherkredite abgestellt werden. Stundungszinsen sollen die Zinsverlustkosten für die aufgeschobene Tilgung abdecken. Maßgeblich ist danach die Höhe der Refinanzierungskosten, also der Zinssatz, für den die Bundesrepublik Deutschland für ihren Staatshaushalt Kredite aufnimmt. Hierauf hat die Beklagte indes nicht abgestellt, sondern auf die Höhe von Bau- und Verbraucherkreditzinsen, so dass die Ermessensausübung auch dieser Stelle von falschen Voraussetzungen ausgegangen ist und sich als rechtswidrig darstellt (vgl. in diesem Zusammenhang: OVG Münster, Urteil vom 20. April 2015 – 1 A 1242/12 – juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 - und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 - jeweils juris, VG Münster, Urteil vom 21. August 2014 - 5 K 2265/12 - juris; aber auch - im Ergebnis keine rechtlichen Bedenken gegen einen Zinssatz von 4 % äußernd: VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 - 10 K 5420/13 - juris, sowie BayVGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - 6 BV 12/19 – juris).

52

Schließlich kann auch die Regelung eines Erlasses der eventuell noch bestehenden Restforderung erst zwei Jahre vor Erreichen der Regelaltersgrenze für das Renteneintrittsalter keinen Bestand behalten. Hierzu hat das OVG Münster (Urteil vom 20. April 2015 - 1 A 1242/12 juris) Folgendes ausgeführt, dem sich die Kammer anschließt:

53

„Die Erstattung von Ausbildungskosten wie hier dem Ausbildungsgeld darf den früheren Soldaten in Anwendung der Härteklausel nicht in einer Weise belasten, dass er in die Gefahr einer existenzgefährdenden wirtschaftlichen Notlage gerät. Vgl. dazu allgemein etwa BVerfG, Beschluss vom 22. Januar 1975 - 2 BvL 51/71 -, BVerfGE 39, 128 = juris, Rn. 49; BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = juris, Rn. 54; OVG NRW, 26. Juni 1975 - 1 A 927/74 -, DÖV 1975, 792 = juris (LS 2); VG Gießen, Urteil vom 26. Oktober 2005 - 8 E 2875/04 -, Rpfleger 2006, 90 = juris, Rn. 20; Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.

54

Dabei muss u.a. eine dauerhafte wirtschaftliche Knebelung, wie sie insbesondere bei einer sehr hohen Erstattungspflicht und einem (bei eingeräumter Ratenzahlung) entsprechend sehr langen Erstattungszeitraum eintreten kann, unterbleiben. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung vertreten, dass sich dann, wenn die Beklagte - wie etwa auch in dem vorliegenden Leistungsbescheid - Ratenzahlungen gewährt, die Zahlungspflicht grundsätzlich nicht während des gesamten weiteren Berufslebens des Soldaten andauern darf, sondern zeitlich begrenzt sein muss. Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. März 2006 - 2 C 18.05 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/A II 1 Nr. 11 = juris, Rn. 24; dem grundsätzlich folgend u.a. VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 38, und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 47; VG Düsseldorf, Urteil vom 30. Dezember 2013 - 10 K 5420/13 -, juris, Rn. 32; a.A. VG Gießen, Urteil vom 5. November 2012 - 5 K 785/11.GI -, juris, Rn. 38, VG Schleswig, Urteil vom 6. März 2014 - 12 A 153/13 -, juris, Rn. 41, und wohl auch Sohm, in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 2. Aufl. 2010, § 56 Rn. 23.

55

Die betreffende Formulierung in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ist systematisch eingebettet in Ausführungen zu der Frage, ob der in Anwendung der Härteklausel zu erstattende Betrag "von einem bestimmten ehemaligen Zeitsoldaten" verlangt werden dürfe, was von seiner individuellen Vermögenslage abhänge. Das verdeutlicht, dass es an dieser Stelle um generelle Erwägungen zur Frage der (individuellen) wirtschaftlichen Zumutbarkeit geht und damit nicht um einen etwaigen weiteren "Bonus" im Rahmen der Anwendung der Härteklausel speziell auf die Gruppe der anerkannten Kriegsdienstverweigerer. Insofern hat es in diesem Punkt auch keine Bedeutung, dass die Entscheidung einen Fall betroffen hat, in dem es um die Erstattung der Ausbildungskosten eines Kriegsdienstverweigerers ging. Allein ein solches Verständnis der betreffenden Urteilspassage ergibt im Übrigen auch Sinn, weil es der Sache nach - wie schon ausgeführt - um eine Konkretisierung des im Rahmen der Härteklausel für alle betroffenen früheren Soldaten geltenden Gesichtspunktes gegangen ist, dass diese durch die Erstattung und die Modalitäten ihrer Abwicklung nicht in existentielle wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sollen.

