Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (8. Kammer) - 8 A 4/16

Tenor

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 5/8 und die Beklagte 3/8.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks ... in A-Stadt-…. Das Grundstück ist mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Dieses Wohn- und Geschäftshaus wurde mit Verfügung des Landesamtes für Denkmalpflege Schleswig-Holstein vom 10.08.2011 unter Denkmalschutz gestellt und in das Denkmalbuch für die Kulturdenkmale aus geschichtlicher Zeit eingetragen. In der Verfügung vom 10.08.2011 wird zur Begründung u.a. ausgeführt:

2

„Das dreiflügelige Eckgebäude mit drei Schaufassaden an der Gabelung ...- und der damals schon vorgesehenen, aber erst nach dem 2. Weltkrieg ausgeführten ...-...-Straße wurde 1906/1907, nach Plänen von Maurermeister Carl Amelow erbaut. Es handelt sich um ein viergeschossiges Wohnhaus, welches ein in Backstein ausgeführtes Erdgeschoss mit breiten Ladenschaufenstern aufweist.... Die Fensterbrüstungen und Giebelfelder weisen vegetabilen Stuckdekor auf. Die bauzeitlichen einfach verglasten Holzfenster, mit z. T. um die horizontale Mittelachse drehbaren Flügeln sind weitgehend erhalten, ebenso wie die dazu gehörigen Beschläge und Mechaniken.

3

Der mit dem Gebäude beginnende Block markiert die Grenze der Ausdehnung der gründerzeitlichen Blockrandbebauung in diesem Bereich.... Die Lage des Gebäudes und seiner Schaufassaden an der platzartigen Straßengabelung bewirkt dessen stadtbildprägenden Charakter...“

4

Zum Zeitpunkt der denkmalrechtlichen Unterschutzstellung befanden sich im Erdgeschoss des Gebäudeflügels ... neben dem damaligen Fahrradladen „...“ drei Elemente. Vorhanden war eine Hauseingangstür, die jedoch auf Veranlassung eines ehemaligen Imbissbetreibers mit einem kastenartigen Einbau verschlossen wurde, weil sich der Hauseingang zu einer „Schmutzecke“ verwandelt hatte. Rechts davon befand sich ein Element mit einer Eingangstür zum damaligen Imbiss und zwei kleinen Fenstern. Hier neben befindlich war ein Schaufensterelement vorhanden. Im Einzelnen ergibt sich die Situation aus dem klägerseits eingereichten Lichtbild (Anlage K 1). Alle drei Elemente waren in Holz ausgebildet und verfügten über eine Sprossung im Oberlicht.

5

Im Jahre 2013 baute der Kläger eine neue Hauseingangstür ein, verschloss den ehemaligen Imbisseingang, baute ein neues Fenster ein und tauschte im gleichen Zuge ein daneben liegendes Fensterelement aus. Der klägerseits geschaffene Zustand lässt sich dem klägerseits eingereichten Lichtbild (Anlage K 2) entnehmen. Die eingebauten Elemente sind aus Kunststoff und verfügen allesamt nicht über eine Sprossung im Oberlicht.

