Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (12. Kammer) - 12 A 60/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich gegen eine Rückforderung.

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Die Klägerin war Beamtin bei der Deutschen Telekom und wurde mit Wirkung vom 01.03.2006 in den Ruhestand versetzt. Im Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 06.04.2006 ist u. a. ein Familienzuschlag Stufe 1 in Höhe von 100,25 Euro ausgewiesen. Die Klägerin erhielt zu jener Zeit den vollen Familienzuschlag, weil ihr Mann von der Telekom beurlaubt war und keine Beamtenbezüge mehr erhielt. Derselbe Familienzuschlag mit dem Zusatz „Stufe 1“ ist auch in der Bezügemitteilung an die Klägerin vom 01.06.2006 enthalten.

3

Mit Bescheid vom 25.11.2013 forderte die Beklagte von der Klägerin 7.154,24 Euro für die Zeit vom 01.01.2011 bis 31.03.2013 zu viel gezahlten Familienzuschlag zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Ehegatte der Klägerin nur bis zum 31.12.2010 beurlaubt gewesen und ab 01.01.011 wieder vollbeschäftigt bei der Telekom gewesen sei. Ehepaaren stehe der Familienzuschlag in dieser Konstellation nur je zur Hälfte zu, weil beide Ehegatten im öffentlichen Dienst beschäftigt seien. Da die Klägerin den vollen Familienzuschlag gleichwohl weiter erhalten habe, sei sie überzahlt worden. Die Summe des - ungekürzten - Familienzuschlags sei auch klar aus den Bezügemitteilungen ersichtlich.

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Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 10.09.2014 zurück. Der daraufhin erhobenen Klage gab das Gericht unter Hinweis auf die von der Beklagten unterlassene (vorherige) Aufhebung des Versorgungsfestsetzungsbescheides statt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil vom 03.09.2015 (12 A 143/14) verwiesen.

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Die Beklagte hob sodann den Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 06.04.2006 mit Bescheid vom 21.10.2015 teilweise auf und forderte von der Klägerin erneut die überzahlten 7154,24 € unter Hinweis auf die grobfahrlässige Unkenntnis der Klägerin bezüglich der Rechtswidrigkeit der Zahlungen und der fehlenden Einschlägigkeit der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG zurück. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies sie durch Bescheid vom 08.03.2016 zurück.

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Die Klägerin hat unter dem 16.03.2016 Klage erhoben.

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Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen in dem Verfahren 12 A 143/14, macht geltend, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt eine Hemmung der Verjährung nicht auslösen könne und jedenfalls die Ansprüche aus dem Jahr 2011 verjährt seien.

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Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid vom 21.10.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2016 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

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Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter durch Beschluss vom 29.12.2016 zur Entscheidung übertragen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

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Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist die Vorschrift des § 52 Abs. 2 S. 1 - 3 BeamtVG. Danach steht dem Dienstherrn unter folgenden Voraussetzungen ein Rückforderungsanspruch gegen einen Ruhestandsbeamten zu:

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Er muss zu viele Versorgungsbezüge gezahlt haben (S. 1). Hat der Ruhestandsbeamte die zu viel gezahlten Beträge für die Lebensführung verbraucht, schuldet er die Rückzahlung, wenn er erkannt hat oder hätte offensichtlich erkennen müssen, dass ihm das Geld nicht zugestanden hat (S. 2). Schließlich muss die Rückforderung der Höhe nach der Billigkeit entsprechen (S. 3).

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Versorgungsbezüge sind zu viel gezahlt iSv § 52 Abs. 2 S. 1 BeamtVG, wenn die Zahlungen nicht von den Festsetzungen des Versorgungsfestsetzungsbescheides gedeckt sind. Während die Dienstbezüge der aktiven Beamten unmittelbar aufgrund Gesetzes gezahlt werden, werden die Ansprüche der Ruhestandsbeamten und anderer Versorgungsempfänger auf Zahlung der Versorgungsbezüge durch den Versorgungsfestsetzungsbescheid begründet. Nach dem durch § 49 Abs. 1 BeamtVG vorgegebenen Regelungsgehalt ist dieser Bescheid die gesetzlich vorgeschriebene, rechtsverbindliche Mitteilung über die Höhe der Versorgungsbezüge. Er regelt die Versorgungsbezüge in ihrer Gesamtheit. Hierzu gehört der Familienzuschlag der Stufe 1, weil diese Leistung nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BeamtVG Bestandteil der ruhegehaltfähigen Bezüge ist (BVerwG, Urteil vom 28.06.2012 - 2 C 13/11 - juris).

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Der Anspruch auf Zahlung der festgesetzten Versorgungsbezüge monatlich im Voraus (§ 49 Abs. 4 BeamtVG, § 3 Abs. 4 S. 1 BBesG) besteht unabhängig davon, ob die Festsetzungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Daher kann der Dienstherr festgesetzte Versorgungsbezüge erst dann als zu viel gezahlt zurückfordern, wenn und soweit er den Versorgungsfestsetzungsbescheid mit Wirkung für den Zeitraum der Zahlungen aufgehoben hat. § 52 Abs. 2 BeamtVG stellt keine Rechtsgrundlage für die Aufhebung dar, sondern setzt sie voraus (BVerwG, Urteil vom 28.06.2012, aaO unter Hinweis auf seine ständige Rechtsprechung).

