Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (1. Kammer) - 1 K 175/12.TR

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger verlangt die Vergütung von erbrachter Zuvielarbeit.

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Der am ... 1952 geborene Kläger stand als Polizeihauptkommissar der Besoldungsgruppe A 11 im Dienst des Beklagten und wurde zum 1. November 2010 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Zuvor war er seit dem 1. April 2009 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt. Bis zu seiner Erkrankung verrichtete er Dienst als Leiter der Diensthundegruppe der Polizeidirektion ... Im Zeitpunkt des Krankheitsbeginns wies sein Arbeitszeitkonto 341 Mehrarbeitsstunden der Kategorie MAU („unbezahlbare Mehrarbeit“) auf.

3

Der Bestand solcher „MAU-Stunden“ auf dem Konto des Klägers belief sich im Januar 2007 auf 679:30 Stunden, im Januar 2008 auf 709:30 Stunden und im Januar 2009 auf 578:30. Im Jahr 2009 leistete der Kläger keine Mehrarbeitsstunden, baute aber 222 Stunden ab.

4

Am 14. Oktober 2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Vergütung dieser Mehrarbeitsstunden, da er aufgrund der zu erwartenden Ruhestandsversetzung keinen Freizeitausgleich dafür in Anspruch nehmen könne.

5

Mit Schreiben vom 20. Dezember 2010 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich für Mehrarbeitsstunden nicht bestehe. Diese verfielen, sofern ein Freizeitausgleich nicht mehr möglich sei.

6

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch vom 23. Dezember 2010, den er inhaltlich nicht näher begründete.

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Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 2. Februar 2012 zurück. Zur Begründung führte er aus, dass eine finanzielle Vergütung für Mehrarbeit nur möglich sei, wenn Mehrarbeit für mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus dienstlich angeordnet und genehmigt worden sei und die Mehrarbeitsstunden aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Freizeitausgleich abgegolten werden könnten. Der Kläger habe vor seiner Erkrankung keinen Antrag auf Freizeitausgleich gestellt, der aus dienstlichen Gründen abgelehnt worden sei. Vielmehr sei er wegen seiner Erkrankung und damit aus persönlichen Gründen vor seiner Ruhestandsversetzung nicht mehr in der Lage gewesen, Freizeitausgleich in Anspruch zu nehmen. Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung nach § 80 Abs. 2 Satz 3 Landesbeamtengesetz seien daher nicht erfüllt. Darüber hinaus habe der Kläger, selbst wenn er im Dienst geblieben wäre, keinen Mehrarbeitsvergütungsanspruch geltend machen können. Die von ihm geleistete Mehrarbeit falle nämlich nicht unter die laut Schreiben des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur vom 12. März 1998 vergütungsfähigen Mehrarbeitsstunden. Auch die darüber hinaus beim Polizeipräsidium ... angewandte und im Wege der Mitarbeiterinformation am 21. Oktober 2010 bekannt gemachte Regel, wonach Mehrarbeitsstunden vergütet werden könnten, wenn in einem mehr als achtzehn Monate zurück liegenden Zeitraum mehr als 400 Überstunden entstanden seien und am Ende eines Haushaltsjahres entsprechende Überschüsse zur Verfügung stünden, finde keine Anwendung, da der Kläger über weniger als 400 Mehrarbeitsstunden verfüge. Auch sei Ziel der Vergütungsregelungen die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Behörde, da Freizeitausgleich in solcher Größenordnung dienstlich nicht möglich sei. Dieses Ziel könne gegenüber einem Ruhestandsbeamten ohnehin nicht mehr erreicht werden.

