Beschluss vom Verwaltungsgericht Mainz (4. Kammer) - 4 L 737/18.MZ

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.850 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antragsteller begehrt, den Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, ihn bis zum Ablauf von acht Wochen nach dem Ende der Schwangerschaft von Frau M. (geboren am ... 1983, wohnhaft in H.) abzuschieben, hilfsweise die Abschiebung bis zum Abschluss des beim Bundesamt für Justiz anhängigen Verfahrens betreffend die vorzeitige Tilgung einer Eintragung auszusetzen. Dieser Antrag hat weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg.

2

I. Der zulässige Hauptantrag ist unbegründet.

3

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ihm ein Anspruch auf die begehrte Handlung zusteht (Anordnungsanspruch) und die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Anordnungsgrund), vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung – ZPO –.

4

1. Ein Anordnungsgrund liegt vor. Der Antragsteller ist vollziehbar ausreisepflichtig. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge – Bundesamt, BAMF – vom 3. Januar 2017 wurde sein Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter abgelehnt und seine Abschiebung nach Georgien angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde in dem Bescheid auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Die dagegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Trier vom 2. Mai 2018 (8 K 619/17.MZ) abgewiesen. Der Antragsgegner betreibt auch die Abschiebung des Antragstellers.

5

2. Der Antragsteller hat indes einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung hat der Antragsteller keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung.

6

Er hat nicht glaubhaft gemacht, dass ein – durch eine Duldung zu sichernder – Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht (a), seine Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gemäß § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG unmöglich ist (b) oder die Voraussetzungen für eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG vorliegen (c).

7

a) Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, dessen Durchsetzung verfahrensrechtlich durch eine Duldung zu sichern wäre.

8

aa) Er hat zunächst keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Danach ist dem Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Diese Voraussetzungen sind hier bereits deshalb nicht erfüllt, weil das vermutlich die deutsche Staatsangehörigkeit erlangende Kind der Frau M. noch nicht geboren ist und die Ausübung der Personensorge beim ungeborenen Kind ausscheidet (vgl. dazu OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 26. Juli 2012 – 2 M 111/12 –, BeckRS 2012, 56529 m.w.N.). Es kann deswegen dahinstehen, ob der Antragsteller die weiteren Erteilungsvoraussetzungen – insbesondere die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG – erfüllt.

9

bb) Eine Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen scheidet aus, weil dem Antragsteller nicht aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen eine Ausreise unmöglich ist (§ 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Insoweit kann auf die nachfolgenden Ausführungen zu § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG verwiesen werden.

10

b) Ein Duldungsgrund ergibt sich für den Antragsteller auch nicht aus § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Danach ist die Abschiebung eines Ausländers so lange auszusetzen, wie sie aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.

11

Zwar sind die aus dem Grundrecht auf Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie den grundgesetzlichen Garantien der Familie (Art. 6 Abs. 1 GG) und des Elternrechts (Art. 6 Abs. 2 GG) resultierenden staatlichen Schutzpflichten auch bei der Auslegung und Anwendung von § 60a Abs. 2 AufenthG zu beachten. Demgemäß kann für einen Ausländer der Umstand, nichtehelicher Vater des ungeborenen Kindes einer schwangeren Ausländerin zu sein, die – wie hier – über ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt, eine rechtliche Unmöglichkeit der zwangsweisen Beendigung seines Aufenthalts im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG begründen (vgl. OVG RP, Beschluss vom 8. Juni 2009 – 7 B 10410/09.OVG, 7 D 10411/09.OVG –, BA S. 2 f.).

