Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (9. Kammer) - 9 A 36/19

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Aufnahme des Sohnes des Klägers bei der Beklagten.

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Der Kläger ist Vater des am ... geborenen C. Er lebt von der Kindsmutter getrennt. Es bestand zunächst vollständig gemeinsames Sorgerecht. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 31. Juli 2018 wurde das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindsmutter übertragen.

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C besuchte bis 2017 an seinem damaligen Wohnort in D-Stadt die zweite Klasse. Dort wurde C am 20. August 2017 abgemeldet.

4

Ausweislich des Beschlusses des Oberlandesgerichts Zweibrücken zog die Kindsmutter mit C am 20. August 2017 nach A-Stadt, wo er zum August 2017 in der Klasse 1 D bei der Beklagten aufgenommen wurde. Im Aufnahmebogen der Beklagten befindet sich im Feld „Weitere Bemerkungen“ die Eintragung „Frauenhaus Post an Postfach ..., D-Stadt!!!“ (vgl. Bl. 34 GA). Der Kläger hatte die Aufnahme des Sohnes bei der Beklagten weder (mit)beantragt noch dieser zugestimmt.

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Mit Schreiben vom 18. September 2018 teilte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit, dass er davon ausgehe, dass die Kindsmutter C ohne Zustimmung des Klägers angemeldet und die Beklagte trotz Kenntnis des gemeinsamen Sorgerechts aufgenommen habe, ohne ihn hierüber rechtzeitig und formgerecht zu informieren. Weiter beantragte er Akteneinsicht.

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Im Laufe des Gerichtsverfahrens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2020 bei der Beklagten die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens beantragt, welches „auf die Feststellung gerichtet ist“, dass die Beklagte mit der Aufnahme von C in die erste Klasse ohne Zustimmung des Klägers gegen ein Rundschreiben des Bildungsministeriums aus dem Jahre 2008 verstoßen habe.

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Bereits am 4. März 2019 hat der Kläger Klage erhoben.

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Er trägt vor, die Beklagte hätte C nicht ohne seine – des Klägers – Zustimmung aufnehmen dürfen. Werde ein Kind nur von einem Elternteil angemeldet, dürfe die Schule nicht das Einverständnis des anderen Elternteils unterstellen. Dies gelte vorliegend insbesondere deshalb, weil die Beklagte gewusst habe, dass die Kindsmutter im Frauenhaus lebe. Es hätte die Entscheidung des Familiengerichts herbeigeführt werden müssen. Entsprechendes ergebe sich auch aus dem Rundschreiben des Bildungsministeriums vom 13. August 2008.

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C habe sich aufgrund der Anmeldung in der Schule in D-Stadt eingelebt und nun dort seinen Lebensmittelpunkt, obwohl er in A-Stadt sozial gut eingebunden gewesen war und der Kläger sich dort um C hätte kümmern können.

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Die Anmeldung an der Schule stelle einen Verwaltungsakt dar, der dem Kläger nie bekanntgemacht worden sei.

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Die Kindsmutter habe C außerdem für die erste Klasse angemeldet, weshalb mit dem Schulbesuch faktisch eine Rückstufung erfolgt sei und der Kläger aufgrund des ein Jahr längeren Schulbesuchs des Sohnes dann auch ein Jahr länger zum Unterhalt verpflichtet würde. Dieser Schaden wäre vermeidbar gewesen, wenn die Beklagte das Sorgerecht des Klägers geachtet hätte.

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Diese Klage diene der Vorbereitung einer Amtshaftungsklage. Es sei darüber hinaus im Interesse des Klägers zu klären, ob die Beklagte rechtmäßig gehandelt habe, da ihn dies in seinen höchstpersönlichen Rechten, seinem Sorgerecht aus dem BGB, seinem Recht aus Art. 6 GG und seinen Rechten aus dem Schleswig-Holsteinischen Schulgesetz betreffe. Solch ein rechtswidriges Verwaltungshandeln dürfe nicht um sich greifen.

13

Das Rehabilitationsinteresse des Klägers bestehe fort, weil es sich bei der Aufnahme von C und der gleichzeitigen Rückstufung um Verwaltungsakte handle, die noch nicht erledigt seien und eine andauernde Wirkung entfalteten. Unerheblich sei, dass der rechtswidrige Eingriff nicht mehr rückgängig zu machen sei.

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Der Kläger beantragt,

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festzustellen, dass die Anmeldung des C. A., geb. am ..., bei der Beklagten ohne Zustimmung des mitsorgeberechtigten Klägers rechtswidrig war.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Ansicht, die Klage sei bereits unzulässig. Insbesondere sei die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses nicht als ausreichendes (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse zu werten. Die von dem Kläger dargestellten straf- und/ oder zivilrechtlichen Implikationen hätte dieser auf den dafür vorgesehenen Wegen verfolgen müssen. Eine Wiederholungsgefahr oder ein Rehabilitationsinteresse seien nicht erkennbar.