8

Der Kläger hat am 23. Februar 2012 Klage erhoben. § 80 Abs. 2 Landesbeamtengesetz sehe keine weiteren Voraussetzungen für die Gewährung eines Ausgleichs in Geld vor, als dass innerhalb eines Jahres die dienstlich angeordnete Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht in Freizeit habe ausgeglichen werden können. Vorliegend müsse dabei auch der Grundsatz von Treu und Glauben berücksichtigt werden. Aus der regelmäßigen Verwendung von Haushaltsüberschüssen zur Abgeltung von Mehrarbeit über 400 Stunden, die in einem mehr als 18 Monate zurückliegenden Zeitraum angefallen seien, werde deutlich, dass über einen langen Zeitraum hinweg zwingende dienstliche Gründe dem Freizeitausgleich entgegengestanden hätten. Des Weiteren habe der Dienstherr seine Treuepflicht verletzt, indem er nicht nur in speziellen Ausnahmesituationen, sondern regelmäßig und über einen langen Zeitraum hinweg im Rahmen der Dienstplangestaltung Mehrarbeit angeordnet habe. Überstundenstände von 400 bis 800 Stunden seien in der Diensthundestaffel keine Seltenheit gewesen. Die Behauptung des Beklagten, dass seit 2007 Mehrarbeit nur noch in unbedeutendem Umfang habe geleistet werden müssen, bestreite er. Verjährung sei nicht eingetreten, da davon auszugehen sei, dass im Rahmen des gewährten Freizeitausgleichs stets zunächst der jeweils älteste Mehrarbeitsbestand abgebaut worden sei. Des Weiteren könne Verjährung erst eintreten, wenn ein Anspruch geltend gemacht werden könne, was seine Fälligkeit voraussetze. Da es beim Beklagten aber keine Vorgaben dafür gebe, innerhalb welchen Zeitraums ein bestehendes Arbeitszeitkonto abzurechnen sei, könne maßgeblich nur der Tag des Eintritts der Dienstunfähigkeit sein. Die Weigerung, dem Kläger Mehrarbeitsvergütung zu gewähren, sei schließlich auch europarechtswidrig. Nach der sog. Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG, die auch auf Beamte Anwendung finde, müsse bei Unmöglichkeit der Urlaubsgewährung infolge dauerhafter Dienstunfähigkeit ein finanzieller Ausgleich gewährt werden. Für nicht abgegoltene Mehrarbeit könne nichts anderes gelten.

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Der Kläger beantragt,

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den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 20. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2012 zu verpflichten, ihm für 341 geleistete Mehrarbeitsstunden Mehrarbeitsvergütung auf der Grundlage der Mehrarbeitsvergütungsverordnung zu gewähren.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Ergänzend zu seinen Ausführungen im Widerspruchsverfahren trägt er vor, der Kläger habe in den Jahren 2008 und 2009 in erheblichem Umfang Mehrarbeit durch Freizeitausgleich abgebaut. Dies sei also durchaus möglich gewesen. Der weitere Abbau sei allein an seiner Erkrankung gescheitert. Die verbliebene, nicht abgebaute Mehrarbeit sei im Wesentlichen im Zeitraum vor 2007 entstanden. Diesbezüglich seien etwaige Ansprüche bereits verjährt gewesen, als der Kläger am 14. Oktober 2010 seinen Antrag auf Mehrarbeitsvergütung gestellt habe. Seit dem 1. Januar 2007 habe Mehrarbeit nur noch in unbedeutendem Umfang geleistet werden müssen. Die Behauptung treuwidrigen Verhaltens des Beklagten sei somit nachweislich falsch. Auch ein Verstoß gegen Art. 6 der Richtlinie 2003/88/EG liege nicht vor. Die Auswertung der Dienstpläne des Klägers habe gezeigt, dass er die zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Wochenstunden auch unter Einbeziehung der geleisteten Mehrarbeitsstunden in keinem Fall überschritten habe. Ein qualifizierter Verstoß gegen Europarecht sei somit nicht gegeben.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungs- und Widerspruchsakte des Beklagten (2 Heftungen) verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die Klage bleibt ohne Erfolg. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Vergütung der von ihm über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus geleisteten Stunden nicht zu. Der Bescheid vom 20. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2012 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).

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Zwar ist die Klage als Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 2. Alt. VwGO zulässig. Insbesondere setzt die Gewährung einer Mehrarbeitsvergütung den Erlass eines Verwaltungsakts im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – voraus.