12

Vorliegend scheidet eine rechtliche Unmöglichkeit im Hinblick auf die Schwangerschaft der Frau M. aber bereits deshalb aus, weil derzeit noch gar nicht feststeht, dass es sich bei dem Antragsteller um den Vater des ungeborenen Kindes handelt. Erforderlich ist insoweit, dass der ausländische Vater gegenüber den zuständigen Behörden mit Zustimmung der Mutter seine Vaterschaft wirksam anerkannt hat (vgl. §§ 1592 Nr. 2, 1594 Abs. 1, 1595 Abs. 1, 1597 Abs. 1 BGB, vgl. hierzu: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – 2 M 127/14 –, juris Rn. 6; BayVGH, Beschluss vom 28. November 2011 – 10 CE 11.2746 –, juris Rn. 4).

13

Vorliegend hat zwar Frau M. einer Vaterschaftsanerkennung des Antragstellers vorab am 6. August 2018 zugestimmt. Es fehlt jedoch die Vaterschaftsanerkennung durch den Antragsteller. Der Antragsteller kann insoweit auch nicht darauf verweisen, die Vaterschaftsanerkennung habe bislang nicht beurkundet werden können, da aufgrund seiner vollziehbaren Ausreisepflicht eine nähere Prüfung zum Ausschluss einer missbräuchlichen Vaterschaft erforderlich sei (vgl. § 1597a BGB i.V.m. § 85a AufenthG). Aus dem in diesem Zusammenhang vorgelegten Schreiben des Jugendamtes der Kreisverwaltung vom 23. August 2018 ergibt sich zwar, dass dieses beabsichtigt hat, das Beurkundungsverfahren bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 85a AufenthG auszusetzen. Der Antragsgegner hat jedoch in seiner Antragserwiderung vom 29. August 2018 vorgetragen, das Jugendamt habe ihm am 28. August 2018 mitgeteilt, dass für den 31. August 2018 ein Termin zwecks Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung vereinbart worden sei. Daraus ergibt sich für die Kammer, dass das Verfahren zur Beurkundung der Vaterschaft nicht mehr ausgesetzt und eine Anerkennung damit grundsätzlich möglich ist. Da der Kammer nicht bekannt ist, ob es am 31. August 2018 zu einer Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung durch den Antragsteller gekommen ist, ist derzeit dessen Vaterschaft nicht glaubhaft gemacht.

14

Selbst wenn aber eine Vaterschaftsanerkennung durch den Antragsteller erfolgt wäre, würde sich die Abschiebung des Antragstellers auch in diesem Falle nicht als rechtlich unmöglich erweisen. Denn die vorgeburtliche Stellung als Vater führt nicht automatisch zum Bestehen eines Abschiebungshindernisses nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten.

15

So kann sich ein Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG für den nichtehelichen ausländischen Vater eines ungeborenen Kindes im Fall einer Risikoschwangerschaft aus der staatlichen Schutzpflicht des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für das ungeborene Kind ergeben, wenn die Aufenthaltsbeendigung des Ausländers in Deutschland infolge der mit der Trennung verbundenen Belastungen für die über ein Aufenthaltsrecht verfügende Mutter eine ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine Lebensgefahr für das ungeborene Kind bewirken würde. Ferner kann ein Abschiebungshindernis nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aufgrund der die Familie betreffenden Gewährleistungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG auch dann bestehen, wenn zwischen dem künftigen Vater und seinem noch nicht geborenen Kind nach der Geburt eine tatsächlich gelebte familiäre Verbundenheit bestehen wird und eine Aufenthaltsbeendigung das zukünftige Vater-Kind-Verhältnis in unzumutbarer Weise beeinträchtigen würde (vgl. OVG RP, Beschlüsse vom 8. Juni 2009 – 7 B 10410/09.OVG, 7 D 10411/09.OVG –, BA S. 3 m.w.N., vom 15. Oktober 2009 – 7 B 10882/09.OVG –, ESOVG; so auch: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – 2 M 127/14 –, juris Rn. 3; HessVGH, Beschluss vom 20. Oktober 2008 – 7 B 2084/08 –, juris Rn. 5 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

16

aa) Vorliegend steht für die Kammer aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest, dass es sich bei der gegenwärtigen Schwangerschaft der Frau M. um eine Risikoschwangerschaft handelt.

