Beschluss vom Verwaltungsgericht Stuttgart - PL 22 K 3164/14

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe

 
Gemäß §§ 86 Abs. 2 LPVG, 85 Abs. 2 ArbGG, 937 Abs. 2 und 944 ZPO entscheidet wegen der Dringlichkeit des Antrags der Vorsitzende ohne mündliche Anhörung.
Nach den gemäß §§ 86 Abs. 2 LPVG und 85 Abs. 2 Satz 1 ArbGG entsprechend anwendbaren Vorschriften des 8. Buchs der Zivilprozessordnung kann auch im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren eine einstweilige Verfügung erlassen werden, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts eines Beteiligten vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO), oder wenn die Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 940 ZPO).
Voraussetzung ist allerdings, dass die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte gegeben ist. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, in dem die Auslegung des Rechts einer Religionsgemeinschaft streitig ist.
Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG eröffnet den Zugang zu den staatlichen Gerichten nur gegen Akte der öffentlichen Gewalt. Akte der öffentlichen Gewalt im Sinne dieser Bestimmung sind aber lediglich Maßnahmen grundrechtsverpflichteter Staatsfunktionen, mithin alle Staatsgewalt. Danach üben Religionsgesellschaften keine öffentliche Gewalt i.S.d. Art. 19 Abs. 4 GG aus. Auch die Zuerkennung des Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV ändert nichts daran, dass es sich bei kirchlichen Maßnahmen nicht um Akte staatlicher Gewalt handelt vgl. (BVerfG, Kammerbeschluss vom 09.12.2008 - 2 BvR 717/08 - NJW 2009, 1195; BVerwG, Urteil vom 27. 02.2014 - 2 C 19/12 -, juris)
Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten ist aber auch in Streitigkeiten zwischen Mitarbeitern und ihrer Religionsgemeinschaft bzw. deren Organen aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten staatlichen Justizgewährungsanspruchs (Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG) eröffnet, wenn und insoweit die Verletzung staatlichen Rechts geltend gemacht wird. Das verfassungsrechtlich geschützte Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften gemäß Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV schließt insoweit nicht bereits den Zugang zu den staatlichen Gerichten aus, sondern bestimmt Umfang und Intensität der Prüfung des Aktes der Religionsgesellschaft durch das staatliche Gericht Das staatliche Gericht ist dabei aber auf die Prüfung beschränkt, ob der Betroffene durch eine Maßnahme seiner Religionsgesellschaft in einer subjektiven Rechtsposition verletzt ist, die ihm das staatliche Recht verleiht. Dies ist der Fall, wenn kirchliches Recht oder dessen fallbezogene Anwendung gegen eine staatliche Rechtsposition verstößt, die auch von der Religionsgesellschaft zu beachten ist. Die staatlichen Gerichte haben bei dieser Prüfung von demjenigen Verständnis des kirchlichen Rechts auszugehen, das die zuständigen kirchlichen Organe, insbesondere die kirchlichen Gerichte, vertreten. Die staatlichen Gerichte sind nur dann befugt, das autonom gesetzte Recht der Religionsgesellschaft auszulegen und anzuwenden, wenn und soweit die Religionsgesellschaft selbst diese Möglichkeit eröffnet (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. 02.2014 - 2 C 19/12 -, juris).
Nach dem Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder finden die Personalvertretungsgesetze keine Anwendung auf Religionsgemeinschaften und ihre karitativen und erzieherischen Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Den Religionsgemeinschaften bleibt die selbständige Ordnung eines Personalvertretungsrechtes überlassen (vgl. § 112 BPersVG, § 107 a LPVG). Bei Streitigkeiten, bei denen es ausschließlich um die Anwendung von Personalvertretungsrecht der Religionsgemeinschaften geht, ist die Zuständigkeit staatlicher Gerichte deshalb grundsätzlich ausgeschlossen, da insoweit keine staatlichen Rechtspositionen tangiert sind, die auch von den Religionsgesellschaften zu beachten sind. In diesem Bereich sind allein die Religionsgemeinschaften zur Rechtsetzung und zur Kontrolle des von ihnen gesetzten Rechtes befugt. Die Befugnis zur Rechtsetzung folgt dabei unmittelbar aus der verfassungsrechtlich garantierten Autonomie der Religionsgemeinschaften gem. Art. 140 GG, 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung. Diese Rechtsetzungsbefugnis umfasst auch die Kompetenz zur Rechtskontrolle in eigener Verantwortung. Ob und in welchem Umfang die Religionsgemeinschaften von ihrer verfassungsmäßig garantierten Befugnis zur Rechtsetzung und Rechtskontrolle Gebrauch machen, unterliegt aufgrund des Vorbehaltes in Art. 137 Abs. 3 Weimarer Reichsverfassung der staatlichen Überprüfung nur insoweit, als ein für alle geltendes Gesetz verletzt ist. Für den Bereich des Personalvertretungsrechtes besteht aber nach den das verfassungsrechtliche Gebot aus Art. 140 GG, 137 Abs. 3 WRV konkretisierenden (vgl. BVerfG, Beschluß vom 11.10.1977 - 2 BvR 209/76, BVerfGE 46, 73 ff, 95) Ausnahmeregelungen der §§ 112 BPersVG, 107 a LPVG gerade kein schrankenziehendes Gesetz, dessen Einhaltung von staatlichen Gerichten zu kontrollieren wäre (vgl. OVG Schleswig, Beschluss vom 12. April 1996 - 12 L 7/95 -, PersR 1996, 293 = juris; GKÖD Bd. V, § 112 BPersVG Rn. 20).
Die weitere Beteiligte zu 2 hat auch nicht selbst die staatlichen Gerichte dazu befugt, das von ihr autonom gesetzte Recht auszulegen und anzuwenden. Nach dem Vortrag der Beteiligten hat die weitere Beteiligte zu 2 zwar die Einrichtung einer Mitarbeitervertretung „in Anlehnung an das Landespersonalvertretungsgesetz“ beschlossen. Die Übernahme der Regelungen über die Durchführung des verwaltungsgerichtlichen Beschlussverfahrens nach § 86 LPVG und damit die Begründung der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ist hiermit aber nicht verbunden. Dies hätte einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Dass eine solche Regelung besteht, behauptet die Antragstellerin selbst nicht. Die weitere Beteiligte zu 2 geht bei Streitigkeiten im Bereich der Mitarbeitervertretung von der Zuständigkeit des beim Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R. durch Satzung eingerichteten „Schieds- und Verwaltungsgerichts“ aus. Ob dies zutrifft und deshalb allenfalls eine subsidiäre Anrufung staatlicher Gerichte in Betracht käme (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. 02.2014 - 2 C 19/12 -, juris), kann offen bleiben, denn es fehlt bereits an einer grundsätzlichen Eröffnung des Rechtsschutzes vor staatlichen Gerichten durch die weitere Beteiligten zu 2.
Die in § 86 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LPVG geregelte Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Streitigkeiten im Rahmen der Wahl von Personalvertretungen findet somit für den Bereich der Personalvertretung bei der Israelischen Religionsgemeinschaft Württembergs keine Anwendung. Der Antrag ist deshalb unzulässig.
Eine Kostenentscheidung ist im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren nicht zu treffen.

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