19

Die Feststellungsklage sei zudem subsidiär, weil der Kläger gegen die Aufnahme seines Sohnes bei der Beklagten zunächst ein Widerspruchsverfahren und schlussendlich ggf. eine Anfechtungsklage hätte durchführen können.

20

Mit Beschluss vom 21. August 2019 hat die Kammer den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten sich mit dieser Vorgehensweise ausdrücklich einverstanden erklärt haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

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Die Klage ist unzulässig.

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Der Kläger richtet sich gegen die von der Beklagten vorgenommene Aufnahme seines Sohnes in die erste Klasse zum Schuljahr 2017/2018. Er begehrt insoweit ausdrücklich die Feststellung, dass dies rechtswidrig war.

25

Eine solche Klage ist indes unter keinem denkbaren Gesichtspunkt statthaft.

26

Bei der Begründung des Schulverhältnisses handelt es sich um einen (mitwirkungsbedürftigen) formlosen Verwaltungsakt im Sinne des § 106 LVwG (vgl. so schon BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1957 – II C 105.56 –, BVerwGE 5, 153-164, Rn. 26; VGH München, Urteil vom 12. Februar 2001 – 7 B 99.3719 –, Rn. 27, juris; VG Wiesbaden, Urteil vom 18. Juli 2003 – 6 E 1928/02 –, Rn. 10, juris; Popken in PdK, SchulG, Stand: Oktober 2020, § 11, Rn. 1.2), sodass Rechtsschutz grundsätzlich zunächst mittels Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO und ggf. sodann gerichtlich im Wege einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO zu gewähren ist. Adressat dieses Verwaltungsaktes ist C, also das Kind, mit dem die Schule ein Schulverhältnis begründen will. Adressaten des Verwaltungsaktes sind daher insbesondere nicht die Eltern des minderjährigen Kindes.

27

Diesen ist allerdings der Verwaltungsakt bekanntzugeben, denn die Bekanntgabe kann nicht an C erfolgen, weil dieser im Zeitpunkt der Aufnahme an der Schule 6 Jahre alt und damit geschäfts- und handlungsunfähig war, § 77 Abs. 1 Nr. 1 LVwG i. V. m. § 104 Ziff. 1 BGB. In Fällen wie dem vorliegenden – in denen das Sorgerecht entsprechend §§ 1626 ff. BGB den Eltern gemeinsam obliegt – vertreten die Eltern das Kind gemeinschaftlich, § 1629 Abs.1 BGB. In Konsequenz daraus vertreten sie C auch bei der Bekanntgabe Aufnahmeverwaltungsakts. Vertreten Eltern ein Kind gemeinschaftlich im Sinne des § 1629 Abs. 1 BGB, so muss die Bekanntgabe im Sinne des § 112 Abs. 1 LVwG eines an das Kind gerichteten Verwaltungsaktes indes nicht zwingend an beide Eltern erfolgen. Insoweit genügt die Bekanntgabe an ein Elternteil – hier also auch „nur“ an die Mutter (vgl. BFH, Urteil vom 22. Oktober 1976 – VI R 137/74 –, BFHE 120, 148, BStBl II 1976, 762, BStBl II 1976, 762, Rn. 7, m. w. N.; BeckOK VwVfG/Tiedemann, 49. Ed. 01.10.2020, VwVfG § 41 Rn. 36-40 zu der entsprechenden Regelung in § 41 VwVfG). Dies ist zwar weder in § 112 LVwG noch in § 1629 BGB ausdrücklich geregelt. Es ergibt sich aber aus der gesetzlichen Systematik. Denn in § 1629 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BGB ist geregelt, dass in Fällen, in denen eine Willenserklärung gegenüber dem Kinde abzugeben ist, die Abgabe an einen Elternteil genügt. Diese Regelung bezieht sich zwar wohl auf privatrechtliche Willenserklärungen. Die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes stellt aber den (hoheitlichen) Eröffnungswillen der Behörde dar, sodass kein Grund für eine unterschiedliche Bewertung des Vertretungserfordernisses ersichtlich ist. Vielmehr zeigen gerade auch die Regelungen in § 151 Abs. 3 LVwG und § 56 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 170 Abs. 2 ZPO, wonach im Falle der Gesamtvertretung etwa die Zustellung an nur einen Vertreter ausreicht, dass insoweit – aus den zulässigen Gründen der Verwaltungsprakitkabilität und –vereinfachung – ein entsprechend grundlegender Rechtsgedanke bei dem Gesetzgeber vorhanden ist.

28

Damit ist der Verwaltungsakt bzgl. dessen der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit begehrt, mit Bekanntgabe an die Mutter wirksam (§ 112 Abs. 1 LVwG) und mit Ablauf der Widerspruchsfrist von einem Monat, § 70 Abs. 1 VwGO, bestandskräftig geworden.