6

Unter dem 11.10.2013 erfolgte durch die untere Denkmalschutzbehörde der Beklagten eine Anhörung des Klägers. In dieser wird darauf hingewiesen, dass nach § 7 Abs.1 Denkmalschutzgesetz (DSchG) die Instandsetzung und Veränderung eines eingetragenen Kulturdenkmals der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde bedürften. Wer ohne Genehmigung den Denkmalwert beeinträchtige, habe auf Anordnung der unteren Denkmalschutzbehörde den alten Zustand wiederherzustellen. Der Kläger habe eine Tür sowie eine Schaufensteranlage im Gebäudeflügel ... ohne Antrag bei der unteren Denkmalschutzbehörde ausgetauscht. Die anstelle der historischen Elemente Tür und Fenster eingebauter Bauteile wichen in der gestalterischen Qualität, Konstruktion und Material erheblich von der Qualität des Baudenkmales ab und beeinträchtigten daher dessen Denkmalwert erheblich. Die historische Türanlage sei wiederherzustellen, die Fensterfront sei mit historischem Oberlicht und feiner Sprossung, sowie einer noch abzustimmenden Teilung und Konstruktion denkmalgerecht wiederherzustellen. Desweiteren seien ebenfalls ungenehmigt zwei Werbeanlagen für eine Firma, die ihren Sitz hinter der umgebauten Fensterfront habe, am Gebäude montiert worden. Die erste Werbeanlage an der Hauptfront des Gebäudes Richtung ... Straße sei ersatzlos zu demontieren, da sie den Denkmalwert des Gebäudes durch Größe und Gestaltung erheblich beeinträchtige. Die zweite Werbeanlage am Flügel ... sei ebenfalls zu demontieren, sei jedoch in modifizierter Form genehmigungsfähig.

7

Der Kläger nahm hierzu mit Schreiben vom 30.10.2013 Stellung. Die Wiederherstellung der „historischen Türanlage“ sei nicht möglich, da derartige Türen auf dem Markt nicht erhältlich seien. Eine erhebliche Abweichung von der Qualität des Baudenkmals im Hinblick auf die eingebauten Fensterelemente sei nicht feststellbar. Was die Werbeanlage in der Hauptfront des Gebäudes Richtung ... Straße anbelange, sei nicht erkennbar, dass diese Werbeanlage den Denkmalwert des Gebäudes durch Größe und Gestaltung erheblich beeinträchtige. Bezüglich der Werbeanlage im Bereich des Gebäudeteils ... werde der Kläger in Abstimmung mit dem Mieter einen Lösungsvorschlag erarbeiten und vorstellen.

8

Nach der denkmalpflegerischen Stellungnahme der unteren Denkmalschutzbehörde vom 18.11.2013 (Bl. 10 der Beiakte A) gegenüber der unteren Bauaufsichtsbehörde bestehe die denkmalfachliche Forderung darin, die Werbeanlagen zurückzubauen, die Kunststoff-Schaufenster und die Kunststoff-Hauseingangstür zurückzubauen und die historische Hauseingangstür und die historischen Schaufenster in Holz nach fotografischen Vorlagen und Vorgaben durch den vorhandenen Bestand detailgetreu nachzubauen. Es seien Ausführungszeichnungen von einem in der Denkmalpflege erfahrenden Fachmann zur denkmalrechtlichen Genehmigung einzureichen. Der Austausch der Fenster und Türen sei mit Kunststoffprofilen erfolgt. Kunststoff sei ein Material, das in der Qualität nicht dem Kulturdenkmal entspreche und in der handwerklichen Ausführung minderwertig sei. Die historischen Teilungen der Tür und der Schaufensterfassade sie nicht berücksichtigt worden. Die handwerklich hochwertigen Zeugnisse vergangener Zeit und die Originalsubstanz seien durch den Abbruch unwiederbringlich verloren gegangen. Der Ersatz dafür habe zumindest der handwerklichen Qualität zu entsprechen. Der Denkmalwert des Gebäudes sei durch den Materialeinsatz in Kunststoff und die Veränderung der ursprünglichen Teilungen durch zwei gleichgroße Haustürflügel in der typischen Ausprägung der Jahrhundertwende und Sprossierungen der Oberlichter erheblich beeinträchtigt. Es werde darum gebeten, eine bauaufsichtliche Anordnung zu erlassen.