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Diesen Anforderungen ist die Beklagte mit Erlass des Bescheides vom 21.10.2015 gerecht geworden. Sie hat darin (nunmehr) den hier maßgeblichen Versorgungsfestsetzungsbescheid (für den Überzahlungszeitraum) aufgehoben mit der Folge, dass der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zahlung weggefallen ist und die Überzahlung zurückgefordert.

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Der Rückforderungsanspruch ist – auch nicht bezüglich des Jahres 2011 – verjährt.

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Denn die Verjährung ist beim Erlass des streitbefangenen Bescheides gehemmt gewesen. Nach § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Dieser regelmäßigen Verjährung unterliegen auch – hier in Streit stehende - Rückforderungsansprüche nach § 52 BeamtVG (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.04.2012 – 2 C 15.10 – juris).

23

Gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 VwVfG hemmt ein - auch rechtswidriger (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 53 Rn 29) - Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Nach Satz 2 dieser Vorschrift endet die Hemmung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes oder sechs Monate nach seiner anderweitigen Erledigung.

24

Hier liegt die zweite Alternative vor. Der „alte“ Bescheid (vom 25.11.2013) hat sich mit der Aufhebung durch das Gericht durch Urteil vom 03.09.2015 „anderweitig erledigt“ (Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 53 Rn 36; Knack/Hennecke, VwVfG, § 53 Rn 20). Innerhalb der Sechs-Monats-Frist hat die Beklagte einen neuen Bescheid erlassen mit der Folge, dass dieser an die Stelle des alten Bescheides getreten ist (Knack/Hennecke aaO). Die Verjährungshemmung wird dadurch nicht aufgehoben (Knack/Hennecke aaO; vgl. auch Kopp/Ramsauer aaO: „ . . . die Hemmungswirkung wird wieder ausgelöst . . .“).

25

Der Bescheid ist auch im Übrigen rechtmäßig. Insoweit wird zur Begründung auf den Bescheid vom 21.10.2015 und den Widerspruchsbescheid vom 08.03.2016 verwiesen (§117 Abs. 5 VwGO).

26

Ergänzend und vertiefend ist auszuführen:

27

Die Klägerin haftet verschärft. Die Frage der sog. verschärften Haftung richtet sich nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung (vgl. § 52 Abs. 2 S. 1 BeamtVG). Nach den §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB muss derjenige, der den Mangel des Rechtsgrundes bei Empfang kannte oder später Kenntnis von diesem erlangt hat, das Erlangte herausgeben, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Dabei steht es der Kenntnis des Mangels gem. § 52 Abs. 2 S. 2 BeamtVG gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger den Mangel hätte erkennen müssen. Dem Empfänger muss aufgrund seiner Kenntnisse auffallen, dass die ausgewiesenen Beträge nicht stimmen können. Ihm muss sich aufdrängen, dass die Besoldungsmitteilungen fehlerhaft sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2014 - 2 C 15/10 - juris). Ein solcher offensichtlicher Mangel hat hier vorgelegen. Die Klägerin kann sich nicht darauf stützen, sie habe die Unrichtigkeit nicht erkennen können. Nicht nur, dass die Klägerin aufgrund von Merkblättern über den Familienzuschlag aufgeklärt worden ist, ihr hätte es nicht nur auffallen, sondern sich aufdrängen müssen, dass - nachdem ihr Ehemann wieder als Beamter tätig war - in Bezug auf den Familienzuschlag eine Änderung eingetreten war. Durch einen bloßen Abgleich mit den Besoldungsmitteilungen ihres Ehemannes oder ggf. durch einen Anruf bei der Besoldungsstelle hätte sie Kenntnis erlangen können, dass ihr nicht mehr der volle Familienzuschlag der Stufe 1 ab dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme dessen Tätigkeit zustand. Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Klägerin die Überzahlung auch durch Lesen ihrer Bezügemitteilungen, aus denen sich Grundgehalt, steuerrechtliche Abzüge und die Höhe des Familienzuschlages ergeben, hätte erkennen müssen. Durch Nachdenken und logische Schlussfolgerung im Hinblick auf die Wiederaufnahme der Beschäftigung durch ihren Ehemann und damit einer Änderung der Sachlage hätte ihr die Zuvielzahlung auffallen müssen. Die Bezügemitteilungen sind nicht verschlüsselt oder kompliziert, so dass auch die Klägerin als (ehemalige) Beamtin des mittleren Dienstes aufgrund ihrer geistigen Leistungsfähigkeit in der Lage gewesen ist, dem Inhalt durch einfaches Lesen problemlos zu folgen.

28

Ob die Klägerin die überzahlten Beträge für Luxusgüter o. ä. aufgewendet hat und damit möglicherweise entreichert wäre, brauchte deshalb nicht mehr geprüft zu werden.

29

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; sie ist gem. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.


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