Urteil vom Verwaltungsgericht Sigmaringen - 7 K 4881/13

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 7.032,93 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.12.2013 zu bezahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt unter Berufung darauf, dass er im Rahmen eines von der Beklagten durchgeführten Bewerbungsverfahrens als Schwerbehinderter diskriminiert worden sei, eine Entschädigung.
Der am ...1964 geborene Kläger ist aufgrund eines nicht behandlungsbedürftigen essentiellen Tremors als schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt. Er absolvierte nach dem Besuch der Grund- und Realschule zunächst das Kaufmännische Berufskolleg I und machte anschließend eine Lehre zum Großhandelskaufmann. Nach Erwerb der Fachhochschulreife studierte er bis 1992 Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule F. mit dem Abschluss Diplombetriebswirt (FH). Zwischen 1992 und Anfang 2002 war er in verschiedenen Tätigkeiten und Praktika befristet beschäftigt und absolvierte eine Ausbildung zum Chemisch-Technischen Assistenten. Von September 2004 bis August 2005 leistete er das praktische Einführungsjahr für den gehobenen Verwaltungsdienst des Landes Baden-Württemberg und studierte anschließend an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in K.. Im September 2008 legte er die Staatsprüfung für den gehobenen Verwaltungsdienst mit der Gesamtnote „befriedigend (7 Punkte)“ ab.
Mit Bewerbungsschreiben vom 10.05.2013 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle des (der) Fachbediensteten für das Finanzwesen - Leitung der Finanzverwaltung. In der Ausschreibung wird ein abgeschlossenes Studium zum/zur Diplom-Verwaltungswirt/in (FH) bzw. Bachelor of Arts (Public Management) oder eine vergleichbare berufliche Qualifikation verlangt. Berufserfahrung im kommunalen Haushaltswesen wird als „wünschenswert“ bezeichnet. Zudem werden zum Profil potentieller Kandidaten Eigeninitiative, Einsatzbereitschaft, selbständige und eigenverantwortliche Arbeitsweise, Belastbarkeit, sicheres Auftreten, kooperativer Führungsstil und Teamfähigkeit gezählt. Gute Kenntnisse in MS-Office-Produkten sowie KIRP-Kenntnisse wären nach dem Ausschreibungstext „von Vorteil“. Zudem wird auf „Aufstiegsmöglichkeiten bis Besoldungsgruppe A 12“ hingewiesen.
Der zu besetzende Arbeitsplatz wurde der Agentur für Arbeit nicht gemeldet.
In seiner Bewerbung führte der Kläger insbesondere aus, seine Schwerbehinderung (GdB 60) beeinträchtigte ihn nicht in seiner geistigen und körperlichen Amtsausübung und führe nicht zu erhöhten Krankheitstagen. Der Bewerbung beigefügt waren ein ausführlicher Lebenslauf des Klägers, sein Schwerbehindertenausweis und ein ärztliches Attest.
Insgesamt bewarben sich einschließlich des Klägers sieben Personen auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle. Es ist zwischen den Beteiligten streitig, ob und ggf. unter welchen Umständen der Personalrat über die Bewerbung des Klägers informiert wurde. Drei der sieben Bewerber, nicht aber der Kläger, wurden zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.
Mit Schreiben vom 27.06.2013 teilte die Beklagte dem Kläger mit, der Gemeinderat habe hinsichtlich der Stelle bei der Beklagten als Fachbediensteter für das Finanzwesen eine Vorauswahl getroffen und der Kläger sei „nicht in den engeren Kreis der Bewerber/innen aufgenommen worden“.
Mit Schreiben vom 13.08.2013 forderte der Kläger die Beklagte auf, ihm nach § 81 Abs. 2 und § 82 S. 2 SGB IX i. V. m. §§ 1, 7, 15 AGG eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern der Besoldungsgruppe A9 zu bezahlen. Zur Begründung führte er insbesondere aus, trotz des Hinweises in seinem Bewerbungsschreiben auf seine Schwerbehinderung sei er entgegen § 82 S. 2 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen und entgegen § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX nicht detailliert über die Gründe der Absage informiert worden. Außerdem hätte die Beklagte gemäß § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX den Personalrat unmittelbar nach Eingang seiner Bewerbung unterrichten müssen. Die Beklagte habe auch entgegen § 82 S. 1 SGB IX die örtlich zuständige Agentur für Arbeit nicht über die Stellenausschreibung informiert. Es bestehe der Verdacht, dass er wegen seiner Schwerbehinderung und seines Alters benachteiligt worden sei.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten kündigte mit Schreiben vom 21.08.2013 gegenüber dem Kläger eine Stellungnahme an, die aber nicht erfolgte.
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Am 06.12.2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Zur Begründung beruft er sich insbesondere darauf, er sei durch das Auswahlverfahren der Beklagten als dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle entsprechender und damit fachlich geeigneter Bewerber aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden. Die Beklagte habe weder die Verpflichtung nach § 82 S. 2 SGB IX, ihn zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, noch ihre Meldepflicht nach § 82 S. 1 SGB IX erfüllt. Darüber hinaus sei der Personalrat nicht umgehend gemäß § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX informiert worden, wie er vom ehemaligen Personalratsvorsitzenden der Beklagten erfahren habe. Eine ausreichende Begründung der Absage fehle. Damit seien Indizien dargetan, die eine Benachteiligung des Klägers wegen seiner Schwerbehinderung i. S. d. § 22 AGG vermuten ließen. Da die Beklagte diese Vermutung nicht widerlegen könne, bestehe ein Entschädigungsanspruch aus § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Monatsgehältern der Besoldungsgruppe A 9 nebst der gesetzlichen Zulagen. Darüber hinaus sei er auch wegen seines Alters diskriminiert worden. Der Kläger führt weiter aus, mit seinen AGG-Klagen betreibe er kein Geschäft, so dass der Vorwurf, er sei ein „AGG-Hopper“, nicht gerechtfertigt sei. Die Unterstellung eines „unsteten Lebenslaufs“ sei Ausdruck seiner systematischen Benachteiligung.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 9 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.12.2013 zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie rügte die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts. Darüber hinaus sei die Frist nach § 61b ArbGG versäumt worden, die auch im Verwaltungsprozess gelte. Der Kläger sei weiter nicht benachteiligt worden, denn seine fachliche Eignung habe i. S. d. § 82 S. 3 SGB IX offensichtlich gefehlt, so dass eine Einladung zum Vorstellungsgespräch entbehrlich gewesen sei. Er könne keine Berufserfahrung im kommunalen Haushaltswesen vorweisen, habe noch keine Führungsaufgaben ausgeübt und in seinem Bewerbungsschreiben keine guten Kenntnisse der MS-Office-Produkte angegeben. Mit der Nichteinladung sei dem Kläger zudem nur ein „Chancenvorteil“ genommen worden, so dass keine Benachteiligung wegen seiner Behinderung vorliege. Die Unterlassung der Meldung bei der Agentur für Arbeit sei nicht kausal. Auch wenn der Kläger zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre, wäre er nicht eingestellt worden, da der eingestellte Bewerber besser qualifiziert sei. Der Personalrat sei in das Bewerbungs- und Auswahlverfahren eingebunden gewesen. Die Beklagte habe keine Kenntnis davon gehabt, dass der Kläger offenbar als „AGG-Hopper“ bekannt sei und habe den Vorwurf eines unsteten Lebenslaufs nicht erhoben.