9

Unter dem 25.11.2013 erließ die untere Bauaufsichtsbehörde der Beklagten gegenüber dem Kläger eine bauaufsichtliche Anordnung. Unter Ziffer 1 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum 31.12.2013 den Rückbau der Werbeanlage in der Hauptfront des Gebäudes in Richtung ... Straße zu veranlassen. In der Ziffer 2 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum 31.12.2013 den Rückbau der Werbeanlage an dem zur ... liegenden Gebäudeflügel zu veranlassen. In der Ziffer 3 wurde der Kläger aufgefordert, bis zum 31.01.2013 die im Gebäudeflügel ... eingebaute, aus Kunststofftür bestehende Schaufensteranlage sowie die Kunststofftür zurückzubauen und die historische Türanlage sowie die Fensterfront mit historischen Oberlicht und feiner Sprossung denkmalgerecht wiederherzustellen. Die Konstruktion ist im Detail mit der unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen. Für den Fall, dass der Kläger den bauaufsichtlichen Anordnungen nicht oder nicht fristgerecht nachkommt, wurde ihm ein Zwangsgeld angedroht, und zwar zur Forderung 1 und 2 in Höhe von 3.000,-- € für jede nicht beseitigte Werbeanlage und zur Forderung 3 in Höhe von 6.000,-- €. In der Begründung heißt es u.a., dass gemäß § 218 Abs. 1 iVm § 219 Abs. 1 LVwG die bauaufsichtliche Anordnung sowie die Zwangsgeldandrohungen an den Kläger als Hauseigentümer zu richten seien.

10

Hiergegen legte der Kläger am 04.12.2013 Widerspruch ein. Es sei bereits zweifelhaft, ob die untere Bauaufsichtsbehörde für den Erlass der in Rede stehenden bauaufsichtlichen Anordnung sachlich zuständig sei, da die Ordnungsverfügung ausschließlich mit einem Verstoß gegen § 7 DSchG begründet werde. Der Kläger habe bereits im Anhörungsverfahren angeboten, die in Rede stehenden Fenster im Bereich der Oberlichter mit Sprossen zu versehen. Hierauf werde in der Verfügung nicht eingegangen, so dass es auch an den erforderlichen Ermessenserwägungen fehle, die im Zusammenhang mit dem Erlass bauaufsichtlicher Anordnung anzustellen seien. Ferner sei die Forderung zu Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 4 LVwG nichtig. Die geforderte Maßnahme könne niemand mehr bis zum 31.01.2013 ausführen.

11

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2013 zurückgewiesen. Bei der Datumsangabe in Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung handele es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler iSd § 111 LVwG, der auf den Zeitpunkt 31.01.2014 berichtigt werde. Dieser (berichtigte) Fehler führe natürlich nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsaktes. Zweifel an der sachlichen Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde bestünden nicht. Die Bauaufsichtsbehörde hätte darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Damit seien nicht nur die baurechtlichen Vorschriften gemeint. Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörde bleibe in jedem Fall die bauliche Anlage iSd § 2 Abs. 1 LBO. Die daneben bestehenden Zuständigkeiten der Fachbehörden blieben uneingeschränkt erhalten. Der Kläger sei als Eigentümer des Gebäudes und als Bauherr sowohl Zustands- als auch Handlungsstörer (§ 218 Abs. 1 und § 219 Abs.1 LVwGO). Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

12

Der Kläger hat am 09.01.2014 Klage erhoben.

13

Er wiederholt die Ausführungen aus dem Vorverfahren und macht ergänzend geltend, dass bezüglich der Werbeanlagen jedenfalls das ausgeübte Ermessen fehlerhaft sei. Es sei versäumt worden, die Eigentumsverhältnisse an den Werbeanlagen ordnungsgemäß aufzuklären und hierauf basierend eine effektive Auswahl des Verantwortlichen zu treffen. Dass der Kläger hier dem Mieter eine zivilrechtliche Zustimmung gegeben habe, die Werbeanlagen an seinem Gebäude anzubringen, könne noch keine Handlungsstörereigenschaft des Klägers begründen. Bezüglich der Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung wird vorgebracht, dass denkmalgeschützte Gebäude mit dem heutigen Stand der Technik selbstverständlich mit entsprechenden Fenstern mit Kunststoffrahmen ausgestattet werden könnten, ohne die angestrebten Zwecke der Denkmalpflege zu gefährden.

