Urteil vom Verwaltungsgericht Mainz (1. Kammer) - 1 K 1001/17.MZ

Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 7. August 2017 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst zu tragen haben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu den Kosten für die Beseitigung von Bodenverunreinigungen nach einem Kraftstoffunfall.

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Am 15. August 2015 gegen 04:50 Uhr fuhr ein bei der Klägerin angestellter Fahrer, Herr F., mit einem von der Klägerin bei der E. - GmbH angemieteten LKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... von Osten in die Straße „L.“ in B. ein. Aus einem bislang nicht abschließend geklärten Grund wurde beim Überfahren eines Kanaldeckels einer der zwei Außentanks des LKW aufgerissen, so dass eine größere Menge Dieselkraftstoff auslief. Der Fahrer des LKW steuerte diesen noch etwa 85 Meter weiter und parkte dann in einer gepflasterten Parkbucht in Höhe des dortigen Einkaufsmarktes. Der Dieselkraftstoff lief über das Pflaster randlich in den gewachsenen Boden.

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Die verständigte Freiwillige Feuerwehr B. führte Sofortmaßnahmen durch (Aufnahme und Eindämmung des Dieselkraftstoffs sowie Einleitung von Verkehrssicherungsmaßnahmen) und benachrichtigte die H. - GmbH aus A. zwecks Reinigung der Asphalt- und Pflasterflächen. Ferner verständigte sie den 1. Beigeordneten der Beigeladenen zu 2), Herrn G., sowie die bei der Kreisverwaltung des Beklagten angesiedelte untere Wasserbehörde. Herr G. und Frau K. als Vertreterin der unteren Wasserbehörde des Beklagten trafen noch am frühen Morgen des 15. August 2015 am Unfallort ein.

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Nach der Reinigung der Asphalt- und Pflasterflächen zeigte sich, dass Kraftstoff mutmaßlich auch in den Untergrund eingedrungen war. Es wurde daher die L. - GmbH aus B. beauftragt, die Versiegelungsdecke aufzubrechen, um die Belastungssituation des Untergrundes zu erkunden. Nachdem gegen 08:45 Uhr festgestellt worden war, dass der Kraftstoff bereits mehrere Dezimeter tief in den Untergrund eingedrungen war, wurde der Bodenaushub seitens der L. - GmbH fortgesetzt, bis die Kontaminationen ausgekoffert waren. Dieses Ziel schien zunächst gegen 13:00 Uhr erreicht zu sein, so dass der Bodenaushub eingestellt wurde.

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Bei einer nachträglichen Überprüfung der Baugrube durch Frau K. gegen 14:00 Uhr stellte diese jedoch fest, dass Dieselkraftstoff aus den Grubenrändern in die bestehende Baugrube zurückgelaufen war. Es wurde daher Herr H., Umwelt- und Geoconsult aus D., herangezogen, der noch am gleichen Tag zur Unfallstelle kam und fortan die seitens der L. - GmbH begonnenen Sanierungsmaßnahmen gutachterlich begleitete sowie eine qualifizierte Beprobung und Analyse des ausgekofferten Erdreichs koordinierte. Nachdem die letzten Bodenanalysen am 31. August 2015 vorlagen und die Kontaminationsfreiheit der Baugrubensohle und -ränder bestätigten, gab Herr H. die Baugrube für die Verfüllung frei. Hinsichtlich des konkreten Sanierungsverlaufs sowie der einzelnen Probeentnahmen wird auf den Kurzbericht des Herrn H. vom 16. Oktober 2015 verwiesen (Bl. 38 ff. Verwaltungsakte).

6

Unter dem 12. Oktober 2015 berechnete die L. - GmbH der Kreisverwaltung des Beklagten für ihre im Zusammenhang mit dem Dieselunfall vom 15. August 2015 ausgeführten Arbeiten einen Betrag in Höhe von 17.323,71 Euro. Herr H. stellte der Kreisverwaltung des Beklagten unter dem 20. Oktober 2015 einen Betrag in Höhe von 2.474,98 Euro für seine Tätigkeit in Rechnung.

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Mit Bescheid vom 28. Januar 2016 forderte der Beklagte die Klägerin zum Ersatz der durch die Beauftragung der L. - GmbH und des Herrn H. entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 19.798,69 Euro auf. Zur Begründung führte er aus, durch die untere Wasserbehörde sei gemäß § 100 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts – WHG – die unverzügliche Auskofferung des kontaminierten Materials unter Hinzuziehung eines Gutachters angeordnet worden, um das Eindringen von Diesel in die angrenzenden Gräben und Wasserschutzgebiete zu verhindern.

8

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Februar 2016 Widerspruch. Zur Begründung trug sie vor, ihre Inanspruchnahme erfolge rechtswidrig, weil die Störerauswahl offensichtlich fehlerhaft sei. Zu dem streitgegenständlichen Schaden sei es dadurch gekommen, dass der Kanaldeckel nicht ordnungsgemäß aufgelegen habe und dadurch den Tank des LKW beschädigt habe. Beim Überfahren eines Kanaldeckels sei jedoch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht damit zu rechnen, dass dieser defekt sei oder nicht korrekt aufliege. Als Trägerin der Straßenbaulast sei die Beigeladene zu 2) für den ordnungsgemäßen Zustand ihrer Straßen verkehrssicherungspflichtig. Bei ordnungsgemäßer Ermessensausübung hätte daher allein diese in Anspruch genommen werden dürfen.

