Urteil vom Verwaltungsgericht Minden - 11 K 3534/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladene jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer der Beigeladenen unter dem 15.10.2012 erteilten immissionsschutzrechtlichen Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Recyclinghofes mit Umschlaghalle auf dem Grundstück I. -I1. in der Stadt S. -X. (Gemarkung W. , Flur, Flurstück). Bei der Beigeladenen handelt es sich um ein Unternehmen des Kreises H. , das seit dem 01.07.2001 die Aufgaben eines öffentlichen Entsorgungsträgers im Kreis H. wahrnimmt.
3Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstückes „X1.---- 7“ in einer aus 13 Häusern bestehenden, nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegenden Siedlung zwischen den Straßen „F. “ und „X1.---- “ nördlich der L 568. Das ca. 26.700 qm große Betriebsgrundstück der Beigeladenen befindet sich südlich der L 568 im Einmündungsbereich der I. -I1. und ist vom Grundstück der Klägerin ca. 120 m entfernt.
4Das Betriebsgrundstück der Beigeladenen wurde früher von der Fa. M. GmbH zur Zwischenlagerung und Aufbereitung von Getreide und Futtermitteln genutzt. Der Betrieb wurde zwischenzeitlich eingestellt. Zur Zeit wird der entlang der I2. -I1. -Straße verlaufende Gebäudeteil durch die Fa. H1. Handelsgesellschaft GmbH zur Herstellung von Holzleimen genutzt.
5Das Vorhabengelände liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes „Nr. 371 (Hof P. )“ der Stadt S. -X. . Der Bebauungsplan weist den Betriebsstandort als Gewerbegebiet GE 4 aus, das in die Teilbereiche GE 4 (Nordost) und GE 4 (Südwest) gegliedert ist. Nach den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes (vgl. Nr. 1.2.2) sind im GE 4 (Nordost) Anlagen der Abstandsklassen I-VI (laufende Nr. 1-191 einschließlich der Abstandsklassen) und im Teilbereich GE 4 (Südwest) Anlagen der Abstandsklassen I-V (laufende Nr. 1-153 der Abstandsklassen) unzulässig. Der Bebauungsplan nimmt hierbei Bezug auf den „Abstandserlass NRW“ (Runderlass des MURL vom 02.04.1998 mit Anhang 1 Abstandsliste). Anlagen des nächstgrößeren Abstandes der Abstandsliste können nach Nr. 1.2.2. der textlichen Festsetzungen gegebenenfalls als Ausnahme zugelassen werden, wenn deren Immissionen durch technische oder organisatorische Maßnahmen nachweislich auf den jeweils zulässigen Störgrad reduziert werden können. Der Bebauungsplan enthält weiterhin unter Ziffer 2.5 der textlichen Festsetzungen Angaben zur maximal zulässigen Höhe der Gebäude im GE 4 sowie unter Ziffer 3.2 Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche. Der Bebauungsplan wurde am 11.06.2007 beschlossen und am 12.10.2007 im Amtsblatt der Stadt S. -X. bekanntgemacht. Der o.g. Abstandserlass NRW vom 02.04.1998 (MBl. 1998, S. 744) trat mit dem Inkrafttreten des Abstandserlasses 2007 vom 06.06.2007 (MBl. NRW 2007, S 659) außer Kraft.
6Mit Antrag vom 20.12.2011, ergänzt durch die Nachträge vom 03.02.2012 und 17.04.2012 sowie Änderungen vom 09.10.2012, beantragte die Beigeladene die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der Recyclinganlage. Nach der dem Genehmigungsantrag beigefügten Anlagen- und Betriebsbeschreibung besteht das Vorhaben aus zwei Betriebseinheiten, nämlich dem Recyclinghof (BE 1) und der Umschlaghalle (BE 2). Der Recyclinghof dient der Annahme von Abfällen aus privaten Haushalten und dem Kleingewerbe. Zur BE 1 gehören der Ein- und Ausfahrtsbereich mit einer Fahrzeugwaage sowie die vorhandenen Verwaltungs- und Sozialgebäude. Die Containerstellflächen für den Kleinanliefererbereich sind über eine hinter dem Verwaltungs- und Sozialgebäude liegende Zufahrt erreichbar. Östlich an den Kleinanlieferbereich schließen sich Abstellflächen für Straßenkehricht, Kompost, Mutterboden/Mulch und Grünschnitt an, für die eine Überdachung vorgesehen ist. In der Mitte des Vorhabengebietes befindet sich eine zur BE 1 gehörende Lagerfläche für Straßenkehricht.
7Die als BE 2 bezeichnete Umschlaghalle südwestlich des Kleinanlieferbereiches dient dazu, den Transportvorgang von der Abfallsammlung zur Behandlungsanlage zu optimieren. Zu diesem Zweck werden in der Halle Stofffraktionen aus dem Bereich des Hausmülls, Sperrmülls und Gewerbeabfalls gesammelt, zwischengelagert und zu ausreichend großen Transport- bzw. Behandlungseinheiten zusammengestellt. Für die Zwischenlagerung vorgesehene Fraktionen werden mittels Lkw angeliefert und in räumlich getrennte Lagerboxen sortiert. Das Aufschichten und die Verladung der Materialien erfolgt mittels Radlader oder Greiferbagger, die regelmäßige Abfuhr erfolgt auf Lkw’s mit Direktverladung oder in Containern.
8Das anfallende Niederschlagswasser der bereits befestigten (3.000 m²) und zusätzlich zu befestigenden Flächen (ca. 7.000 m²) wird einem neuen Entwässerungssystem mit Rückhaltung, Abflussdrosselung und Niederschlagswasserbehandlung zugeführt. Hierbei wird ein Stauraumkanal von einer Länge von ca. 220 m verlegt. An dessen Tiefpunkt soll ein Drosselbauwerk installiert werden, durch das das dem Regenwasserkanal zufließende Niederschlagswasser mittels einer dynamischen Drosseleinrichtung auf eine maximale Abflussmenge von 30 l/sec begrenzt wird. Anschluss und Überleitung sollen in den in der I2. -I3. -Straße verlegten Regenwasserkanal erfolgen.
9Dem Genehmigungsantrag beigefügt war – u.a. – ein Brandschutzkonzept des Dipl.-Ing. T. -P1. vom 07.12.2011 in Form einer Ergänzung vom 22.03.2012 (Anlage 3.3), eine Geruchs- und Staubkonzentrationsberechnung der V. und Q. GmbH vom 25.07.2011/20.12.2011 (Anlage 3.6) sowie ein schalltechnisches Gutachten der B1. GmbH vom 05.07.2011 (Anlage 3.7). Nach dem schalltechnischen Gutachten der B1. GmbH ist am Immissionsort I 3 (X1.----ring 1) von einer Gesamtimmissionsbelastung von 49 dB(A) auszugehen. Nach dem Geruchsgutachten der V. und Q. GmbH vom 25.07.2011 ist bereits im Anlagenumfeld von einer Unterschreitung der nach der GIRL maßgeblichen Irrelevanzgrenze von 2 % der Jahresgeruchsstunden auszugehen; an den umliegenden Wohnhäusern sei eine Geruchszusatzbelastung durch den geplanten Recyclinghof rechnerisch nicht mehr nachweisbar. Die durch den Betrieb des Recyclinghofes zu erwartende Staubkonzentration und -deposition unterschreite ebenfalls bereits auf dem Anlagengelände bzw. im unmittelbaren Nahbereich (Entfernung max. 40 m) die Irrelevanzgrenze der TA Luft mit einer zulässigen Staubkonzentration von 1,2 µg/m³ bzw. einer Staubdeposition von 0,015 g/m² x d.
10Im Rahmen der Behördenbeteiligung wurden keine grundsätzlichen Einwände gegen das Vorhaben erhoben. Die Stadt S. -X. erteilte mit Schreiben vom 02.07.2012 ihr gemeindliches Einvernehmen und erklärte, dass – soweit dem Vorhaben Festsetzungen des Bebauungsplanes entgegenstünden – Ausnahmen bzw. Befreiungen erteilt werden könnten.