14

Nachdem die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2016 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, insoweit mit der Klage Ziffer 1 und 2 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 und die dazu gehörigen Zwangsgeldandrohungen (zur Forderung 1 und 2 in Höhe von 3.000,-- € für jede nicht beseitigte Werbeanlage) und der dazu gehörige Widerspruchsbescheid vom 13.12.2013 angefochten worden ist, beantragt der Kläger nunmehr,

15

den Bescheid der Beklagten vom 25.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2013, soweit diese noch Gegenstand des Verfahrens sind, aufzuheben.

16

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Sie macht geltend, dass der Kläger bezüglich der Entfernung der Werbeanlagen jedenfalls als Handlungsstörer hafte. Er habe seinem Mieter eine zivilrechtliche Erlaubnis erteilt, die streitgegenständlichen Werbeanlagen in dem Haus anzubringen. Insoweit hafte er als Zweckveranlasser. Bezüglich der Ausübung des Auswahlermessens hätte die Behörde wegen der Werbetafeln tatsächlich auch den Mieter in Anspruch nehmen können. Die Ausführungen zum Auswahlermessen seien in den Bescheiden auch sehr knapp, diese könnten jedoch nach § 114 Satz 2 VwGO noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzt werden. Der Kläger sei im Rahmen einer möglichst effektiven und zügigen Gefahrenabwehr in Anspruch genommen worden. Er sei als Eigentümer des Gebäudes der Behörde bereits bekannt und für diese einfach und schneller „greifbar“ als die Verantwortlichen der Fa. B... gewesen. Bezüglich des angeordneten Rückbaus des Tür-/Fensterbereichs wird vorgebracht, dass diese nach Material und Gestaltung nicht mehr den überkommenden Holzfenstern entsprächen und im Hinblick auf die noch vorhandenen Türen und Fenster als Fremdkörper ins Auge springen würden. Mit den deutlich stärkeren, fast plumpen Profilen reichten sie nicht an die filigrane Ausführung der Holzfenster und Türen heran. In den Oberlichtern fehlten die Sprossen. Ebenfalls nicht bauzeitlich sei das Material Kunststoff, dass die Oberfläche der Fenster und der Tür glatter erscheinen lasse als das es bei Holz der Fall sei.

19

Das Gericht hat die Örtlichkeiten während der mündlichen Verhandlung am 23. März 2016, die vor Ort stattgefunden hat, in Augenschein genommen.

20

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Entscheidungsgründe

21

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

22

Hinsichtlich des noch zur Entscheidung gestellten verbleibenden Streitgegenstandes ist die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig, in der Sache aber unbegründet.

23

Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (13.12.2013).

24

Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 sowie der dazu gehörige Widerspruchsbescheid vom 13.12.2013 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

25

Rechtsgrundlage für Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 ist § 59 Abs. 1 LBO. Hiernach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnung eingehalten werden. Sie haben die nach pflichtgemäßem Ermessen erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

26

Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 erweist sich in formeller Hinsicht als rechtmäßig. Die untere Bauaufsichtsbehörde der Beklagten war für den Erlass der Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 insbesondere sachlich zuständig.