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Mit Beschluss vom 24.08.2015 hat die Kammer gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab entschieden, dass der beschrittene Rechtsweg zulässig ist; gegen den Beschluss wurde kein Rechtsmittel eingelegt.
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Der Kammer hat die Akte der Beklagten vorgelegen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird darauf sowie auf die Gerichtsakte und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG in Höhe von drei Monatsgehältern der Besoldungsgruppe A 9 zuzüglich Strukturzulage nach § 46 LBesG BW und Prozesszinsen.
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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig; das Entschädigungsbegehren setzt eine vorherige Behördenentscheidung in Form eines Verwaltungsakts nicht voraus. Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 126 Abs. 3 BRRG, § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG bedarf es nicht, da das die besondere Verfahrensanordnung dieser Vorschriften begründende Dienst- und Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn im vorliegenden Fall nicht gegeben ist und mit der vorliegenden Klage auch nicht angestrebt wird (VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -, VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -, jeweils m. w. N.).
20 
Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Der Kläger durfte die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Damit wird dem Gericht über deren Höhe ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BR-Drs. 329/06, S. 40 = BT-Drs. 16/1780, S. 38). Steht dem Gericht ein Beurteilungsspielraum zu oder hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss lediglich Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -, m. w. N.).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG einen Anspruch auf Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. Die Beklagte hat den Kläger wegen seiner Behinderung (s. zum Begriff der Behinderung BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150) benachteiligt, indem sie ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat und zudem die ausgeschriebene Stelle nicht der Agentur für Arbeit gemeldet hat. Zwischen der Benachteiligung und der Behinderung besteht auch ein Kausalzusammenhang, die Klage wurde nicht rechtsmissbräuchlich erhoben, die Verletzung einer Schadensminderungspflicht ist nicht ersichtlich und es wurde keine Ausschlussfrist missachtet. Für eine Diskriminierung (auch) wegen seines Alters hat der Kläger dagegen keine hinreichenden Vermutungstatsachen dargelegt.
22 
Die Beteiligten unterfallen zunächst dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Als Bewerber für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis (als Beamter, s. dazu bereits den Beschluss der Kammer vom 24.08.2015) gilt der Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG als Beschäftigter im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; die Beklagte als mögliche (künftige) Dienstherrin ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 AGG).
23 
Der Kläger ist durch das Vorgehen der Beklagten auch i. S. d. § 7 AGG benachteiligt worden. Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 (AGG) genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbare Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BR-Drs. 329/06, S. 33 = BT-Drs. 16/1780 S. 32). Eine unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassen ist insbesondere gegeben, wenn ein (künftiger) Arbeitgeber einer gesetzlich auferlegten Handlungspflicht nicht nachkommt, durch die im Sinne des § 5 AGG eine bisher in Beschäftigung und Beruf benachteiligte Gruppe gezielt gefördert werden soll. Die Benachteiligung liegt dabei in der Vorenthaltung eines gesetzlich eingeräumten Vorteils, dessen Ziel es ist, bestehende Nachteile zu beseitigen oder zu verhindern. Die betreffende Person wird weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen für erforderlich hält. Eine gesetzliche positive Maßnahme im Sinne von § 5 AGG ist angesichts ihres drittschützenden Charakters nicht neutral, sodass die in den Schutzbereich der betreffenden Vorschrift fallenden Personen im Falle ihres Unterlassens unmittelbar benachteiligt werden. Für die gegenüber anderen weniger günstige Behandlung als solche trägt die Beschäftigte oder der Beschäftigte mangels einer abweichenden Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast. § 22 AGG greift insoweit nicht ein (vgl. BR-Drs. 329/06, S. 51 = BT-Drs. 16/1780 S. 47, s. zum Ganzen BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
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Die nach § 7 Abs. 1 AGG erforderliche Benachteiligung des Klägers liegt davon ausgehend darin, dass ihm die Beklagte die in § 82 Satz 2 SGB IX angeordnete Besserstellung gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern durch Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vorenthalten hat, obwohl ihm im Sinne von § 82 Satz 3 SGB IX die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlte. Ob die fachliche Eignung i. S. d. § 82 Satz 3 SGB offensichtlich fehlt, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle und dem Leistungsprofil der Bewerberin oder des Bewerbers zu ermitteln (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Dabei sind die konstitutiven Elemente des Anforderungsprofils besonders zu berücksichtigen. Als „konstitutiv“ einzustufen sind diejenigen Merkmale des Anforderungsprofils, die zwingend vorgegeben und anhand objektiv überprüfbarer Kriterien, also insbesondere ohne Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn, als tatsächlich gegeben letztlich eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet das „beschreibende“, nicht konstitutive Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten - bejahend oder verneinend - festgestellt werden können (VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; vgl. auch VGH BaWü, Beschluss v. 07.12.2010 - 4 S 2057/10 -, NVwZ-RR 2011, 193-194). Der Ausschreibungstext verlangt von den Bewerbern für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle ein abgeschlossenes Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) oder eine vergleichbare berufliche Qualifikation. Der Kläger hat sein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung erfolgreich abgeschlossen, so dass er die nach dem Anforderungsprofil insoweit notwendige Qualifikation besitzt, denn ein bestimmtes Examensergebnis oder eine darüber hinausgehende besondere Ausbildung wurde nicht verlangt (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -). Weitere konstitutive Merkmale des Anforderungsprofils sind nicht ersichtlich, zumal die im Ausschreibungstext erwähnte Berufserfahrung im kommunalen Haushaltswesen ausdrücklich als „wünschenswert“ bezeichnet wird und die guten Kenntnisse in MS-Office-Produkten und KIRP-Kenntnisse danach „von Vorteil“ wären. Daher ergibt sich aus den Bewerbungsunterlagen nicht, dass der Kläger offensichtlich für die ausgeschriebene Stelle fachlich ungeeignet ist (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; zum nicht durchgreifenden Argument eines unsteten Lebenslaufes, das die Beklagte allerdings ohnehin nicht vorgebracht hat, im Fall der Schwerbehinderung vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -).