17

Zwar wird Frau M. in der Bescheinigung der Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Y. eine Risikoschwangerschaft attestiert. Diese Bescheinigung enthält jedoch keine Angaben zum Ausstellungszeitpunkt, so dass bereits eine zweifelsfreie Zuordnung zur (aktuellen) Schwangerschaft der Frau M. nicht möglich ist. Darüber hinaus fehlt es an einer Begründung für die Einstufung der Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft. Soweit die in der Bescheinigung ebenfalls aufgeführte Diagnose „Bänderschmerzen“ als Begründung für die Annahme einer Risikoschwangerschaft anzusehen ist, ist festzustellen, dass Bänderschmerzen ausweislich der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung – Mutterschafts-Richtlinien – grundsätzlich nicht die Annahme einer Risikoschwangerschaft rechtfertigen (vgl. https://www.g-ba.de/downloads/62-492-1223/Mu-RL_2016-04-21_iK-2016-07-20.pdf, Seite 9). Die ebenfalls in der Bescheinigung erwähnten vorzeitigen Wehen können zwar nach den Mutterschafts-Richtlinien eine Risikoschwangerschaft begründen. Insoweit weist der Antragsgegner aber zutreffend darauf hin, dass es sich bei den vorzeitigen Wehen lediglich um eine Differentialdiagnose handelt.

18

Ungeachtet dieser Zweifel an der Richtigkeit der durch Frau Y. ausgestellten Bescheinigung, ist vorliegend maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Antragsteller den Mutterpass der Frau M. nicht vorgelegt hat. In dem Mutterpass wird eine Risikoschwangerschaft jedoch in der Regel vermerkt. Ferner lassen sich dem Mutterpass der (allgemeine) Gesundheitszustand der Schwangeren sowie Besonderheiten im Verlauf der Schwangerschaft entnehmen.

19

Vorliegend zwingt auch der Umstand, dass Frau M. im vergangenen Jahr eine Fehlgeburt hatte, nicht zur Annahme einer Risikoschwangerschaft. Denn ausweislich der Mutterschafts-Richtlinien begründet (erst) der Zustand nach „wiederholten Aborten“ eine Risikoschwangerschaft.

20

Schließlich führt auch das Alter der am ... 1983 geborenen Frau M. nicht dazu, dass eine Risikoschwangerschaft glaubhaft gemacht ist. Denn aus den Mutterschafts-Richtlinien ergibt sich, dass lediglich Schwangerschaften von Erstgebärenden über 35 Jahren zu den Risikoschwangerschaften zählen. Hier wurde seitens des Antragstellers jedoch nicht vorgetragen, dass es sich bei Frau M. um eine Erstgebärende handelt. Insbesondere hat der Antragsteller hierzu auch in seinem Schriftsatz vom 3. September 2018 keine Angaben gemacht. Vielmehr geht der Antragsteller dort davon aus, dass „jede Schwangerschaft ab 35 Jahren definitionsgemäß bereits eine Risikoschwangerschaft“ sei. Die Kammer weist insoweit vorsorglich darauf hin, dass selbst wenn es sich um die erste Schwangerschaft bzw. Geburt der Frau M. handeln sollte, für die Annahme einer rechtlichen Unmöglichkeit der Abschiebung des Antragstellers hinzukommen müsste, dass dessen Aufenthaltsbeendigung in Deutschland infolge der mit der Trennung verbundenen Belastungen für Frau M. eine ernsthafte Gesundheitsbeeinträchtigung oder eine Lebensgefahr für das ungeborene Kind bewirkt. Hierfür ist vorliegend aber nichts ersichtlich.

21

bb) Die anstehende Aufenthaltsbeendigung würde auch nicht das zukünftige Vater-Kind-Verhältnis in unzumutbarer Weise beeinträchtigen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob zwischen dem Antragsteller und dem noch nicht geborenen Kind nach dessen Geburt eine tatsächlich gelebte familiäre Verbundenheit bestehen wird.