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Sie ist jedoch unbegründet. Rechtsgrundlage für die begehrte Mehrarbeitsvergütung ist zunächst § 80 Abs. 2 Landesbeamtengesetz – LBG – i. V. m. §§ 92 LBG, 48 Abs. 1 Bundesbesoldungsgesetz – BBesG – und den Regelungen der Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte – MVergV – i. d. F. der Bekanntmachung vom 4. November 2009 (BGBl. I, S. 3701). Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 LBG ist der Beamte grundsätzlich verpflichtet, ohne Vergütung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Ein Ausgleich der Mehrarbeit durch Dienstbefreiung hat nach § 80 Abs. 2 Satz 2 LBG innerhalb eines Jahres zu erfolgen, wenn eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamte in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern gemäß § 80 Abs. 2 Satz 3 LBG für einen Zeitraum bis zu 480 Stunden im Jahr eine Vergütung erhalten, sofern die Mehrarbeit in den durch die Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte bestimmten Bereichen, in denen Mehrarbeit messbar ist, geleistet wurde. Nach Ziffer 5.3 zu § 3 Abs. 1 MVergV der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsentschädigung für Beamte – MArbEVwV – vom 6. August 1974 ist Mehrarbeitsentschädigung zu gewähren, wenn für entschädigungsfähige Mehrarbeit ein Freizeitausgleich trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten nicht innerhalb der Dreimonatsfrist – innerhalb derer nach § 80 Abs. 2 Satz 2 LBG i. d. F. vom 14. Juli 1970 Freizeitausgleich zu gewähren war – gewährt werden konnte und keine Aussicht besteht, den Freizeitausgleich in absehbarer Zeit nachzuholen.

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Die Voraussetzungen der Mehrarbeitsvergütung sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

19

Dabei ist der Charakter der Mehrarbeitsvergütung zu berücksichtigen. Sie stellt eine eng begrenzte Ausnahme von der Verpflichtung des Beamten dar, bei zwingenden dienstlichen Erfordernissen ohne Entschädigung auch über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu verrichten (OVG RP, Urteil vom 7. März 2007 – 2 A 10071/07 –, LKRZ 2007, 238; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 –, ZBR 2003, 385). Sie soll einen vorübergehenden außergewöhnlichen Bedarf decken (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 21/10 -, DÖD 2012, 32). Eine generelle Kommerzialisierung von Mehrarbeit soll aufgrund der beamtenrechtlichen Arbeitszeitbestimmungen gerade vermieden werden.

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Daher hat sich die Anordnung von Mehrarbeit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 LBG auf Ausnahmefälle zu beschränken. Die Aufstellung und Praktizierung des Dienstplans kann der Anordnung von Mehrarbeit im Sinne des § 80 Abs. 2 LBG nicht gleichgesetzt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 –, ZBR 2003, 385; OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 1 A 2652/07 -, ZBR 2009, 352). Seine diesbezügliche Ermessensentscheidung muss der Dienstherr durch Verwaltungsakt unter Abwägung der im konkreten Zeitpunkt maßgebenden Umstände treffen (VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. August 2009 – 1 K 3916/07 –, juris). Dabei hat er zu prüfen, ob nach den dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt eine Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll (BVerwG, Urteil vom 2. April 1981 – 2 C 1/81 –, ZBR 1981, 317; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 –, ZBR 2003, 385). Wegen des in § 80 Abs. 2 Sätze 2 und 3 und § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV normierten Vorrangs des Freizeitausgleichs und der zusätzlichen finanziellen Belastung des Dienstherrn durch Zahlung einer Mehrarbeitsvergütung für den Fall, dass Freizeitausgleich wegen zwingender dienstlicher Belange nicht gewährt werden kann, ist es außerdem sachgerecht und geboten, bereits bei der Anordnung oder Genehmigung der Mehrarbeit zu prüfen, ob die Mehrarbeit voraussichtlich durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann (BVerwG, Urteil vom 2. April 1981 – 2 C 1/81 –, ZBR 1981, 317). Ferner müssen Anordnungen bzw. Genehmigungen von Mehrarbeit sich auf konkrete zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen (Ziffer 1. MArbEVwV zu § 3 Abs. 1 MVergV).