25 
Der damit dargelegten Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entgegenhalten, mit der Nichteinladung sei dem Kläger nur ein „Chancenvorteil“ genommen worden. Dem gerade in der Vorenthaltung dieses gesetzlich eingeräumten Chancenvorteils liegt die weniger günstige Behandlung (Benachteiligung, Diskriminierung), deren Verhinderung bzw. Beseitigung nach § 1 AGG Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
26 
Zwischen der Behinderung des Klägers und seiner Benachteiligung in Gestalt der unterlassenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch besteht weiter ein Kausalzusammenhang. § 22 AGG senkt insoweit das Beweismaß. Gemäß § 22 AGG muss die Beschäftigte oder der Beschäftigte Indizien (sog. Vermutungstatsachen) vortragen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Es genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Grund und Nachteil (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Die Vorenthaltung des erwähnten gesetzlich eingeräumten Chancenvorteils hat eine doppelte Bedeutung. In ihr liegt einerseits die weniger günstige Behandlung (Benachteiligung, Diskriminierung), andererseits ist sie Vermutungstatsache für die Kausalität. Die Indizwirkung ergibt sich daraus, dass der in Bezug auf das Bewerbungsverfahren gesetzlich eingeräumte Chancenvorteil seine entscheidende Rechtfertigung in der Schwerbehinderung oder einer ihr gleichgestellten Behinderung findet. Wird der oder dem Beschäftigten die gerade wegen einer Behinderung zu gewährende verfahrensrechtliche Besserstellung pflichtwidrig vorenthalten, spricht zumindest der erste Anschein dafür, dass dieses Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers gleichfalls seinen Grund in der Behinderung hat. Andernfalls würde der durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu gewährende Schutz vor einer Benachteiligung weitgehend leerlaufen (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150, m. w. N.). Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür muss er Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 AGG genannten Gründe sein benachteiligendes Verhalten tatsächlich weder als negatives noch als positives Kriterium allein oder neben anderen Gründen (mit)beeinflusst haben (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150, m. w. N.).
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Die durch die Vorenthaltung des in § 82 Satz 2 SGB IX eingeräumten Chancenvorteils vermutete Kausalität kann nicht mit dem Hinweis darauf widerlegt werden, dass das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens, d.h. die Auswahlentscheidung und die daraufhin erfolgte Einstellung, unter dem Aspekt der fachlichen Eignung rechtlich nicht zu beanstanden sind. Für den nach § 22 AGG möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung einer Bewerberin oder eines Bewerbers entgegen § 82 Satz 2 SGB IX ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, können nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 3 SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der „offensichtlichen“ Nichteignung eine abschließende Regelung. Die Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers berühren (s. zum Ganzen BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
28 
Vorliegend hat die Beklagte sich ausschließlich darauf berufen, dass der Kläger, auch wenn er zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre, nicht eingestellt worden wäre, da der eingestellte Bewerber besser qualifiziert sei. Damit werden zur Widerlegung der aufgrund des Verstoßes gegen § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität zwischen der Behinderung und der Benachteiligung ausschließlich Gründe genannt, die sich auf die fachliche Eignung des Klägers im Verhältnis zu derjenigen des eingestellten Bewerbers beziehen. Die Beklagte hat damit nicht nachgewiesen, dass die Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Klägers betreffen. Im Gegenteil hat der Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angegeben, er hätte den Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn ihm die Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX bekannt gewesen wäre, denn der Kläger „wäre ohnehin nicht zum Zuge gekommen“. Damit konnte die Beklagte die Vermutung der Kausalität nicht widerlegen.
29 
Zusätzlich ergibt sich eine Benachteiligung des Klägers durch die Beklagte daraus, dass die Beklagte die ausgeschriebene Stelle entgegen § 82 Satz 1 AGG nicht der Agentur für Arbeit gemeldet hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150; VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -). Die auch insoweit aufgrund des § 22 AGG eingreifende Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und der Benachteiligung konnte die Beklagte ebenfalls nicht widerlegen, denn über die von ihr verneinte fachliche Eignung des Klägers hinaus hat sie zur Widerlegung der Vermutung der Kausalität keine Gründe vorgetragen. Die bessere Eignung von Mitbewerbern schließt eine Benachteiligung nicht aus. Dies folgt schon aus § 15 Abs. 2 S. 2 AGG, wonach selbst dann eine Entschädigung zu leisten ist, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Sind die Chancen eines Bewerbers - wie hier - bereits durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt worden, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Schwerbehinderung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat (vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -).
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Dass der Personalrat im Rahmen des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens entgegen der Annahme des Klägers, der sich ausschließlich auf die unterlassene Beteiligung des früheren Personalratsvorsitzenden beruft und damit keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX darlegt, wohl ordnungsgemäß beteiligt wurde, ändert damit an der aus der Verletzung der Pflichten aus § 82 Satz 1 und 2 SGB IX resultierenden Benachteiligung des Klägers nichts.