11Mit Bescheid vom 15.10.2012 erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb einer Recyclinganlage. Die Anlage hat betreffend den Umschlag von nichtgefährlichen Abfällen eine genehmigte Kapazität von 99 t/d, betreffend die zeitweilige Lagerung von nichtgefährlichen Abfällen von 1225 t und betreffend die zeitweilige Lagerung von gefährlichen Abfällen von 42 t. Die Anlage darf in der Zeit von Montag bis Samstag in der Zeit von 7.30 Uhr bis 18.30 Uhr betrieben werden. Soweit das Vorhaben vom Bebauungsplan hinsichtlich der Festsetzungen der Bauhöhe, der überbaubaren Fläche und der Flächen zur Festsetzung zur Anpflanzung und zum Erhalt von Sträuchern abweicht, erteilte der Beklagte der Beigeladenen die erforderlichen Befreiungen bzw. Ausnahmen. In der Begründung des Bescheides (Seite 14) wird zu möglichen Belästigungen der Nachbarschaft ausgeführt, dass nach den von der Beigeladenen vorgelegten Gutachten die zulässigen Werte für Lärm, Staub und Gerüche eingehalten bzw. deutlich unterschritten würden. Sofern die im Tenor des Bescheides enthaltenen Bestimmungen zum Inhalt und Umfang der Genehmigung und die in Abschnitt 3 festgesetzten Nebenbestimmungen eingehalten würden, sei davon auszugehen, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG vorlägen.
12Die Genehmigung wurde am 29.10.2012 bzw. am 05.11.2012 öffentlich bekanntgemacht und lag einschließlich Begründung in der Zeit vom 30.10.2012 bis einschließlich 13.11.2012 bei der Bezirksregierung E. und der Stadt S. -X. zur Einsichtnahme aus.
13Die Klägerin hat am 11.12.2012 Klage erhoben.
14Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin vor: Der Genehmigungsbescheid vom 15.10.2012 habe sich nach Klageerhebung durch den Abriss des Sozialgebäudes und der Waage erledigt, sodass das Verfahren einzustellen sei. Es handele sich insoweit um unverzichtbare Anlagenteile, ohne die das Vorhaben nicht realisiert werden könne.
15Sollte sich der Genehmigungsbescheid nicht erledigt haben, so sei er jedenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Vorhabens habe der Beklagte auf die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung maßgebliche Rechtslage abgestellt und nicht – was zutreffend gewesen wäre – auf die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes maßgebliche Rechtslage. Die im Genehmigungsbescheid erfolgte Zuordnung der Anlage zu Nr. 8.12 Spalte 2a) und Spalte 2b) aa) der 4. BImSchV sei rechtsfehlerhaft, weil es nach dem im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplanes maßgeblichen KrW-/AbfG und den hierzu ergangenen Verordnungen (BeStüAbfV und BestbüAbfV, jeweils vom 10.09.2006) keine Unterscheidung zwischen „gefährlichen“ und „nicht gefährlichen“ Abfällen gegeben habe, sondern nur zwischen „nicht überwachungsbedürftigen“, „überwachungsbedürftigen“ und „besonders überwachungsbedürftigen“ Abfällen differenziert worden sei. Der Beklagte hätte deshalb für die einzelnen zugelassenen Abfallarten prüfen müssen, welcher Kategorie diese Abfälle nach damals geltendem Recht hätten zugeordnet werden müssen. Nach dem im Bebauungsplan in Bezug genommenen Abstandserlass 1998 und der Abstandsliste sei das genehmigte Vorhaben als Vorhaben i.S.d. Nr. 131 oder Nr. 132 der Abstandsliste zu beurteilen, da es den Nr. 8.11 bzw. 9.10 der Anlage der zum damaligen Zeitpunkt maßgeblichen 4. BImSchV vom 19.03.2007 unterfalle. Als Vorhaben der Abstandsklasse V sei es nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes im gesamten Geltungsbereich des GE 4 (Nordost und Südwest) wegen der hier nach dem Abstandserlass 1998 anzustellenden Gesamtbetrachtung (vgl. Nr. 2.2.2.3) auch nicht ausnahmsweise zulässig und hätte deshalb nicht genehmigt werden dürfen, weil es den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 371 hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung widerspreche.
16Sie könne nach den Grundsätzen des übergreifenden Gebietserhaltungsanspruchs diese Abweichungen vom Bebauungsplan hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung als subjektive Rechtsverletzung geltend machen, da die Gliederung des Gewerbegebietes im Bereich B nach dem Abstandserlass 1998 nicht nur städtebauliche Funktion gehabt habe, sondern nach der Begründung des Bebauungsplanes diese Festsetzungen auch zum Schutz der Wohnbevölkerung in der Siedlung „X1.---- “ erfolgt seien. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass der Satzungsgeber auch Grundstückseigentümern außerhalb des Plangebietes im Einzelfall einen Gebietserhaltungsanspruch einräumen könne. Ein derartiger Wille lasse sich den Vorgängen zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 371 entnehmen, soweit es den nördlich der M. 568 gelegenen Siedlungssplitter zwischen den Straßen „X1.---- “ und „F. “ betreffe.
17Die Befreiung hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche sei ermessensfehlerhaft erteilt worden, weil dort nach dem Bebauungsplan eine „Immissionsschutzpflanzung“ zum Schutz der angrenzenden Wohnbevölkerung vorgesehen sei und hierauf nicht verzichtet werden könne.
18Mit Bescheid vom 30.09.2013 erfolgte eine Berichtigung des Ausgangsbescheides, soweit er die Bezeichnung des Abfalles „Straßenkehricht“ mit der ASN 20 03 03 betrifft.
19Die Klägerin beantragt,
20die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 15.10.2012, berichtigt durch den Bescheid vom 30.09.2013, aufzuheben,
21hilfsweise,
22festzustellen, dass die Genehmigung vom 15.10.2012, berichtigt durch den Bescheid vom 30.09.2013, rechtswidrig gewesen ist,
23weiter hilfsweise,
24festzustellen, dass die Genehmigung vom 15.10.2012, berichtigt durch den Bescheid vom 30.09.2013, erledigt ist.
25Der Beklagte beantragt,
26die Klage abzuweisen.
27Er trägt zur Begründung des Antrages vor: Der Genehmigungsbescheid habe nicht durch den nach Klageerhebung erfolgten Abriss des Verwaltungs- und Sozialgebäudes seine Erledigung gefunden. Ein Sozialgebäude sei weder Teil noch Nebeneinrichtung einer immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlage i.S.d. § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV. Ob ein derartiges Gebäude aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen erforderlich sei, sei im vorliegenden Verfahren unerheblich, weil die Klägerin aus der Verletzung derartiger Vorschriften keine subjektive Rechtsverletzung herleiten könne.
28Für die Rechtmäßigkeit der Genehmigung sei die zum Zeitpunkt der Genehmigungs-erteilung geltende Rechtslage maßgeblich. Die Rechtsauffassung der Klägerin, es sei bei der Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens nicht nur auf den im Bebauungsplan in Bezug genommenen Abstandserlass 1998, sondern auch auf die Abstandsliste und die in den Abstandsklassen erfolgte Unterscheidung zwischen „überwachungsbedürftigen“ und „besonders überwachungsbedürftigen“ Abfällen abzustellen, gehe fehl. Bereits im Zeitpunkt des Beschlusses des Bebauungsplanes Nr. 371 am 11.06.2007 habe die Differenzierung nach der Überwachungsbedürftigkeit der Abfälle durch die Aufhebung der BestüVAbfV und die Änderung der 4. BImSchV (in Kraft getreten zum 15.07.2006 bzw. zum 01.02.2007) nicht mehr der geltenden Rechtslage entsprochen, da das Gesetz nur noch zwischen „gefährlichen“ und „nicht gefährlichen“ Abfällen unterschieden habe. Beschränkungen des Bebauungsplanes auf Grund des Abstandserlasses 1998 und der in der Abstandsliste enthaltenden Differenzierung nach der Überwachungsbedürftigkeit der Abfälle würden damit ins Leere gehen und seien wirkungslos.