56

Soweit es Gegenstimmen zu einer gebotenen zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums gibt (VG Gießen, VG Schleswig, jeweils a.a.O.), setzen diese dabei an, dass grundsätzlich die Pflicht bestehe, den Erstattungsbetrag in einer Summe zu zahlen. Würden den Soldaten Ratenzahlungen eingeräumt, bleibe es ihnen unbenommen, die hierdurch bewirkte Zahlungsdauer im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten durch höhere Ratenzahlungen zu verkürzen. Diese Argumentation überzeugt schon deswegen nicht, weil sie die angesprochene Verkürzungsmöglichkeit offenbar als regelmäßig gegeben unterstellt. Diese hängt aber entscheidend von den wirtschaftlichen Verhältnissen im jeweiligen Einzelfall ab. Ferner wird wohl nicht hinreichend bedacht, dass die Pflicht zur Zahlung in einer Summe angesichts der Höhe der zumeist in Rede stehenden Beträge gerade wegen der bestehenden Härteklausel in der Praxis kaum zum Tragen kommen dürfte. Die ggf. bestehende Härte in Anwendung des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG auszugleichen, bleibt dabei Aufgabe der Beklagten, kann also nicht, jedenfalls nicht vollständig, einem Handeln der betroffenen ehemaligen Soldaten (auch im Rahmen von deren finanziellen Möglichkeiten) überlassen bleiben.

57

Die danach erforderliche zeitliche Begrenzung des Erstattungszeitraums (Zeitraums der Ratenzahlungspflicht) in Richtung auf nur einen Teilzeitraum des gesamten Berufslebens muss auch bereits in dem Leistungsbescheid (Ausgangsbescheid) selbst erfolgen; dort sind die hierzu notwendigen Regelungen zu treffen. Das ist keine Besonderheit, sondern entspricht auch im Übrigen der Anwendung der Härteklausel des § 56 Abs. 4 Satz 3 SG. Diese unterscheidet sich insoweit im Kern nicht von der Billigkeitsentscheidung bei der Rückforderung zuviel gezahlter Bezügen (vgl. § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG). Dazu ist anerkannt, dass die Billigkeitsentscheidung nicht lediglich die Vollziehung oder Vollstreckung des Rückforderungsbescheides, sondern den materiellen Bestand des (insofern modifizierten) Rückforderungsanspruchs betrifft. Ein Rückforderungsbescheid darf deshalb nicht ergehen, ohne dass bzw. bevor eine Billigkeitsentscheidung getroffen wurde. Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 - 2 C 4.11 -, Schütz/Maiwald, BeamtR, ES/C V 5 Nr. 84 = juris, Rn. 23, m.w.N.; sinngemäß entsprechend zur Härteklausel des Soldatengesetzes wohl auch BVerwG, Urteil vom 11. Februar 1977 - VI C 135.74 -, BVerwGE 52, 84 = ZBR 1977, 287 = juris, Rn. 56, unter Abgrenzung der Anwendung der Härteklausel von lediglich haushaltsrechtlichen Zahlungserleichterungen.

58

Ob das gleiche Ergebnis in Fällen der vorliegenden Art auch unmittelbar aus dem Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes und aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn hergeleitet werden kann, vgl. etwa VG Gelsenkirchen, Urteil vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 38 am Ende, braucht hier nicht entschieden zu werden.

59

Der Anforderung der zeitlichen Begrenzung des Erstattungszeitraums kann die Beklagte regelmäßig in der Weise ermessensgerecht entsprechen, dass sie die Verpflichtung zur Zahlung von Tilgungsraten auf einen Zeitraum von zwei Dritteln der Zeit von der Entlassung aus dem Zeitsoldatenverhältnis bis zum Eintritt in das Rentenalter (§ 35 SGB VI) begrenzt. Denn hierdurch ist auch unter Berücksichtigung etwa zusätzlich zu zahlender Stundungszinsen in aller Regel ausreichend gewährleistet, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der Anwendung der Härteklausel die Zahlungspflicht nicht während des gesamten (weiteren) Berufslebens andauert, sondern deutlich vor dem 67. Lebensjahr endet. Vgl. in diesem Sinne auch VG Gelsenkirchen, Urteile vom 8. September 2014 - 1 K 623/13 -, juris, Rn. 40, und vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 49.

