Beschluss vom Verwaltungsgericht Hamburg (9. Kammer) - 9 E 1919/20

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 30.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

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Der Antrag hat keinen Erfolg.

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1. Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht statthaft ist.

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Der Antragsteller beantragt wörtlich, die in den §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 8 der Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (im Folgenden: HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) vom 2. April 2020 in der ab dem 4. Mai 2020 gültigen Fassung enthaltenen Bestimmungen bis zu einer Entscheidung über den Feststellungsantrag außer Vollzug zu setzen. Dieses Ziel kann im Wege des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes nicht erreicht werden. Es würde zu einer Umgehung der nur im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO, in Hamburg allerdings mangels Öffnungsklausel im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht bestehenden Möglichkeit zur Unwirksamkeitserklärung untergesetzlicher Normen bzw. der insoweit eröffneten gerichtlichen Befugnisse zur vorläufigen Außervollzugsetzung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 47 Abs. 6 VwGO führen (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.8.2007, 7 C 13/06, juris Rn. 20).

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Effektiver Rechtsschutz gegen eine untergesetzliche Norm kann bei nicht eröffneter Normenkontrolle im Hinblick auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG (nur) im Wege der Feststellungsklage bzw. ihr entsprechender Formen des einstweiligen Rechtsschutzes erreicht werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 21.10.2019, 3 Bs 102/19, n.v.; OVG Münster, Beschl. v. 10.6.2016, 4 B 504/16, juris Rn. 11 ff.). Statthaft ist insoweit eine mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verbundene negative Feststellungsklage nach § 43 VwGO gegen die individuelle Verbindlichkeit der angegriffenen Verbote (vgl. BVerfG, Beschl. v. 31.3.2020, 1 BvR 712/20, juris Rn. 15).

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Ein dem entsprechendes Feststellungsbegehren verfolgt der Antragsteller mit seinem Eilantrag aber nicht. Ihm geht es vielmehr ausdrücklich darum, die Regelungen in den §§ 1, 2, 3, 4, 5 und 8 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren vorläufig außer Vollzug zu setzen. Dies ergibt sich aus der konkreten Antragsformulierung, der für die Ermittlung des tatsächlich gewollten Rechtsschutzziels vorliegend gesteigerte Bedeutung zukommt, weil der Antragsteller anwaltlich vertreten ist (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 21.10.2019, 3 Bs 102/19, n.v.). Weiter wird das Antragsziel dadurch verdeutlicht, dass der Antragsteller in der Hauptsache den Antrag stellen will, festzustellen, dass die in den §§ 1, 2, 3, 4, 5, 8 und 13 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO enthaltenen Bestimmungen ihn in seinen Grundrechten bzw. grundrechtsgleichen Rechten aus Art. 2 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 und 2, Art. 4 Abs. 1 und 2, 8, 12 Abs. 1, 103 Abs. 2, 20 Abs. 3 GG verletzen und unwirksam sind. Lediglich hilfsweise will er beantragen, dass die benannten Grundrechtsverstöße festgestellt werden sowie die Feststellung, dass die Bestimmungen ihm gegenüber keine Wirksamkeit entfalten. Damit verdeutlicht er unmissverständlich, dass es ihm primär um eine – im Rahmen der Feststellungsklage nicht zu erreichende – Außerkraftsetzung der beanstandeten Normen erga omnes geht, lediglich hilfsweise will er eine entsprechende Feststellung inter partes erreichen. Dass er diese Differenzierung, die ihm offensichtlich bekannt ist, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht trifft, zeigt, dass er das Ziel einer inter-partes-Feststellung im Eilverfahren nicht verfolgt.

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Auch die weiteren Umstände belegen eindeutig, dass es dem Antragsteller nicht um die Klärung der individuellen Verbindlichkeit der Normen geht, sondern um eine – nicht statthafte – abstrakte Normenkontrolle. Dafür spricht bereits, dass er in seiner 313 Seiten umfassenden Klage- und Antragsschrift (im Folgenden: Klageschrift) nahezu keine Ausführungen zu seiner persönlichen Betroffenheit macht. Im Wesentlichen finden sich lediglich im Rahmen der Ausführungen zum Anordnungsgrund (S. 312 der Klageschrift) auf ca. einer halben Seite individualisierte Ausführungen, zudem erfolgt sehr vereinzelt individualisierter Vortrag zur Klagebefugnis im Hinblick auf einzelne Grundrechte (S. 41), weit überwiegend erschöpft sich die Begründung der Klagebefugnis allerdings in der bloßen, nicht näher substantiierten Behauptung, der Antragsteller sei durch die Maßnahmen in seinem Grundrecht verletzt (S. 39, 40, 43, 44 der Klageschrift). Dass der Antragsteller nicht in eigener Sache, sondern als Sachwalter objektiven Rechts und der Rechte Dritter auftritt, zeigt sich auch darin, dass sich weite Teile der Klageschrift mit Normen der HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO beschäftigen, die sich nicht an den Antragsteller richten, wie z.B. die Beschränkung des Betriebs von Verkaufsstellen auf eine Verkaufsfläche von maximal 800 m2. Soweit sich der Antragsteller gegen § 3 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO wendet, der Ausnahmen von den Verboten der §§ 1 und 2 normiert, gibt er sogar ausdrücklich zu, dass ihn diese, mit Ausnahme des § 3 Abs. 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO, nicht unmittelbar belasteten. Die Auffassung, es handele sich um komplementäre Regelungen, die bei Unwirksamkeit der Hauptregelung gegenstandslos würden und daher in die Prüfung und den Unwirksamkeitsausspruch einzubeziehen seien (S. 35 der Klageschrift), zeigt unmissverständlich, dass es dem Antragsteller nicht um die Geltendmachung eigener Rechte geht. Auch in den Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen im engeren Sinne, in deren Rahmen zu überprüfen ist, ob die mit einem staatlichen Eingriff einhergehenden Beeinträchtigungen für den Betroffenen außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehen, wird eine individuelle Beeinträchtigung des Antragstellers noch nicht einmal behauptet. Vielmehr begründet der Antragsteller die aus seiner Sicht bestehende Unverhältnismäßigkeit allgemein und ohne jeglichen Individualbezug mit seinen Ansichten zu Folgen sozialer Isolation, einer erhöhten Erkrankungsgefahr durch Bewegungsmangel wegen „#stayathome“, einem wirtschaftlichen Zusammenbruch, steigender Suizidalität in Zeiten wirtschaftlicher Rezession, zunehmender häuslicher Gewalt, einer eingeschränkten medizinischen Versorgung für Nicht-COVID-19-Patienten, Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, Obdachlose, Geflüchtete und Gefangene, nicht gewährleisteter Versorgung mit Lebensmitteln, der ethischen Fragwürdigkeit der intensivmedizinischen Behandlung insbesondere sehr alter COVID-19-Patienten sowie fehlender Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen (vgl. S. 239-299 der Klageschrift). Dass ihm selbst eine dieser Beeinträchtigungen drohen würde, behauptet er nicht.