29Durch die nach der Genehmigung vorgesehenen Ausnahmen und Befreiungen werde die Klägerin nicht in subjektiven Rechten verletzt. Auch unter Berücksichtigung der erteilten Ausnahmen und Befreiungen sei davon auszugehen, dass die Klägerin durch den Anlagenbetrieb keinen unzumutbaren Immissionen in Form von Lärm, Staub und Gerüchen ausgesetzt sei. Die von der Klägerin im Genehmigungsverfahren vorgelegten diesbezüglichen Gutachten seien behördlicherseits überprüft worden und plausibel.
30Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
31die Klage abzuweisen.
32Sie nimmt zur Begründung des Antrages auf die Ausführungen der Beklagten Bezug und trägt ergänzend vor: Der Rechtsstreit habe sich nicht durch den Abriss des Verwaltungs- und Sozialgebäudes erledigt, weil sie weiterhin beabsichtige, von der Genehmigung Gebrauch zu machen. Dieses Gebäude sei zwar – entgegen der ursprünglichen Absicht – auf Grund des schlechten Bauzustandes abgerissen worden, für die Ausnutzung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung aber auch nicht erforderlich. Bei einer eventuellen geplanten Neuerrichtung dieses Gebäudes sei eine immissionsschutzrechtliche Anzeige nach § 15 BImSchG voraussichtlich ausreichend. Einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG, geschweige denn einer Neugenehmigung, bedürfe es nicht. Dies gelte auch für die von der Klägerin benannte Waage. Diese sei im Übrigen nicht abgerissen, sondern nur außer Funktion gesetzt worden und noch vorhanden.
33Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, die Genehmigung missachte Festsetzungen des Bebauungsplanes zur Art der baulichen Nutzung im GE 4, weil diese Festsetzungen ihr keinen subjektiven Rechtsanspruch vermitteln würden. Als Eigentümerin eines Grundstückes außerhalb des Plangebietes könne sie sich grundsätzlich nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen, weil es an dem hierfür erforderlichen gegenseitigen Austausch- und Rücksichtnahmeverhältnis fehle. Den Planunterlagen lasse sich auch nicht entnehmen, dass der Satzungsgeber den an das Plangebiet angrenzenden Grundstückseigentümern subjektive Rechtsansprüche auf Einhaltung der Festsetzungen einräumen wollte. Anlass für die Planung seien allein städtebauliche Gründe gewesen. Dass im Rahmen der Planung auch die Belange der an das Plangebiet angrenzenden Nachbarn nicht außer Acht gelassen worden seien, sei allein dem bauplanungsrechtlichen Abwägungsgebot geschuldet. Wenn der Planungsgeber in den Aufstellungsvorgängen zum Bebauungsplan betone, dass diese Grundstückseigentümer sich nicht auf den Schutzanspruch berufen könnten, der Grundstückseigentümern in einem Wohngebiet zukomme, und die Planung dazu diene, einerseits den Gewerbestandort weiterzuentwickeln und andererseits dem Schutzbedürfnis des Siedlungssplitters im Sinne einer gegenseitigen Rücksichtnahme Rechnung zu tragen, werde deutlich, dass diesen Grundstückeigentümern gerade kein von immissionsschutzrechtlichen Betroffenheiten unabhängiger Gebietserhaltungsanspruch habe eingeräumt werden sollen.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
35E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
36I. Die Klage ist mit dem Hauptantrag zulässig.
37Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angefochtene Genehmigungsbescheid vom 15.10.2012 i.d.F. des Berichtigungsbescheides vom 30.09.2013 durch den Abriss des in den Planunterlagen vorhandenen Verwaltungs- und Sozialgebäudes nicht gegenstandslos geworden. Die Beseitigung von Anlagenteilen, die Bestandteil der genehmigten Planunterlagen und damit Bestandteil der Genehmigung sind, führt nicht zum Erlöschen der Genehmigung. Ungeachtet dessen, dass die in § 18 BImSchG benannten, hier nicht einschlägigen Erlöschensgründe nicht abschließend sind und deshalb auch dort nicht genannte Gründe zum Erlöschen der Genehmigung führen können,
38vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1989 – 4 C 36.86 –, NVwZ 1990, 464,
39ergibt sich bereits aus § 16 Abs. 5 BImSchG, dass die vollständige oder teilweise Beseitigung einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage (z.B. als Folge einer Zerstörung oder Baufälligkeit) nicht automatisch zum Erlöschen der Genehmigung führt. Die ursprüngliche Genehmigung bildet nach § 16 Abs. 5 BImSchG weiterhin die Rechtsgrundlage für den Austausch oder die Ersetzung (genehmigter) Anlagenteile, sofern es nicht deshalb einer Neugenehmigung bedarf, weil die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 BImSchG vorliegen. Letzteres ist hier gerade nicht der Fall. Im Übrigen hat der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass das Verwaltungs- und Sozialgebäude weder eine immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage i.S.d. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV ist noch als Nebeneinrichtung einer solche Anlage nach § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV angesehen werden kann, weil es sich weder um eine für den Betrieb notwendige noch um eine mit Blick auf schädliche Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder Belästigungen bedeutsame Einrichtung handelt. Der Abriss des Verwaltungs- und Sozialgebäudes ist deshalb für den Fortbestand der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Übrigen ohne Bedeutung und dürfte für den Fall der Neuerrichtung allenfalls neben einer Anzeige nach § 15 BImSchG einer Baugenehmigung bedürfen.
40Vor Erhebung der somit weiterhin statthaften Anfechtungsklage bedurfte es keiner Durchführung eines Vorverfahrens, weil der Genehmigungsbescheid vom 15.10.2012 von einer Bezirksregierung erlassen wurde (§ 110 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 JustG NRW).
41II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15.10.2012 i.d.F. des Berichtigungsbescheides vom 30.09.2013 ist nicht in einer Weise rechtswidrig, die subjektive Rechte der Klägerin verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
421. Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der erteilten Genehmigung ist die zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltende Rechtslage,
43vgl. Jarass, BImSchG, Kommentar, 10. Auflage, 2013, § 6 Rn. 5,
44sodass es für die Frage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit und die Zuordnung der Anlage zu den in der Verordnung über genehmigungspflichtige Anlagen – 4. BImSchV – (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 3 BImSchG i.V.m. der Anlage 1 zur 4. BImSchV) aufgeführten Anlagetypen auf deren bis zum 01.05.2013 geltende Fassung ankommt. Insoweit hat der Beklagte das zur Genehmigung gestellte Vorhaben zu Recht, soweit es die Zwischenlagerung von Abfällen betrifft, als ein Vorhaben bewertet, das Nr. 8.12. Spalte 2 a)
45„Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Anwendung finden, mit einer Aufnahmekapazität von 1 Tonne bis weniger als 10 Tonnen je Tag oder einer Gesamtlagerkapazität von 30 Tonnen bis weniger als 150 Tonnen, ausgenommen die zeitweilige Lagerung bis zum Einsammeln auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle und Anlagen, die von Nummer 8.14 erfasst werden“
46und 8.12. Spalte 2 b aa)
47„Anlagen zur zeitweiligen Lagerung von nicht gefährlichen Abfällen, auf die die Vorschriften des Kreislaufwirtschaftsgesetzes Anwendung finden, mit einer Gesamtlagerkapazität von 100 Tonnen oder mehr, ausgenommen die zeitweilige Lagerung – bis zum Einsammeln – auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle“
48der Anlage 1 zur 4. BImSchV unterfällt. Für den nach der Genehmigung zulässigen Umschlag von nicht gefährlichen Abfällen von 99 t/d bedurfte es keiner immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, weil die nach Nr. 8.15 Spalte 2 b des Anhangs zur 4. BImSchV erforderliche Mindestmenge von 100 t/d nicht erreicht wird. Insoweit wurde die Genehmigung als Nebenanlage i.S.d. § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV zu den o.g. Anlagen i.S.d. der Nr. 8.12 erteilt.