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Den Einwand des Rechtsmissbrauchs hat die Beklagte nicht erhoben. Für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gibt es auch keine Hinweise, insbesondere lässt eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen allein nicht darauf schließen, der Bewerber sei nicht ernsthaft interessiert und der Umstand, dass der Kläger in einer Vielzahl von Fällen gegenüber öffentlichen Arbeitgebern Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung geltend gemacht hat, stellt kein ausreichendes Indiz für eine nicht ernsthafte, rechtsmissbräuchliche Bewerbung dar (VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -, m. w. N.; VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -).
32 
Der Entschädigungsanspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger nicht um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht hat, der Beklagten die anderweitige Vergabe der Stelle vorläufig zu untersagen und ihr aufzugeben, ihm ein Vorstellungsgespräch zu gewähren. Der Entschädigungsanspruch ist ein verschuldensunabhängiger Anspruch, der grundsätzlich mit der Benachteiligungshandlung entsteht und für den das AGG weder eine Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB anordnet noch sonst dem Benachteiligten als Entschädigungsvoraussetzung eine Schadensminderungs- oder Abwendungspflicht auferlegt (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
33 
Dem Erfolg der Klage steht schließlich nicht entgegen, dass eine Ausschlussfrist missachtet worden wäre. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG muss nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.06.2013 hinsichtlich der ausgeschriebenen Stelle abgesagt hatte, machte der Kläger mit Schreiben vom 13.08.2013 Entschädigungsansprüche geltend. Damit hat er die Frist des § 15 Abs. 4 AGG eingehalten.
34 
Darüber hinaus existieren - entgegen der Auffassung der Beklagten - für den vorliegenden Anspruch keine Ausschlussfristen. So handelt sich um eine allgemeine Leistungsklage, für die in der VwGO keine Klagefrist vorgesehen ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten beruft sich allerdings auf § 61b Abs. 1 ArbGG, wonach eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden muss. Ob es sich bei der in § 61b Abs. 1 ArbGG vorgesehenen Frist um eine materielle Ausschlussfrist (BAG, Urteil v. 26.09.2013 - 8 AZR 650/12 -, NJW 2014, 1612-1615; Walker, in: Schwab/Weth, Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Auflage 2015, § 61b Rn. 9, jeweils m. w. N.) oder um eine (prozessuale) Klagefrist (vgl. BAG, Urteil v. 26.06.2014 - 8 AZR 547/13 -; BAG, Urteil v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 -, BAGE 148, 158-167; BR-Drs. 329/06, S. 27 = BT-Drs. 16/1780, S. 27) handelt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn unabhängig davon findet § 61b Abs. 1 ArbGG in Verwaltungsprozessen keine, auch keine entsprechende Anwendung. Zunächst befindet sich die Vorschrift innerhalb des Dritten Teils des Arbeitsgerichtsgesetzes („Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen“). Zudem ist in § 61b Abs. 2 ArbGG, also in unmittelbarem Zusammenhang, eine besondere Regelung über die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes enthalten. Mithin zeigt sowohl die Formulierung des § 61b Abs. 2 ArbGG als auch der systematische Standort des § 61b ArbGG, dass die Vorschrift ausschließlich für das arbeitsgerichtliche Verfahren gilt.
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Auch für eine entsprechende Anwendung des § 61b ArbGG im Verwaltungsprozess gibt es keine Hinweise. Insbesondere lässt sich aus der Begründung des Entwurfs des Gesetzes, mit dem § 61b Abs. 1 ArbGG seine heutige Fassung erhalten hat, eine solche entsprechende Anwendung nicht herleiten. Zwar wird zu dem neu eingefügten Verweis auf § 15 AGG ausgeführt, die Klagefrist sei „damit in allen Fällen einer Klage auf Entschädigung einzuhalten“ (BR-Drs. 329/06, S. 27 = BT-Drs. 16/1780, S. 27). Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass damit auch verwaltungsprozessuale Klagen erfasst werden sollten. Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Änderung des § 61b Abs. 1 ArbGG auch § 61b Abs. 2 ArbGG geändert, der wie erwähnt die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts regelt. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des § 61b Abs. 1 ArbGG allein das arbeitsgerichtliche Verfahren im Blick hatte. Hätte er eine zumindest entsprechende Anwendung auch im Verwaltungsprozess beabsichtigt, hätte zudem eine systematische Verankerung entweder in der VwGO oder in einem prozessordnungsübergreifend geltenden Gesetz wie dem AGG nahe gelegen. Angesichts des mit einer Ausschlussfrist verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wäre eine solche gesetzliche Grundlage auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verlangen und ihr Fehlen steht einer entsprechenden Anwendung des § 61b ArbGG im Verwaltungsprozess entgegen. Hinzuweisen bleibt noch darauf, dass § 61b ArbGG ausweislich der bislang veröffentlichten Entscheidungen soweit ersichtlich ausschließlich von Arbeitsgerichten angewendet worden ist.
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Da davon ausgehend über die vom Kläger eingehaltene Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG hinaus keine Ausschlussfrist einzuhalten war, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Vorgehen der Beklagten bzw. ihres Verfahrensbevollmächtigten, auf die mit Schreiben vom 13.08.2013 erhobene Entschädigungsforderung des Klägers hin eine Stellungnahme anzukündigen, diese aber nicht abzugeben und sich sodann auf den Ablauf der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG zu berufen, rechtsmissbräuchlich gewesen wäre.