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Etwas anderes folgt auch nicht aus der dem Antrag beigefügten eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers. Auch diese befasst sich in weiten Teilen mit allgemeinen Ausführungen dazu, dass unverständlich sei, warum im Hinblick auf „Corona“ derart freiheitsbeschränkende Maßnahmen ergriffen werden, während dies in anderen Themenfeldern, wie Übergewicht/Fehlernährung, Feinstaub/Industrieschadstoffe, Rauchen und Hunger, nicht der Fall sei. Die Angaben dazu, inwieweit sich der Antragsteller selbst beeinträchtigt fühlt, sind zudem überwiegend nicht kongruent mit den Ausführungen in der Klageschrift. Dass er einen großen Teil der Regelungen, die ihn nach seinem eigenen Vorbringen am meisten belasten, mit seinem Antrag überhaupt nicht angreift, bestätigt seine Intention, nicht eigene, sondern fremde Rechte bzw. objektives Recht wahren zu wollen. Soweit der Antragsteller in der eidesstattlichen Versicherung im Schwerpunkt darlegt, dass seine beiden Kinder derzeit Schule bzw. Kita nicht besuchen könnten und er sie „unnatürlich intensiv“ (S. 312 der Klageschrift) betreuen müsse, so dass er wegen fehlender, aber für ihn notwendiger absoluter Ruhe nur noch sehr eingeschränkt arbeitsfähig sei, greift er die entsprechenden Regelungen (§§ 21, 26 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) mit seiner Klage bzw. seinem Antrag nicht an. Gleiches gilt im Hinblick auf den Besuch des Tennisclubs, da auch § 6 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO – soweit dieser das Tennis spielen nach der Neufassung des Abs. 3 überhaupt noch untersagt – nicht angegriffen wird. Eine weitere wesentliche individuelle Betroffenheit sieht der Antragsteller laut eidesstattlicher Versicherung in der „Maskenpflicht“, der er aus Gründen der Menschenwürde und des Gesundheitsschutzes nicht nachkommen wolle. In der Klageschrift spielt dieser Aspekt hingegen nur eine untergeordnete Rolle und wird auf lediglich acht von 313 Seiten behandelt, wiederum allerdings abstrakt und ohne jeglichen Bezug zum Antragsteller. Die Feststellung der behaupteten Verletzung in der Menschenwürde wird mit den Anträgen nicht begehrt und auch im Übrigen im Schriftsatz nicht erwähnt.

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Nur ergänzend sei angemerkt, dass erhebliche Zweifel an der Individualbezogenheit der Klageschrift – und daraus folgend auch des Antragsbegehrens – auch daraus resultieren, dass in dem Schriftsatz zunächst behauptet wird, der Antragsteller sei von sozialer Isolation besonders betroffen, weil er allein lebe (S. 54 der Klageschrift), an anderer Stelle jedoch erwähnt wird, er lebe mit seiner Frau und seinem Sohn zusammen (S. 312 der Klageschrift), was beides im Widerspruch dazu steht, dass der Antragsteller eidesstattlich versichert hat, mit seiner Frau, seiner Tochter und seinem Sohn zusammenzuleben. Zudem werden in der Klageschrift Beeinträchtigungen behauptet, die der Antragsteller selbst in keiner Weise erwähnt, wie z.B., dass für ihn berufliche Ansammlungen nur unter Beachtung der notwendigen hygienischen Anforderungen zulässig seien, dass er auf einen bestimmten Kreis an sozialen Kontakten beschränkt sei (der Antragsteller selbst bezieht sich insoweit nur darauf, dass sich aus Angst faktisch weniger Menschen mit ihm treffen wollten) oder dass Gottesdienste untersagt seien.

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Angesichts des in der Gesamtschau eindeutigen Begehrens des Antragstellers kommt eine Auslegung des formulierten Antrags nicht in Betracht.

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2. Aber selbst wenn der Antrag – entgegen der Auffassung der Kammer – der Auslegung zugänglich wäre, hätte der Antrag keinen Erfolg.

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a) Mangels hinreichend konkreten individuellen Vorbringens in der Klageschrift ließe sich ein Rechtsschutzbegehren im Wesentlichen lediglich aus der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers in Verbindung mit dem formulierten Antrag ableiten. Daraus ergäbe sich – bei sehr wohlwollendem Verständnis – das Begehren, festzustellen, (1.) dass es Theatern, Kinos, Saunas, Fitness- und Sportstudios nicht durch § 5 Abs. 3 Nr. 1, 3, 23 und 26 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO (in der derzeit geltenden Fassung vom 6. Mai 2020) untersagt ist, für den Publikumsverkehr zu öffnen und Angebote darzubringen sowie (2.) dass der Antragsteller und (3.) andere Menschen nicht durch § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO verpflichtet sind, in allen für den Publikumsverkehr geöffneten Verkaufsstellen des Einzelhandels, Betrieben und Einrichtungen nach § 8 Abs. 1, 3 und 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO sowie auf den öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen in Einkaufscentern oder Einkaufsmeilen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Weitere Begehren lassen sich der eidesstattlichen Versicherung im Ergebnis nicht entnehmen. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass seine Kinder nicht mehr in die Schule bzw. Kita könnten, sie nicht mehr Tennis spielen könnten und Café-Besuche nicht mehr möglich seien, sind weder die §§ 21, 26 noch § 6 oder § 13 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO mit dem Eilantrag angegriffen worden. Andere ihn konkret belastende Einschränkungen bzw. Regelungen benennt der Antragsteller in seiner eidesstattlichen Versicherung nicht.

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b) Ein so ausgelegter Antrag wäre nur teilweise zulässig.

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aa) Soweit der Antragsteller sich gegen die ihn treffende Pflicht wendet, an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO benannten Orten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, wäre der Antrag zulässig. Der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO wäre mit Blick auf eine mögliche negative Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft (s.o.). Der Antragsteller hätte auch ein berechtigtes Interesse an der vorläufigen Feststellung im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Hierzu genügt jedes nach Sachlage anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art. Der Antragsteller hat insoweit eidesstattlich versichert, sich ohne Maske nicht mehr mit Grundnahrungs- und Hygienemitteln versorgen zu können, weil er von Ladenbesitzern bedrängt werde, eine Maske anzuziehen, weil diese sonst mit Strafen belegt würden. Die über das in § 43 Abs. 1 VwGO geforderte Feststellungsinteresse hinaus erforderliche Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.5.2009, 8 C 10/08, juris Rn. 24 m.w.N.) würde sich daraus ergeben, dass es zumindest nicht nach jeder Betrachtungsweise offenkundig ausgeschlossen erscheint, dass die Auferlegung einer Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung den Antragsteller in unzulässiger Weise in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG beschränken könnte.