49Der Einwand der Klägerin (vgl. Klagebegründung vom 19.01.2013, Bl. 62 GA), die Beklagte hätte bei der Genehmigungserteilung auf die zum Zeitpunkt der Aufstellung des Bebauungsplanes geltende Rechtslage abstellen und damit auch prüfen müssen, ob das zur Genehmigung gestellte Vorhaben nach den Nr. 131 und 132 der Anlage 1 zur 4. BImSchV in der damals geltenden Fassung der Abstandsklasse V zuzuordnen gewesen wäre, greift deshalb nicht durch. Entscheidungserheblich wäre die damalige Rechtslage allenfalls für die Frage, ob das Vorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplanes Nr. 371 widerspricht, da dieser auf den Abstandserlass 1998 und die als Anhang 1 beigefügte Abstandsliste Bezug nimmt, die wiederum hinsichtlich der Einstufung nach Abstandsklassen auf die 4. BImSchV in der damals geltenden Fassung verweist. Auf die Klärung dieser Frage kommt es aber entscheidungserheblich nicht an, da die Klägerin sich nicht darauf berufen kann, die Genehmigung missachte bauplanungsrechtliche Festsetzungen des Bebauungsplanes zur Art und zum Maß der baulichen Nutzung (vgl. hierzu unten II. 4).
502. Nachbarschutz wird bei der Erteilung von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen zum einen dadurch gewährt, dass Anlagen nur genehmigt werden dürfen, wenn sie keine schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft hervorrufen (vgl. § 6 Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BImSchG i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG). Zum anderen erfolgt Nachbarschutz auch dadurch, dass mit Blick auf die Konzentrationswirkung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (vgl. § 13 BImSchG) diese dann nicht erteilt werden kann, wenn „andere öffentlich-rechtliche Vorschriften“ der Errichtung und dem Betrieb der Anlage entgegenstehen (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Sind derartige Vorschriften aufgrund der Konzentrationswirkung mitzuprüfen – was u.a. auch die bauplanungsrechtliche und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens betrifft –, kann sich ein vom Vorhaben betroffener Nachbar auf die Verletzung derartiger Vorschriften berufen, wenn ihnen nachbarschützende Wirkung zukommt.
513. Gemessen an diesen Voraussetzungen kann die Klägerin nicht mit Erfolg geltend machen, dass durch die Zulassung des streitigen Vorhabens nachbarschützende Normen des BImSchG oder des Baurechts verletzt werden. Weder wird mit der Zulassung des Vorhabens ein bauplanungsrechtlicher Gebietserhaltungsanspruch der Klägerin oder in diesem Zusammenhang das nachbarschützende Gebot der Rücksichtnahme verletzt (4.) noch ruft das genehmigte Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr.1 BImSchG hervor (5.).
524. Nach der Rechtsprechung des BVerwG haben die Eigentümer von Grundstücken in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet (§ 9 Satz 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 3 BauNVO) das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nicht zulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen, ohne dass es auf die Frage ankommt, inwieweit sie durch das Bauvorhaben in subjektiven, aus dem Bauordnungs- oder Bauplanungsrecht resultierenden Rechten verletzt werden. Dieses als Gebietserhaltungsanspruch bezeichnete Recht resultiert daraus, dass Baugebietsfestsetzungen kraft Gesetzes dem Schutz aller Eigentümer der in dem Gebiet gelegenen Grundstücke dienen. Die nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Anwesen in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist. Im Hinblick auf diese wechselseitig wirkende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Grundeigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) hat jeder Eigentümer – unabhängig von einer konkreten Beeinträchtigung – das Recht, sich gegen eine Umwandlung des Gebiets durch Zulassung einer gebietsfremden Nutzung zur Wehr zu setzen.
53Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.08.1996 – 4 C 13.94 –,BVerwGE 101, 364, und vom 16. 09.1993 – 4 C 28.91 –, BVerwGE 94, 151.
54Diese Rechtsprechung gilt entsprechend, wenn die betroffenen Grundstücke durch die gemeinsame Lage in einem faktischen Baugebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden sind.
55Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.12.2011 – 4 B 32/11 -, BauR 2012, 634 = juris Rn. 5.
56Bei Festsetzungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung besteht ein Gebietserhaltungsanspruch grundsätzlich nur für die Grundstückseigentümer im Plangebiet. Bei außerhalb des Plangebietes liegenden Grundstücken fehlt es an dem für ein Plangebiet typischen wechselseitigen Verhältnis, das die einem Plangebiet zusammengefassten Grundstücke zu einer bau- und bodenrechtlichen Schicksalsgemeinschaft zusammenschließt. Bundesrechtlich wird deshalb Nachbarschutz für Grundstückseigentümer außerhalb des Plangebietes grundsätzlich nur nach dem in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerten Gebot der Rücksichtnahme gewährt.
57Vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 – 4 B 55/07 –, NVwZ 2008, 427 = juris Rn.6.
58Vor diesem Hintergrund kann sich die Klägerin nicht auf eine Verletzung des (bundesrechtlichen) Gebietserhaltungsanspruches berufen, weil zwar das Grundstück der Beigeladenen im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, ihr eigenes Grundstück aber außerhalb des Plangebietes liegt und damit eine wechselseitige bau-und bodenrechtliche Schicksalsgemeinschaft nicht besteht.
59Ist für Grundstückseigentümer außerhalb des Plangebietes ein vom Grad möglicher Beeinträchtigungen unabhängiger Gebietserhaltungsanspruch bundesrechtlich ausgeschlossen, schließt dies nicht aus, dass der Plangeber bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes auch solchen Grundstückseigentümern Ansprüche auf Einhaltung der Festsetzungen einräumt, die außerhalb des Plangebietes liegen. Insoweit bedarf es jeweils der Klärung im Einzelfall, ob eine baurechtliche Vorschrift ausschließlich objektivrechtlichen Charakter hat oder ob sie (auch) dem Schutz individueller Interessen dient, ob sie also Rücksichtnahme auf die Interessen Dritter gebietet. Das kann sich unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm ergeben, etwa dann, wenn sie Abwehrrechte Betroffener ausdrücklich begründet. In der Regel allerdings wird insoweit – da der Normgeber nur in Ausnahmefällen derartige Abwehrrechte ausdrücklich statuieren wird – eine Auslegung nach Sinn und Zweck in Betracht kommen; gelegentlich mag sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Wille des historischen Normgebers ermitteln lassen, die Interessen Dritter zu schützen. Dabei ist Drittschutz nicht in jedem Fall ohne Rücksicht auf den Grad der Beeinträchtigung zu gewähren. Denn die Auslegung einer Vorschrift, die im Grundsatz Drittschutz vermitteln will, kann durchaus zu dem Ergebnis führen, dass Drittschutz nur zu gewähren ist, wenn eine bestimmte Schwelle der Beeinträchtigungen erreicht wird.
60Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 26.08.2005 – 7 B 217/05 –, juris Rn. 16, und vom 08.11.2005 – 7 B 1319/05 –, juris Rn. 11 und 12.
61Soweit es – wie hier – um nutzungsbezogene Gliederungen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung in einem ausgewiesenen Gewerbegebiet geht, ist im Regelfall davon auszugehen, dass diese nicht darauf abzielen, die in der Nachbarschaft des Gewerbegebietes vorhandene Wohnbebauung vor allen der Festsetzung widersprechenden Nutzungen zu schützen und ihnen ein von konkreten Beeinträchtigungen unabhängiges Recht auf Einhaltung der Festsetzungen einzuräumen. In erster Linie liegt einer derartigen nutzungsbezogenen Gliederung der städtebaulich motivierte Ansatz zugrunde, durch die Beschränkung der Nutzbarkeit in verschiedenen Bereichen die Ansiedlung künftiger Betriebe von vornherein so zu steuern, dass im Regelfall keine Probleme im Hinblick auf die Schutzbedürfnisse der Nachbarschaft auftreten können. Sie soll es ermöglichen, eine Ansiedlung solcher Nutzungen, die die Nachbarschaft potenziell in unzumutbarem Ausmaß belasten können, schon auf Grund einer typisierenden Betrachtung möglichst auszuschließen. Ob im Einzelfall tatsächlich unzumutbare Belastungen auftreten, hängt jedoch nicht davon ab, welchem Typ der betreffende Betrieb zuzuordnen ist, sondern von den konkreten Auswirkungen des jeweiligen individuellen betrieblichen Geschehens. Insoweit haben nutzungsbezogene Gliederungen in erster Linie eine städtebaulich steuernde Funktion. Dass hierbei im Rahmen der Planaufstellung auch die Schutzbedürfnisse der Nachbarschaft in den Blick genommen wurden, besagt noch nicht, dass damit zugleich ein unabhängig von konkreten Auswirkungen des jeweiligen Betriebs bestehendes nachbarliches Abwehrrecht begründet werden soll.
62Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 08.11.2005 – 7 B 1319/05 –, juris Rn. 13
63Ob der Planungsgeber mit der Planung (ausnahmsweise) beabsichtigte, außerhalb des Planungsgebietes wohnenden Grundstückseigentümern subjektive Rechtsansprüche auf Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Festsetzungen einzuräumen, ist unter Berücksichtigung der die Ziele und Zwecke der Planung darstellenden Unterlagen zu ermitteln. Diese ergeben sich aus dem Erläuterungsbericht und dem Umweltbericht (§ 2 a Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB).
64Ein derartiger Planungswille lässt sich der Begründung des Bebauungsplans Nr. 371 hier nicht entnehmen.
65Neben den im Erläuterungsbericht beschriebenen „verkehrlichen Zielsetzungen“ (Seite 7 ff.) verfolgt die Planung auch „städtebauliche Ziele“ (Seite 10), zu denen der Erläuterungsbericht für den hier maßgeblichen Bereich B des Planentwurfes ausführt (Seite 11):
66„Dieser Bereich ist zwar im FNP als Gewerbefläche dargestellt, eine konkrete Überplanung zur Standortsicherung und im Interesse der städtebaulichen Ordnung des Konfliktpotenzials mit der umgebenden Streubebauung sowie dem Siedlungssplitter nördlich der M. 568 ist jedoch bisher nicht erfolgt. Diese Überplanung bietet sich jedoch im Zusammenhang mit der Trassenplanung an, zumal für die Entlastungsstraße ein Randstreifen aus dem Firmengelände benötigt wird.“ (Hervorhebung durch die Kammer.)
67Zusammenfassend werden die mit der Planung verfolgten städtebaulichen Ziele mit Blick auf die Splittersiedlung wie folgt beschrieben (Seite 12):
68„e) Reduzierung potenzieller Nachbarschaftskonflikte und Sicherung der städtebaulichen Ordnung durch einen gliedernden Grünstreifen und Begrenzung der Emissionen aus dem Gewerbegebiet durch Gliederung gemäß Abstandserlass NRW.
69f) Standortsicherung und städtebauliche Ordnung der Entwicklung des vorhandenen Betriebsstandortes der Fa. LIEFU... .“
70(Hervorhebung durch die Kammer.)
71und hierzu im folgenden (Seite 17) weiter ausgeführt:
72„Der heute im Außenbereich gemäß § 35 BauGB liegende Standort der Fa. LIEFU, für die parallel zum Planverfahren ein Insolvenzverfahren eingeleitet worden ist, soll zunächst im Bestand planungsrechtlich grundsätzlich gesichert und geordnet werden. Darüber hinaus sollen kleinere Erweiterungsoptionen auf dem zur Verfügung stehenden Grundstück nach Nordwesten bis zur Grenze des Flurstückes 170 und nach Nordosten ermöglicht werden. Ziel ist, angebotsorientiert eine wirtschaftliche Weiterentwicklung des Futtermittelwerkes und/oder sachgerechte Folgenutzungen für Teilbereiche vorzubereiten, soweit diese im Einklang v.a. mit den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen im Umfeld erfolgen können. Im Bebauungsplan wird daher ebenfalls eine Gliederung nach dem Abstandserlass NRW aufgenommen (s.o.).
73Unter immissionsschutzrechtlichen Aspekten ist der Betrieb v.a. in Nachbarschaft zu dem nördlich der M. 568 liegenden Siedlungssplitter „X1.----ring “, der im Außenbereich liegt, zu prüfen. Zu diesem Zweck wurde die Ergänzung des Schallschutzgutachtens erarbeitet, die in der Anlage beigefügt ist und die diese Vorgehensweise bestätigt hat. Zusätzliche Schallschutzmaßnahmen sind danach in diesem als Angebotsplanung zu verstehenden Bebauungsplan nicht erforderlich.“ (Hervorhebungen durch die Kammer.)
74Diese Aussagen im Erläuterungsbericht verdeutlichen, dass mit der nutzungsbezogenen Gliederung in den geplanten Gewerbegebieten – insbesondere auch im hier streitigen GE 4 – in erster Linie die städtebauliche Entwicklung dieses Bereiches gefördert und der Standort des M. als Standort für zukünftige gewerbliche Nutzungen erhalten und gesichert werden sollte. Die Belange der betroffenen angrenzenden Wohnbevölkerung waren – hierauf hat die Beigeladene zu Recht hingewiesen – auf Grund des baurechtlichen Abwägungsgebotes (vgl. § 1 Abs. 7 BauGB) bei der Planung zu berücksichtigen. Wenn in diesem Zusammenhang in den Planunterlagen als Planungsziel die Sicherung und Weiterentwicklung des Gewerbestandortes „im Einklang mit den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen“ betont wird, lässt sich dem gerade nicht entnehmen, dass der Planungsgeber der außerhalb des Plangebietes gelegenen Wohnbevölkerung bauplanungsrechtliche Abwehransprüche ungeachtet möglicher immissionsschutzrechtlicher Betroffenheiten einräumen wollte. Denn ob ein Betrieb im Einklang mit den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen steht, ergibt sich gerade nicht aus der (abstrakten) Zuordnung eines Betriebes zu einer bestimmten Abstandsklasse und seiner Einordnung nach der 4. BImSchV, sondern erst aus der konkreten Gestaltung des Betriebes, wie sie im Genehmigungsverfahren festgelegt wird (z.B. durch Regelungen zur Betriebsweise, zu den Betriebszeiten etc.).
75Dass der Satzungsgeber der Wohnbevölkerung des Siedlungsplitters „X1.---- “ keine Abwehrrechte einräumen wollte, die über die das Gebot der Rücksichtnahme hinausgehen, wird auch dadurch verdeutlicht, dass im Nachtrag zum Umweltbericht (Seite 35 ff.) zum Ergebnis der Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs.2 BauGB ausgeführt wird:
76„Der Bebauungsplan Nr. 371 schafft die Grundlage für die verträgliche Entwicklung des Betriebsstandortes unter Berücksichtigung der o.g. Gemengelage und im Sinne der gegenseitigen Rücksichtnahme sowohl von Seiten des Siedlungssplitters als auch des Betriebsstandorts. Die Planung dient somit abgewogen auch den Interessen der Nachbarn. Ausdrücklich handelt es sich beim Bereich Woestering nicht um ein Wohngebiet im planungs- und immissionsschutzrechtlichen Sinne! Der Stand der Technik ist im Zuge weiterer Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen.“ (Hervorhebung durch die Kammer.)
77Denn die Lösung von Nachbarschaftskonflikten auf der Basis des Gebots der Rücksichtnahme setzt – anders als beim Gebietserhaltungsanspruch – gerade voraus, dass sich eine Nutzung gegenüber der anderen nicht unabhängig von möglichen Beeinträchtigungen allein auf Grund bauplanungsrechtlicher Festsetzungen durchsetzt.
78Kann die Klägerin somit im Ergebnis keinen Gebietserhaltungsanspruch hinsichtlich der Festsetzungen betreffend die Art der baulichen Nutzung (§§ 2 bis 9 BauNVO) geltend machen, so gilt dies auch für die übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans. Dies betrifft insbesondere die Erhaltung der im Bebauungsplan im nordöstlichen Bereich des Betriebsgrundstückes der Beigeladenen vorgesehenen Gehölzpflanzung. Soweit der Beklagte im Genehmigungsbescheid insoweit eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO) erteilt hat (vgl. Nr. I 2 des Genehmigungsbescheides), wird hierdurch nicht in Rechte der Klägerin eingegriffen.