21

Die vom Kläger geleisteten Stunden dürften mit Blick auf die Gründe, die Häufigkeit und die Art und Weise ihrer Anordnung bereits nicht den so definierten Anforderungen an Mehrarbeit im gesetzlichen Sinne genügen. Die in Rede stehenden Stunden wurden zwar vom Beklagten angeordnet oder genehmigt, jedoch nicht in Form des Verwaltungsakts. Der Ablauf war vielmehr dergestalt, dass im Hinblick auf bestimmte Ereignisse wie beispielsweise Fußballveranstaltungen oder Demonstrationen im Vorfeld Mehrarbeit allgemein angeordnet wurde, jedoch ohne dabei bereits die betroffenen Beamten zu individualisieren. Diese trugen, wenn sie dann außerdienstplanmäßig Dienst geleistet hatten, die entsprechenden Stunden im Arbeitszeiterfassungssystem ein, wo sie dann vom Vorgesetzten genehmigt und dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben wurden. Teilweise erfolgte solche Dienstleistung auch gänzlich ohne vorherige Anordnung aufgrund spontaner Anforderungen. Insofern erscheint die Erbringung zusätzlicher Dienststunden, wie sie hier in Rede stehen, eher routinemäßig und nicht nur im Ausnahmefall erfolgt zu sein.

22

Die Bezeichnung und Einordnung der betreffenden Stunden als „unbezahlbare Mehrarbeit“ – MAU – durch den Beklagten erfolgte vor dem Hintergrund des Rundschreibens des Ministeriums des Innern und für Sport vom 12. März 1998, wonach eine Vergütung von Mehrarbeit nur noch vorgenommen werden soll bei besonderen Anlässen, bei denen zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit einer Organisationseinheit die Leiter der Polizeibehörden und –einrichtungen im Rahmen ihres Budgets eine finanzielle Vergütung ausnahmsweise anordnen oder genehmigen, bei Einsätzen aus besonderen Anlässen, zu deren Bewältigung die Verwendung geschlossener Polizeieinheiten (ab Gruppenstärke) erfolgt und bei Einsätzen von Spezialeinsatzkommandos (SEK) und Mobilen Einsatzkommandos (MEK). Hierunter fielen die Einsätze, in deren Rahmen der Kläger die Mehrarbeitsstunden anhäufte, unstreitig nicht.

23

Es kann dahinstehen, ob es dem Beklagten zusteht, im Wege des Rundschreibens den Bereich vergütungsfähiger Mehrarbeit über die Vorgaben des § 80 Abs. 2 LBG und der Mehrarbeitsvergütungsverordnung hinaus einzugrenzen. Denn selbst wenn ein Teil der vom Kläger geltend gemachten Stunden möglicherweise als Mehrarbeit einzustufen wäre, kann Mehrarbeitsvergütung nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass ein Ausgleich der schriftlich angeordneten oder genehmigten Mehrarbeit durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich war.

24

Dies hat der Kläger vorliegend nicht nachgewiesen. Zwar liegt angesichts seines eigenen Überstundenbestands von 717:30 Stunden zu Beginn des Jahres 2008 und der Verwaltungspraxis des Beklagten, aus Haushaltsüberschüssen eine Mehrarbeitsvergütung zu leisten, wenn im Einzelfall in einem mehr als 18 Monate zurückliegenden Zeitraum mehr als 400 Mehrarbeitsstunden angesammelt wurden (vgl. Schreiben des Polizeipräsidiums ... vom 21. Oktober 2010, ... –), die Vermutung nahe, dass der Beklagte seine Beamten regelmäßig über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus in Anspruch genommen hat und dementsprechend wenig Raum für die Inanspruchnahme von Freizeitausgleich bestand. Es sind demgegenüber aber keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger sich vor dem Jahr 2008 um Freizeitausgleich bemüht oder einen dahingehenden Antrag gestellt hat, der vom Beklagten abgelehnt wurde. Zwischen Januar 2008 und März 2009 hat er sodann vielmehr seinen Mehrarbeitsbestand um etwa die Hälfte reduziert, so dass jedenfalls in diesem Zeitraum Dienstbefreiung nicht aus zwingenden dienstlichen Gründen abgelehnt worden ist. Die anschließend eingetretene Unmöglichkeit des weiteren Abbaus von Überstunden ist schließlich auf die Erkrankung und Zurruhesetzung des Klägers und mithin ebenfalls nicht auf dienstliche Ursachen zurückzuführen (BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 1985 – 2 B 45/85 -, Buchholz 232 § 72 BBG Nr. 26).