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bb) Im Übrigen wäre der Antrag hingegen unzulässig, da es jedenfalls an der notwendigen Antragsbefugnis fehlen würde. Ein Antrag auf vorläufige Feststellung ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend machen kann, in seinen Rechten verletzt zu sein, entweder, weil er an dem festzustellenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt ist, oder weil von dem Rechtsverhältnis eigene Rechte abhängen (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.5.2009, a.a.O.). Es erscheint aber nach jeder Betrachtungsweise als ausgeschlossen, dass der Antragsteller dadurch, dass andere Menschen dazu verpflichtet werden, an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO benannten Orten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, in seinen Rechten verletzt sein kann. Er ist an dem festzustellenden Rechtsverhältnis weder beteiligt noch hängen von diesem Rechtsverhältnis eigene Rechte des Antragstellers ab. Auch durch das Verbot des Betriebs von Theatern, Kinos, Saunas, Fitness- und Sportstudios kann der Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt sein. Die Rechtsverhältnisse bestehen zwischen der Antragsgegnerin und den jeweiligen Betrieben, der Antragsteller ist daran nicht beteiligt. Von diesen Rechtsverhältnissen hängen auch keine eigenen Rechte des Antragstellers ab. Erforderlich ist eine Betroffenheit in eigenen subjektiven Rechten, es genügt nicht, wenn der Antragsteller nur in tatsächlicher Hinsicht im Sinne eines bloßen Rechtsreflexes betroffen ist (vgl. VGH München, Beschl. v. 12.8.2010, 4 ZB 09.1230, juris Rn. 6). So verhält es sich aber hier. Die Betriebsuntersagung richtet sich ausschließlich an die Betriebe, dass der Antragsteller diese Betriebe aufgrund dessen nicht mehr besuchen kann, ist lediglich ein Reflex. Es ist vorliegend Sache der betroffenen Betriebe, ihre Rechte zu verteidigen, nicht jedoch Aufgabe des von der Zulässigkeit der Öffnung nur in faktischer Hinsicht möglicherweise profitierenden Antragstellers. Selbst wenn der Antragsteller vertragliche Bindungen mit betroffenen Betrieben hätte, was er allerdings weder behauptet noch glaubhaft gemacht hat, wäre er nur mittelbar betroffen (vgl. auch VGH München, a.a.O.). Eigene Rechte gegenüber der Antragsgegnerin kann er daraus nicht herleiten.

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c) Soweit der Antrag zulässig wäre, hätte er in der Sache keinen Erfolg.

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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung hierfür ist gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, dass der Antragsteller die Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sowie das Bestehen des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird (Anordnungsanspruch), glaubhaft macht.

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Das einstweilige Rechtsschutzverfahren nach § 123 VwGO dient grundsätzlich nur der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses; einem Antragsteller soll hier regelmäßig nicht bereits das gewährt werden, was er nur in einem Hauptsacheverfahren erreichen kann. Die von dem Antragsteller begehrte Feststellung würde sich allerdings insbesondere angesichts der befristeten Geltung des § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO bis 31. Mai 2020 (§ 34 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) als eine endgültige Vorwegnahme der Hauptsache darstellen. Wird die Hauptsache vorweggenommen, kann dem Eilantrag nach § 123 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG schlechterdings unabweisbar ist. Dies setzt hohe Erfolgsaussichten, also eine weit überwiegende Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs in der Hauptsache, sowie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile im Falle des Abwartens in der Hauptsache voraus (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 6.7.2018, 3 Bs 97/18, juris Rn. 35 m.w.N.).

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Gemessen daran hätte der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht mit dem für eine Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht, so dass es auf das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht mehr ankäme. Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung hätte der Antragsteller voraussichtlich keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung.

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Die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in allen für den Publikumsverkehr geöffneten Verkaufsstellen des Einzelhandels, Betrieben und Einrichtungen nach § 8 Abs. 1, 3 und 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO sowie auf den öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen in Einkaufscentern oder Einkaufsmeilen ergibt sich aus § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO. Diese betrifft auch den Antragsteller. Er ist nicht nach § 8 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit. Danach gilt die Pflicht nicht für Kinder unter sieben Jahren oder Personen, die aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder einer Behinderung keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können oder bei denen durch andere Vorrichtungen die Verringerung der Ausbreitung übertragungsfähiger Tröpfchenpartikel bewirkt wird. Der x Jahre alte Antragsteller hat die Altersgrenze bereits weit überschritten. Soweit der Antragsteller eidesstattlich versichert, er grusele sich davor, eine Maske anzulegen, fühle sich durch das erzwungene Tragen einer Maske erniedrigt und es sei eine traumatisierende Erfahrung für ihn, handelt es sich bei diesen Auswirkungen wohl bereits nicht um gesundheitliche Beeinträchtigungen, jedenfalls ist nicht erkennbar, dass er aufgrund dessen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen könne.

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Ein Anspruch auf die von dem Antragsteller begehrte, § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO widersprechende Feststellung folgt auch nicht daraus, dass die Norm – was nach dem oben ausgeführten Maßstab aber für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlich wäre – mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit rechtswidrig und nichtig wäre. Vielmehr erweist sich diese nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als rechtmäßig (im Ergebnis ebenso VGH Kassel, Beschl. v. 5.5.2020, 8 B 1153/20.N, juris Rn. 27 ff.; VGH München, Beschl. v. 5.5.2020, 10 NE 20.926, BA S. 5 ff., abrufbar unter http://www.vgh.bayern.de/media/bayvgh/presse/20a00926b.pdf; OVG Münster, PKH-Beschl. v. 30.4.2020, 13 B 539/20.NE, juris Rn. 18 ff.; VG Hamburg, Beschl. v. 27.4.2020, 10 E 1784/20, abrufbar unter https://justiz.hamburg.de/vg-aktuelles/; Beschl. v. 28.4.2020, 10 E 1786/20, n.v.; Beschl. v. 30.4.2020, 3 E 1839/20, n.v.; Beschl. v. 6.5.2020, 21 E 1832/20, n.v.; Beschl. v. 8.5.2020, 2 E 1837/20, n.v.; VG Saarlouis, Beschl. v. 30.4.2020, 6 L 452/20, juris Rn. 10 ff.; VG Mainz, Beschl. v. 28.4.2020, 1 L 276/20.MZ, juris Rn. 9 ff.; offenlassend OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.5.2020, 13 MN 119/20, juris Rn. 20 ff.; VG Gera, Beschl. v. 3.4.2020, 3 E 432/20, juris Rn. 32 ff.)