79Ungeachtet dessen, dass die Klägerin als Eigentümerin eines Grundstückes außerhalb des Plangebietes sich danach nicht auf einen Gebietserhaltungsanspruch berufen kann, ist der Gebietserhaltungsanspruch auf die Festsetzungen bezüglich der Art der baulichen Nutzung beschränkt, da nur diese geeignet sind, den Gebietscharakter des Gebietes zu berühren. Ein darüber hinausgehender, von einer realen Beeinträchtigung unabhängiger Anspruch des Nachbarn auf Einhaltung der Festsetzungen über das Maß der baulichen Nutzung (§§ 15 ff. BauNVO) und der Bauweise (§§ 22 ff. BauNVO) ergibt sich weder aus dem Bundesrecht,
80vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.06.1995 – 4 B 52.95 –, BauR 1995, 823 = juris Rn. 3 m.w.N. auf die eigene Rechtsprechung; OVG Saarland, Beschluss vom 10.06.2013 – 2 B 30/13 –, juris Rn. 36,
81noch lässt sich ein derartiger Anspruch den Planunterlagen und dem dort verlautbaren Willen des Satzungsgebers entnehmen. Insbesondere ergibt sich ein derartiger Wille nicht aus der Verwendung des Begriffes „Immissionsschutzpflanzung“ im Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan. Anders als bei dem an der M. 568 vorgesehenen Lärmschutzwall – dessen Zielsetzung im Erläuterungsbericht im Abschnitt 5.4 „Belange des vorbeugenden Immissionsschutzes“ erläutert wird (Seite 25) – wird diese Festsetzung im Abschnitt 5.6 „Grünordnung, Belange von Naturschutz und Landschaftspflege und des Waldes“ als Teil des grünordnerischen Konzeptes und Maßnahme zur Minderung des Eingriffes in Natur und Landschaft beschrieben. Dass sie primär naturschutzrechtlichen Belangen dienen soll, wird auch durch die Art der Festsetzung deutlich. Denn während die Festsetzung des Lärmschutzwalles an der M. 568 als Maßnahme zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB dienen soll, erfolgte die Festsetzung als nicht überbaubare Grundstücksfläche auf dem Betriebsgrundstück zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Boden, Natur und Landschaft i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB.
82Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin (vgl. Klagebegründung vom 23.09.2013, Bl. 260 GA), besteht bei – wie hier – nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplanes auch kein über die „Würdigung nachbarlicher Interessen“ und damit das Gebot der Rücksichtnahme hinausgehender Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung.
83Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 08.07.1998 – 4 B 64/98 –, BauR 1998, 1206 = juris Rn. 5 und vom 23.06.1995 – 4 B 52.95 –, a.a.O. = juris Rn. 4.
84Ist nach alledem davon auszugehen, dass die Klägerin sich nicht auf einen bundesrechtlichen Gebietserhaltungsanspruch berufen kann und der Satzungsgeber ihr auch keine subjektiven Rechtsansprüche auf Einhaltung der Festsetzungen im Bebauungsplan einräumen wollte, kann die Klägerin subjektive Rechtsverletzungen aus Abweichungen von den nicht nachbarschützenden Festsetzungen des Bebauungsplanes nur dann geltend machen, wenn hierdurch das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme verletzt wird.
85Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 17.02.2011 – 7 B 1308/10 –, NWVBl 2011, 388 (zu § 31 Abs. 2 BauGB).
86Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens in baurechtlicher Hinsicht – etwa durch eine erdrückende Wirkung des Vorhabens – ist jedoch weder von der Klägerin vorgetragen worden noch sind Anhaltspunkte in dieser Hinsicht für das Gericht erkennbar.
87Soweit es schädliche Umwelteinwirkungen i.S.d. § 3 Abs. 1 BImSchG betrifft – diese macht die Klägerin im Wesentlichen geltend –, konkretisiert das BImSchG das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme, bemisst die Schutzwürdigkeit aber nach dem, was in diesem Gebiet planungsrechtlich zulässig ist.
88Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.05.2010 – 8 B 992/09 –, juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf BVerwG, Urteil vom 24.09.1992 – 7 C 7.92 –, NVwZ 1993, 987, und Beschluss vom 2. Februar 2000 – 4 B 87.99 –, NVwZ 2000, 679.
89Insoweit beurteilt sich die Frage, ob die Klägerin durch den Betrieb unzumutbaren Immissionen ausgesetzt ist, einerseits nach der bauplanungsrechtlichen Schutzwürdigkeit und Einordnung ihres Grundstückes, andererseits hinsichtlich der Schädlichkeit der Immissionen nach den auf der Grundlage des § 48 BImSchG ergangenen Verwaltungsvorschriften (hierzu unter 5.).
905. Die angefochtene Genehmigung verletzt in letztgenannter Hinsicht keine nachbarlichen Rechte der Klägerin, weil unzumutbare Einwirkungen durch Lärm, Staub und Gerüchen bei dem Betrieb der Anlage für sie nicht entstehen.
915.1. Es bestehen zunächst nicht deshalb Bedenken, weil der angefochtene Genehmigungsbescheid die einzuhaltenden Immissionsrichtwerte nicht ausdrücklich bezeichnet, sondern lediglich in der Begründung ausführt (Seite 19), dass nach den vorliegenden Unterlagen die zu berücksichtigenden Anforderungen des technischen Umweltschutzes (TA Luft, TA Lärm und GIRL) bei einem genehmigungskonformen Betrieb eingehalten werden. Welche Immissionsrichtwerte nach den vorgenannten technischen Regelwerken einzuhalten sind, ergibt sich aus den dem Antrag beigefügten Lärm-, Staub- und Geruchsprognosen, die zum Bestandteil der Genehmigung erklärt wurden (vgl. unter VIII des Genehmigungsbescheides). Damit ergibt sich mit hinreichender Bestimmtheit i.S.d. § 37 VwVfG aus einer Gesamtschau des Genehmigungsbescheides und der beigefügten Anlagen, welche Immissionsrichtwerte die Beigeladene bei dem Betrieb der Anlage einzuhalten hat.
92Vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 06.11.2012– 12 ME 189/12 –, juris Rn. 10.
935.2. Bei der Frage, welches Maß an Immissionen der Klägerin zumutbar ist, geht das Gericht – entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin (vgl. Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 12.07.2013, Bl. 120 GA) – davon aus, dass ihr Grundstück bauplanungsrechtlich jedenfalls keinem Bereich zuzuordnen ist, dessen Bebauung einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet entspricht (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. §§ 3, 4 BauNVO). Das Umfeld der Wohnsiedlung zwischen den Straßen „F. “ und „X1.----ring “ wurde bzw. wird durch Gewerbetriebe – z.B. die Spedition C. und das M. . – geprägt, die als störende Gewerbetriebe nicht in einem reinen oder allgemeinen Wohngebiet, sondern nur in einem Mischgebiet nach § 6 BauNVO zulässig sind. Insoweit käme allenfalls eine Einordung der Siedlung als Mischgebiet in einem unbeplanten Innenbereich i.S.d. § 34 BauGB in Betracht.
94Es spricht allerdings mehr dafür, das Grundstück der Klägerin dem bauplanungsrechtlichen Außenbereich zuzuordnen. Das Grundstück der Klägerin liegt nördlich der M. 568 in einem Bereich, der im Westen und Norden von der Straße „F. “, im Osten von der Straße „X1.----ring “ und im Süden von der M. 568 begrenzt wird. Die Bebauung dort umfasst 13 Wohnhäuser (Stellungnahme der Stadt S. -X. vom 15.08.2013, Bl. 237 GA), die in den Jahren 1937 bis 1988 gebaut wurden. Eine Ausweitung der Wohnbebauung fand nach 1988 offensichtlich nicht mehr statt. Weder östlich noch westlich angrenzend befindet sich eine durchgehende Wohnbebauung, südlich grenzt das seit 1974 bestehende Kraftfutterwerk der M. .I.E.F.U, östlich die seit 1951 dort ansässige Spedition C. an. Sofern Baugenehmigungen nach Inkrafttreten des BauGB erteilt wurden, erfolgte dies auf der Grundlage des § 35 Abs. 2 BBauG (a.F.). Im Einklang damit stehen die Aussagen im Erläuterungsbericht zum Bebauungsplan Nr. 371. Dort wird die Siedlung zwischen den Straßen „F. “ und „X1 “ als „Siedlungssplitter im Außenbereich“ bezeichnet, der „durch ein Gemengelage mit einem Speditionsbetrieb … gekennzeichnet ist“ (Seite 6 des Erläuterungsberichtes).
