Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (2. Kammer) - 2 A 139/16

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer für die Veranlagungsjahre 2012 und 2013.

2

Die Klägerin ist mit Hauptwohnsitz in der R-Straße in N-Stadt gemeldet. Daneben ist sie Eigentümerin des Hauses in der E-Straße 10 in E-Stadt. Unter dieser Adresse war die Klägerin bis zum 31.12.2012 mit Nebenwohnsitz gemeldet. Der Ehemann und zugleich Prozessbevollmächtigte der Klägerin, Herr A., ist seit dem 11.11.2013 mit Hauptwohnsitz unter dieser Adresse gemeldet.

3

In der Erklärung zur Zweitwohnungssteuer vom 06.11.2013 gab die Klägerin an, dass die streitbefangene Wohnung keine Zweitwohnung im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung darstelle, da die Wohnung dauervermietet bzw. ganzjährig unter Ausschluss der Eigennutzung an Feriengäste vermietet sei. Nachweise waren der Erklärung nicht beigefügt.

4

Mit Bescheid vom 26.02.2016 setzte der Beklagte Zweitwohnungssteuern für die Jahre 2012 und 2013 in Höhe von insgesamt 1.784,47 € fest.

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Mit Schreiben vom 03.04.2016 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom 26.02.2016 Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass der Bescheid unzureichend begründet sei und sie in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletze. Gemäß § 121 Abs. 1 AO sei der der Bescheid schriftlich zu begründen. Das in dem Bescheid angegebene Zahlenwerk sei weder nachvollziehbar noch nachprüfbar. Des Weiteren fehle es an der Mitteilung der Rechtsgrundlage. Die erhobene Steuer berücksichtige auch nicht ihre geringe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit oder Aspekte der Steuergerechtigkeit. Seit Januar 2011 sei sie aufgrund ihrer Schwerbehinderung nicht mehr in der Lage die Wohnung zu nutzen. Darüber hinaus sei die Wohnung seit Januar 2011 vermietet. Mit weiterem Schreiben vom 25.04.2016 trug die Klägerin ergänzend vor, dass bei ihr eine 90 %-ige Schwerbehinderung festgestellt sei. Der Ausführungsbescheid des Versorgungsamtes sei am 10.10.2011 mit Wirkung zum 04.10.2010 erfolgt. Danach habe sie das Haus in E-Stadt an den von ihr getrennt lebenden Ehemann, Herrn A., zur alleinigen Nutzung vermietet. Es bestehe ein, wie unter Eheleuten nicht unüblicher, mündlicher Miet- bzw. Nutzungsvertrag. Nach diesem Vertrag trage ihr Ehemann sämtliche Lasten für Haus und Grundstück sowie ebenfalls anfallende Sanierungskosten. Auch in Anbetracht ihrer geringen Rente habe sie kein Interesse mehr an dem Haus.

6

Mit Schreiben vom 08.06.2016 teilte der Ehemann der Klägerin auf Anfrage der Beklagten vom 25.05.2016 mit, dass er bereits seit Januar 2011 das streitbefangene Objekt zur alleinigen Nutzung übernommen habe. Zu diesem Zeitpunkt sei dies auch sein alleiniger Wohnsitz gewesen. Berlin sei lediglich Meldeanschrift gewesen. Die Zweitwohnungssteuererklärung sei unverständlich. Zwischen seiner Frau und ihm bestehe eine mündliche Miet- bzw. Nutzungsvereinbarung. Danach trage er sämtliche anfallenden Kosten für Haus und Grundstück einschließlich der Sanierungskosten. Deshalb seien keine Mietzahlungen vereinbart, denn andernfalls müsse er wegen seiner geringen Altersrente Wohngeld beantragen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die aussterbende Gemeinde Aufwandssteuern erhebe, zumal diese nicht von allen Gemeindemitgliedern abgeführt würden. E-Stadt sei kein Fremdenverkehrsort. Nach Entscheidung des BVerfG vom 06.12.1983 sei bei Aufwandssteuern maßgebend auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abzustellen. Die zu Verfügung stehenden Mittel seien jedoch gering. Im Übrigen sei auch die unentgeltliche Überlassung einer „Zweitwohnung“ zulässig. Die unterschiedliche Behandlung von Einheimischen und Nichteinheimischen habe das BVerfG für verfassungswidrig erklärt. Der Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach Leistungsfähigkeit sei verletzt.