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aa) § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO findet in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung ist in der zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Fassung jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens nicht zu beanstanden (vgl. nur OVG Hamburg, Beschl. v. 30.4.2020, 5 Bs 64/20, BA S. 8 m.w.N., abrufbar unter https://justiz.hamburg.de/contentblob/13889120/76b3ce734c587bb1e3b13f50c6f7dbb1/data/5bs64-20a.pdf).

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Insbesondere liegt kein Verstoß vor gegen die Verpflichtung des Gesetzgebers, in allen grundlegenden normativen Bereichen die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. zu dieser Anforderung ausführlich BVerfG, Urt. v. 19.9.2018, 2 BvF 1/15, 2 BvF 2/15, juris Rn. 191 ff. m.w.N.). Dies behauptet im Übrigen auch der Antragsteller im Hinblick auf die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht. Er sieht als wesentlich nur die Kontaktbeschränkungen sowie die Untersagung und Einschränkung bestimmter Betriebe, Einrichtungen, gastronomischer Tätigkeiten, Versammlungen und Angebote an (vgl. S. 51 der Klageschrift). Unabhängig davon, ob es sich bei der Einführung einer vorübergehenden Pflicht, an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO benannten Orten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, überhaupt um eine in diesem Sinne wesentliche Frage handelt, liegt hier eine entsprechende Entscheidung des Gesetzgebers vor. Dieser hat in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG bestimmt, dass als notwendige Schutzmaßnahme insbesondere in Betracht kommt, Personen zu verpflichten, bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Die Pflicht, einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, stellt eine solche Bedingung dar.

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bb) Soweit der Antragsteller Bedenken in Bezug auf die verfassungsrechtlich erforderliche Bestimmtheit der Norm im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG äußert, verkennt er, dass Art. 103 Abs. 2 GG, wonach eine Tat nur bestraft werden kann, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde, nicht einschlägig ist, weil ein Verstoß gegen § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO nicht strafbewehrt ist.

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Die Regelung verstößt im Übrigen auch nicht gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gebot der ausreichenden Bestimmtheit von Normen. Danach müssen Normen so bestimmt formuliert sein, dass die Folgen der Regelung für den Normadressaten so vorhersehbar und berechenbar sind, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann (vgl. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Stand: Oktober 2019, Art. 20 VII. Rn. 58). Dies ist vorliegend der Fall. § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO bestimmt, dass jede Person, für die keine Ausnahmeregelung greift, in allen für den Publikumsverkehr geöffneten Verkaufsstellen des Einzelhandels, Betrieben oder Einrichtungen nach den Absätzen 1, 3 und 4 sowie in öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen in Einkaufscentern oder Einkaufsmeilen eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen muss. Die Auffassung des Antragstellers, aus der Verordnung ergebe sich nicht, wie der Mundschutz ausgestaltet sein solle, ob es Masken des Typs FFP 1-3, mit oder ohne Ventil sein müssten oder ob ein Tuch oder Schal zur Verdeckung des Mund-Nasen-Bereichs ausreiche, erschließt sich nicht. Der Wortlaut der Norm ist eindeutig und leicht verständlich, erforderlich ist danach eine Bedeckung von Mund und Nase (=Mund-Nasen-Bedeckung). Nach Sinn und Zweck der Norm, die Ausbreitung übertragungsfähiger Tröpfchenpartikel zu verringern (vgl. § 8 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 a.E. HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO), muss eine entsprechende Eignung bestehen, konkrete Vorgaben hinsichtlich Form, Material o.ä. bestehen jedoch nicht (vgl. auch die Erläuterung der Antragsgegnerin unter https://www.hamburg.de/corona-maske/13876120/warum-masken-sinnvoll-sind/).

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cc) § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO ist von der Verordnungsermächtigung gemäß § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG gedeckt.

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Nach § 32 Satz 1 IfSG werden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG trifft, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ermächtigt als Generalklausel zur Anordnung der notwendigen Schutzmaßnahmen, ohne die Befugnis auf bestimmte Schutzmaßnahmen oder auf Maßnahmen einer bestimmten Eingriffsintensität zu beschränken (Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 28 Rn. 8; Erdle, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2020, § 28 Rn. 1).

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Diese Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor. Bis zum 11. Mai 2020 wurden in der Freien und Hansestadt Hamburg 4.951 Erkrankungen an COVID-19, der durch das übertragbare Coronavirus SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung, gemeldet. Die Gesundheitsbehörde geht von ca. 650 akut mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Hamburgerinnen und Hamburgern – und damit Kranken im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG bzw. Ausscheiderinnen und Ausscheidern im Sinne des § 2 Nr. 6 IfSG – aus.Laut Angaben des Instituts für Rechtsmedizin konnte bei 195 Personen die COVID-19-Infektion als todesursächlich festgestellt werden (vgl.https://www.hamburg.de/coronavirus/13907738/2020-05-11-coronavius-aktueller-stand/).

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Somit war die Antragstellerin grundsätzlich zum Handeln verpflichtet (gebundene Entscheidung). Hinsichtlich Art und Umfang der Bekämpfungsmaßnahmen räumt § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG der zuständigen Stelle (Verordnungs-)Ermessen ein. Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Das behördliche Ermessen wird dadurch beschränkt, dass es sich um „notwendige Schutzmaßnahmen“ handeln muss, nämlich Maßnahmen, die zur Verhinderung der (Weiter-)Verbreitung der Krankheit geboten sind. Darüber hinaus sind dem Ermessen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, 3 C 16/11, juris Rn. 24).Dabei ist in der gegenwärtigen Situation zu berücksichtigen, dass das Coronavirus SARS-CoV-2 in der konkreten Gestalt erst seit kürzester Zeit bekannt ist und nur wenig gesicherte Kenntnisse darüber vorliegen. Die medizinische Forschung etwa zu Fragen der Infektiösität, der Verbreitungswege, der Krankheitsverläufe, der Therapieansätze, der Impfstoffentwicklung und der Evaluation der zur Verhinderung der Verbreitung ergriffenen gesetzlichen Maßnahmen hat erst begonnen. Hat die Antragsgegnerin damit eine – weiterhin – komplexe Gefährdungssituation zu beurteilen, kommt ihr bei der Festlegung der ins Auge gefassten Regelungsziele und der Beurteilung dessen, was sie zur Verwirklichung der Ziele für geeignet, erforderlich und angemessen halten darf, ein weiter – gerichtlich nur begrenzt überprüfbarer – Einschätzungs- und Prognosespielraum zu (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 30.4.2020, 5 Bs 64/20, BA S. 9 m.w.N., abrufbar unter https://justiz.hamburg.de/contentblob/13889120/76b3ce734c587bb1e3b13f50c6f7dbb1/data/5bs64-20a.pdf; OVG Magdeburg, Beschl. v. 27.4.2020, 3 R 52/20, BA S. 10, n.v.).