37 
Für die Höhe der dem Kläger zustehenden angemessenen Entschädigung ist die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG bestimmte Obergrenze maßgebend. Das erkennende Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger auch bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Bewerberauswahlverfahrens von der Beklagten nicht eingestellt worden wäre (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -). Innerhalb des danach geltenden Rahmens von drei Bruttomonatsverdiensten richtet sich die Festsetzung der angemessenen Entschädigung nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und der Beweggrund des Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung (VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -, m. w. N.). Davon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass die Angabe der Beklagten, die Vorschriften des SGB IX seien zum Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers nicht bekannt gewesen, angesichts der Vielzahl seiner Bewerbungen und Klageverfahren nicht zweifelsfrei erscheint. Dies kann allerdings dahinstehen, denn ein etwaiger Rechtsirrtum wirkte sich nicht zugunsten der Beklagten aus. Vielmehr besteht die Verpflichtung, sich ggf. über bestehende Vorschriften zum Schutz Behinderter zu informieren. Darüber hinaus zeigt die Äußerung des Bürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er hätte den Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn ihm die Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX bekannt gewesen wäre, dass dieser einen Verstoß gegen das Schwerbehindertenrecht bewusst in Kauf genommen hätte. Ob dieser Fall einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gleichzustellen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn jedenfalls belegt die Äußerung eine sich von einfacher Fahrlässigkeit unterscheidende, besondere Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen und Rechten Behinderter in diesem konkreten Einzelfall des Klägers. Ferner kann eine höhere Entschädigung geboten sein, wenn der Betroffene aus mehreren Gründen unzulässig benachteiligt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Dies ist vorliegend der Fall, denn die Beklagte hat zudem gegen die Pflicht zur Einschaltung der Agentur für Arbeit verstoßen. Nach alledem hält das Gericht hier eine Entschädigung in Höhe drei Bruttomonatsgehältern der Besoldungsgruppe A 9 zuzüglich Strukturzulage nach § 46 LBesGBW für angemessen, insgesamt damit also in Höhe von 7.032,93 Euro.
38 
Der Anspruch auf Prozesszinsen ab dem Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit ergibt sich aus § 291 BGB.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 S. 1, 2 ZPO.
40 
Die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

Gründe

 
18 
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung aus § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG in Höhe von drei Monatsgehältern der Besoldungsgruppe A 9 zuzüglich Strukturzulage nach § 46 LBesG BW und Prozesszinsen.
19 
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig; das Entschädigungsbegehren setzt eine vorherige Behördenentscheidung in Form eines Verwaltungsakts nicht voraus. Der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 126 Abs. 3 BRRG, § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG bedarf es nicht, da das die besondere Verfahrensanordnung dieser Vorschriften begründende Dienst- und Treueverhältnis zwischen Beamten und Dienstherrn im vorliegenden Fall nicht gegeben ist und mit der vorliegenden Klage auch nicht angestrebt wird (VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -, VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -, jeweils m. w. N.).
20 
Der auf Zahlung einer Entschädigung gerichtete Klageantrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt. Der Kläger durfte die Höhe der Entschädigung in das Ermessen des Gerichts stellen. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG kann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden. Damit wird dem Gericht über deren Höhe ein Beurteilungsspielraum eingeräumt (vgl. BR-Drs. 329/06, S. 40 = BT-Drs. 16/1780, S. 38). Steht dem Gericht ein Beurteilungsspielraum zu oder hängt die Bestimmung eines Betrags vom billigen Ermessen des Gerichts ab, ist ein unbezifferter Zahlungsantrag zulässig. Der Kläger muss lediglich Tatsachen, die das Gericht bei der Bestimmung des Betrags heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend gemachten Forderung angeben (VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -, m. w. N.).
21 
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG einen Anspruch auf Entschädigung wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist. Die Beklagte hat den Kläger wegen seiner Behinderung (s. zum Begriff der Behinderung BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150) benachteiligt, indem sie ihn nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen hat und zudem die ausgeschriebene Stelle nicht der Agentur für Arbeit gemeldet hat. Zwischen der Benachteiligung und der Behinderung besteht auch ein Kausalzusammenhang, die Klage wurde nicht rechtsmissbräuchlich erhoben, die Verletzung einer Schadensminderungspflicht ist nicht ersichtlich und es wurde keine Ausschlussfrist missachtet. Für eine Diskriminierung (auch) wegen seines Alters hat der Kläger dagegen keine hinreichenden Vermutungstatsachen dargelegt.
22 
Die Beteiligten unterfallen zunächst dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Als Bewerber für ein öffentlich-rechtliches Beschäftigungsverhältnis (als Beamter, s. dazu bereits den Beschluss der Kammer vom 24.08.2015) gilt der Kläger gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG als Beschäftigter im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes; die Beklagte als mögliche (künftige) Dienstherrin ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes (§ 6 Abs. 2 AGG).
23 