27

Die sachliche Zuständigkeit der Bauaufsichtsbehörden erstreckt sich nach § 61 Abs. 1 Satz 1 LBO auf den Vollzug der Landesbauordnung sowie anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften für die Errichtung, Änderung, Nutzung, Instandhaltung oder die Beseitigung von Anlagen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Damit obliegt der unteren Bauaufsichtsbehörde auch der Vollzug aller anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, sowie sie einen baurechtlichen Bezug aufweisen. Dies sind vor allem Vorschriften des Bauplanungsrechts, Immissionsschutzrechts, Denkmalschutzrechts, Gewerberechts, Gaststättenrechts, Wasserrechts, Naturschutzrechts, Straßenrechts und auch der kommunalen Satzungen, die Anforderungen an Anlagen iSd § 2 Abs. 1 LBO und an Baugrundstücke stellen. Die sehr weit umschriebene Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde kann sich mit Zuständigkeitsbereichen anderer Behörden aufgrund spezialgesetzlicher Regelung überschneiden. Die Zuständigkeiten und Befugnisse der Fachbehörden bleiben unberührt. Sie schränken - soweit das jeweilige Fachgesetz nichts anderes bestimmt - ihrerseits die Zuständigkeit und Befugnisse der unteren Bauaufsichtsbehörde grundsätzlich nicht ein. Die Bauaufsichtsbehörde kann folglich auch Anordnungen treffen, wenn ausschließlich ein Verstoß gegen baunebenrechtliche Vorschriften vorliegt. Haben andere Behörden die Einhaltung von Vorschriften außerhalb der Landesbauordnung zu überwachen und stehen ihnen insoweit auch Eingriffsbefugnisse zu, dann sind die anderen Behörden und die Bauaufsichtsbehörden gleichermaßen für Anordnungen zuständig (vgl. Domning/Möller/Bebensee, BauOR S-H, Stand: 18. Lfg. August 2015, § 61 LBO Rn. 12).

28

Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 ist zur Durchsetzung von § 7 DSchG vom 12. Januar 2012 erlassen worden. § 7 DSchG vom 12. Januar 2012 ist eine andere öffentlich-rechtliche Vorschrift mit einem baurechtlichen Bezug iSv § 61 Abs. 1 Satz 1 LBO. In § 7 Abs. 3 DSchG vom 12. Januar 2012 ist auch nicht eine andere Bestimmung der Zuständigkeit in dergestalt zu sehen, dass allein die untere Denkmalschutzbehörde für Anordnungen im Falle der Beeinträchtigung eines Kulturdenkmales sachlich zuständig ist. Eine derartige Einschränkung der sachlichen Zuständigkeit der unteren Bauaufsichtsbehörde lässt sich § 7 Abs. 3 DSchG vom 12. Januar 2012 gerade nicht entnehmen. Dass in § 7 Abs. 3 DSchG vom 12. Januar 2012 der unteren Denkmalschutzbehörde eine eigenständige Eingriffsbefugnis eingeräumt wird, begründet lediglich die in diesen Fällen bestehende Doppelzuständigkeit zwischen der unteren Bauaufsichtsbehörde und der unteren Denkmalschutzbehörde.

29

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBO liegen vor.

30

Bei dem Gebäude in der handelt es sich um eine bauliche Anlage iSv § 2 Abs. 1 LBO. Der Austausch der Türanlagen und der beiden Schaufensterfronten stellen bauliche Veränderungen der Anlage dar.

31

Der Austausch der Tür- und Fensterelemente erfolgte formell und materiell illegal.

32

Der Austausch der Tür- und Fensteranlagen bedurfte zwar keiner Baugenehmigung, da die Veränderung von Fenster- und Türanlagen gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 10b LBO verfahrensfrei ist.

33

Die Veränderung eines eingetragenen Kulturdenkmals bedurfte jedoch nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 DSchG vom 12.01.2012 (gültig bis zum 30.12.2014) der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde. Hiernach bedürfen der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde die Instandsetzung, die Veränderung und die Vernichtung eines eingetragenen Kulturdenkmals.

34

Das Wohn- und Geschäftshaus ist seit der Unterschutzstellung vom 10.08.2011 ein eingetragenes Kulturdenkmal, weshalb der Austausch der Tür- und Fensterelemente der Genehmigung der unteren Denkmalschutzbehörde bedurft hätte. Eine derartige Genehmigung ist seitens des Klägers nicht eingeholt worden.