22

Mit dem verfassungsrechtlichen Schutz von Familie und Elternrecht nach Art. 6 GG ist es grundsätzlich vereinbar, die vollziehbare Ausreisepflicht eines Ausländers nach unanfechtbarer Ablehnung seines Asylantrages zwangsweise durchzusetzen und ihn auf die Möglichkeit der Wiedereinreise mit dem dafür erforderlichen Visum zu verweisen. Denn das Visumverfahren bietet Gelegenheit, die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen zu überprüfen. Das Aufenthaltsgesetz trägt dabei dem Gebot der Verhältnismäßigkeit Rechnung, indem es unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Einzelfall erlaubt, vom grundsätzlichen Erfordernis einer Einreise mit dem erforderlichen Visum (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) abzusehen. Der mit der Durchführung des Visumverfahrens üblicherweise einhergehende Zeitablauf ist von demjenigen, der Aufenthalt im Bundesgebiet begehrt, regelmäßig hinzunehmen. Sofern die Führung der Lebensgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind nur in der Bundesrepublik Deutschland möglich ist, ist jedoch eine voraussichtlich über die Länge des normalen Visumverfahrens hinausgehende Trennung von Vater und Kind – und damit für einen nicht nur unerheblichen Zeitraum – in der Regel unzumutbar. Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor der Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen verstoßen hat (vgl. zum Ganzen: OVG RP, Beschlüsse vom 8. Juni 2009 – 7 B 10410/09.OVG, 7 D 10411/09.OVG –, BA S. 5 m.w.N., vom 15. Oktober 2009 – 7 b 10882/09.OVG –, ESOVG).

23

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist vorliegend zwar festzustellen, dass die Lebensgemeinschaft des Antragstellers mit seinem noch nicht geborenen Kind wohl zunächst nur in der Bundesrepublik Deutschland geführt werden kann: Zum einen ist Frau M. weißrussische Staatsangehörige mit einem unbefristeten Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Zum anderen dürfte es für das neugeborene Kind und seine Mutter in den ersten Wochen und Monaten nach der Geburt aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar sein, dem Antragsteller nach Georgien zu folgen (vgl. OVG RP, Beschlüsse vom 8. Juni 2009 – 7 B 10410/09.OVG, 7 D 10411/09.OVG –, BA S. 7). Dies führt vorliegend indes nicht zur Annahme einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Vater-Kind-Verhältnisses, da eine Trennung von Vater und Kind – insbesondere aufgrund der Zusicherungen des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren – derzeit nicht zu befürchten ist.

24

Der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung vom 29. August 2018 mitgeteilt, er wäre bereit, bei einem zeitnahen Vollzug der Ausreisepflicht des Antragstellers die deutsche Botschaft in T. unmittelbar danach über den Sachverhalt der Schwangerschaft und Vaterschaftsbeurkundung und die Eilbedürftigkeit des Visumverfahrens zu informieren. Ferner wurde eine „umgehende Entscheidung zur weitergehenden Befristung der Wirkung der Abschiebung“ zugesagt. Die Kammer geht davon aus, dass es dem Antragsgegner insoweit darum geht, das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 AufenthG, das in dem Bescheid des BAMF vom 3. Januar 2017 auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet wurde, zu verkürzen. Hierfür spricht insbesondere, dass der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung eine Wiedereinreise des Antragstellers bereits zu Beginn der Mutterschutzfrist für möglich hält. In Anbetracht dieser Zusicherungen geht die Kammer davon aus, dass es dem Antragsteller im Falle einer zeitnahen Durchführung seiner Abschiebung möglich sein wird, in den knapp vier verbleibenden Monaten bis zum voraussichtlichen Geburtstermin ein Visumverfahren zum Familiennachzug erfolgreich durchzuführen und in die Bundesrepublik einzureisen. Für die Kammer sind auch keine Gründe ersichtlich, die einer Visumserteilung entgegenstehen könnten. Insbesondere kommt es für den Nachzug eines Elternteils zu seinem deutschen Kind nicht darauf an, ob der Lebensunterhalt des Elternteils gesichert ist (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG).