Der Kläger ist durch das Vorgehen der Beklagten auch i. S. d. § 7 AGG benachteiligt worden. Benachteiligung im Sinne des Benachteiligungsverbots des § 7 AGG ist jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; nicht erforderlich ist, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 (AGG) genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die unmittelbare Benachteiligung kann auch in einem Unterlassen liegen (vgl. BR-Drs. 329/06, S. 33 = BT-Drs. 16/1780 S. 32). Eine unmittelbare Benachteiligung durch Unterlassen ist insbesondere gegeben, wenn ein (künftiger) Arbeitgeber einer gesetzlich auferlegten Handlungspflicht nicht nachkommt, durch die im Sinne des § 5 AGG eine bisher in Beschäftigung und Beruf benachteiligte Gruppe gezielt gefördert werden soll. Die Benachteiligung liegt dabei in der Vorenthaltung eines gesetzlich eingeräumten Vorteils, dessen Ziel es ist, bestehende Nachteile zu beseitigen oder zu verhindern. Die betreffende Person wird weniger günstig behandelt, als es das Gesetz zur Herstellung gleicher Chancen für erforderlich hält. Eine gesetzliche positive Maßnahme im Sinne von § 5 AGG ist angesichts ihres drittschützenden Charakters nicht neutral, sodass die in den Schutzbereich der betreffenden Vorschrift fallenden Personen im Falle ihres Unterlassens unmittelbar benachteiligt werden. Für die gegenüber anderen weniger günstige Behandlung als solche trägt die Beschäftigte oder der Beschäftigte mangels einer abweichenden Regelung nach den allgemeinen Grundsätzen die Beweislast. § 22 AGG greift insoweit nicht ein (vgl. BR-Drs. 329/06, S. 51 = BT-Drs. 16/1780 S. 47, s. zum Ganzen BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
24 
Die nach § 7 Abs. 1 AGG erforderliche Benachteiligung des Klägers liegt davon ausgehend darin, dass ihm die Beklagte die in § 82 Satz 2 SGB IX angeordnete Besserstellung gegenüber nicht schwerbehinderten Bewerberinnen und Bewerbern durch Einladung zu einem Vorstellungsgespräch vorenthalten hat, obwohl ihm im Sinne von § 82 Satz 3 SGB IX die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlte. Ob die fachliche Eignung i. S. d. § 82 Satz 3 SGB offensichtlich fehlt, ist anhand eines Vergleichs zwischen dem Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle und dem Leistungsprofil der Bewerberin oder des Bewerbers zu ermitteln (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Dabei sind die konstitutiven Elemente des Anforderungsprofils besonders zu berücksichtigen. Als „konstitutiv“ einzustufen sind diejenigen Merkmale des Anforderungsprofils, die zwingend vorgegeben und anhand objektiv überprüfbarer Kriterien, also insbesondere ohne Rücksichtnahme auf Wertungsspielräume des Dienstherrn, als tatsächlich gegeben letztlich eindeutig und unschwer festzustellen sind. Demgegenüber kennzeichnet das „beschreibende“, nicht konstitutive Anforderungsprofil solche Qualifikationsmerkmale, die entweder ausdrücklich nicht zwingend vorliegen müssen oder die schon von ihrer Art her nicht allein anhand objektiv überprüfbarer Fakten - bejahend oder verneinend - festgestellt werden können (VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; vgl. auch VGH BaWü, Beschluss v. 07.12.2010 - 4 S 2057/10 -, NVwZ-RR 2011, 193-194). Der Ausschreibungstext verlangt von den Bewerbern für die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle ein abgeschlossenes Studium zum Diplom-Verwaltungswirt (FH) oder eine vergleichbare berufliche Qualifikation. Der Kläger hat sein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung erfolgreich abgeschlossen, so dass er die nach dem Anforderungsprofil insoweit notwendige Qualifikation besitzt, denn ein bestimmtes Examensergebnis oder eine darüber hinausgehende besondere Ausbildung wurde nicht verlangt (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -). Weitere konstitutive Merkmale des Anforderungsprofils sind nicht ersichtlich, zumal die im Ausschreibungstext erwähnte Berufserfahrung im kommunalen Haushaltswesen ausdrücklich als „wünschenswert“ bezeichnet wird und die guten Kenntnisse in MS-Office-Produkten und KIRP-Kenntnisse danach „von Vorteil“ wären. Daher ergibt sich aus den Bewerbungsunterlagen nicht, dass der Kläger offensichtlich für die ausgeschriebene Stelle fachlich ungeeignet ist (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; zum nicht durchgreifenden Argument eines unsteten Lebenslaufes, das die Beklagte allerdings ohnehin nicht vorgebracht hat, im Fall der Schwerbehinderung vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -).
25 
Der damit dargelegten Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht entgegenhalten, mit der Nichteinladung sei dem Kläger nur ein „Chancenvorteil“ genommen worden. Dem gerade in der Vorenthaltung dieses gesetzlich eingeräumten Chancenvorteils liegt die weniger günstige Behandlung (Benachteiligung, Diskriminierung), deren Verhinderung bzw. Beseitigung nach § 1 AGG Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
26 
Zwischen der Behinderung des Klägers und seiner Benachteiligung in Gestalt der unterlassenen Einladung zu einem Vorstellungsgespräch besteht weiter ein Kausalzusammenhang. § 22 AGG senkt insoweit das Beweismaß. Gemäß § 22 AGG muss die Beschäftigte oder der Beschäftigte Indizien (sog. Vermutungstatsachen) vortragen und beweisen, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Es genügt die Überzeugung des Gerichts von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit für die Kausalität zwischen Grund und Nachteil (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Die Vorenthaltung des erwähnten gesetzlich eingeräumten Chancenvorteils hat eine doppelte Bedeutung. In ihr liegt einerseits die weniger günstige Behandlung (Benachteiligung, Diskriminierung), andererseits ist sie Vermutungstatsache für die Kausalität. Die Indizwirkung ergibt sich daraus, dass der in Bezug auf das Bewerbungsverfahren gesetzlich eingeräumte Chancenvorteil seine entscheidende Rechtfertigung in der Schwerbehinderung oder einer ihr gleichgestellten Behinderung findet. Wird der oder dem Beschäftigten die gerade wegen einer Behinderung zu gewährende verfahrensrechtliche Besserstellung pflichtwidrig vorenthalten, spricht zumindest der erste Anschein dafür, dass dieses Verhalten des öffentlichen Arbeitgebers gleichfalls seinen Grund in der Behinderung hat. Andernfalls würde der durch besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu gewährende Schutz vor einer Benachteiligung weitgehend leerlaufen (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150, m. w. N.). Im Falle der vermuteten Kausalität trägt der Arbeitgeber die volle Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Hierfür muss er Tatsachen darlegen und beweisen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 AGG genannten Gründe sein benachteiligendes Verhalten tatsächlich weder als negatives noch als positives Kriterium allein oder neben anderen Gründen (mit)beeinflusst haben (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150, m. w. N.).