35

Darüber hinaus ist es für die in Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 getroffene Regelung - ebenso wie bei einer Beseitigungsverfügung nach § 59 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 LBO - erforderlich, dass eine denkmalrechtliche Genehmigung auch nicht nachträglich erteilt werden kann (vgl. OVG Münster, Urteil vom 23.09.2013 - 10 A 971/12 -, Rd. 42, juris).

36

Die Frage der Genehmigungsfähigkeit richtet sich nach § 7 Abs. 2 Satz 1 DSchG vom 12.01.2012. Danach ist die denkmalschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn der Denkmalwert nicht erheblich beeinträchtigt wird.

37

Das Ergebnis der nicht in das Ermessen der Denkmalbehörde gestellten Entscheidung über die Erlaubnis zur Veränderung eines Denkmals hängt von einer Abwägung aller für und gegen die Veränderung entsprechenden Belange ab, die gerichtlich vollständig überprüfbar ist. Dabei lässt sich die Frage der erheblichen Beeinträchtigung des Denkmalwertes, welcher der Genehmigungserteilung entgegensteht, nicht abstrakt bestimmen, sondern dies muss aus den Besonderheiten des zur Entscheidung stehenden konkreten Falles abgeleitet werden. Es ist bezogen auf das betroffene Denkmal zu prüfen, ob und inwieweit die Schutzzwecke des Denkmalschutzgesetzes durch die beabsichtigte Veränderung gestört oder vereitelt werden können. Bei dieser Prüfung kommt den Gründen für die Unterschutzstellung besonderes Gewicht zu, da sie die mit der Unterschutzstellung verbundene Einschränkung der Eigentümerbefugnisse rechtfertigen (vgl. OVG Münster, a.a.O., Rd. 45 - 47 juris). In der Verfügung vom 10.08.2011 heißt es u.a., dass die bauzeitlichen einfachverglasten Holzfenster, mit zum Teil um die horizontale Mittelachse drehbaren Flügeln weitgehend erhalten sind, ebenso wie die zugehörigen Beschläge und Mechaniken. Die Lage des Gebäudes und seiner Schaufassaden an der platzartigen Straßengabelung bewirkten dessen stadtbildenden Charakter. Überdies weisen die Fensterbrüstungen vegetabilen Stuckdekor auf.

38

Aus der Unterschutzstellung vom 10.08.2011 kann auf den besonderen Wert am Erhalt der Schaufenster aus Holz mit Sprossen in den Oberlichtern sowie Holztüren mit Sprossung geschlossen werden.

39

Die Beeinträchtigung dieses Denkmalwertes infolge der Wiedereinsetzung von weißen, glänzenden Kunststoffelementen und einer Kunststofftür erweist sich auch als erheblich.

40

Zunächst ist anerkannt, dass Fenster eine besondere Bedeutung für den Denkmalcharakter eines Baudenkmals zukommt, weil sie „das Gesicht“ eines Hauses maßgeblich prägen (vgl. VGH Kassel, Urteil vom 02.03.2006 - 4 OE 2636/04 -, Rn. 29, juris). Die neuen Tür- und Fensteranlagen widersprechen nicht nur ihrem Material (Kunststoff statt Holz), sondern auch an ihrem Erscheinungsbild den vormals dort vorhandenen sowie den weiteren, verbleibenden Türen und Fenstern im Erdgeschoss des Gebäudes. Zum einen weisen die Elemente keinerlei Holzoptik oder ein entsprechendes Profil auf, sondern sind als Kunststoffelemente glatt und glänzend. Zum anderen orientiert sich die konkrete Ausgestaltung der eingefügten Fenster nur im Ansatz am Erscheinungsbild der ehemals vorhandenen Fensteranlagen. Eine Sprossung in die Oberlichter ist nicht eingearbeitet. Die eingefügte Tür orientiert sich optisch in keinster Weise an der ursprünglich zweigeteilten Tür und stellt zudem einen krassen Gegensatz zu den übrigen vorhandenen Türen des Gebäudes dar.