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Das bedeutet allerdings nicht zwangsläufig, dass der im Leistungsbescheid festgesetzte Erstattungsbetrag am Ende nicht vollständig getilgt werden muss. Das gilt selbst dann, wenn ausgehend von der im Bescheid bestimmten Höhe der Rate eine vollständige Tilgung bis zu dem betreffenden Zeitpunkt rechnerisch nicht möglich ist. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang nämlich, dass der streitige Leistungsbescheid (wie auch in ähnlichen Fällen) unter Ziffer 4 eine (Neben-)Regelung enthält, derzufolge eine jährliche Überprüfung der Ratenhöhe anhand der Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse des früheren Soldaten zu erfolgen hat. Das kann es ermöglichen, die Raten vorübergehend oder ggf. auch dauerhaft höher festzusetzen. In einem solchen Fall kann ggf. erreicht werden, dass der gesamte Erstattungsbetrag schon vor Ablauf des vorgenannten Zweidrittelzeitraums getilgt ist. Es ist mit anderen Worten Aufgabe der Beklagten, diese begleitende Kontrolle auch tatsächlich effektiv wahrzunehmen.

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Wegen dieser möglichen Veränderungen der Tilgungshöhe, welche ggf. auch in Richtung auf eine wirtschaftlich gebotene Verringerung der Ratenhöhe gehen können, ist es aus Sicht des Senats sogar erforderlich ist, die Zeitdauer der Zahlungspflicht in dem Leistungsbescheid nicht nur dann begrenzend zu regeln, wenn ausgehend von der Höhe der dort festgesetzten Raten eine Tilgung innerhalb des Zweidrittelzeitraums nicht gelingen kann. Vielmehr ist solches auch dann geboten, wenn ausgehend von jenen u.U. recht hohen Raten eine rechtzeitige Tilgung gelingen könnte. Anders im Ergebnis VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 53.

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Denn ob es dann auch wirklich gelingen wird, ist angesichts der künftigen Veränderbarkeit der Höhe der Rate im Zeitpunkt des Ergehens des Leistungsbescheides keineswegs sicher. Gerade mit Blick darauf bedarf es aber schon in diesem Bescheid einer begrenzenden Regelung genereller Natur, die etwa an das Erreichen eines bestimmten Lebens- oder Kalenderjahres (bzw. Datums) anknüpft. Die Gegenauffassung des VG Gelsenkirchen, wonach es in jenen Fällen ausreichen soll, dass mit Blick auf eine mögliche Absenkung der Rate erst in dem diesbezüglichen Änderungsbescheid die zeitliche Begrenzung erforderlichenfalls geregelt wird, vgl. Urteil vom 17. Dezember 2014 - 1 K 6101/12 -, juris, Rn. 53, erscheint inkonsequent zu der auch dort eingenommenen Grundposition, dass über das Vorliegen einer besonderen Härte bereits im Ausgangsbescheid entschieden werden muss.

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Ist die für die Erstattung in zeitlicher Hinsicht bestehende Grenze erreicht, ohne dass der Gesamtbetrag getilgt werden konnte, dürfte die Beklagte im Übrigen verpflichtet sein, die Restsumme zu erlassen. Denn die Stundung unberührt zu lassen und weiterhin Stundungszinsen zu fordern, würde (in Abhängigkeit von der Zinshöhe einerseits und der Höhe des noch nicht getilgten Betrages andererseits) die wirtschaftliche Belastung jedenfalls zum Teil fortbestehen lassen und damit zu einer Belastung bis zum Ende der Berufstätigkeit oder sogar noch darüber hinaus führen.“

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Auf den hier zu entscheidenden Fall bezogen bedeutet dies, dass es an einer rechtmäßigen zeitlichen Begrenzung der Ratenzahlungszeitraumes fehlt und die Regelung zum Erlass zwei Jahre vor Erreichen der Rentenregelaltersgrenze das Höchstmaß der zulässigen Inanspruchnahme weit übersteigt.

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Der Bescheid ist insgesamt aufzuheben. Die Billigkeitsentscheidung ist integraler Bestandteil des Bescheides mit der Folge, dass eine auch nur an einer Stelle ermessensfehlerhafte Berechnung den gesamten Bescheid zu Fall bringt, mit anderen Worten, jeder der oben aufgezeigten Fehler nötigt für sich die Aufhebung des Bescheides.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 ZPO.


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