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Den Widerspruch wies die Widerspruchsbehörde mit Widerspruchsbescheid vom 7. August 2017, der Klägerin zugestellt am 23. August 2017, zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Widerspruch sei unbegründet, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Ermächtigungsgrundlage für den geltend gemachten Kostenersatz sei § 4 Abs. 3 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten – Bundes-Bodenschutzgesetz, BBodSchG – i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 des Landesbodenschutzgesetzes – LBodSchG – i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes – POG –. Durch das Einlaufen des ausgelaufenen Kraftstofftanks in den randlich gewachsenen Boden im Bereich der Straße „L.“ in B. sei es zu einer schädlichen Bodenverunreinigung im Sinne des § 2 Abs. 3 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BBodSchG gekommen.

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Die Klägerin sei auch zu Recht als Störerin herangezogen worden. Da das Bundes-Bodenschutzgesetz selbst keine Definition des Verursachers enthalte, sei insoweit auf das Polizeirecht zurückzugreifen. Nach der dort vorherrschenden Theorie der unmittelbaren Verursachung sei Verursacher derjenige, der durch sein tatsächliches Verhalten die zeitlich letzte, die Gefahrenschwelle überschreitende Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt habe. Dies sei vorliegend der Fahrer des von der Klägerin angemieteten LKW gewesen, indem er den LKW gefahren und aus dessen beschädigten Tank der Dieselkraftstoff ausgelaufen sei. Auf ein etwaiges Verschulden oder eine subjektive Vorhersehbarkeit der Gefahr komme es im Bereich des Gefahrenabwehrrechts regelmäßig nicht an. Das Verhalten des Fahrers sei der Klägerin gemäß § 4 Abs. 3 POG zuzurechnen.

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Andere Verursacher kämen vorliegend nicht in Betracht. Insbesondere seien der Straßenbaulastträger oder der Eigentümer des Kanalnetzes nicht als Verhaltensstörer in Betracht zu ziehen, weil es am Vorliegen der Verkehrssicherungspflicht mangele. Zwar könne eine mangelhafte Verankerung eines Kanaldeckels eventuell eine Gefahr für Leib und Leben in sich bergen, nicht aber eine unmittelbare Gefährdung für das hier betroffene Rechtsgut „Schutz des Bodens vor schädlicher Verunreinigung“. Diese Gefahr sei erst durch den zeitlich nachfolgenden Verursachungsbeitrag des Fahrers der Klägerin eingetreten.

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Die Klägerin hat am 25. September 2017 Klage erhoben. Sie bestreitet, dass die Beauftragung der L. - GmbH sowie des Herrn H. durch die Kreisverwaltung des Beklagten erfolgt sei sowie dass die jeweils in Rechnung gestellten Beträge tatsächlich durch die Kreisverwaltung des Beklagten gezahlt worden seien.

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In rechtlicher Hinsicht führt sie aus, sie sei nicht Verursacherin der eingetretenen schädlichen Bodenveränderung, insbesondere nicht die „unmittelbare Verursacherin“, da sie lediglich Mieterin des LKW gewesen sei. Der Umstand, dass ihr Mitarbeiter den LKW gesteuert habe, aus dem der Kraftstoff ausgelaufen sei, mache sie nicht zur polizeirechtlichen Verursacherin. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, sei ihre Inanspruchnahme jedenfalls ermessensfehlerhaft. Kanaldeckel in einer Fahrbahn dürften und sollten ohne Weiteres im Rahmen des normalen Straßenverkehrs überfahren werden. Kein Fahrzeugfahrer könne damit rechnen, dass ein Kanaldeckel beim Überfahren hochschlage und seinen Fahrzeugtank beschädige. Ihr Fahrer habe daher nicht ansatzweise mit dem letztlich entstandenen Schadensverlauf rechnen können und müssen. Der Beigeladenen zu 1) sei der gefährliche Zustand der Straße hingegen bekannt gewesen. Der Leiter der Abteilung Abwassersammlung/Kanalisation des Wirtschaftsbetriebs X., Herr W., habe diesbezüglich angegeben, Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1) hätten ausgesagt, dass in der Vergangenheit schon öfters Kanaldeckel herausgehoben worden seien. Als Ursache dafür sei in Betracht gezogen worden, dass die Straße „L.“ über keine Deckschicht verfügt habe, so dass die Kanaldeckel aus der Straßenoberfläche herausgeschaut hätten. Nach dem Kraftstoffunfall vom 15. August 2015 sei diese Gefahrenstelle durch einen Komplettaustausch aller Deckel und Rahmen sowie einen höhengleichen Einbau in der Fahrbahnoberfläche beseitigt worden.

14

Die Klägerin beantragt,

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den Kostenerstattungsbescheid des Beklagten vom 28. Januar 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 7. August 2017 aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Er trägt vor, der erforderliche Bodenaushub durch die L. - GmbH sowie die fachgutachterliche Begleitung der Sanierung durch Herrn H. seien im Auftrag der Kreisverwaltung erfolgt. Dies ergebe sich auch aus dem Einsatzbericht der Feuerwehr. Ausweislich der vorliegenden Auszahlungsanordnungen habe die Kreisverwaltung auch die entsprechenden Rechnungen der L. - GmbH sowie des Herrn H. beglichen.

19

Die Störerauswahl sei im vorliegenden Fall „offensichtlich“ gewesen, da sich der Verhaltensstörer noch vor Ort befunden habe und die verursachende Schadensquelle für die Bodenverunreinigungen mit Dieselkraftstoff zweifelsfrei der von der Klägerin angemietete LKW mit dem bei der Klägerin angestellten Fahrer gewesen sei. Die Kausalkette, die sich möglicherweise im Vorfeld der aufgetretenen schädlichen Bodenveränderung und Grundwasserverunreinigung ereignet habe, sei in diesem Zusammenhang irrelevant. Soweit die Klägerin auf möglicherweise vor dem Unfall bestehende Probleme mit nicht hinreichend befestigten Kanaldeckeln oder einem kritischen Ausbauzustand der Straße verweise, verkenne sie, dass es im Falle des Vorliegens eines eindeutig festgestellten Verhaltens- bzw. Handlungsstörers nicht Aufgabe der unteren Bodenschutz- bzw. der unteren Wasserbehörde sei, gleichsam „detektivische Ermittlungen“ zu den Unfallursachen und einer vorgeschalteten Kausalkette anzustellen.