41

Der Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung steht auch nicht entgegen, dass hinsichtlich der Haustür sowie der Fensterfassade mit Eingang die historische Substanz nicht mehr vorhanden bzw. beeinträchtigt war, denn jedenfalls fügten sich diese in das Erscheinungsbild ein. So waren die historischen Türflügel trotz des kastenartigen Vorbaus weiterhin sichtbar und die Fensterfassade war aus Holz gefertigt und wies die üblichen Abstufungen und Sprossen auf.

42

Auch vermag die nachträgliche Anbringung einer Sprossung in den Oberlichtern, insbesondere der Fenster entgegen dem Vorbringen des Klägers eine Genehmigungsfähigkeit nicht zu begründen. Unabhängig von der Frage, ob die nachträgliche Anbringung von Sprossen hierzu überhaupt genügen kann, wiegen die übrigen Beeinträchtigungen so schwer, dass eine denkmalrechtliche Genehmigungsfähigkeit ohne den erneuten Austausch durch denkmalgerechte Elemente nicht zu erzielen ist.

43

Dem vom Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2016 gestellten Beweisantrag nach § 86 Abs. 2 VwGO war nicht nachzugehen, da es sich bei der Frage, ob die Veränderung eines Kulturdenkmales eine erhebliche Beeinträchtigung des Denkmalwertes darstellt, nicht um eine - durch einen Sachverständigen zu klärende - Tatsachenfrage handelt, sondern um eine Wertungsfrage, die vom Gericht zu beantworten ist.

44

Auf Rechtsfolgenseite eröffnet § 59 Abs. 1 LBO der Behörde ein Ermessen.

45

Ermessensfehler (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor. Die bauaufsichtliche Anordnung erweist sich nicht als unverhältnismäßig. Insbesondere können rechtmäßige Zustände nicht auf andere Weise hergestellt werden.

46

Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 erweist sich auch als hinreichend bestimmt (vgl. § 108 Abs. 1 LVwG).

47

Zum einen ist für den Kläger, der den Austausch selbst vorgenommen hat, hinreichend erkennbar, dass sich Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 zum einen auf die eingebaute Kunststofftür und zum anderen auf die beiden rechts davon befindlichen Schaufensterelemente erstreckt.

48

Im Übrigen orientiert sich die untere Bauaufsichtsbehörde in Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 an § 7 Abs. 3 DSchG vom 12. Januar 2012, wonach derjenige, der ohne eine denkmalrechtliche Genehmigung nach Abs. 1 den Denkmalwert beeinträchtigt, auf Anordnung der unteren Denkmalschutzbehörde den alten Zustand wiederherzustellen oder das eingetragene Kulturdenkmal auf andere geeignete Weise instandzusetzen hat.

49

Es ist daher nicht zu beanstanden, dass gegenüber dem Kläger verlangt wird, einerseits die eingebauten Elemente zurückzubauen und andererseits die historische Türanlage sowie die Fensterfront mit historischem Oberlicht und feiner Sprossung denkmalgerecht wiederherzustellen.

50

Klarstellend weist das Gericht daraufhin, dass die seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2016 schriftliche Erläuterung zu Ziffer 3 des Bescheides vom 25.11.2013, gegen die der Kläger vorsorglich Widerspruch eingelegt hat, nicht streitgegenständlich ist.