25

c) Vor diesem Hintergrund ist schließlich kein Raum für die Annahme eines infolge Ermessensreduzierung auf Null bestehenden Abschiebungshindernisses gemäß § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG, wonach einem Ausländer eine Duldung erteilt werden kann, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern.

26

II. Der Hilfsantrag des Antragstellers hat ebenfalls in der Sache keinen Erfolg.

27

Zwar liegt ein Anordnungsgrund vor. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum Hauptantrag verwiesen.

28

Der Antragsteller hat jedoch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung hat er keinen Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung bis zum Abschluss des beim Bundesamt für Justiz anhängigen Verfahrens betreffend die vorzeitige Tilgung einer Eintragung. Die Voraussetzungen für eine – hier allein in Betracht kommende – Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG liegen nicht vor.

29

Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Dringende persönliche Gründe liegen vor, wenn sich bei der erforderlichen Interessenabwägung ergibt, dass dem privaten Interesse des Ausländers an einem vorübergehenden Aufenthalt im Bundesgebiet ein deutlich höheres Gewicht zukommt als dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Ausreise (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.6.2017 – 18 B 336/17 –, juris Rn. 13 f. m.w.N.). Es handelt sich dabei um solche persönlichen Gründe, die noch nicht das Gewicht haben, um aus Rechtsgründen im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG einer Abschiebung entgegen zu stehen, deren Bedeutung und Gewicht jedoch so groß sind, dass sie grundsätzlich geeignet sind, eindeutig das öffentliche Interesse an der an sich sofort möglichen und zulässigen Aufenthaltsbeendigung zu überwiegen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.3.2015 – 2 M 17/15 –, juris Rn. 5). Bei der Frage, ob dringende persönliche Gründe vorliegen, handelt es sich um eine gerichtlich nachprüfbare Rechtsfrage (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.6.2017 – 18 B 336/17 –, juris Rn. 15), die der auf Rechtsfolgenseite erforderlichen Ermessensausübung gleichsam vorausliegt.

30

Ausgehend von den vorstehenden Ausführungen kann sich der Antragsteller hier nicht mit Erfolg auf dringende persönliche Gründe für seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet berufen.

31

Zwar besteht hier durchaus ein Interesse des Antragstellers am vorübergehenden Verbleib in Deutschland. Denn der Antragsgegner hat den Antrag des Antragstellers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG unter Hinweis auf eine Eintragung im Bundeszentralregister abgelehnt (vgl. § 18a Abs. 1 Nr. 7 AufenthG). Sollte der Antragsteller mit seinem Antrag auf vorzeitige Tilgung der Eintragung beim Bundesamt für Justiz Erfolg haben (vgl. § 49 Bundeszentralregistergesetz – BZRG –), stünde diese Eintragung aus dem Jahre 2013 der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr im Wege. Die vorzeitige Tilgung wäre auch beachtlich, denn das Aufenthaltserteilungsverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Vielmehr ist das Schreiben des Antragstellers vom 20. Juli 2017, mit dem er eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG bis zur Entscheidung über die vorzeitige Tilgung der Eintragung beantragt hat, als Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid des Antragsgegners vom 12. Juli 2018 zu werten. Im Hinblick darauf, dass sich der Antragsteller bereits seit fünf Jahren im Bundesgebiet aufhält und er sich in dieser Zeit offensichtlich in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland eingefügt hat – er hat eine Berufsausbildung zum Berufskraftfahrer absolviert, ist erfolgreicher Ringer und engagiert sich ehrenamtlich im Ringsportbereich –, ist sein Interesse, bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Justiz in Deutschland zu verbleiben, für die Kammer nachvollziehbar.