20

Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt und sich schriftsätzlich nicht zur Sache geäußert.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schrift-sätze der Beteiligten verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Bände) liegen dem Gericht vor und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Januar 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 7. August 2017 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –). Der Beklagte hat die Klägerin zu Unrecht dafür in Anspruch genommen, die ihm bei der Beseitigung des Umweltschadens angefallenen Kosten in Höhe von insgesamt 19.798,69 Euro zu ersetzen.

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Der angefochtene Kostenbescheid der Beklagten, der seine Rechtsgrundlage in den §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchG i.V.m. § 6 Abs. 2 POG findet (nachfolgend 1), begegnet zwar keinen durchgreifenden formellen Bedenken (nachfolgend 2). Er ist jedoch in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig (nachfolgend 3).

24

1) Die Widerspruchsbehörde konnte die Kostenforderung auf die §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchG und § 6 Abs. 2 POG stützen.

25

a) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die notwendigen Maßnahmen treffen, um die sich aus § 4 BBodSchG ergebenden Pflichten zu erfüllen. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG bestimmt für den Fall einer bereits eingetretenen Beeinträchtigung, dass der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet sind, den Boden und Altlasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren, erheblichen Nachteile oder erheblichen Belästigungen für den Einzelnen oder die Allgemeinheit entstehen.

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Nach Maßgabe des einschlägigen Landesrechts sind die Behörden in Eilfällen auch zur unmittelbaren Ausführung bzw. zum Sofortvollzug von Sanierungsmaßnahmen befugt (vgl. Dietlein, in: BeckOK Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt, 47. Edition Stand: 1. April 2018, § 10 Rn. 1). Der rheinland-pfälzische Gesetzgeber hat diesbezüglich in § 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchG angeordnet, dass die zuständige Behörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Befugnisse der allgemeinen Ordnungsbehörden und der Polizei nach den §§ 6 und 7 POG hat.

27

Gemäß § 6 Abs. 1 POG können die allgemeinen Ordnungsbehörden und die Polizei eine Maßnahme selbst oder durch einen Beauftragten unmittelbar ausführen, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach den §§ 4 oder 5 POG Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Entstehen den allgemeinen Ordnungsbehörden durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 POG die Verantwortlichen zum Ersatz verpflichtet.

28

b) Einer Anwendung der §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchG und § 6 Abs. 2 POG steht nicht entgegen, dass sich die Ausgangsbehörde in ihrem Bescheid vom 28. Januar 2016 zur Begründung ihres Einschreitens auf wasserrechtliche Vorschriften – namentlich den § 100 WHG – sowie die Verhinderung einer Gefahr für angrenzende Gräben und Wasserschutzgebiete berufen hat. Es kann auch dahinstehen, ob vorliegend ein Einschreiten aufgrund wasserrechtlicher Vorschriften zulässig gewesen wäre (vgl. zum Verhältnis von wasserrechtlichen und bodenschutzrechtlichen Eingriffsgrundlagen: OVG NRW, Beschluss vom 29. April 2013 – 20 A 963/11 –, juris Leitsatz und Rn. 7 ff.; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 9. Mai 2016 – 4 K 969/15.NW –, juris Rn. 27). Denn der Kreisrechtsausschuss des Beklagten als zuständige Widerspruchsbehörde (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 4 LBodSchG i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a) des Landesgesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO –) hatte im Widerspruchsverfahren eine vollständige Nachprüfung der Ausgangsentscheidung auf Recht- und Zweckmäßigkeit vorzunehmen und war daher auch zu einem Austausch der Ermächtigungsgrundlage befugt (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011 – 7 B 34/11 –, juris Rn. 7; vgl. auch Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 68 Rn. 9 und § 73 Rn. 7). Für die gerichtliche Nachprüfung der Behördenentscheidung ist in einem solchen Fall der Widerspruchsbescheid von maßgeblicher Bedeutung, da gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erst dieser der behördlichen Entscheidung die für das gerichtliche Verfahren maßgebliche Gestalt gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. April 2011, a.a.O.).

29

c) § 6 Abs. 1 POG ist gegenüber dem gestreckten Vollstreckungsverfahren subsidiär, d.h. die Gefahrenabwehrbehörde hat vor Anwendung des § 6 Abs. 1 POG stets zu prüfen, ob eine Grundverfügung gegen den Verantwortlichen erlassen werden kann, die anschließend gegebenenfalls im Wege des Verwaltungszwangs vollstreckt wird (vgl. OVG RP, Urteil vom 27. Oktober 2009 – 6 A 10540/09.OVG –, UA S. 6; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 12. September 2016, – 3 K 832/15.NW –, juris Rn. 54 m.w.N.). Vorliegend wurde gegenüber der Klägerin keine vollziehbare Grundverfügung erlassen, so dass § 63 Abs. 1 des Landesverwaltungsvollstreckungsgesetzes – LVwVG –, der bestimmt, dass die Vollstreckungsbehörde auf Kosten des Vollstreckungsschuldners die Handlung selbst ausführen oder einen anderen mit der Ausführung beauftragen kann, wenn der Vollstreckungsschuldner die Verpflichtung, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht erfüllt, als potentielle Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung ausscheidet. Soweit sich aus dem Einsatzbericht der Kreisverwaltung des Beklagten ergibt, Frau K. habe mit der Klägerin gesprochen, die „mit der sofortigen Auskofferung des gewachsenen Bodens einverstanden“ gewesen sei, ist davon auszugehen, dass Frau K. die Klägerin telefonisch von den beabsichtigten Maßnahmen in Kenntnis gesetzt hat (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 2 POG).