29

Er ist insbesondere auch nicht nichtig, etwa weil die Mutter von C ohne Zustimmung des Vaters bei der Schule die Aufnahme von C beantragt hat. Selbst wenn man davon ausginge, dass ein fehlender Antrag des Vaters bei dem (insoweit mitwirkungsbedürftigen) Verwaltungsaktes der Aufnahme in einer Schule im Hinblick auf die gemeinsame elterliche Sorge dazu führte, dass die Aufnahme rechtswidrig gewesen ist – was hier ausdrücklich offen gelassen wird – so macht dies den Verwaltungsakt zumindest nicht nichtig. Dies folgt aus einem Umkehrschluss der Regelung in § 114 Abs. 1 Ziff. 1 LVwG (der der Regelung in § 45 Abs. 1 Ziff. 1 VwVfG entspricht), wonach eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 113 LVwG nichtig macht, unbeachtlich ist, wenn der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. Würde die unterbliebene Antragstellung den Verwaltungsakt von vornherein nichtig machen, bliebe für die dort vorgesehene Heilung durch nachträgliche Antragstellung kein Anwendungsfall. Die Heilungsvorschrift des § 114 VwVfG bezieht sich auf rechtswidrige, nicht etwa auf nichtige Verwaltungsakte. Ein nichtiger Verwaltungsakt kann nicht geheilt werden (vgl. zu alldem OVG Münster, Beschluss vom 02. Juni 2020 – 11 A 4357/19 –, Rn. 14, juris).

30

Ob vorliegend ausnahmsweise im Hinblick auf die Gleichwertigkeit des Vertretungsrechtes und des Erziehungsrechtes aus Art. 6 Abs. 2 GG von Mutter und Vater in Bezug auf die Frage der Bestandskraft oder Nichtigkeit des Verwaltungsaktes grundsätzlich oder im Einzelfall etwas anderes gelten muss, weil zwischen den Elternteilen ggf. Uneinigkeit über die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts besteht und der andere Elternteil andernfalls ggf. rechtlos gestellt würde, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. hierzu aber: BFH, Urteil vom 22. Oktober 1976, a. a. O., Rn. 11). Denn in Konstellationen wie der vorliegenden ist der Elternteil, an den nicht bekanntgegeben wurde, schon nicht rechtlos gestellt. Vielmehr hätte es dem Kläger – als Vertreter seines Sohnes – freigestanden, gegen die Aufnahme seines Sohnes bei der Beklagten Widerspruch zu erheben bzw. falls dies wiederum nur von den Eltern gemeinschaftlich erfolgen kann, die entsprechende Entscheidung des Familiengerichts herbeizuführen. Dass der Kläger auf zivil- und/oder strafrechtliche Streitigkeiten zum Wohle des Kindes verzichtet hat, ist menschlich achtungswürdig, kann aber nicht dazu führen, dass die geltende Rechtslage umgangen wird. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Kläger keine Kenntnis über die Aufnahme seines Sohnes bei der Beklagten hatte oder hätte haben können und ihm so das Einlegen eines Widerspruchs oder die Zuhilfenahme gerichtlichen Rechtsschutzes unmöglich gewesen wäre.

31

Die Aufnahme von C bei der Beklagten ist damit wirksam und bestandskräftig geworden. Insbesondere hindert eine etwaige Rechtswidrigkeit der Aufnahme dies nicht, § 112 Abs. 2 LVwG.

32

Damit ist die Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 1.Alt. VwGO unstatthaft.

33

Gleiches gilt auch für eine etwaige von dem Kläger angestrebte Fortsetzungsfeststellungsklage nach §113 Abs. 4 VwGO. Ist der Verwaltungsakt formell bestandskräftig geworden ist eine solche nicht mehr zulässig. Dieser Rechtsgedanke hat auch in § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO seinen Ausdruck gefunden, der eine – unbefristete – Feststellungsklage untersagt, wenn gegen einen Verwaltungsakt Gestaltungsklage hätte erhoben werden können. Dies verbietet eine Feststellungsklage auch dann, wenn eine an sich statthafte Gestaltungsklage nur deshalb nicht mehr zulässig ist, weil der Verwaltungsakt wegen Versäumung der Widerspruchs- oder Klagefrist (formell) bestandskräftig geworden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 1999 – 6 C 7/98 –, BVerwGE 109, 203-211, Rn. 20). Auf das Vorliegen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses oder die Frage nach der Erledigung des Verwaltungsaktes kommt es damit nicht mehr an.

34

Das Begehren des Klägers kann aus den o. g. Gründen wegen der Regelung in § 43 Abs. 2 VwGO auch nicht als „normale“ Feststellungsklage zugelassen werden.

35

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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