27 
Die durch die Vorenthaltung des in § 82 Satz 2 SGB IX eingeräumten Chancenvorteils vermutete Kausalität kann nicht mit dem Hinweis darauf widerlegt werden, dass das Ergebnis des Bewerbungsverfahrens, d.h. die Auswahlentscheidung und die daraufhin erfolgte Einstellung, unter dem Aspekt der fachlichen Eignung rechtlich nicht zu beanstanden sind. Für den nach § 22 AGG möglichen Nachweis, dass für die Nichteinladung einer Bewerberin oder eines Bewerbers entgegen § 82 Satz 2 SGB IX ausschließlich andere Gründe als die Behinderung erheblich waren, können nur solche Gründe herangezogen werden, die nicht die fachliche Eignung betreffen. Hierfür enthält die in § 82 Satz 3 SGB IX geregelte Ausnahme mit dem Erfordernis der „offensichtlichen“ Nichteignung eine abschließende Regelung. Die Widerlegung der infolge der Verletzung des § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität setzt daher den Nachweis voraus, dass die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung der Bewerberin oder des Bewerbers berühren (s. zum Ganzen BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
28 
Vorliegend hat die Beklagte sich ausschließlich darauf berufen, dass der Kläger, auch wenn er zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden wäre, nicht eingestellt worden wäre, da der eingestellte Bewerber besser qualifiziert sei. Damit werden zur Widerlegung der aufgrund des Verstoßes gegen § 82 Satz 2 SGB IX vermuteten Kausalität zwischen der Behinderung und der Benachteiligung ausschließlich Gründe genannt, die sich auf die fachliche Eignung des Klägers im Verhältnis zu derjenigen des eingestellten Bewerbers beziehen. Die Beklagte hat damit nicht nachgewiesen, dass die Einladung des Klägers zu einem Vorstellungsgespräch aufgrund von Umständen unterblieben ist, die weder einen Bezug zur Behinderung aufweisen noch die fachliche Eignung des Klägers betreffen. Im Gegenteil hat der Bürgermeister der Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich angegeben, er hätte den Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn ihm die Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX bekannt gewesen wäre, denn der Kläger „wäre ohnehin nicht zum Zuge gekommen“. Damit konnte die Beklagte die Vermutung der Kausalität nicht widerlegen.
29 
Zusätzlich ergibt sich eine Benachteiligung des Klägers durch die Beklagte daraus, dass die Beklagte die ausgeschriebene Stelle entgegen § 82 Satz 1 AGG nicht der Agentur für Arbeit gemeldet hat (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150; VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -). Die auch insoweit aufgrund des § 22 AGG eingreifende Vermutung eines Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und der Benachteiligung konnte die Beklagte ebenfalls nicht widerlegen, denn über die von ihr verneinte fachliche Eignung des Klägers hinaus hat sie zur Widerlegung der Vermutung der Kausalität keine Gründe vorgetragen. Die bessere Eignung von Mitbewerbern schließt eine Benachteiligung nicht aus. Dies folgt schon aus § 15 Abs. 2 S. 2 AGG, wonach selbst dann eine Entschädigung zu leisten ist, wenn der schwerbehinderte Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre. Sind die Chancen eines Bewerbers - wie hier - bereits durch ein diskriminierendes Verfahren beeinträchtigt worden, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Schwerbehinderung bei der abschließenden Einstellungsentscheidung noch eine nachweisbare Rolle gespielt hat (vgl. VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -).
30 
Dass der Personalrat im Rahmen des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens entgegen der Annahme des Klägers, der sich ausschließlich auf die unterlassene Beteiligung des früheren Personalratsvorsitzenden beruft und damit keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen § 81 Abs. 1 Satz 4 SGB IX darlegt, wohl ordnungsgemäß beteiligt wurde, ändert damit an der aus der Verletzung der Pflichten aus § 82 Satz 1 und 2 SGB IX resultierenden Benachteiligung des Klägers nichts.
31 
Den Einwand des Rechtsmissbrauchs hat die Beklagte nicht erhoben. Für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten gibt es auch keine Hinweise, insbesondere lässt eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen allein nicht darauf schließen, der Bewerber sei nicht ernsthaft interessiert und der Umstand, dass der Kläger in einer Vielzahl von Fällen gegenüber öffentlichen Arbeitgebern Entschädigungsansprüche wegen Diskriminierung geltend gemacht hat, stellt kein ausreichendes Indiz für eine nicht ernsthafte, rechtsmissbräuchliche Bewerbung dar (VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -, m. w. N.; VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -).
32 
Der Entschädigungsanspruch wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger nicht um vorläufigen Rechtsschutz mit dem Ziel nachgesucht hat, der Beklagten die anderweitige Vergabe der Stelle vorläufig zu untersagen und ihr aufzugeben, ihm ein Vorstellungsgespräch zu gewähren. Der Entschädigungsanspruch ist ein verschuldensunabhängiger Anspruch, der grundsätzlich mit der Benachteiligungshandlung entsteht und für den das AGG weder eine Anwendung des § 839 Abs. 3 BGB anordnet noch sonst dem Benachteiligten als Entschädigungsvoraussetzung eine Schadensminderungs- oder Abwendungspflicht auferlegt (BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150).
33 
Dem Erfolg der Klage steht schließlich nicht entgegen, dass eine Ausschlussfrist missachtet worden wäre. Ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG muss nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Nachdem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 27.06.2013 hinsichtlich der ausgeschriebenen Stelle abgesagt hatte, machte der Kläger mit Schreiben vom 13.08.2013 Entschädigungsansprüche geltend. Damit hat er die Frist des § 15 Abs. 4 AGG eingehalten.
34 
Darüber hinaus existieren - entgegen der Auffassung der Beklagten - für den vorliegenden Anspruch keine Ausschlussfristen. So handelt sich um eine allgemeine Leistungsklage, für die in der VwGO keine Klagefrist vorgesehen ist. Der Verfahrensbevollmächtigte der Beklagten beruft sich allerdings auf § 61b Abs. 1 ArbGG, wonach eine Klage auf Entschädigung nach § 15 AGG innerhalb von drei Monaten, nachdem der Anspruch schriftlich geltend gemacht worden ist, erhoben werden muss. Ob es sich bei der in § 61b Abs. 1 ArbGG vorgesehenen Frist um eine materielle Ausschlussfrist (BAG, Urteil v. 26.09.2013 - 8 AZR 650/12 -, NJW 2014, 1612-1615; Walker, in: Schwab/Weth, Arbeitsgerichtsgesetz, 4. Auflage 2015, § 61b Rn. 9, jeweils m. w. N.) oder um eine (prozessuale) Klagefrist (vgl. BAG, Urteil v. 26.06.2014 - 8 AZR 547/13 -; BAG, Urteil v. 22.05.2014 - 8 AZR 662/13 -, BAGE 148, 158-167; BR-Drs. 329/06, S. 27 = BT-Drs. 16/1780, S. 27) handelt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn unabhängig davon findet § 61b Abs. 1 ArbGG in Verwaltungsprozessen keine, auch keine entsprechende Anwendung. Zunächst befindet sich die Vorschrift innerhalb des Dritten Teils des Arbeitsgerichtsgesetzes („Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen“). Zudem ist in § 61b Abs. 2 ArbGG, also in unmittelbarem Zusammenhang, eine besondere Regelung über die Zuständigkeit des Arbeitsgerichtes enthalten. Mithin zeigt sowohl die Formulierung des § 61b Abs. 2 ArbGG als auch der systematische Standort des § 61b ArbGG, dass die Vorschrift ausschließlich für das arbeitsgerichtliche Verfahren gilt.