32

Allerdings kommt diesem Interesse kein deutlich höheres Gewicht zu als dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Ausreise. Insoweit ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Antragsteller – anders als in dem vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 27. November 2017 (17 B 1779/07) entschiedenen Fall – durch seine Ausreise seine Rechtsposition nicht vollständig verlieren würde. Richtig ist zwar, dass sich der Antragsteller nach seiner Ausreise nicht mehr auf § 18a AufenthG berufen kann, da diese Vorschrift voraussetzt, dass sich der Betreffende geduldet im Bundesgebiet in Deutschland aufhält. Im Falle einer Ausreise kommt jedoch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 18 Abs. 2 und 4 AufenthG in Betracht, so dass der Antragsteller auch nach seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet eine reelle Chance hat, sein Aufenthaltsbegehren weiter zu verfolgen. Er kann sich insoweit auch nicht darauf berufen, im Rahmen des § 18a AufenthG fände keine Vorrangprüfung statt. Denn eine solche erfolgt auch nicht im Falle einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 2 und 4 AufenthG (vgl. § 6 Abs. 3 der Beschäftigungsverordnung). Auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot des § 11 AufenthG stünde einer erneuten Einreise in das Bundesgebiet nicht entgegen, wenn der Antragsteller freiwillig ausreist. Nach Tilgung der Eintragung im Bundeszentralregister – im Wege der vorzeitigen Tilgung gemäß § 49 BZRG oder aufgrund einer Tilgung nach Fristablauf gemäß §§ 46 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BZRG (hier am 7. November 2018) – bestünde auch kein Ausweisungsinteresse mehr (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 54 Abs. 2 Nr. 9 Alt. 1 AufenthG).

33

Der Antragsteller dringt auch nicht mit seinem Hinweis auf das hinter § 18a AufenthG stehende migrationspolitische Ziel des Gesetzgebers durch. Zwar ist es richtig, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 18a AufenthG auch dem Fachkräftebedarf in Deutschland begegnen wollte (vgl. die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zur arbeitsmarkt- adäquaten Steuerung der Zuwanderung Hochqualifizierter und zur Änderung weiterer aufenthaltsrechtlicher Regelungen, BT-Drs. 16/10288, S. 16 f.). Allerdings lässt die konkrete Ausgestaltung des § 18a AufenthG – namentlich die Aufnahme des § 18 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG – erkennen, dass der Gesetzgeber nur das Potential von nicht straffällig gewordenen geduldeten Ausländern nutzen wollte.

34

Nach alledem kommt es vorliegend nicht darauf an, wie die Erfolgsaussichten des seitens des Antragstellers eingeleiteten Verfahrens bei dem Bundesamt für Justiz zu bewerten sind. Die Kammer weist insoweit jedoch darauf hin, dass sie dem Antrag des Antragstellers keine hohen Erfolgsaussichten zuspricht. Zum einen ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die Ausreisepflicht nicht zu einer unbilligen, mit Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung unvereinbaren Härte für den Antragsteller führt (vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 27. November 2007 – 17 B 1779/07 –, juris Rn. 14 f.). Zum anderen hat der Antragsgegner zutreffend darauf hingewiesen, dass der im Bundeszentralregister eingetragenen Verurteilung des Antragstellers im Jahre 2013 zwei Diebstähle in kurzer Zeit zugrunde lagen, bei denen der Antragsteller ausweislich der Urteilsbegründung des Amtsgerichts T. „in unverschämt professioneller Manier ausgestattet und vorgegangen war und hierdurch ein hohes Maß an krimineller Energie gezeigt hat“. Ein Ausnahmefall, wie er der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 27. November 2017 (17 B 1779/07) zugrunde lag, ist hier daher nicht gegeben.

35

Der Antragsteller hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.

36

Die Entscheidung über die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus den §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 8.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen