Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 7 K 3707/19
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist am 00.00.1980 in T. /Russland geboren. Mit Datum vom 05.11.2008 beantragte er beim Bundesverwaltungsamt (BVA) erstmals die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Diesen Antrag lehnte das BVA mit Bescheid vom16.10.2009 ab, weil der Vater als Berufsoffizier für den Staatssicherheitsdienst tätig gewesen sei und der Kläger deshalb dem Ausnahmetatbestand des § 5 BVFG unterfalle. Die hiergegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 07.12.2009) erhobene Klage wies das hiesige Verwaltungsgericht mit Urteil vom 01.07.2015 - 10 K 1419/14 - als unzulässig ab. Der Kläger habe die einjährige Ausschlussfrist zur Klageerhebung nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO versäumt, die das Gericht wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid der Fristberechnung zugrunde legte. Das Urteil ist rechtskräftig.
3Im August 2015 beantragte der Kläger beim BVA, die Nichtigkeit des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2009 festzustellen. Mit Bescheid vom 07.10.2015 lehnte das BVA auch diesen Antrag ab. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das BVA mit Widerspruchsbescheid vom 20.01.2016 zurück. Die am 09.03.2016 erhobene Klage 7 K 1577/16 wies das hiesige Verwaltungsgericht mit Urteil vom 06.11.2017 ab. Auch dieses Urteil ist rechtkräftig.
4Mit Schreiben vom 26.01.2018, das am 26.02.2018 beim BVA einging, beantragte der Kläger, das Verwaltungsverfahren nach § 51 VwVfG wiederaufzugreifen. Er wies u.a. auf das Arbeitsbuch seines Vaters hin, aus dem sich ergebe, dass dieser keine Tätigkeit ausgeübt habe, die den Voraussetzungen des Ausschlusstatbestandes entspreche.
5Mit Bescheid vom 05.11.2018 lehnte das BVA diesen Antrag ab. Der Kläger habe kein neues Beweismittel vorgelegt, das ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens rechtfertige. Das Arbeitsbuch habe bereits im vorangegangenen Verfahren vorgelegen.
6Der Kläger erhob hiergegen mit Schreiben vom 05.01.2019, das am 28.01.2019 beim BVA einging, Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2019 wies das BVA diesen Widerspruch als unzulässig zurück. Ausweislich eigener schriftlicher Bestätigung auf den Auslandsrückschein habe der Kläger den Ablehnungsbescheid bereits am 13.12.2018 erhalten. Die einmonatige Widerspruchsfrist sei folglich überschritten.
7Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2019 wies das BVA diesen Widerspruch als unbegründet zurück. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Die Zustellung des Widerspruchsbescheides erfolgte ausweislich des Auslandsrückscheins am 27.05.2019.
8Der Kläger hat am 13.06.2019 Klage erhoben. Er verweist darauf, dass der Widerspruch vom BVA angenommen und ihm eine Frist zu dessen Begründung gesetzt worden sei. In der Sache verweist er erneut auf die Art der vom Vater ausgeübten technischen Tätigkeiten und den Inhalt des Arbeitsbuches.
9Er beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des BVA vom 05.11.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2019 zu verpflichten, das Verwaltungsverfahren wiederaufzugreifen und ihm einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bekräftigt ihre Auffassung zur Widerspruchsfrist. Die Klage sei zudem auch unbegründet, weil das Arbeitsbuch des Vaters kein „neues Beweismittel“ im Sinne des § 5 Nr. 2 lit. c BVFG sei.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 7 K 1577/16 und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des C. (3 Bände) Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist nicht zulässig.
17Es fehlt an der Sachentscheidungsvoraussetzung eines fristgemäß durchgeführten Vorverfahrens. Gemäß § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Widerspruch innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Der mit einer den Anforderungen des § 37 Abs. 6 Satz 1 VwVfG genügenden Rechtsbehelfsbelehrung versehene Ablehnungsbescheid vom 05.11.2018 ging dem Kläger ausweislich des Bestätigungsvermerks auf dem Auslandsrückschein am 13.12.2018 zu, was auch vom Kläger nicht in Abrede gestellt wird. Auch ein etwaiger Zustellungsmangel wegen fehlender Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG wäre folglich nach § 8 VwZG geheilt. Die Widerspruchsfrist lief folglich mit Montag, dem 14.01.2019 ab, § 31 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 VwVfG i.V.m. §§ 188 Abs. 2, 193 BGB. Der erst am 28.01.2019 eingegangene Widerspruch vermochte die Frist somit nicht zu wahren.
18Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 32 Abs. 1 VwVfG liegen nicht vor. Denn die Wiedereinsetzung setzt unverschuldete Fristversäumung voraus. Ein Verschulden liegt vor, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Fristwahrung diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Verfahrensbeteiligten geboten und nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.
19Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Auflage 2019, § 32 Rn. 20-32; Kopp/W.-R. Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 60 Rn. 9-20 (jeweils mit umfangreichen Nachweisen zur Rspr.).
20Bei einer Übersendung des Widerspruchs mittels Briefpost war es am Kläger, durch rechtzeitige Aufgabe zur Post sicherzustellen, dass die Sendung das Gericht innerhalb gewöhnlicher Postlaufzeiten erreichte. Im Inland mag hier eine Orientierung anhand der in den Postfilialen ausgehängten oder sonst einsehbaren Brieflaufzeiten möglich sein. Laufzeiten von 2-3 Tagen oder sogar über Nacht mögen hier erwartbar sein. Anders verhält es sich regelmäßig bei grenzüberschreitenden Sendungen. Der Briefverkehr mit der Ukraine stellt sich bekanntermaßen zähflüssig dar. Laufzeiten von Wochen, in Einzelfällen von Monaten sind nicht ungewöhnlich. Die Deutsche Post geht in ihren Internet-Informationen (www.deutschepost.de) im Briefverkehr zwischen Deutschland und der Ukraine selbst bei Sendungen, die mit „Prioritaire/Luftpost“ gekennzeichnet sind, von einer „Laufzeitorientierung“ von 6-8 Werktagen aus. Anhaltspunkte, dass in Gegenrichtung eine schnellere Beförderung erfolgt als dies im Briefverkehr zwischen Deutschland und der Ukraine der Fall ist, bestehen nicht. Dem durchaus verfahrenserfahrenen Kläger hätten diese außergewöhnlich langen Postlaufzeiten zwischen beiden Ländern auch bekannt sein müssen. Entsprechendes hat er auch in der mündlichen Verhandlung nicht geäußert. Vor diesem Hintergrund ist es schlechterdings nicht nachvollziehbar, dass er das Widerspruchsschreiben erst unter dem 05.01.2019 verfasste und in den nachfolgenden Tagen zur Post gab, sodass die Sendung erst am 12.01.2019, also zwei Tage vor Fristablauf, von der ukrainischen Post gestempelt wurde. Selbst wenn man zusätzliche Verzögerungen durch das gemäß dem julianischen Kalender von den orthodoxen Christen in der Ukraine vom 06.01. bis zum 08.01. gefeierte Weihnachtsfest ausgeht, ergibt sich nichts anderes. Denn dieses von vornherein bekannte Datum hätte für den Kläger umso mehr Anlass geboten, das Schriftstück zeitnah nach dem 13.12.2018 abzusenden, zumal die Begründung des Widerspruchs hätte nachgeliefert werden können.
21Die Klage hätte dessen ungeachtet auch in der Sache keinen Erfolg gehabt, da Gründe für ein Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens nicht vorliegen. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen in der Klageerwiderung des C. vom 15.07.2019 Bezug genommen werden.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
23Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
24Rechtsmittelbelehrung
25Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
26- 27
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- 28
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 29
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 30
4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- 31
5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.
33Statt in Schriftform kann die Einlegung des Antrags auf Zulassung der Berufung auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
34Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a VwGO und der ERVV bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
35Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.
36Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
37Beschluss
38Der Wert des Streitgegenstandes wird auf
395.000,00 Euro
40festgesetzt.
41Gründe
42Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG).
43Rechtsmittelbelehrung
44Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden.
45Statt in Schriftform kann die Einlegung der Beschwerde auch als elektronisches Dokument nach Maßgabe des § 55a der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) erfolgen.
46Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
47Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt.
48Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 8 VwZG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 58 1x
- Urteil vom Verwaltungsgericht Köln - 10 K 1419/14 1x
- BGB § 188 Fristende 1x
- 7 K 1577/16 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 193 Sonn- und Feiertag; Sonnabend 1x
- § 9 Abs. 1 Nr. 1 VwZG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- VwVfG § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung 1x
- VwGO § 70 1x
- BVFG § 5 Ausschluss 2x
- VwGO § 154 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 32 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand 1x
- VwGO § 167 1x
- VwVfG § 31 Fristen und Termine 1x
- VwVfG § 51 Wiederaufgreifen des Verfahrens 1x
- VwGO § 55a 1x