25

Soweit es sich bei den vom Kläger geleisteten Stunden nicht um Mehrarbeit, sondern um über die in § 2 Abs. 1 Arbeitszeitverordnung – ArbZVO – bestimmte regelmäßige Dienstzeit hinaus hingenommene Zuvielarbeit handelt, kann der Kläger zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls keine Ansprüche mehr geltend machen.

26

Zwar hätte der Dienstherr einer eventuellen Missachtung beamtenrechtlicher Arbeitszeitbestimmungen mit geeigneten Maßnahmen entgegentreten müssen (VG Trier, Urteil vom 23. November 2006 – 1 K 560/06.TR –, LKRZ 2007, 113). Denn der Dienstherr darf nicht auf Dauer einen Teil seines Personalbedarfs durch die Heranziehung der Beamten zur Dienstleistung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus decken (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 -, ZBR 2003, 385; OVG RP, Urteil vom 7. März 2007 - 2 A 10071/07 -, LKRZ 2007, 238). Sollte vorliegend also, was nicht erwiesen ist, die kontinuierliche Erbringung von Zuvielarbeit der Dienstplangestaltung und mangelnden Personalbedarfsdeckung des Beklagten geschuldet gewesen sein, hätte der Kläger seinerzeit eine rechtmäßige Dienstplangestaltung einfordern und notfalls gerichtlich zu erzwingen versuchen müssen.

27

Auch stand dem Kläger aus der Inanspruchnahme für über die regelmäßige Dienstzeit hinausgehende Zuvielarbeit, ohne dass die Voraussetzungen für die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit vorlagen, ein Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe der geleisteten Zuvielarbeit unter dem rechtlichen Gesichtspunkt von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB analog zu (BVerwG, Urteil vom 29. September 2011 – 2 C 32/10 –, DÖD 2012, 32; Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28/02 –, ZBR 2003, 383; OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 1 A 2652/07 –, ZBR 2009, 352). Dies folgt auch aus dem Rechtsgedanken des § 80 Abs. 2 LBG, wonach Überschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit nicht ohne Ausgleich – jedenfalls in Form von Dienstbefreiung – bleiben sollen. Eine kompensationslose Benachteiligung der mehrbeanspruchten Beamten wäre mit dem sozialen Zweck der Arbeitszeitregelung einschließlich des Ausgleichs der Überbeanspruchung durch Dienstbefreiung schwerlich vereinbar (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 28/02 -, ZBR 2003, 383).

28

Diesen Anspruch hat der Beklagte gegenüber dem Kläger auch anerkannt, indem er die Stunden auf dessen Arbeitszeitkonto verbuchte. Überdies hat der Beklagte diese Stunden zu keinem Zeitpunkt – etwa nach Eintritt der Verjährung - gekappt, obwohl ihm diese Möglichkeit offen gestanden hätte.

29

Dieser Freizeitausgleich wandelt sich jedoch nicht in einen Vergütungsanspruch um, wenn er nicht realisiert wird, und zwar auch dann nicht, wenn der Beamte sich inzwischen im Ruhestand befindet und deshalb ein Freizeitausgleich von vornherein unmöglich ist (OVG RP, Beschluss vom 6. August 2004 – 10 A 10906/04 –, LKV 2005, 131). Dies folgt bereits aus dem besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalt gemäß § 2 Abs. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 5 BBesG. Mangels kommerzialisierbarem Schaden scheidet auch ein Anspruch auf Schadensersatz in Geld nach §§ 280 Abs. 1 i. V. m. 249, 253 BGB analog vorliegend aus (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 C 35/02 –, ZBR 2003, 385, m. w. N.). Ein Ausgleichsanspruch folgt ferner nicht aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, da keine unzumutbare Belastung des Klägers vorliegt und diese daher nicht in ihrem Wesenskern verletzt ist (vgl. OVG RP, a. a. O.; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 26. August 2009 – 1 K 3916/07 –, juris).