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Die Klägerin hat am 05.07.2016 Untätigkeitsklage erhoben.

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Sie trägt vor, dass der Beklagte entgegen seiner Ankündigung vom 25.05.2016 den Bescheid nicht zurückgenommen habe. Seither sei keine Reaktion erfolgt. Der Beklagte habe ohne zureichenden Grund nicht über den Widerspruch in angemessener Frist entschieden. Die Einholung einer Auskunft über den Wasserverbrauch in dem Objekt durch Sachbearbeiter des Beklagten verletze Datenschutzrechte sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht und sei unverhältnismäßig. Der Wasserverbrauch sei im Übrigen derart niedrig, weil sich ihr Ehemann zweimal jährlich zwischen 6 und 8 Wochen in K-Stadt aufhalte, so wie längere Zeit in D-Land bei einer Bekannten, bei Schulfreunden in H-Stadt sowie bei seinen Kindern in B-Stadt. Eine Heranziehung des Stromverbrauchs sei realitätsnäher. Eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Satzung werde bestritten. Im Übrigen habe sie eine mündliche Nutzungsvereinbarung mit ihrem Ehemann getroffen und ihm im Dezember 2010 sämtliche drei Haustürschlüssel des Objekts ausgehändigt. In Anbetracht erheblicher Instandsetzungs- und Sanierungskosten könne nicht von einer unentgeltlichen Überlassung gesprochen werden. Die Klägerin könne aufgrund ihrer Schwerbehinderung von 90 % das Objekt ohnehin nicht mehr nutzen. Es könne auch nicht aus Praktikabilitätsgründen auf eine Typisierung der Zweitwohnungssteuer abgestellt werden. Die Klägerin beziehe lediglich eine Altersrente in Höhe von XXX bzw. ab 2013 in Höhe von XXX € netto. Zudem bestehe ein Hypothekendarlehen, welches bis 2021 abbezahlt werde. Die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer habe daher im vorliegenden Fall erdrosselnde Wirkung. Im Übrigen rügt die Klägerin die Verwirkung und Verjährung.

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Die Klägerin beantragt,

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den Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten für die Jahre 2012 und 2013 in Höhe von insgesamt 1.784,47 € aufzuheben.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung trägt er vor, dass die Klägerin alleinige Eigentümerin des streitbefangenen Objekts sei. Der Bescheid vom 26.02.2016 sei erlassen worden, nachdem die Klägerin mehrfach vergeblich zur Vervollständigung ihrer Erklärungen zur Zweitwohnungssteuer aufgefordert worden sei. Bei der Zweitwohnungssteuerfestsetzung sei berücksichtigt worden, dass sich der Ehemann der Klägerin im November 2013 mit Hauptwohnsitz bei dem Objekt angemeldet hatte. Die Höhe der Festsetzung sei entsprechend der vom Finanzamt Nordfriesland mitgeteilten Jahresrohmiete von 3.573 DM bzw. 1.826,85 € berechnet worden. Mit Datum vom 02.03.2016 sei ein Begleitschreiben mit der Begründung der Veranlagung erstellt und gemeinsam mit dem Zweitwohnungssteuerbescheid vom 26.02.2016 zugesandt worden. Als die Klägerin erstmalig vergeblich zur Erklärung aufgefordert wurde, sei sie mit Nebenwohnsitz bei dem Objekt gemeldet gewesen. Nach Übermittlung des Erinnerungsschreibens zur Erklärung über die Zweitwohnungssteuer, habe sie am 18.11.2013 ihre Abmeldung zum 01.01.2013 veranlasst. Der getrennt lebende Ehemann der Klägerin, Herr A., sei zuvor persönlich am 11.11.2013 im Bürgerbüro N-Stadt erschienen und habe seinen Hauptwohnsitz zum 01.11.2013 bei dem Objekt angemeldet. Es bestehe daher die Vermutung, dass die Ummeldungen gezielt nach Eingang der behördlichen Schreiben erfolgt sind. In der nach weiterer Aufforderung eingereichten Begründung des Widerspruchs habe die Klägerin nunmehr angegeben, dass sie die Wohnung unentgeltlich ihrem Ehemann überlassen habe. Die Wasserverbräuche betrügen nach Auskunft des örtlichen Wasserversorgers in den vergangenen Jahren indes nur 4 bis 9 ccm pro Jahr. Der geringe Wasserverbrauch spreche eindeutig gegen eine tatsächliche Nutzung des Objekts als Hauptwohnsitz. Im Übrigen begründe die unentgeltliche Überlassung an einen Familienangehörigen die Zweitwohnungssteuerpflicht. Dabei sei unbeachtlich, ob für die Wohnung die der Inhaber vorhalte, ein Haupt- oder Nebenwohnsitz begründet werde.