29

Dabei stellen die benannten Personengruppen – Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider – zwar als Störer vorrangige Regelungsadressaten dar; Schutzmaßnahmen sind indes nicht auf diesen Personenkreis begrenzt. Auch (sonstige) Dritte können als Nichtstörer Adressaten von Maßnahmen sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, 3 C 16/11, juris Rn. 25 f.). Die Auffassung des Antragstellers, Maßnahmen dürften sich nur gegen einzelne oder mehrere Personen, nicht aber gegen die Gesamtheit der unter die Hoheitsgewalt des Landesverordnungsgebers fallenden Personen richten, trifft nicht zu. Der Wortlaut der Norm schränkt den Adressatenkreis gerade nicht ein, sondern verpflichtet allgemein zum Treffen der notwendigen Maßnahmen. Damit können sich Maßnahmen auch gegen die Allgemeinheit richten (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, 3 C 16/11, juris Rn. 26; vgl. auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 8/2468, S. 27 f.). Dies gilt insbesondere in der derzeitigen Situation, in der oftmals nicht ohne Weiteres zu erkennen ist, ob eine Person krank ist bzw. Krankheitserreger ausscheidet, weil das Coronavirus SARS-CoV-2 auch durch asymptomatische und präsymptomatische Personen übertragen werden kann, die höchste Infektiosität besteht sogar am Tag vor dem Symptombeginn (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888; OVG Münster, PKH-Beschl. v. 30.4.2020, 13 B 539/20.NE, juris Rn. 30).

30

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei der durch § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO angeordneten Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an bestimmten Orten um eine notwendige Schutzmaßnahme, die sich auch nicht als unverhältnismäßig erweist. Im Einzelnen:

31

(1) Die Verpflichtung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, kann nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG als Schutzmaßnahme ergriffen werden, wie bereits die dort – beispielhaft – aufgezählten Befugnisse zeigen. So ermächtigt § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 IfSG die zuständige Behörde unter anderem ausdrücklich dazu, Personen zu verpflichten, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Die Pflicht, an bestimmten Orten eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, stellt eine solche Bedingung dar (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.5.2020, 13. MN 119/20, juris Rn. 40; VG Hamburg, Beschl. v. 8.5.2020, 2 E 1837/20, n.v.).

32

(2) Die Regelung verfolgt ein legitimes Ziel.Die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Eindämmung der sogenannten Corona-Pandemie dienen der Verhinderung bzw. Verlangsamung der Ausbreitung der Infektionen und damit dem Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung, insbesondere indem ausreichende Behandlungskapazitäten für alle Erkrankten durch die Vermeidung von Überlastungs- und Engpasssituationen sichergestellt werden sollen (vgl. https://www.hamburg.de/coronavirus/aktuelles/13871384/warum-die-corona-massnahmen-noetig-sind/). Eine Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems dient zudem auch dem Schutz von Leben und Gesundheit von Personen, die an anderen behandlungsbedürftigen Erkrankungen leiden. Auch durch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung soll das Risiko einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 verringert werden (vgl. ebd.).Mit diesen Zielen des Gesundheits- und Lebensschutzes dient die Mund-Nasen-Bedeckungs-Pflicht der Erfüllung einer in der Verfassung begründeten staatlichen Schutzpflicht und damit einem legitimen Zweck (vgl. allgemein BVerfG, Urt. v. 26.2.2020, 2 BvR 2347/15 u.a., juris Rn. 231).

33

Soweit der Antragsteller meint, dass eigenverantwortliche Selbstschädigung das Recht jedes Einzelnen sei, ignoriert er, dass in der vorliegenden Situation jede Selbstschädigung (in Form einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2) mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Fremdgefährdung oder gar Fremdschädigung führen kann, da Übertragungen des Virus durch asymptomatische und präsymptomatische Personen eine große Rolle spielen, zumal die höchste Infektiosität am Tag vor dem Symptombeginn besteht (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888). In einer solchen Situation kann es zulässiger Ausdruck der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden Schutzpflicht des Staates sein, Dritte vor Ansteckung durch (wissentlich oder unwesentlich) infektiöse Personen zu schützen, insbesondere durch solche Personen, die – wie offensichtlich auch der Antragsteller – nicht bereit sind, freiwillig Maßnahmen zum Schutz ihrer Mitmenschen zu ergreifen.

34

Die wortreichen Ausführungen des Antragstellers zum Fehlen eines legitimen Zwecks (S. 113-217 der Klageschrift) gehen an der Sache vorbei. Der Antragsteller meint, der Schutz der nichterkrankten Bevölkerung vor Ansteckung könne nur ein legitimes Ziel sein, wenn der Schadenseintritt – also eine Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 außerhalb des eigenen Wohnumfeldes – als wahrscheinlich, zumindest aber als wahrscheinlicher als innerhalb des eigenen Wohnumfeldes angesehen werde und durch die Ansteckung eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für den Nichterkrankten bzw. Dritte bestehe. Woraus der Antragsteller diese Anforderung schließen will, bleibt unklar, er verweist insoweit lediglich darauf, dass § 28 IfSG gegenüber Nichtstörern nur eine Lückenfüllerfunktion habe und keine eigenständigen Maßnahmen rechtfertige. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht und sieht auch anderweitig keine Anhaltspunkte dafür, dass besondere Anforderungen an die Legitimität des verfolgten Ziels zu stellen wären.

35

Soweit bereits im Rahmen der Überprüfung des mit der Regelung verfolgten Zwecks zu überprüfen sein sollte, ob die Annahme einer Gefahr durch den Verordnungsgeber auf einer von Verfassungs wegen nicht zu beanstandenden Grundlage beruht (so wohl, allerdings in anderem, nicht unmittelbar vergleichbarem Kontext, BVerfG, Urt. v. 26.2.2020, 2 BvR 2347/15 u.a., juris Rn. 236 ff.), ist festzuhalten, dass sowohl die Annahme des Verordnungsgebers, eine Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gefährde Leib und Leben der Betroffenen, insbesondere, wenn aufgrund einer hohen Zahl an Erkrankten die Behandlungskapazitäten nicht mehr zur Versorgung aller Erkrankten ausreichen sollten, als auch die Annahme einer Gefahr der Übertragung des Virus an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO genannten Orten nicht zu beanstanden ist.