30

Selbst wenn man, wie das Hamburgische Oberverwaltungsgericht in einer bislang singulär gebliebenen Entscheidung (HambOVG, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 Bf 90/08 –, ZBR 2012, 130), einen auf § 242 BGB analog gestützten Schadensersatzanspruch für den Fall annähme, dass ein Anspruch auf Freizeitausgleich aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht realisiert werden kann, stünde einem solchen Anspruch vorliegend entgegen, dass der Kläger seinen Anspruch auf Freizeitausgleich nicht zeitnah geltend gemacht hat.

31

Hinsichtlich der bis zum 31. Dezember 2006 aufgebauten Überstunden war im Zeitpunkt der Beantragung einer Vergütung durch den Kläger am 14. Oktober 2010 bereits Verjährung eingetreten. Soweit, wie hier, im öffentlichen Recht spezielle Bestimmungen zur Verjährung fehlen, finden die Verjährungsregeln des Bürgerlichen Rechts Anwendung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. August 1995 - 3 C 17.94 –, BVerwGE, 99, 109; Ellenberger, in: Palandt, BGB Kommentar, 69. Aufl. 2010, § 194 Rn. 2, § 95 Rn. 20). Der Anspruch auf Freizeitausgleich unterlag mithin der Regelverjährung der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB. Danach beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsgläubiger Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände erlangt hat. Der Anspruch auf Freizeitausgleich entsteht zeitgleich mit der Erbringung der Zuvielarbeit. Soweit der Kläger daher vor dem 1. Januar 2007 Überstunden geleistet hat, war sein diesbezüglicher Anspruch auf Freizeitausgleich im Jahr 2010 verjährt. Dementsprechend konnte sich auch ein eventueller Abgeltungs- oder Schadensersatzanspruch auf diese Zeiten nicht mehr erstrecken.

32

Mit Blick auf die im Zeitraum ab 2007 – ohnehin nur noch in relativ geringem Umfang – geleisteten Stunden hat der Kläger sich nicht zeitnah um Dienstbefreiung bemüht. Die beamtenrechtliche Dienst- und Treuepflicht gebietet es, sich innerhalb eines Jahres nach dem Erbringen der jeweiligen Mehrarbeit zumindest um Dienstbefreiung zu bemühen. Der Schutz der Gesundheit und Sicherheit durch Einhaltung der Regeln zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit liegt nämlich im jeweils gegenwärtigen Interesse des Beamten und darauf richtet sich eine jeweils gegenwärtige Pflicht des Dienstherrn. Nur eine zeitnahe Dienstbefreiung kann das durch Zuvielarbeit abgesenkte Schutzniveau nachträglich verbessern (HambOVG, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 Bf 90/08 –, ZBR 2012, 130). Dementsprechend sieht auch § 80 Abs. 2 Satz 2 LBG vor, dass Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres nach dem Erbringen von Mehrarbeit zu gewähren ist. Da ferner zur Gewährung der Dienstbefreiung ggf. zusätzliche Beamte und damit zusätzliche Haushaltsmittel erforderlich sind, ist der Beamte unter Berücksichtigung der Belastbarkeit des Dienstherrn und dessen Gemeinwohlverantwortung gehindert, einen Ausgleich für Jahre zurückliegende Zuvielarbeit ohne zeitnahe Antragstellung einzufordern (HambOVG, a. a. O., unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Erfordernis der Geltendmachung von Besoldungsansprüchen innerhalb des jeweils laufenden Haushaltsjahres: BVerfG, Beschluss vom 22. März 1990, BVerfGE 81, 363).