14

Mit Verfügung vom 18.10.2016 hat das Gericht den Hinweis erteilt, dass es maßgeblich auf die Verfügbarkeit des Zweitwohnungsinhabers ankomme. Nur wenn sich die Klägerin vollständig der Nutzungsmöglichkeiten an der streitbefangenen Wohnung begeben hätte, würde es an einer steuerauslösenden Zweitwohnung fehlen. Hinsichtlich des Einwands der Klägerin, sie habe die Wohnung ihrem getrennt lebenden Ehemann aufgrund einer Miet- bzw. Nutzungsvereinbarung überlassen, hat das Gericht mit weiterer Verfügung vom 18.10.2016 auf das Urteil des OVG Schleswig vom 22.07.2016 (- 2 LB 12/16 -) hingewiesen.

15

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 27.10.2017 auf den Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls, des Verwaltungsvorgangs der Beklagten sowie der Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist als Untätigkeitsklage zulässig, aber unbegründet.

18

Grundsätzlich kann die Anfechtungsklage gemäß § 75 VwGO ausnahmsweise auch vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens zulässig sein. Dies ist abweichend von § 68 VwGO u.a. dann der Fall, wenn über einen erhobenen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist und in einem gewöhnlichen Fall – wie vorliegend – drei Monate seit der Einlegung des Widerspruchs vergangen sind. Diese Voraussetzungen liegen vor. Seit Einlegung des Widerspruchs am 03.04.2016 sind bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 05.07.2016 mehr als 3 Monate vergangen. Es ist zudem kein zureichender Grund ersichtlich, weshalb der Beklagte seither den Widerspruch nicht verbeschieden hat. Insbesondere weist die Sache weder in tatsächlicher noch rechtlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten auf, die eine längere Bearbeitungszeit gerechtfertigt hätten.

19

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg. Der Zweitwohnungssteuerbescheid vom 26.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

20

Rechtsgrundlage der Festsetzung der Zweitwohnungssteuer ist § 3 KAG iVm den Bestimmungen der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde E-Stadt (ZWStS). Nach § 1 ZWStS erhebt die Gemeinde E-Stadt als örtliche Aufwandsteuer eine Zweitwohnungssteuer. Steuergegenstand ist gemäß § 2 ZWStS das Innehaben einer Zweitwohnung im Gemeindegebiet. Dabei ist Zweitwohnung jede Wohnung, über die jemand neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen Lebensbedarf verfügen kann. Nach § 3 ZWStS ist steuerpflichtig, wer im Gemeindegebiet eine Zweitwohnung iSd § 2 ZWStS innehat. In § 4 ZWStS wird der Steuermaßstab und die Berechnung der Steuer geregelt.

21

An der ordnungsgemäßen Bekanntmachung dieser Satzung sowie der 1. bis 3. Nachtragssatzung bestehen aufgrund der zu den Gerichts- und Beiakten gereichten Bekanntmachungsnachweise keine Zweifel (Bl. 20 ff. der Gerichtsakten und Bl. 25 ff. der Beiakten).

22

Die Bestimmtheit des Zweitwohnungssteuerbescheids begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Der Bescheid ist mit einem Begleitschreiben vom 02.03.2016 der Klägerin zugesandt worden (Bl. 9 f. der Beiakten). Das Begleitschreiben nimmt auf die ZWStS Bezug und begründet die Veranlagung der Klägerin.

23

Die Klägerin, die ihre Hauptwohnung in B-Stadt unterhält, erfüllt den Steuertatbestand des § 2 Abs. 1 und 2 ZWStS, denn sie war im vorliegend allein streitbefangenen Veranlagungszeitraum 2012 bis 2013 Inhaberin einer Zweitwohnung im Gebiet der Gemeinde E-Stadt, über die sie trotz der in der Klagebegründung erhobenen Einwände (auch) zu Zwecken des persönlichen Lebensbedarfs verfügen konnte.