51

Auch der Umstand, dass in Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 ein Abstimmungsvorbehalt dahingehend enthalten ist, dass klägerseits die Konstruktion im Detail mit der unteren Denkmalschutzbehörde abzustimmen ist, führt nicht zur Annahme einer nicht hinreichenden Bestimmtheit der Anordnung. Würde man dies anders sehen, hätten der bauaufsichtlichen Anordnung Planzeichnungen eines Architekten oder eines Fachbetriebes seitens der Beklagten beigefügt werden müssen. Dies kann zum einen der Beklagten, die schnell und effektiv gegen denkmalrechtliche Verstöße vorgehen muss, nicht aufgegeben werden. Zum anderen ist auch seitens des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung zutreffend darauf hingewiesen worden, dass jede zu starke Konkretisierung der denkmalgerechten Wiederherstellungsanordnung weiter in die Eigentümerrechte des Klägers (Art. 14 GG) eingreifen würde.

52

Der in Ziffer 3 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 enthaltene Schreibfehler (31.01.2013 statt 31.01.2014) ist im Widerspruchsbescheid vom 13.12.2013 nach § 111 LVwG berichtigt worden.

53

Die weiterhin in der bauaufsichtlichen Anordnung zu Ziffer 3 vorhandene Zwangsgeldandrohung iHv 6.000,-- €, die auf Grundlage von § 236 LVwG angedroht worden ist, erweist sich ebenfalls - auch hinsichtlich der Höhe - als rechtmäßig.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und bezüglich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens - der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Insoweit waren die Kosten der Beklagten aufzuerlegen, da der Kläger bezüglich Ziffer 1 und 2 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 sowie des dazu gehörigen Widerspruchsbescheides vom 13.12.2013 voraussichtlich obsiegt hätte. Letztlich kann insoweit offenbleiben, ob der Kläger in Bezug auf die Werbeanlagen - wie von der Beklagten vorgetragen - als Zweckveranlasser in Anspruch genommen werden konnte. Die Rechtswidrigkeit von Ziffer 1 und 2 der bauaufsichtlichen Anordnung folgt bereits daraus, dass die bauaufsichtliche Anordnung vom 25.11.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 13.12.2013 insoweit keine Ausführungen zum personellen Auswahlermessen enthalten und sich die Anordnung aufgrund eines Ermessensausfalls daher als rechtswidrig erwiesen hat. In der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013 heißt es hierzu lediglich, dass die bauaufsichtliche Anordnung (also auch in Bezug auf Ziffer 1 und 2, Werbeanlagen) gemäß § 218 Abs. 1 iVm § 219 Abs. 1 LVwG an den Kläger als Hauseigentümer zu richten sei. Im Widerspruchsbescheid heißt es, dass der Kläger als Eigentümer des Gebäudes und als Bauherr sowohl Zustands- als auch Handlungsstörer (§ 218 Abs. 1 und § 219 Abs. 1 LVwG) sei.

55

Die Bescheide verhalten sich damit mit keinem Wort zu dem Umstand, dass vorliegend in Bezug auf die Werbeanlagen auch der Mieter (die Firma B...) als Eigentümer der Werbeanlagen (diese sind lediglich Zubehör und keine wesentlichen Bestandteile des Gebäudes gewesen, § 97 BGB) in Betracht gekommen wäre.

56

Wenngleich von Seiten der Beklagten im Hauptsacheverfahren zur Frage des personellen Auswahlermessens noch Ausführungen erfolgt sind, führt dies nicht zu einer Rechtmäßigkeit von Ziffer 1 und 2 der bauaufsichtlichen Anordnung vom 25.11.2013, da die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägung hinsichtlich des Verwaltungsaktes nach § 114 Satz 2 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich ergänzen kann. Im Anwendungsbereich des § 114 Satz 2 VwGO liegen daher lediglich die Fälle, in welchem bei einem Ermessensverwaltungsakt unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt wurden, nicht hingegen jene, in denen an Ermessenserwägungen bisher fehlte, das Ermessen also noch gar nicht ausgeübt wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 114 Rn. 50).

57

Wie oben dargestellt, enthielten die angegriffenen Bescheide jedoch zur Frage des personellen Auswahlermessens überhaupt keine Ermessenserwägungen.

58

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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