95Der dem Bebauungsplan beigefügte Umweltbericht führt hierzu aus (Seite 11), dass „der nördlich der I4. liegende Siedlungssplitter X1. im Außenbereich gemäß § 35 BauGB … durch das Nebeneinander eines Speditionsbetriebes mit Wohnnutzungen geprägt ist und unter den Gesichtspunkten eines vorbeugenden Umweltschutzes wie ein Mischgebiet zu bewerten ist.“
96Ob das Grundstück der Klägerin in einem Mischgebiet i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB oder im baurechtlichen Außenbereich i.S.d. § 35 BauGB liegt, kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil diese Frage für die immissionsschutzrechtliche Bewertung (s. unter. 5.3. bis 5.5.) ohne Bedeutung ist.
975.3. Es ist nicht zu befürchten, dass die Klägerin auf Grund der Genehmigung unzumutbaren Lärmimmissionen durch den Betrieb der Anlage oder dem mit diesem im Zusammenhang stehenden Fahrzeugverkehr (vgl. Nr. 7.4 TA Lärm) ausgesetzt sein wird.
98Für Grundstücke im bauplanungsrechtlichen Außenbereich enthält Nr. 6 der TA Lärm keine Immissionsrichtwerte. Es in der Rechtsprechung anerkannt, dass Bewohnern des Außenbereichs – wie hier der Klägerin – von Anlagen ausgehende Lärmpegel von 60 dB(A) tagsüber und 45 dB(A) nachts in Anlehnung an die für Mischgebiete nach Nr. 6.1 Buchstabe c der TA-Lärm 1998 festgelegten Grenzwerte zuzumuten sind.
99Ständige Rechtsprechung des OVG NRW, vgl. Beschlüsse vom 16.05.2013 – 8 A 2705/12 –, juris Rn. 47, vom 15.09.2005 – 8 B 417/05 –, NuR 2006, 251 = juris Rn. 28, vom 11.10 2005 – 8 B 110/05 –, juris Rn. 25, vom 13.10 2005 – 8 B 823/05 –, juris Rn. 36, und vom 23.01.2008 – 8 B 237/07 –, juris Rn. 29.
100Dass diese Grenzwerte bei einem genehmigungskonformen Betrieb der Anlage nicht eingehalten werden können, ist durch die Klägerin nicht dargelegt worden. Insbesondere sind substantielle Mängel des von der Beigeladenen vorgelegten schalltechnischen Gutachtens der B. GmbH vom 05.07.2011 (Anlage 3.7 des Genehmigungsantrages) weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. Nach dem Gutachten der B. GmbH (Seite 16) verursacht der Betrieb an den dem Wohnhaus der Klägerin nächstgelegenen Immissionsort I 3 („X1.---- 1“) Immissionen von 49 dB(A) am Tag und unterschreitet damit den Immissionsrichtwert um 11 dB(A). Da das Wohnhaus der Klägerin („X1.----ring 7“) weiter entfernt vom Betrieb der Beigeladenen liegt, kann die Immissionsbelastung dort allenfalls gleich hoch sein, vermutlich ist sie sogar geringer. Dass die B. GmbH unter diesen Umständen (Seite 17) auf eine Ermittlung möglicher Vorbelastungen – etwa durch die Spedition C. – verzichtet und die Zusatzbelastung als irrelevant eingestuft hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach Nr. 3.2.1 Abs. 3 TA Lärm ist eine Zusatzbelastung irrelevant, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6, also hier 60 dB(A) am maßgeblichen Immissionsort um mehr als 6 dB(A) unterschreitet. Bei einer Immissionsbelastung von 49 dB(A) am Tage– ein Nachtbetrieb findet nicht statt (vgl. die im Genehmigungsbescheid vom 15.10.2012 festgelegten Betriebszeiten) – ist dies der Fall.
101Unabhängig davon dürfte – worauf der Beklagte in der Klageerwiderung vom 29.04.2013 (GA Bl. 53 ff.) zu Recht hingewiesen hat – auch bei einer Berücksichtigung möglicher Vorbelastungen durch andere Gewerbebetriebe die Gesamtbelastung am Wohnhaus der Klägerin den Immissionsrichtwert von 60 dB(A) nicht erreichen. Bereits im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplanes wurde die (vorhandene) Lärmbelastung der Siedlung X1.---- /F. durch Gewerbebetriebe und den hierdurch entstehenden Fahrzeugverkehr gutachterlich bewertet.
102Vgl. Ergänzende Schalltechnische Untersuchung im Rahmen des Bauleitplanverfahrens Nr. 371 „Hof P. “ der Stadt X. der B. GmbH vom 07.11.2006.
103Im Gutachten vom 07.11.2006 führt die B. GmbH aus (Seite 13), dass das M. und die Spedition C. an allen Häusern der Siedlung X1.----ring /F. Immissionen von ≤ 54 dB(A) verursachen. Am Wohnhaus der Klägerin (X1.----ring 7) dürften es nach der Anlage 3 Blatt 1 des Gutachtens sogar≤ 50 dB(A) sein. Da eine Verdoppelung des Lärms nur zu einer Steigerung der Immissionen um 3 dB(A) führt, würde die aus einer Vorbelastung von 50 dB(A) und einer Zusatzbelastung von 50 dB/A entstehende Gesamtbelastung allenfalls 53 dB(A) betragen und den Immissionsrichtwert von 60 dB(A) damit bei weitem nicht erreichen. Hierbei ist nicht einmal berücksichtigt, dass der von dem M. ausgehende Betriebslärm durch die zwischenzeitliche Betriebsaufgabe weggefallen ist und die tatsächliche Vorbelastung seitdem wesentlich geringer sein dürfte.
104Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die o.g. Prognose unter Berücksichtigung des durch den Betrieb der Anlage entstehenden zusätzlichen Fahrzeugverkehrs auf öffentlichen Straßen als unhaltbar erweist. Nach Nr. 7.4 Abs. 4 TA Lärm sollen Geräusche des An- und Abfahrtverkehrs auf öffentlichen Verkehrsflächen in einem Abstand von bis zu 500 Metern von dem Betriebsgrundstück in Gebieten nach Nr. 6.1 Buchstaben c bis f durch Maßnahmen organisatorischer Art soweit wie möglich vermindert werden, soweit
105- sie den Beurteilungspegel der Verkehrsgeräusche für den Tag oder die
106Nacht rechnerisch um mindestens 3 dB(A) erhöhen,
107- keine Vermischung mit dem übrigen Verkehr erfolgt ist und
108- die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung
109(16. BImSchV) erstmals oder weitergehend überschritten werden.
110Die B. GmbH ist in ihrem Gutachten vom 05.07.2011 (Seite 18) davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen bei einem durch die Anlage zu erwartenden Verkehrsaufkommen von bis zu 40 Lkw und bis zu 150 Pkw pro Tag nicht erfüllt werden und deshalb keine organisatorischen Maßnahmen zur Minderung der dem Betrieb zuzurechnenden Verkehrsgeräusche erforderlich sind. Wenn diese Aussage auch inhaltlich nicht begründet worden ist, so hat das Gericht jedenfalls unter Berücksichtigung der im Bebauungsplanverfahren erstellten Lärmprognosen zum Fahrzeugverkehr,
111vgl. Schalltechnisches Gutachten im Rahmen des Bauleitplanverfahrens Nr. 371 „Hof P. “ der Stadt S. -X. der B. GmbH vom 04.07.2006,
112keine Zweifel, dass sie sachlich richtig ist. Nach dem Gutachten vom 04.07.2006 (Seite 8) ist von einer Verkehrsvorbelastung am Knotenpunkt M. 568/Entlastungs-straße von 10.492 bis 11.366 Kfz pro Tag auszugehen. Eine nach Nr. 7.4 TA Lärm erforderliche Erhöhung der Lärmbelastung um 3 dB(A) würde eine Verdoppelung der Lärmbelastung, m.a.W. ein zusätzliches durch den Betrieb der Beigeladenen entstehendes Verkehrsaufkommen gleicher Größenordnung voraussetzen, das bei weitem nicht erreicht wird.