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d) Auch eine Qualifizierung der Beseitigung der Bodenkontaminationen als sofortigen Vollzug im Sinne des § 61 Abs. 2 LVwVG dürfte nach Ansicht der Kammer ausscheiden. Nach dieser Vorschrift können Zwangsmittel mit Ausnahme von Zwangsgeld auch ohne vorausgehenden Verwaltungsakt angewendet werden, wenn dies zur Verhinderung einer rechtswidrigen Tat, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, oder zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist und die Behörde hierbei innerhalb ihrer gesetzlichen Befugnisse handelt. § 61 Abs. 2 LVwVG ist für die Fälle bestimmt, in denen wegen der Eilbedürftigkeit der Sache oder aus sonstigen tatsächlichen Gründen ein Verwaltungsakt nicht oder nicht rechtzeitig ergehen kann, die sofortige Anwendung von Zwang aber dringend geboten ist (sog. gekürztes oder beschleunigtes Vollstreckungsverfahren; vgl. hierzu VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 12. September 2016, – 3 K 832/15.NW –, juris Rn. 55).

31

Die Frage, nach welchen Kriterien die Abgrenzung zwischen unmittelbarer Ausführung und sofortigem Vollzug erfolgt, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Nach einer Auffassung soll darauf abgestellt werden, ob mit der Maßnahme ein entgegenstehender Wille oder Widerstand des Betroffenen überwunden werden soll oder nicht. Nach anderer Auffassung soll ein sofortiger Vollzug nur dann angenommen werden können, wenn der Pflichtige präsent oder erreichbar ist bzw. es wird darüber hinaus verlangt, dass der anwesende Adressat für die Grundverfügung handlungsunfähig ist. Schließlich wird auch die Auffassung vertreten, dass im Gefahrenabwehrrecht auf den sofortigen Vollzug zu verzichten ist und die Vorschriften über die unmittelbare Ausführung als polizei- und ordnungsrechtliche Spezialregelung anzusehen sind (vgl. zum Ganzen mit Nachweisen zu den einzelnen Auffassungen: VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 9. Mai 2017 – 5 K 566/16.NW –, juris Rn. 25).

32

Der Kammer erscheint die zuletzt genannte Auffassung im Hinblick auf deren Abgrenzungsklarheit vorzugswürdig (so auch VG Neustadt/Weinstraße, Urteile vom 12. September 2016, a.a.O., juris Rn. 56, vom 9. Mai 2017, a.a.O., juris Rn. 25 f.). Da § 3 Abs. 2 Satz 2 LBodSchG ausdrücklich § 6 POG für anwendbar erklärt, ist hier daher von einer unmittelbaren Ausführung durch den Beklagten auszugehen. Letztlich ist die Abgrenzung zwischen unmittelbarer Ausführung und sofortigem Vollzug vorliegend aber nicht entscheidungserheblich, da der angefochtene Kostenbescheid auch dann in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig wäre, wenn von einem sofortigen Vollzug auszugehen wäre. Denn auch in diesem Fall müsste die hypothetische Grundverfügung rechtmäßig sein; dies ist vorliegend jedoch – wie noch auszuführen sein wird – nicht der Fall.

33

e) Zuletzt ist die Anwendbarkeit des § 6 POG auch nicht durch das detaillierte Regelungsprogramm der bodenschutzrechtlichen Kostenregelung des § 24 BBodSchG gesperrt. Nach dessen Absatz 1 tragen die zur Durchführung Verpflichteten u.a. die Kosten der nach § 10 Abs. 1 BBodSchG angeordneten Maßnahmen. Zwar ist es den Ländern verwehrt, über § 24 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG hinausgehende bodenschutz- bzw. altlastenrechtliche Kostenerstattungsregelungen zu treffen. Das Bundes-Bodenschutzgesetz stellt auch insoweit gemäß Art. 72 Abs. 1 Grundgesetz – GG – eine abschließende, landesbodenschutz- bzw. altlastenrechtliche Regelungen versperrende Bestimmung dar. § 24 Abs. 1 BBodSchG betrifft aber nicht die Fälle, in denen es um die Kostentragung bei behördlichen Eil- oder Sofortmaßnahmen, bei Vollzugsmaßnahmen sowie bei der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen zur Durchsetzung behördlicher Anordnungen geht (vgl. zum Ganzen VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 12. September 2016, – 3 K 832/15.NW –, juris Rn. 57 m.w.N.).

34

2) Der streitgegenständliche Kostenbescheid vom 28. Januar 2016 ist formell rechtmäßig.

35

a) Die Zuständigkeit für den Kostenbescheid folgt der Zuständigkeit für die unmittelbare Ausführung. Vorliegend war die Kreisverwaltung des Beklagten gemäß § 13 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Nr. 3 LBodSchG als untere Bodenschutzbehörde für die unmittelbare Ausführung sachlich zuständig, da es sich bei dem streitgegenständlichen Unfall am 15. August 2015 um einen solchen mit wassergefährdenden Stoffen gehandelt hat.

36

Die Kammer geht auch davon aus, dass die Beauftragung der L. - GmbH sowie des Herrn H. durch Frau K. als Vertreterin der Kreisverwaltung des Beklagten erfolgt ist. Im Hinblick auf die Beauftragung des Herrn H. ergibt sich dies eindeutig aus dem Einsatzbericht der Kreisverwaltung des Beklagten (Bl. 4 Verwaltungsakte) sowie dem Kurzbericht des Herrn H. selbst (Bl. 39 Verwaltungsakte). Die Beauftragung der L. - GmbH wurde zwar ausweislich der Verwaltungsakte zwischenzeitlich kontrovers diskutiert (vgl. Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung der Beigeladenen zu 1) an die Kreisverwaltung des Beklagten, Bl. 138 f. Verwaltungsakte). Der Inhalt der Verwaltungsakte lässt jedoch den Schluss zu, dass die Beauftragung durch Frau K. als Vertreterin der Kreisverwaltung des Beklagten erfolgt ist. Zum einen heißt es in dem Einsatzbericht der Feuerwehr, die L. - GmbH sei „in Absprache mit der Unteren Wasserbehörde (Frau K.)“ zum Abtragen des kontaminierten Erdreichs verständigt worden (Bl. 145 Verwaltungsakte). Zum anderen ergibt sich auch aus der Betreffzeile der durch die L. - GmbH ausgestellten Rechnung, dass diese auf Anweisung der Kreisverwaltung des Beklagten tätig geworden ist (Bl. 84 ff. Verwaltungsakte).

37

Dass es sich bei Frau K. um eine Vertreterin der unteren Wasserbehörden gehandelt hat, ist unschädlich. Denn im Gegensatz zur sachlichen, instanziellen, funktionellen, verbandsmäßigen und örtlichen Zuständigkeit der Behörden, die grundsätzlich Außenwirkung auch gegenüber dem Bürger und in Verfahren gegenüber den Beteiligten hat, ist die innere Organisation der Behörden, die Gliederung in Abteilungen, Referate usw. und die Zuordnung der in einer Behörde tätigen Amtsträger behördeninterner Natur. Dementsprechend gibt es auch grundsätzlich kein Recht auf einen bestimmten Amtsträger, d.h. auf das Tätigwerden des nach der behördeninternen Organisation für eine Angelegenheit an sich zuständigen Amtsträgers und nur dieses Amtsträgers (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Auflage 2017, § 3 Rn. 16).

38

b) Die Klägerin wurde zwar vor Erlass des Kostenbescheids nicht angehört (vgl. § 1 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz – LVwVfG – i.V.m. § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG –). Dieser Verfahrensfehler ist jedoch unbeachtlich, weil die gebotene Anhörung gemäß § 1 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss des Vorverfahrens nachgeholt worden ist.

39

Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. Urteil vom 12. August 1992 – 2 A 10826/92 –, juris Leitsatz 1 und Rn. 23 ff.) ist eine versäumte Anhörung im Vorverfahren wirksam nachgeholt, wenn die Widerspruchsbehörde zur vollen Überprüfung des Verwaltungsaktes befugt ist und die mit dem Widerspruch vorgetragenen Tatsachen gewürdigt hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

40

Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten hatte im Widerspruchsverfahren eine vollständige Nachprüfung der Ausgangsentscheidung auf Recht- und Zweckmäßigkeit vorzunehmen. Ausweislich des Widerspruchsbescheids hat er den Vortrag der Klägerin auch umfassend im Widerspruchsverfahren gewürdigt.

41

3) Der Kostenbescheid vom 28. Januar 2016 ist allerdings in materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig.

42

a) Die Kostenerstattungspflicht nach § 6 Abs. 2 POG besteht nur dann, wenn es sich um eine formell und materiell rechtmäßige Ausführung einer Maßnahme gehandelt hat. Führt die Behörde hingegen eine Maßnahme unmittelbar aus, ohne hierzu nach § 6 Abs. 1 POG berechtigt zu sein, ist der betroffene Störer nicht ersatzpflichtig. Auch auf Grund anderer Rechtsvorschriften (z.B. Geschäftsführung ohne Auftrag, ungerechtfertigte Bereicherung) kann der Betroffene in diesem Fall nicht zur Kostenerstattung herangezogen werden, da § 6 Abs. 2 POG eine spezielle und abschließende Regelung darstellt (vgl. VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 12. September 2016 – 3 K 832/15 –, juris Rn. 68 m.w.N.).

43

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 POG ist die unmittelbare Ausführung durch die Behörde selbst oder durch von ihr Beauftragte zulässig, wenn der Zweck der Maßnahme durch Inanspruchnahme der nach §§ 4 oder 5 Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Aus der Erwähnung des Merkmals „rechtzeitig“ folgt, dass regelmäßig nur die Durchführung einer dringlichen Maßnahme der Gefahrenabwehr von der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 POG gedeckt ist. Mithin gestattet diese Vorschrift, die selbst keine Eingriffsnorm ist (vgl. Kuhn, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Polizei- und Ordnungsbehördengesetz RhPf, Stand November 2013, § 6 Anm. 1.3), eine unmittelbare Ausführung nur dann, wenn die Voraussetzungen für den Erlass einer Verfügung zur Gefahrenabwehr an sich gegeben sind (sog. hypothetische Grundverfügung) und der verantwortliche Störer nicht erreichbar oder nicht zur unaufschiebbaren Gefahrenabwehr tatsächlich oder rechtlich in der Lage ist (vgl. OVG RP, Urteil vom 17. November 1999 – 8 A 11072/99.OVG –, ESOVG S. 4 f. m.w.N.; VG Neustadt/Weinstraße, Urteil vom 12. September 2016, a.a.O., juris Rn. 68). Ausgehend davon war die unmittelbare Ausführung vorliegend nicht gestattet, da zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beseitigung der Bodenkontaminationen (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt auf der Primärebene: BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 –, juris Rn. 38) die Voraussetzungen für den Erlass einer hypothetischen Grundverfügung nicht erfüllt waren.

44

Rechtsgrundlage für eine Grundverfügung des Beklagten gegenüber der Klägerin mit dem Inhalt, eine Sanierung der Bodenkontaminationen vorzunehmen und die Sanierungsmaßnahmen von einer sachverständigen Person begleiten, do-kumentieren und überwachen zu lassen, wären vorliegend die §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG gewesen (vgl. zur Rechtsgrundlage für die Verpflichtung zur Begleitung, Überwachung und Dokumentation einer Sanierung durch einen Sachverständigen: VG Würzburg, Urteil vom 12. Januar 2016 – W 4 K 15.560 –, juris Rn. 33 m.w.N.).

45

aa) Die danach erforderliche schädliche Bodenveränderung im Sinne des § 2 Abs. 3 BBodSchG war ohne Zweifel gegeben, denn durch das Auslaufen des Dieseltanks des durch die Klägerin angemieteten LKW im Bereich der Straße „L.“ in B. ist Dieselkraftstoff auch in den randlich gewachsenen Boden eingedrungen. Hierdurch ist eine Beeinträchtigung der Funktion des Bodens als Wasser- und Nährstoffkreislauf verursacht worden (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BBodSchG), die geeignet war, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die Allgemeinheit herbeizuführen. Dies ist auch zwischen den Beteiligten unstreitig.

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bb) Eine hypothetische – auf die §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG gestützte – Grundverfügung wäre vorliegend dennoch rechtswidrig gewesen, da die Aufforderung zur Beseitigung der schädlichen Bodenveränderungen nicht an die Klägerin hätte gerichtet werden können.

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Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung, der Grundstückseigentümer und der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück zur Vornahme von Sanierungsmaßnahmen verpflichtet.

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Unabhängig von dem konkreten Verständnis des in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG verwendeten Verursacherbegriffs kam die Klägerin vorliegend als Verursacherin der schädlichen Bodenveränderung nicht in Betracht, da der LKW, aus dem der Dieselkraftstoff ausgetreten ist, zum Zeitpunkt des Unfalls von einem ihrer Mitarbeiter gefahren wurde. Eine Inanspruchnahme der Klägerin nach den §§ 10 Abs. 1 Satz 1, 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG hätte daher nur aufgrund einer Zusatzverantwortlichkeit des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen erfolgen können. Eine Zusatzverantwortlichkeit des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen – wie sie in § 4 Abs. 3 POG geregelt ist – sieht das Bundes-Bodenschutzgesetz jedoch nicht vor. Zwar ist im Hinblick darauf, dass durch das Bundes-Bodenschutzgesetz die Grundlage für eine effektive Gefahrenabwehr im Bereich des Bodenschutzes geschaffen werden sollte, kaum vorstellbar, dass der Gesetzgeber den praktisch wichtigen Fall der Haftung des Unternehmers für das Verhalten seiner Mitarbeiter nach den Grundsätzen der Zusatzverantwortlichkeit des Verhaltensstörers ausschließen wollte (vgl. Giesberts/Hilf, in: BeckOK Umweltrecht, Giesberts/Reinhardt, 47. Edition Stand: 01.07.2018, § 4 Rn. 24.1 m.w.N.) Eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs. 3 POG im Bundes-Bodenschutzgesetz erscheint aber dennoch zumindest fraglich, da die Regelung der Verantwortlichkeit für schädliche Bodenverunreinigungen in § 4 BBodSchG als abschließende Regelung verstanden wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2000 – 3 C 2/00 –, juris Rn. 18 und 30). Letztlich muss diese Frage vorliegend jedoch nicht abschließend beantwortet werden, da eine Zusatzverantwortlichkeit der Klägerin für ihren Fahrer bereits aufgrund dessen fehlender Verhaltensverantwortlichkeit nicht in Betracht kam.

49

Verursacher im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG ist jeder, der an der Bodenkontamination – zumindest als Teilverantwortlicher – mitgewirkt hat (OVG Nds, Urteil vom 31. Mai 2016 – 7 LB 59/15 –, juris Rn. 60; OVG RP, Urteil vom 26. November 2008 – 8 A 10933/08 –, juris Rn. 26 m.w.N.). Unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt oder nicht, ist darunter nach der Theorie der unmittelbaren Verursachung ein Verhalten von natürlichen oder juristischen Personen zu verstehen, durch das bei wertender Betrachtung unter Einbeziehung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalles die zu einer schädlichen Bodenveränderung führende Gefahrengrenze überschritten und damit die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt wird (vgl. BayVGH, Beschluss vom 25. Juli 2016 – 22 CS 16.1158 –, juris Rn. 20; OVG Nds, Urteil vom 31. Mai 2016, a.a.O.; OVG RP, Urteil vom 26. November 2008, a.a.O., juris Rn. 27; OVG NRW, Urteil vom 30. Mai 1996 – 20 A 2640/94 –, juris Rn. 18; so auch die amtliche Begründung, BT-Drs. 13/6701, S. 34). Als Bewertungskriterien ist auf die Rechtswidrigkeit der Verursachungshandlung und auf die Zuordnung von Risikosphären abzustellen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 25. Juli 2016, a.a.O.; OVG RP, Urteil vom 26. November 2008, a.a.O., juris Rn. 27 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 30. Mai 1996, a.a.O., juris Rn. 20).

50

Zweck der Verhaltensverantwortlichkeit ist es, eine der verfassungsrechtlich verbürgten Verhältnismäßigkeit gerecht werdende Zurechnung gegenwärtiger Gefahren anhand der Risikosphären einerseits des Handelnden und andererseits der Allgemeinheit herbeizuführen (vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Mai 1996, a.a.O., juris Rn. 22). Eine Handlung überschreitet daher dann die Gefahrengrenze, wenn sie nicht mehr denjenigen Anforderungen entspricht, die die Rechtsordnung im Interesse eines störungsfreien Gemeinschaftslebens verlangt. Umgekehrt kann derjenige nicht Störer sein, der sich den Forderungen der Rechtsordnung entsprechend verhält und lediglich die von der Rechtsordnung vorgesehene Möglichkeit der Rechtsausübung in sozialüblicher Weise wahrnimmt (vgl. OVG RP, Urteil vom 26. November 2008, a.a.O.; OVG NRW, Beschluss vom 10. Januar 1985 – 4 B 1434/84 –, NVwZ 1985, 355 [356]).

51

Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze war der Fahrer des LKW, aus dem der Dieselkraftstoff ausgetreten ist, zum Zeitpunkt der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen nicht als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG anzusehen.

52

Zwar beruhte die schädliche Bodenveränderung unstreitig darauf, dass einer der zwei Außentanks des von ihm geführten LKW gerissen und infolgedessen Dieselkraftstoff auf die Straße ausgetreten und schließlich in den randlich gewachsenen Boden eingedrungen ist. Das Fahren des LKW kann mithin nicht hinweggedacht werden, ohne dass auch der konkret eingetretene Schaden entfiele. Diese naturwissenschaftliche Kausalbeziehung ist nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen jedoch keine hinreichende Bedingung für das Bejahen der Sanierungsverantwortlichkeit (so ausdrücklich: OVG RP, Urteil vom 26. November 2008, a.a.O., juris Rn. 27; vgl. auch BayVGH, Beschluss vom 25. Juli 2016, a.a.O., juris Rn. 20; a.A.: VG Osnabrück, Urteil vom 25. April 2003 – 2 A 27/02 –, juris Rn. 14).

53

Nicht ausreichend ist ferner, dass das Führen eines kraftstoffbetriebenen Fahrzeugs stets mit dem Transport von Kraftstoff verbunden ist und dieser im Falle des Auslaufens zu teils erheblichen Bodenkontaminationen führen kann. Denn ein objektiv gefahrenträchtiges Verhalten allein vermag noch keine Verhaltensverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG zu begründen (vgl. zu einer umweltgefährdenden gewerblichen Tätigkeit: OVG NRW, Urteil vom 30. Mai 1996, a.a.O., juris Rn. 22; OVG BW, Beschluss vom 11. Dezember 2000 – 10 S 1188/00 –, juris Rn. 6). Andernfalls entstünde eine konturenlose Gefährdungshaftung für jegliche Folgen des Führens eines Kraftfahrzeugs. Dass eine solche vom Gesetzgeber im Bundes-Bodenschutzrecht nicht beabsichtigt gewesen ist, verdeutlicht der Umstand, dass dieser in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG – anders als z.B. im Falle des Kostenersatzes für Maßnahmen der Feuerwehr (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 2 des Landesgesetzes über den Brandschutz, die allgemeine Hilfe und den Katastrophenschutz) – nur eine Zustandshaftung des Grundstückseigentümers bzw. des Inhabers der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück, nicht jedoch des Eigentümers bzw. Besitzers einer beweglichen Sache vorgesehen hat.

54

Eine – für das Bejahen der Sanierungsverantwortlichkeit erforderliche – die Gefahrenschwelle überschreitende Handlung im Sinne eines rechts- bzw. pflichtwidrigen Verhaltens des LKW-Fahrers war zum Zeitpunkt der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen nicht erkennbar; auch der Beklagte hat sich – weder zu diesem Zeitpunkt noch später – auf das Vorliegen einer solchen Handlung berufen. Der Fahrer des LKW hat die Straße „L.“ in B. berechtigterweise befahren bzw. im Rahmen ihrer Widmung genutzt. Hierzu gehört zweifellos auch das Überfahren von Kanaldeckeln, die sich auf der Straße befinden. Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Fahrers während des Fahrvorgangs – z.B. in Form einer (erheblichen) Geschwindigkeitsüberschreitung – lagen nicht vor. Der Vertreter der Beigeladenen hat zwar in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass die Fahrbahn auf der Straße „L.“ in B. aufgrund einer fehlenden Fahrbahndecke im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls uneben gewesen ist. Dies führt aus Sicht der Kammer auch dazu, dass die Verkehrsteilnehmer, die auf diese besondere Verkehrssituation durch eine entsprechende Beschilderung hingewiesen wurden (Bl. 163 ff. Verwaltungsakte), verpflichtet waren, beim Befahren der Straße in besonderer Weise Sorgfalt und Vorsicht walten zu lassen. Vorliegend lagen jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass der Fahrer des LKW diese Sorgfalt und Vorsicht hat vermissen lassen und es infolgedessen zu dem Aufreißen des Außentanks gekommen ist. Ebenso wenig bestanden Anhaltspunkte dafür, dass der Außentank des LKW bereits bei Aufnahme der Fahrt Beschädigungen oder Sicherheitsmängel aufwies. Vielmehr gab es hier aufgrund des Umstands, dass das Auslaufen des Außentanks im Zeitpunkt des Überfahrens eines Kanaldeckels einsetzte und dieser Kanaldeckel ausweislich des Akteninhalts beschädigt gewesen ist (vgl. Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 27. Dezember 2017, Bl. 69 d.A.), konkrete Hinweise dafür, dass der Kanaldeckel zu einem Aufreißen des Außentanks geführt hat.

55

Zuletzt folgte eine Verantwortlichkeit des LKW-Fahrers nicht aus einer etwaigen Verletzung der Schadensminderungspflicht. Der Vertreter der Beigeladenen hat zwar insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2018 zutreffend darauf hingewiesen, dass der LKW-Fahrer noch weitergefahren ist, nachdem es zu dem Aufreißen des Außentanks gekommen ist. Dem Kurzbericht des Herrn H. kann entnommen werden, dass der LKW nach etwa 85 Metern zum Stehen kam. Zu berücksichtigen ist jedoch insoweit zunächst, dass der LKW, als es zu dem Aufreißen des Außentanks kam, in Bewegung war, so dass eine Bremsung – mit dem damit zusammenhängenden Bremsweg – erforderlich war. Ungeachtet dessen bestehen für die Kammer keine Anhaltspunkte dafür, dass es im Falle eines sofortigen Stillstands des LKW am Ort des Unfalls nicht zu einer Bodenkontamination gekommen wäre. Vielmehr ist auf den vorliegenden Lichtbildern sowie den Aufnahmen der Örtlichkeit bei „Google Maps“ erkennbar, dass sich auch in Höhe des streitgegenständlichen Kanaldeckels eine unbefestigte Grünfläche befindet, in welche der auslaufende Kraftstoff hätte ebenso eindringen können.

56

b) Eine Haftung der Klägerin für die Sanierungskosten käme aber selbst dann nicht in Betracht, wenn der Beklagte – im Hinblick darauf, dass auf der Primärebene des bodenrechtlichen Einschreitens der Zeitpunkt des Einschreitens maßgebend ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1974 – I C 31.72 –, juris Rn. 38) und das öffentliche Interesse an einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr absolut im Vordergrund steht – im Zeitpunkt der Durchführung der Sanierungsmaßnahmen von einer Verantwortlichkeit des LKW-Fahrers hätte ausgehen dürfen. Denn Gegenstand der auf der Sekundärebene zu treffenden Entscheidung ist es, zu einer gerechten Kostenverteilung im Verhältnis zwischen der Allgemeinheit und dem Betroffenen zu finden; dem Aspekt der schnellen und effektiven Gefahrenabwehr kommt hier keine vorrangige Bedeutung mehr zu, so dass bei der Beurteilung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen ist. Ein Eingriff in den Rechtskreis eines – etwa auch vermeintlichen – Störers auf der Primärebene kann daher auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sein, während sich in besonderen Einzelfällen die Heranziehung zu den Kosten unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes verbieten kann (vgl. OVG RP, Urteil vom 1. Oktober 1996 – 7 A 11677/95.OVG –, ESOVG S. 4).

57

Dementsprechend hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in einem Fall betreffend § 52 Abs. 1 POG a.F. (Ersatzvornahme) entschieden, dass es dem Zweck der Ermächtigung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel entspricht, wenn die Behörde die entstandenen Kosten erhebt, weil sie in erster Linie eine dem Störer oder Pflichtigen obliegende Aufgabe wahrgenommen hat, dass es sich aber dann anders verhält, wenn von einem Fahrzeug, das ohne Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften zum Parken abgestellt worden ist, eine Störung ausgeht, die nicht vorhersehbar war und nicht in der Risikosphäre des Halters oder des Fahrers liegt. Bei solchen Sachverhalten, die dem Interesse der Allgemeinheit zuzurechnen sind, sei eine Kostenbelastung des Halters oder Fahrers unangemessen und unzumutbar und damit wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig (vgl. OVG RP, Urteil vom 1. Oktober 1996, a.a.O., mit Verweis auf das Urteil des Senats vom 4. Februar 1992 – 7 A 11301/91.OVG –). Diese Überlegungen gelten gleichermaßen für die unmittelbare Ausführung: § 6 Abs. 2 Satz 1 POG ist im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine eigenständige Beurteilung der Verantwortlichkeit aufgrund der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorzunehmen ist, und zu prüfen ist, ob die Kostenzurechnung ausnahmsweise unangemessen ist (OVG RP, Urteil vom 1. Oktober 1996, a.a.O.).

58

Ausgehend davon wäre der Anspruch des Beklagten gegen die Klägerin auf Kostenersatz gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 POG – die Rechtmäßigkeit der Maßnahme auf der Primärebene unterstellt – auf der Sekundärebene an der fehlenden Verantwortlichkeit des LKW-Fahrers gescheitert. Denn dem Beklagten lagen im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheids als letzter Behördenentscheidung (weiterhin) keine Anhaltspunkte für ein rechts- bzw. pflichtwidriges Verhalten des LKW-Fahrers vor; der Beklagte hat auch in den knapp zwei Jahren bis zum Ergehen der Widerspruchsentscheidung – trotz der Hinweise der Klägerin im Widerspruchsverfahren auf eine etwaige Beschädigung des Außentanks durch den Kanaldeckel sowie eine diesbezügliche Verletzung von Verkehrssicherungspflichten – keine weiteren Feststellungen zur Schadensursache treffen können. Aufgrund des Umstands, dass der Kanaldeckel, bei dessen Überfahren es zum Aufreißen des Außentanks gekommen ist, beschädigt gewesen ist, geht die Kammer jedoch davon aus, dass der Kanaldeckel nicht ordnungsgemäß auflag, infolgedessen beim Überfahren hochschlug und so den Außentank des LKW beschädigte.

59

Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass eine Haftung der Klägerin für die Sanierungskosten auf der Sekundärebene selbst dann nicht in Betracht gekommen wäre, wenn – entgegen der vorstehenden Ausführungen und dem Vortrag des Beklagten folgend (so auch VG Oldenburg, Urteil vom 25. April 2003 – 2 A 27/02 –, juris Rn. 14) – bereits das Fahren des LKW, aus dem der Kraftstoff ausgetreten ist, das Bejahen der Verantwortlichkeit des LKW-Fahrers rechtfertigen würde. Denn die Kostenbelastung der Klägerin wäre mangels (nachweisbarem) rechts- bzw. pflichtwidrigem Verhalten ihres Fahrers jedenfalls unangemessen und unzumutbar und damit wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rechtswidrig.

60

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz vom 26. Juli 2018

61

Der Streitwert wird auf 19.798,69 € festgesetzt (§ 53 Abs. 3 Satz 1 GKG).

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