24

Die Zweitwohnungssteuer ist als Aufwandsteuer i.S.d. Art. 105 Abs. 2a Satz 1 Grundgesetz (GG) eine Steuer auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. In dem Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf liegt ein besonderer Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Es handelt sich dabei um einen Sachverhalt, der sich von der Inanspruchnahme einer Erstwohnung unterscheidet, die gerade keinen besonderen, über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehenden Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG erfordert. Das nach dem Aufwandsbegriff i.S.d. Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahingehende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus. Eine solche Festlegung kann nur derjenige treffen, der für eine gewisse Dauer rechtlich gesichert über die Nutzung der Wohnung verfügen kann. Er muss also entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst bestimmen können, ob, wann und wie er diese nutzt, ob und wann er sich selbst darin aufhalten oder sie anderen zur Verfügung stellen will. Deshalb kann Inhaber einer steuerpflichtigen Zweitwohnung nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigter sein (insgesamt BVerwG, Urteil vom 13.05.2009 - 9 C 8/08 – juris m.w.N.). Für die im Ausgangspunkt subjektive Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung ist nicht die - unüberprüfbare - innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers maßgeblich. Diese innere Tatsache ist nur auf der Grundlage objektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Umstände - ggf. auch aufgrund von Anhaltspunkten aus vergangenen Veranlagungszeiträumen - zu beurteilen (BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 40/93 - juris). Dabei wird die Dauervermietung einer Zweitwohnung regelmäßig die Vorhaltung für persönliche Nutzungszwecke und damit die Zweitwohnungssteuerpflicht des Eigentümers ausschließen (BVerwG, Urteil vom 10.10.1995 - 8 C 40/93 - juris). Der gesamte objektive Sachverhalt muss deshalb daraufhin überprüft werden, ob sich aus ihm mit der gebotenen Sicherheit die subjektive Zweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lässt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.04.1993 - 2 S 135/92 – juris). Dabei kann die steuererhebende Gemeinde von der tatsächlichen Vermutung der Vorhaltung einer Zweitwohnung (auch) für Zwecke der persönlichen Lebensführung ausgehen, solange der Zweitwohnungsinhaber keine Umstände vorträgt, die diese tatsächliche Vermutung erschüttern. Erhobene Einwände kann die Gemeinde ihrerseits gegebenenfalls entkräften und dadurch die ursprüngliche tatsächliche Vermutung zugunsten des Steuertatbestandes wiederherstellen.

25

Das Gericht hat auch nach dem in der mündlichen Verhandlung gewonnen Eindruck erhebliche Zweifel, ob die Klägerin und ihr Ehemann tatsächlich getrennt leben. Der Ehemann der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er gegenwärtig bei der Klägerin in B-Stadt lebt, um diese zu pflegen. Sofern man nach diesem Vortrag von einem Zusammenleben der Eheleute ausgeht, müssten die Eheleute auch dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft aus § 1353 Abs. 1 BGB folgen. Leben die Klägerin und ihr Ehemann nicht getrennt, so unterhält die Klägerin offensichtlich zwei Wohnungen. Aus § 1353 Abs. 1 BGB folgt aber die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung zu gestatten. Regelmäßig sind daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beide Ehegatten gleichberechtigte Mitbesitzer der ehelichen Wohnung. Es würde der Stellung des jeweils anderen Ehepartners nicht entsprechen, ihm jede selbständige Nutzungsbefugnis der Wohnung zu versagen und ihn im Sinne einer Besitzdienerschaft von den Weisungen des Ehepartners abhängig sein zu lassen (vgl. BGH, Beschl. v. 25.06.2004 - IX a ZB 29/04 -, zit. nach juris).

26

Im Ergebnis kann diese Frage offenbleiben, denn die Zweitwohnungssteuerpflicht der Klägerin für den maßgeblichen Veranlagungszeitraum folgt zum einen aus den bis Ende 2012 bestehenden Meldeverhältnissen und zum anderen daraus, dass auch die behauptete Nutzungsüberlassung die Verfügungsbefugnis der Klägerin über das streitbefangene Objekt nicht entfallen lässt.