36

Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 gefährdet die Gesundheit und das Leben der Betroffenen. Auch wenn sich die absolute Zahl der täglichen Neuinfektionen in Hamburg zuletzt reduziert hat, ist nach der aktuellen Risikobewertung des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert-Koch-Instituts vom 30. April 2020 die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland derzeit weiterhin insgesamt als hoch einzuschätzen, für Risikogruppen als sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html?nn=13490888). Jedoch kommen auch bei Personen ohne bekannte Vorerkrankungen, jüngeren Patienten oder Kindern schwere Verläufe vor. Die Krankheitsverläufe sind unspezifisch, vielfältig und variieren stark, von symptomlosen Verläufen bis zu schweren Pneumonien mit Lungenversagen und Tod (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888). Am 11. Mai 2020 befanden sich 108 Personen mit Wohnort Hamburg aufgrund einer Erkrankung mit COVID-19 in stationärer Behandlung, davon wurden 43 Personen intensivmedizinisch betreut. Laut Angaben des Instituts für Rechtsmedizin konnte bereits bei 195 Personen die COVID-19 Infektion als todesursächlich festgestellt werden (vgl. https://www.hamburg.de/coronavirus/13907738/2020-05-11-coronavius-aktueller-stand/). Das Vorbringen des Antragstellers bietet keinen Anlass, an diesen Angaben zu zweifeln. Dass der Antragsteller – der insoweit keine besondere Sachkunde glaubhaft gemacht hat, die ihn zu einer wissenschaftlich fundierten Einschätzung der aktuellen Gefährdungssituation befähigen würde – und möglicherweise auch einige Wissenschaftler die von einer Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ausgehende Gefahr als geringer einschätzen als die Antragsgegnerin, widerlegt nicht, dass es sich bei der durch das Virus ausgelösten Erkrankung COVID-19 um eine potentiell tödliche handelt. Es ist unter Berücksichtigung des Einschätzungs- und Prognosespielraums der Antragsgegnerin (s.o.) sowie der weiterhin nur unvollständigen, sich mitunter sehr schnell wandelnden Erkenntnisse zu den kurz- und langfristigen Auswirkungen auf Infizierte, eines fehlenden Impfstoffs und mangels wirksamer Medikamente nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin Ansteckungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und Erkrankungen an COVID-19 verhindern will. Dass sich ihre Bewertung auf unzutreffende Tatsachen stützt, vermag das Gericht auch unter Berücksichtigung des Vortrages des Antragstellers nicht zu erkennen. Vielmehr wird die grundsätzliche Einschätzung der Antragsgegnerin nicht nur vom Robert-Koch-Institut geteilt, sondern auch von zahlreichen anderen hierzu qualifizierten Stellen, Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen.

37

Es ist weiter nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von einer erhöhten Gefahr der Übertragung des Coronavirus SARS-CoV-2 in den für den Publikumsverkehr geöffneten Verkaufsstellen des Einzelhandels, Betrieben und Einrichtungen nach § 8 Abs. 1, 3 und 4 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO sowie auf den öffentlich zugänglichen Verkehrsflächen in Einkaufscentern oder Einkaufsmeilen ausgeht. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts wird das Coronavirus SARS-CoV-2 hauptsächlich über Tröpfchen übertragen, die beim Husten und Niesen entstehen und beim Gegenüber über die Schleimhäute der Nase, des Mundes und ggf. des Auges aufgenommen werden. Weiter weisen Untersuchungen darauf hin, dass eine Übertragung auch über Aerosole, die von infizierten Personen ausgeatmet werden, erfolgen kann (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888). Da an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO genannten Orten zahlreiche Personen aufeinandertreffen können, eine kurzfristige Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,5 m teilweise nicht zu verhindern ist und zudem in geschlossenen Räumen aufgrund des schlechteren Luftaustauschs eine höhere Konzentration von Tröpfchen und Aerosolen vorliegen kann, ist nachvollziehbar, dass dort von einer gegenüber anderen Orten des öffentlichen Lebens erhöhten Gefahr der Ansteckung auszugehen ist (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, S. 4, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile; https://www.hamburg.de/corona-maske/13876120/warum-masken-sinnvoll-sind/).

38

(3) Die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung ist zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet. Ein Mittel ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 16.3.1971, 1 BvR 52/66 u.a., juris Rn. 64; Beschl. v. 9.3.1994, 2 BvL 43/92 u.a., juris Rn. 122). Dabei ist nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder erreichbar ist, vielmehr genügt die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung (BVerfG, Beschl. v. 20.6.1984, 1 BvR 1494/78, juris Rn. 52). Bei der Beurteilung der Eignung des gewählten Mittels zur Erreichung der erstrebten Ziele steht dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber ein Beurteilungsspielraum zu, der je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang gerichtlich überprüft werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.3.1994, a.a.O.).

39

Nach diesen Maßstäben begegnet die Einschätzung der Antragsgegnerin, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verringere die Ansteckungsgefahr, keinen Bedenken. Die Antragsgegnerin geht davon aus, dass eine einfache Mund-Nasen-Bedeckung dafür sorgt, dass beim Sprechen keine oder nur noch wenige infizierte Tröpfchen in die Luft gelangen und damit das Risiko sinkt, dass andere die infizierten Tröpfchen einatmen und sich anstecken. Eine sogenannte „Community-Maske“ biete dem Träger zwar kaum Schutz vor Ansteckung, aber wenn alle eine Maske trügen, seien alle weniger gefährdet (vgl. https://www.hamburg.de/corona-maske/13876120/warum-masken-sinnvoll-sind/).

40

Diese Annahme begegnet keinen durchgreifenden Zweifeln. Zwar ist der Nutzen von „Community-Masken“ bisher wissenschaftlich noch nicht ausreichend untersucht worden und fehlt es noch an Nachweisen, weshalb z.B. die WHO derzeit keine Empfehlung für oder gegen das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen ausspricht (vgl. WHO, Advice on the use of masks in the context of COVID-19, abrufbar unter https://apps.who.int/iris/rest/bitstreams/1274280/retrieve). Das Robert-Koch-Institut geht jedoch plausibel davon aus, dass Mund-Nasen-Bedeckungen infektiöse Tröpfchen aufhalten können und auf diese Weise die Gefahr der Ansteckung reduzieren können. Es empfiehlt daher ein situationsbedingtes generelles Tragen von Mund-Nasen-Bedenkungen als weiteren Baustein, der andere Schutzmaßnahmen, wie z.B. die (Selbst-)Isolation Erkrankter, die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1,5 m, die Hustenregeln und die Händehygiene, nicht ersetzen, aber ergänzen kann (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, S. 4 f., https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf?__blob=publicationFile).