35 
Auch für eine entsprechende Anwendung des § 61b ArbGG im Verwaltungsprozess gibt es keine Hinweise. Insbesondere lässt sich aus der Begründung des Entwurfs des Gesetzes, mit dem § 61b Abs. 1 ArbGG seine heutige Fassung erhalten hat, eine solche entsprechende Anwendung nicht herleiten. Zwar wird zu dem neu eingefügten Verweis auf § 15 AGG ausgeführt, die Klagefrist sei „damit in allen Fällen einer Klage auf Entschädigung einzuhalten“ (BR-Drs. 329/06, S. 27 = BT-Drs. 16/1780, S. 27). Es gibt aber keinen Hinweis darauf, dass damit auch verwaltungsprozessuale Klagen erfasst werden sollten. Der Gesetzgeber hat im Zusammenhang mit der Änderung des § 61b Abs. 1 ArbGG auch § 61b Abs. 2 ArbGG geändert, der wie erwähnt die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts regelt. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber bei der Änderung des § 61b Abs. 1 ArbGG allein das arbeitsgerichtliche Verfahren im Blick hatte. Hätte er eine zumindest entsprechende Anwendung auch im Verwaltungsprozess beabsichtigt, hätte zudem eine systematische Verankerung entweder in der VwGO oder in einem prozessordnungsübergreifend geltenden Gesetz wie dem AGG nahe gelegen. Angesichts des mit einer Ausschlussfrist verbundenen Eingriffs in das Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wäre eine solche gesetzliche Grundlage auch aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verlangen und ihr Fehlen steht einer entsprechenden Anwendung des § 61b ArbGG im Verwaltungsprozess entgegen. Hinzuweisen bleibt noch darauf, dass § 61b ArbGG ausweislich der bislang veröffentlichten Entscheidungen soweit ersichtlich ausschließlich von Arbeitsgerichten angewendet worden ist.
36 
Da davon ausgehend über die vom Kläger eingehaltene Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG hinaus keine Ausschlussfrist einzuhalten war, bedarf es keiner Entscheidung, ob das Vorgehen der Beklagten bzw. ihres Verfahrensbevollmächtigten, auf die mit Schreiben vom 13.08.2013 erhobene Entschädigungsforderung des Klägers hin eine Stellungnahme anzukündigen, diese aber nicht abzugeben und sich sodann auf den Ablauf der Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG zu berufen, rechtsmissbräuchlich gewesen wäre.
37 
Für die Höhe der dem Kläger zustehenden angemessenen Entschädigung ist die in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG bestimmte Obergrenze maßgebend. Das erkennende Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger auch bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Bewerberauswahlverfahrens von der Beklagten nicht eingestellt worden wäre (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil v. 08.02.2013 - 8 K 1153/12 -; VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -). Innerhalb des danach geltenden Rahmens von drei Bruttomonatsverdiensten richtet sich die Festsetzung der angemessenen Entschädigung nach den Umständen des Einzelfalls. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art und Schwere der Benachteiligung, die Folgen für den Kläger hinsichtlich seines Persönlichkeitsrechts, der Grad der Verantwortlichkeit der Beklagten, der Anlass und der Beweggrund des Handelns der Beklagten, der Sanktionszweck und die damit verbundene abschreckende Wirkung (VG Stuttgart, Urteil v. 17.09.2013 - 3 K 1995/13 -, m. w. N.). Davon ausgehend ist zu berücksichtigen, dass die Angabe der Beklagten, die Vorschriften des SGB IX seien zum Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers nicht bekannt gewesen, angesichts der Vielzahl seiner Bewerbungen und Klageverfahren nicht zweifelsfrei erscheint. Dies kann allerdings dahinstehen, denn ein etwaiger Rechtsirrtum wirkte sich nicht zugunsten der Beklagten aus. Vielmehr besteht die Verpflichtung, sich ggf. über bestehende Vorschriften zum Schutz Behinderter zu informieren. Darüber hinaus zeigt die Äußerung des Bürgermeisters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er hätte den Kläger zum damaligen Zeitpunkt auch dann nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, wenn ihm die Verpflichtung aus § 82 Satz 2 SGB IX bekannt gewesen wäre, dass dieser einen Verstoß gegen das Schwerbehindertenrecht bewusst in Kauf genommen hätte. Ob dieser Fall einem vorsätzlichen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Einladung zu einem Vorstellungsgespräch gleichzustellen ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, denn jedenfalls belegt die Äußerung eine sich von einfacher Fahrlässigkeit unterscheidende, besondere Gleichgültigkeit gegenüber den Belangen und Rechten Behinderter in diesem konkreten Einzelfall des Klägers. Ferner kann eine höhere Entschädigung geboten sein, wenn der Betroffene aus mehreren Gründen unzulässig benachteiligt wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 03.03.2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135-150). Dies ist vorliegend der Fall, denn die Beklagte hat zudem gegen die Pflicht zur Einschaltung der Agentur für Arbeit verstoßen. Nach alledem hält das Gericht hier eine Entschädigung in Höhe drei Bruttomonatsgehältern der Besoldungsgruppe A 9 zuzüglich Strukturzulage nach § 46 LBesGBW für angemessen, insgesamt damit also in Höhe von 7.032,93 Euro.
38 
Der Anspruch auf Prozesszinsen ab dem Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit ergibt sich aus § 291 BGB.
39 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 S. 1, 2 ZPO.
40 
Die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO für die Zulassung der Berufung liegen nicht vor.

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