27

Für das Veranlagungsjahr 2012 folgt die Zweitwohnungssteuerpflicht der Klägerin bereits aus dem Umstand, dass sie bis zur Abmeldung zum 31.12.2012 mit Nebenwohnsitz in dem streitbefangenen Objekt E-Straße 10 in … E-Stadt gemeldet war. Nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Schleswig richtet sich im Falle mehrerer innegehaltener Wohnungen die Abgrenzung von Zweit- und Hauptwohnung nach dem Melderecht, dem ein objektivierter Hauptwohnungsbegriff zugrunde liegt (vgl. Thiem/Böttcher, Rn 274 zu § 3 KAG mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Die von der Meldebehörde vorgenommene Einstufung als Hauptwohnung bzw. Zweitwohnung hat für das Zweitwohnungssteuerrecht Tatbestandswirkung. Der Gemeinde ist es verwehrt, eine vom Melderecht abweichende Bestimmung als Hauptwohnung vorzunehmen. Solange die Eintragung einer Wohnung als Nebenwohnung im Melderegister Bestand hat, ist die Wohnung - ungeachtet der Rechtmäßigkeit - Zweitwohnung i.S.d. Zweitwohnungssteuerrechts. Gegen unrichtige und deshalb rechtswidrige Eintragungen im Melderegister hat sich der Betroffene zur Wehr zu setzen (OVG Schleswig, Beschl. v. 15.06.2005 - 2 LA 37/05 -).

28

Der Steuerpflicht der Klägerin für das Jahr 2013 steht nicht der Umstand entgegen, dass ihr Ehemann seit dem 11.11.2013 unter der Anschrift des im Eigentum der Klägerin stehenden Objekts mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Der Aufwand für eine Erstwohnung ist kein besonderer über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgehender Aufwand gemäß Art. 105 Abs. 2 a Satz 1 GG, so dass der Ehemann der Klägerin nicht zur Zweitwohnungssteuer veranlagt werden kann. Vorliegend steht jedoch nicht die Besteuerung des Aufwandes des Ehemanns der Klägerin, sondern der der Klägerin selbst in Rede.

29

Der Heranziehung der Klägerin zur Zweitwohnungssteuer steht auch nicht die – nach ihren Angaben seit Januar 2011 erfolgte – Überlassung des Objekts an ihren Ehemann entgegen. Die Klägerin ist trotz Überlassung des Objekts weiterhin nicht nur Eigentümerin, sondern auch Inhaberin des streitbefangenen Steuerobjekts. Wohnungsinhaber ist derjenige, der die alleinige oder gemeinschaftliche Verfügungsmacht und rechtliche Verfügungsbefugnis an der Wohnung für einen bestimmten Zeitraum besitzt. Dies kann nur der Eigentümer, Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte sein. Der Inhaberschaft steht aber die unentgeltliche Überlassung der Wohnung zur Nutzung Dritter nicht entgegen, soweit der Verfügungsberechtigte sich der Verfügungsmacht nicht begibt. Dem entsprechend sieht auch das Bundesverwaltungsgericht den Steuertatbestand grundsätzlich als erfüllt an, wenn jemand neben seiner Hauptwohnung eine weitere Wohnung nicht für sich selbst, sondern für den persönlichen Lebensbedarf von Familienangehörigen vorhält, solange er sich nicht der Verfügungsmacht über die Wohnung begibt, sondern sie nur den Familienangehörigen tatsächlich zur Nutzung überlässt. Die Aufwandsteuer kennzeichnet das Anknüpfen an den Aufwand, der der persönlichen Lebensführung dient und über das hinausgeht, was zur gewöhnlichen Lebensführung erforderlich ist. An diesen Grundsätzen hält auch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dem Grunde nach fest. Ein Innehaben der Wohnung wird verneint, falls der Überlassung für unbestimmte Zeit an einen Dritten ein Leihvertrag zugrunde liegt, für den die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsvorschriften der §§ 573 ff. BGB vereinbart ist. Denn in diesem Fall begibt sich der Eigentümer seiner Verfügungsmacht (BVerwG, Urt. v. 11.10.2016, – 9 C 28/15 – juris).

30

Die unentgeltliche „Nutzungsüberlassung“ stellt entgegen der Auffassung der Klägerin keinen Mietvertrag dar, weil wesentliches Element eines Mietvertrages als Hauptpflicht des Mieters die Entrichtung der vereinbarten Miete ist. Eine derartige Mietzahlung ist jedoch gerade nicht vereinbart, die Gebrauchsüberlassung der Wohnung erfolgt vielmehr unentgeltlich. Auch die Übernahme von Betriebs – und Sanierungskosten stellen kein echtes Entgelt für eine Nutzungsüberlassung dar. Ob die Klägerin ihrem – nach ihren Angaben getrennt lebenden - Ehemann tatsächlich einen mietvertraglichen Anspruch auf Überlassung und auch Gewährleistung des Gebrauchs einräumen wollte, erscheint fraglich. Auch das Verwandtschaftsverhältnis zwischen den Vertragsparteien spricht dafür, dass die Vereinbarung eines Mietverhältnisses mit der Folge der Geltung zahlreicher besonderer, z. T. sogar zwingender gesetzlicher Regelungen von den Beteiligten nicht beabsichtigt war (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 07.03.2008 – 5 AR 2/08 – juris).

31

Der der Nutzungsüberlassung zugrunde liegende Leihvertrag ist einem Mietvertrag nicht vergleichbar. Durch einen Leihvertrag wird der Verleiher einer Wohnung nach § 598 BGB verpflichtet, dem Entleiher den Gebrauch der Wohnung unentgeltlich zu gestatten. Die Leihe begründet ein unentgeltliches schuldrechtliches Wohnrecht, das der Verleiher während der Leihzeit weder dem Entleiher entziehen noch sonst beeinträchtigen darf (Häublein, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 598 Rn. 20). Dieses schuldrechtliche Wohnrecht stellt ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB dar (Bassenge, in: Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 986 Rn. 4). Der Entleiher kann deshalb die Herausgabe der Wohnung an den Eigentümer verweigern, solange er auf Grund des Leihvertrags nach § 598 BGB zum Besitz berechtigt ist. Allerdings kann der Verleiher, wenn die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu entnehmen ist, die Wohnung nach § 604 Abs. 3 BGB jederzeit zurückfordern. Diese Möglichkeit ist jedoch ausgeschlossen, wenn das Leihverhältnis nur nach den Bestimmungen der §§ 573 ff. BGB für ein Mietverhältnis über Wohnraum gekündigt werden kann. Entsprechend § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Verleiher dann eine ordentliche Kündigung nur aussprechen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Leihverhältnisses hat. Dabei muss er die Kündigungsfristen des § 573c Abs. 1 Satz 1 BGB beachten. Dies hat zur Folge, dass sich ein Eigentümer, der eine Wohnung unter Vereinbarung der mietrechtlichen Kündigungsregelungen für unbestimmte Zeit verleiht, seiner Verfügungsmacht über die Wohnung begibt. Denn er ist für die Dauer des dem Entleiher eingeräumten und durch die Geltung der mietrechtlichen Kündigungsbestimmungen rechtlich gesicherten schuldrechtlichen Wohnrechts nicht mehr in der Lage, entsprechend seinen Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst zu bestimmen, ob, wann und wie er die Wohnung nutzen, ob und wann er sich selbst darin aufhalten oder sie anderen zur Verfügung stellen will.