41

Zwar mag es unter der Vielzahl von wissenschaftlichen Meinungen zum neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 auch Stimmen geben, die die Wirksamkeit einer Mund-Nasen-Bedeckung gänzlich verneinen oder diese für kontraproduktiv halten. Es ist allerdings nicht zu beanstanden, wenn die Antragsgegnerin sich maßgeblich auf eine nachvollziehbare Meinung, insbesondere diejenige des Robert-Koch-Instituts (vgl. § 4 IfSG) stützt, solange sie nicht feststehende, hiermit nicht vereinbare Tatsachen ignoriert (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 5.5.2020, 8 B 1153/20.N, juris Rn. 35; OVG Münster, PKH-Beschl. v. 30.4.2020, 13 B 539/20.NE, juris Rn. 45; VG Hamburg, Beschl. v. 27.4.2020, 10 E 1784/20, BA S. 8, abrufbar unter https://justiz.hamburg.de/vg-aktuelles/). Solche feststehenden Tatsachen existieren derzeit gerade nicht. Auch bei den vom Antragsteller benannten Quellen handelt es sich um Beiträge zum wissenschaftlichen Diskurs, ohne dass sie absolute Richtigkeit und Unfehlbarkeit für sich beanspruchen können. Wäre die Antragsgegnerin gehalten, Maßnahmen zu unterlassen, sobald sich unter Wissenschaftlern auch die Meinung fände, die Maßnahme sei ungeeignet, würde ihre Handlungsfähigkeit gegen null tendieren (VG Hamburg, Beschl. v. 28.4.2020, 10 E 1786/20, n.v.). Die Kammer teilt insoweit insbesondere nicht die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, es bedürfe weiterer Aufklärung, ob das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO genannten Orten überhaupt Wirkung entfalten könne, wenn dort eine Unterschreitung des Mindestabstandes, der daneben strikt einzuhalten sei, nicht unwahrscheinlich sei (OVG Lüneburg, Beschl. v. 5.5.2020, 13 MN 119/20, juris Rn. 46). Das Robert-Koch-Institut weist darauf hin, dass gerade in solchen Situationen, in denen der Mindestabstand nicht immer eingehalten werden kann, dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als weiterer Schutzmaßnahme besondere Bedeutung zukommen könne (vgl. RKI, Epidemiologisches Bulletin 19/2020, a.a.O., S. 4). Es erschließt sich ohne Weiteres, dass vor allem bei Unterschreitungen des Mindestabstandes, die z.B. beim Einkaufen mitunter nicht zu vermeiden sind, physische Barrieren, die Tröpfchen aufhalten können, maßgeblichen Schutz bieten können.

42

Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch nicht ersichtlich, dass Gefahren, die durch eine „falsche“ Anwendung der Mund-Nasen-Bedeckung entstehen könnten, die Eignung der Maßnahme vollständig aufheben oder gar zu einem negativen Effekt führen. Zahlreiche Institutionen bieten Anleitungen zur Nutzung an. Auch die Antragsgegnerin selbst hat auf ihrer Internetseite entsprechende Hinweise veröffentlicht (https://www.hamburg.de/corona-maske/13858126/verwendung-maske/) und damit in derzeit ausreichendem Maße auf mögliche Risiken reagiert (vgl. OVG Münster, PKH-Beschl. v. 30.4.2020, 13 B 539/20.NE, juris Rn. 49 ff.; VG Hamburg, Beschl. v. 27.4.2020, 10 E 1784/20, BA S. 8, abrufbar unter https://justiz.hamburg.de/vg-aktuelles/).

43

Die Behauptung des Antragstellers, es sei unstreitig, dass das Tragen einer Maske für den Träger keine Risikoreduzierung bringe, verkennt, dass das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nach der Intention der Antragsgegnerin unmittelbar gerade nicht den Träger der Bedeckung, wie z.B. den Antragsteller, schützen soll, sondern die Personen, die mit ihm in Kontakt kommen. Dadurch, dass diese Personen auch Mund und Nase bedecken müssen, wird wiederum der Antragsteller selbst geschützt.

44

(4) Die Maßnahme ist auch erforderlich. Ein milderes, gleich wirksames Mittel ist nicht ersichtlich und wird auch vom Antragsteller nicht benannt. Insbesondere können allein die Regelungen zur Einhaltung eines Mindestabstandes keinen gleich effektiven Schutz vermitteln, weil an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO genannten Orten üblicherweise eine Vielzahl von Personen aufeinandertreffen und es daher regelmäßig zu Situationen kommen kann, in denen ein Mindestabstand nicht eingehalten werden kann (vgl. OVG Münster, PKH-Beschl. v. 30.4.2020, 13 B 539/20.NE, juris Rn. 57; VG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2020, 21 E 1832/20, n.v.; Beschl. v. 8.5.2020, 2 E 1837/20, n.v.).

45

(5) Schließlich ist die Regelung des § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO auch angemessen. Insbesondere beeinträchtigt sie den Antragsteller nicht unverhältnismäßig in seinen Grundrechten.

46

(a) Ein Eingriff in die gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG unantastbare Würde des Menschen liegt, entgegen der Auffassung des Antragstellers, nicht vor.Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde gehört zwar die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung (BVerfG, Urt. v. 3.3.2004, 1 BvR 2378/98, juris LS 2). Der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist jedoch durch die Pflicht, an bestimmten Orten des öffentlichen Lebens eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, nicht berührt.

47

(b) Die Pflicht, an den in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO genannten Orten einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, stellt zwar einen Eingriff in das jeder Person durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit dar, zu dem auch gehört, sich nach eigenem Geschmack zu kleiden (vgl. VGH Kassel, Beschl. v. 5.5.2020, 8 B 1153/20.N, juris Rn. 32). Dieser steht jedoch zu dem verfolgten Ziel des Schutzes von Leben und Gesundheit der Bevölkerung nicht außer Verhältnis. Das grundsätzlich schutzwürdige Interesse des Antragstellers, sein äußeres Erscheinungsbild nach seinem Geschmack zu gestalten, tritt in der Gesamtwürdigung gegenüber den drohenden erheblichen Gefahren für Leib und Leben anderer Personen, die bis zum Tod führen können, zurück.

48

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht kein schwerwiegender ist (ebenso OVG Münster, PKH-Beschl. v. 30.4.2020, 13 B 539/20.NE, juris Rn. 58). Er betrifft nur einen geringen Teil des äußeren Erscheinungsbildes. Zudem ist er sowohl zeitlich als auch örtlich beschränkt. Die Mund-Nasen-Bedeckungs-Pflicht ist erst am 27. April 2020 in Kraft getreten und ist derzeit bis zum 31. Mai 2020 befristet (§ 34 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO). Sie betrifft im hier angegriffenen Kontext nur die in § 8 Abs. 5 Satz 1 und 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO genannten Orten und damit vor allem Einkaufssituationen. Üblicherweise nimmt der Aufenthalt in Einzelhandelsgeschäften nur kurze Zeit in Anspruch. Erhebliche oder gar unzumutbare Beeinträchtigungen für den Antragsteller durch das – in der Regel kurzzeitige – Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sind nicht zu erkennen. Die Klage- und Antragsbegründung erschöpft sich insoweit wiederum nur in allgemeinen Äußerungen, nämlich dass eine Maske für den Träger unangenehm sei, im Gesicht störe, feucht werde, die Kommunikation erschwere, indem sie Mimik nicht mehr erkennen lasse und Gesprochenes schwerer verständlich mache, und das Gefühl der Angst vor dem Virus zementiere. Der Antragsteller selbst versichert eidesstattlich, er grusele sich davor, eine Maske anzulegen, es verursache ihm extremes Unbehagen, andere Menschen mit Masken zu sehen, er fühle sich durch das erzwungene Tragen einer Maske erniedrigt, es sei eine traumatisierende Erfahrung, zudem sei er wegen seiner Weigerung, eine Maske zu tragen, ständig in belastenden Streitgesprächen und sei durch die Not der Ladenbesitzer gestresst. Das Gericht erlaubt sich insoweit den Hinweis, dass sich die meisten dieser individuellen Beeinträchtigungen möglicherweise bereits beheben ließen, wenn der Antragsteller seine Einstellung gegenüber Mund-Nasen-Bedeckungen überdenken würde. Der Antragsteller kann die ihn nach seinem Vorbringen belastenden Situationen zudem minimieren oder sogar vollständig unterbinden, indem er Lieferdienste o.ä. in Anspruch nimmt. Dass der xx-Lieferservice derzeit nach dem Vorbringen des Antragstellers sechs Wochen Wartezeit aufweise, steht dem nicht entgegen, da – insbesondere in der zentralen Lage in der Großstadt Hamburg, in der der Antragsteller lebt – zahlreiche Angebote anderer Unternehmen verfügbar sind. Außerdem könnte der Antragsteller seine Ehefrau, die mit ihm zusammenlebt, oder ggf. Freunde oder hilfsbereite andere Personen bitten, für ihn die Einkäufe zu erledigen.

49

Gegenüber diesen Beeinträchtigungen für den Antragsteller überwiegt der von der Antragsgegnerin in Erfüllung ihrer Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verfolgte Schutz der hochrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 in Hamburg zuletzt auf niedrigem Niveau bewegte. Insoweit sei zunächst daran erinnert, dass es vorrangig Sache der Antragsgegnerin ist, zu entscheiden, welche Maßnahmen sie für erforderlich und angemessen hält (s.o.). Insbesondere angesichts der derzeitigen zunehmenden Lockerungen der zunächst getroffenen einschneidenden Maßnahmen ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin die – im Vergleich zu anderen Maßnahmen, wie z.B. Geschäftsschließungen, weniger belastende – Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes weiterhin aufrechterhält, um den durch die zu erwartende Zunahme von Begegnungen und Situationen, in denen ein Mindestabstand unterschritten wird, verursachten Ansteckungsrisiken zu begegnen.

50

(c) Dass darüber hinaus auch ein Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht auf körperliche Unversehrtheit des Antragstellers vorliegt, ist nicht glaubhaft gemacht worden. Der Antragsteller hat eidesstattlich versichert, er grusele sich davor, eine Maske anzulegen, es verursache ihm extremes Unbehagen, andere Menschen mit Masken zu sehen, er fühle sich durch das erzwungene Tragen einer Maske erniedrigt, es sei eine traumatisierende Erfahrung, zudem sei er wegen seiner Weigerung, eine Maske zu tragen, ständig in belastenden Streitgesprächen und sei durch die Not der Ladenbesitzer gestresst. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schützt allerdings die körperliche Unversehrtheit, nicht aber das bloße psychische oder seelische Wohlbefinden (vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Rn. 60). Dass die vorgetragene seelische Belastung des Antragstellers das Ausmaß einer Verletzung der körperlichen Unversehrtheit erreichen würde, ergibt sich weder aus der eidesstattlichen Versicherung noch ist dies anderweitig ersichtlich. Der Verweis des Antragstellers auf die medizinische Dissertation „Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal“ (abrufbar unter http://mediatum.ub.tum.de/doc/602557/602557.pdf) genügt schon nicht den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung, weil der Antragsteller nicht behauptet oder gar darlegt, dass danach von einer Gesundheitsgefahr auszugehen sei, sondern nur angibt, diese werde in der Dissertation „thematisiert“. Im Übrigen ergeben sich aus der Dissertation auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass bei den hier maßgeblichen Umständen, in denen keine Operationsmaske, sondern lediglich eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss, und dies auch nur für eher kurze Zeiten des Aufenthalts an bestimmten Orten, eine allgemeine Gesundheitsgefahr bestünde (vgl. ausführlich VG Mainz, Beschl. v. 28.4.2020, 1 L 276/20.MZ, juris Rn. 17 ff.; ebenso VG Hamburg, Beschl. v. 8.5.2020, 2 E 1837/20, n.v.). Soweit der Antragsteller geltend macht, dass es für Menschen mit eingeschränkter Lungenfunktion gefährlich sei, eine Maske zu tragen, ist bereits nicht erkennbar, inwieweit diese Aussage den Antragsteller betreffen sollte. Im Übrigen übersieht der Antragsteller insoweit, dass Personen, die aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder einer Behinderung keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen können, gemäß § 8 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO von der Mund-Nasen-Bedeckungs-Pflicht befreit sind. Mögliche Risiken, die durch unsachgemäßes Anlegen und Ablegen der Mund-Nase-Bedeckung sowie deren Berührung entstehen könnten, kann der Antragsteller dadurch umgehen, dass er die Hinweise zur Nutzung (vgl. z.B. https://www.hamburg.de/corona-maske/13858126/verwendung-maske/) einhält. Dass der Antragsteller hierzu aus individuellen Gründen nicht in der Lage wäre, ist weder vorgetragen worden noch anderweitig ersichtlich.

II.

51

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da der Antragsteller mit seinem Antrag die Außervollzugsetzung von sechs Normen mit zahlreichen, inhaltlich verschiedenen Regelungen anstrebt, hält das Gericht in der Hauptsache die Festsetzung des Sechsfachen des Auffangstreitwertes für sachgerecht. Aufgrund der begehrten Vorwegnahme der Hauptsache sieht das Gericht von einer Reduzierung des Betrags im Eilverfahren ab.

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