1135.4. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Klägerin durch den Betrieb der Beigeladenen schädlichen Umwelteinwirkungen durch Stäube ausgesetzt sein wird. Die dem Antrag beigefügte Berechnung der V. und Q. GmbH vom 25.07.2011 (Anlage 3.6 des Genehmigungsantrages) legt dar, dass die Staubkonzentration und -deposition bereits auf dem Gelände des Betriebes bzw. in seinem unmittelbaren Nahbereich (40 m) den Wert von 1,2 µg/m3 bzw. 0,0105 g/(m2 x d) unterschreitet (Seite 2). Damit werden die nach der TA Luft maßgeblichen Irrelevanzwerte für die Staubkonzentration (Nr. 4.2.1 Tabelle 1 i.V.m. 4.2.2 b) TA Luft: 3 % von 40 µg/m3 = 1,2 µg/m3) und die Staubdeposition (Nr. 4.3.1 Tabelle 2 i.V.m. Nr. 4.3.2 b) TA Luft: 3 % von 0,35 g/(m2 x d) = 0,0105 g/(m2 x d)) eingehalten. Ist – wie hier – die Zusatzbelastung irrelevant, bedarf es keiner Ermittlung der Vorbelastung (vgl. Nr. 4.1 i.V.m. Nr. 2.2 TA Luft). Substantiierte Einwände gegen die Richtigkeit dieser gutachterlichen Feststellungen sind auch insoweit durch die Klägerin nicht erhoben worden.
114Insbesondere mit Blick darauf, dass der Umschlag von Hausmüll und Sperrmüll nach den geänderten Planunterlagen in einer geschlossenen Umschlaghalle stattfindet (vgl. Anlage 4.1 zum Genehmigungsantrag – Anlagen- und Betriebsbeschreibung, Seite 6), die Anlieferflächen des Recyclinghofes größtenteils überdacht werden (vgl. Anlage 4.1 zum Genehmigungsantrag – Anlagen- und Betriebsbeschreibung, Seite 5), und u.a. eine regelmäßige Befeuchtung der Lagerflächen mit Wasser zur Bindung von Staub erfolgt (vgl. Anlage 4.1 zum Genehmigungsantrag – Anlagen- und Betriebsbeschreibung, Seite 11), spricht auch sonst nichts dafür, dass bei dem Betrieb der Anlage Staubemissionen entstehen, die am Wohnhaus der Klägerin die zulässigen Immissionswerte überschreiten könnten.
1155.5. Schließlich ist nicht davon auszugehen, dass die Klägerin durch den Betrieb der Anlage schädlichen Umwelteinwirkungen in Form von Gerüchen ausgesetzt seien wird. Das dem Antrag beigefügte Gutachten der V. und Q. GmbH vom 25.07.2011 (Anlage 3.6 des Genehmigungsantrages) führt hierzu aus, dass bereits auf dem Anlagengelände eine Unterschreitung des Irrelevanzkriteriums der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) gegeben ist (Seite 1). Nach Nr. 3.3 GIRL ist bei Einhaltung eines Wertes von 2 % der Jahresgeruchsstunden die durch den Betrieb der Beigeladenen zu erwartende Geruchsbelastung irrelevant.
116Weder für das Gericht ersichtlich noch von der Klägerin vorgetragen wurde, dass diese gutachterlichen Feststellungen auf einer fachlich nicht anerkannten Ermittlung und Bewertung der Geruchsbelastung beruhen. Die zu erwartende Geruchsbelastung wurde entsprechend Nr. 1 der GIRL mittels einer Geruchsausbreitungsrechnung nach dem Ausbreitungsmodell AUSTAL 2000 ermittelt. Da – wie soeben ausgeführt – der Umschlag von Hausmüll in einer geschlossenen Halle stattfindet, die Lagerung von geruchsintensiven organischen Stoffen auf dem Recyclinghof, wie z.B. Kompost, Grünschnitt und Mutterboden, auf überdachten Anschüttflächen erfolgt (vgl. Anlage 4.1. zum Genehmigungsantrag – Anlagen- und Betriebsbeschreibung, Seite 6) und Grün- und Restabfallbehälter abgedeckt werden (vgl. Anlage 4.1 zum Genehmigungsantrag – Anlagen- und Betriebsbeschreibung, Seite 11), ist nicht erkennbar, von welchen Abfallfraktionen noch Gerüche ausgehen könnten, die am Grundstück der Klägerin erhebliche Beeinträchtigungen hervorrufen könnten. Selbst wenn man das Grundstück der Klägerin nicht dem Außenbereich zuordnen würde, sondern einem als Mischgebiet zu qualifizierenden unbeplanten Innenbereich, wären nach Nr. 3.1 der GIRL 10 % der Jahresgeruchstunden zumutbar.
117III. Die hilfsweise gestellten Feststellungsanträge sind nach den vorstehenden Ausführungen (vgl. unter I.) unzulässig bzw. unbegründet, weil der Genehmigungsbescheid vom 15.10.2012 in Gestalt des Berichtigungsbescheides vom 30.09.2013 sich nicht erledigt hat.
118Die Kostenentscheidung ergeht gem. §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, weil sie einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit am Prozesskostenrisiko beteiligt hat.
119Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- §§ 22 ff. BauNVO 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 3 Begriffsbestimmungen 1x
- BauNVO § 3 Reine Wohngebiete 1x
- 4 B 32/11 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Nr. 20 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 16 Wesentliche Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen 3x
- BImSchG § 18 Erlöschen der Genehmigung 2x
- BauNVO § 23 Überbaubare Grundstücksfläche 1x
- 8 B 110/05 1x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 5 Dorfgebiete 1x
- BImSchG § 48 Verwaltungsvorschriften 1x
- 8 B 417/05 1x (nicht zugeordnet)
- 7 B 1319/05 2x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 113 1x
- VwGO § 167 1x
- 4 B 64/98 1x (nicht zugeordnet)
- 8 B 992/09 1x (nicht zugeordnet)
- § 110 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 JustG 1x (nicht zugeordnet)
- 8 A 2705/12 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Satz 1 Nr. 1 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 a Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- VwVfG § 37 Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung 1x
- BauNVO § 9 Industriegebiete 1x
- BauNVO § 15 Allgemeine Voraussetzungen für die Zulässigkeit baulicher und sonstiger Anlagen 1x
- BBauG § 35 Bauen im Außenbereich 1x
- § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht (12. Senat) - 12 ME 189/12 1x
- 7 B 217/05 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 6 Genehmigungsvoraussetzungen 2x
- BImSchG § 5 Pflichten der Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen 1x
- Beschluss vom Oberverwaltungsgericht des Saarlandes - 2 B 30/13 1x
- § 34 Abs. 2 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 7 Kerngebiete 1x
- VwGO § 154 1x
- 4 B 55/07 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 162 1x
- BauNVO § 2 Kleinsiedlungsgebiete 1x
- 8 B 823/05 1x (nicht zugeordnet)
- §§ 15 ff. BauNVO 1x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 4 Allgemeine Wohngebiete 1x
- § 3 Abs.2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 15 Änderung genehmigungsbedürftiger Anlagen 2x
- § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV 3x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 6 Mischgebiete 2x
- § 35 BauGB 3x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- § 1 Abs. 7 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- BImSchG § 4 Genehmigung 1x
- § 31 Abs. 2 BauGB 1x (nicht zugeordnet)
- 7 B 1308/10 1x (nicht zugeordnet)
- 8 B 237/07 1x (nicht zugeordnet)
- BauNVO § 8 Gewerbegebiete 1x