32

Diese Grundsätze zugrunde gelegt hat sich die Klägerin nicht ihrer Verfügungsbefugnis begeben und ist weiterhin Inhaberin der Wohnung. Nach Würdigung der Gesamtumstände ist nicht ersichtlich, dass die zwischen ihr und ihrem Ehemann mündlich getroffene Abrede über die Nutzungsüberlassung der Wohnung die Geltung mietrechtlicher Kündigungsregelungen enthält oder sich aus ihrem Zweck entnehmen lässt. Dass durch eine solche Abrede eingeräumte schuldrechtliche Wohnrecht ist rechtlich nicht gesichert. Der Ehemann fungiert aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes der Klägerin offenbar als Verwalter des überwiegend leerstehenden Objekts und hält sich ohnehin nur gelegentlich vor Ort auf. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass der Zweck der getroffenen Abrede über die Nutzungsüberlassung erschwerte Kündigungsmodalitäten zum Gegenstand hat. Die Klägerin bleibt als Verleiherin vielmehr nach § 604 Abs. 3 BGB jederzeit berechtigt die Wohnung zurückzufordern. Dass sie aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht mehr in der Lage ist, das Objekt selbstständig zu nutzen, ist dabei unbeachtlich. Sie bleibt wie im Falle einer nur tatsächlichen Überlassung der Wohnung an einen Dritten weiterhin in der Lage, entsprechend ihren Vorstellungen zur persönlichen Lebensführung selbst über die Nutzung der Wohnung zu bestimmen.
Auch die Höhe der festgesetzten Zweitwohnungssteuer begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der Zweitwohnungssteuer hat die Klägerin auch nicht vorgetragen.
Der Auffassung der Klägerin, die Erhebung der Zweitwohnungssteuer habe in ihrem Fall eine erdrosselnde Wirkung erreicht, kann nicht gefolgt werden. Eine Steuerbelastung ist grundsätzlich erst dann unverhältnismäßig, wenn dem Steuerpflichtigen kein angemessener Spielraum zur wirtschaftlichen Entfaltung mehr verbleibt und die Höhe der Zweitwohnungssteuer damit dem steuerlichen Hauptzweck der Einnahmeerzielung gerade zuwider läuft. Ein fester Steuersatz, ab dessen Höhe eine solche Unverhältnismäßigkeit besteht, lässt sich nicht benennen. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist nicht, ob ein bestimmter - mehr oder weniger willkürlich bestimmter - Steuersatz überschritten wird. Der Blick ist vielmehr auf die konkreten Auswirkungen der Steuererhebung zu richten. Eine unzulässige Prohibitivsteuer liegt hiernach erst dann vor, wenn das besteuerte Verhalten durch seine Belastung mit unbezahlbaren Abgabenpflichten vollständig oder aber im Wesentlichen unterbunden werden soll. Aus diesem Grunde ist in der Rechtsprechung auch ein Steuersatz von 20 % noch als unbedenklich angesehen worden (VGH Mannheim, Urteil vom 24.06.2013 - 2 S 2116/12 -, KStZ 2014 113). Auch die Kammer und das OVG Schleswig halten einen Steuersatz von 12 % für völlig unproblematisch.
Soweit die Klägerin die Berechnung der Jahresrohmiete infrage stellt, wird darauf hingewiesen, dass sich die Gemeinde bei der Ermittlung der Jahresrohmiete einer Auskunft des Finanzamtes oder der Begründung des Einheitswertbescheides bedienen darf (OVG Schleswig, Urteil vom 18.10.2000 - 2 L 67/99 -). Es reicht insofern vorliegend aus, dass der Beklagte der Klägerin mitgeteilt hat, die zugrunde gelegte Jahresrohmiete sei ihr so vom Finanzamt mitgeteilt worden. Es ist grundsätzlich Sache der Klägerin, etwaige Einwendungen gegen die Höhe der Jahresrohmiete zu substantiieren. Zur Erläuterung der Berechnungsgrundlagen kann sich die Klägerin an das Finanzamt wenden. Auch der zugrunde gelegte Index-Faktor begegnet keinen Bedenken. Es reicht grundsätzlich aus, dass die erforderlichen Daten bereits vor der Entstehung der Steuerschuld feststanden und aus öffentlichen Quellen, nämlich den Mitteilungen der Statistikämter, entnommen werden können.
Die Klägerin kann sich des Weiteren nicht mit Erfolg auf das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 und 28 GG) verankerte Gebot des Vertrauensschutzes berufen. Die Zweiwohnungsteuer für die Jahre 2012 und 2013 ist nicht verjährt, obgleich deren Festsetzung erst im Jahr 2016 erfolgte. Die Klägerin wurde erstmalig bereits mit Schreiben vom 16.10.2012 von der Beklagten bezüglich der Zweitwohnungssteuer angeschrieben (Bl. 1 der Beiakten). Seit Erhalt dieses Schreibens musste die Klägerin mit einer Festsetzung der Zweitwohnungssteuer rechnen. Die Festsetzung erfolgte erst im Jahr 2016, weil die Klägerin auf Schreiben der Beklagten zunächst nicht reagierte und sodann unvollständige Angaben machte, die einer behördlichen Aufarbeitung bedurften.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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