33

Vorliegend hat der Kläger bis ins Jahr 2008 hinein stetig Überstunden angehäuft und erst ab Mitte 2008 begonnen, diese in großem Umfang abzubauen. In dem Jahr vor seiner Erkrankung (1. April 2008 bis 31. März 2009) hat der Kläger netto 335 Stunden abgebaut. Im Haushaltsjahr 2009 hat er keine sog. „MAU-Stunden“ mehr geleistet, sondern insgesamt 222 der seinem Konto gutgeschriebenen Stunden abgebaut. Dass letztlich seine Erkrankung und Zurruhesetzung dazu geführt haben, dass er die verbliebenen Stunden nicht mehr abbauen konnte, kann in diesem Falle nicht dem Dienstherrn zum Nachteil gereichen.

34

Den Beteiligten hätte es bei rechtzeitiger Geltendmachung im Übrigen freigestanden, eine einvernehmliche Regelung zur Vergütung der zu viel geleisteten Stunden zu treffen (vgl. OVG NRW, a. a. O., m. w. N.). Die Inkaufnahme und spätere Liquidation von Über- oder Mehrarbeitsstunden jedoch ist beamtenrechtlich unzulässig.

35

Ein anderes Ergebnis legen auch die vom Kläger ins Feld geführten unionsrechtlichen Bestimmungen nicht nahe. Die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) regelt die Frage eines finanziellen Ausgleichs für Überstunden nicht unmittelbar. Art. 6 b) RL 2003/88/EG sieht lediglich vor, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten darf. Hiergegen hat die Dienstplangestaltung nach den insoweit unbestrittenen Angaben des Beklagten zu keiner Zeit verstoßen. Mithin scheidet die genannte Bestimmung vorliegend auch als Grundlage eines denkbaren Staatshaftungsanspruchs (vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 – Rs. C-429/09, Fuß –, NZA 2011, 53) aus.

36

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs über die finanzielle Abgeltung von nicht genommenem Jahresurlaub (Urteil vom 20. Januar 2009 – Rs. C-350/06, Schultz-Hoff, und C-520/06, Stringer –, Slg. 2009, I-179; Urteil vom 3. Mai 2012 – C-337/10 –, www.lexetius.com/2012,1451; siehe hierzu auch Vorlagebeschluss des VG Frankfurt a. M. vom 25. Juni 2010 - 9 K 836/10.F -, ZBR 2011) ist auf die Unmöglichkeit der Inanspruchnahme eines durch Mehrarbeit erworbenen Freizeitausgleichsanspruchs nicht übertragbar. Nach besagter Rechtsprechung ist Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG dahin auszulegen, dass ein Beamter bei Eintritt in den Ruhestand Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für bezahlten Jahresurlaub hat, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat.

37

Art. 6 RL 2003/88/EG, der Bestimmungen zur wöchentlichen Höchstarbeitszeit enthält, regelt im Gegensatz zu Art. 7 der Richtlinie allein arbeitsschutzrechtliche Aspekte, enthält aber keine Vorgaben hinsichtlich Art und Umfang einer aufgrund von rechtlich unzulässiger Zuvielarbeit zu leistenden Kompensation (OVG NRW, Urteil vom 7. Mai 2009 – 1 A 2652/07 -, ZBR 2090, 352). Ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich ist in der Richtlinie mit Blick auf arbeitszeitrechtliche Fragen von vornherein nicht angelegt (HambOVG, Urteil vom 9. Februar 2011 – 1 Bf 90/08 -, ZBR 2012, 130). Enthält die Richtlinie mithin schon keine Vorgaben zur Kompensation von Überschreitungen der europarechtlich vorgegebenen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden, so ergibt sich ein solcher Anspruch daraus erst recht nicht im Hinblick auf Überschreitungen der nationalrechtlich bestimmten Regelarbeitszeit, die – wie hier - unterhalb der wöchentlichen Höchstarbeitszeit bleiben.

38

Dessen ungeachtet stünde auch einem solchen Anspruch entgegen, dass der Kläger vorrangig seinen Anspruch auf Freizeitausgleich zeitnah hätte geltend machen müssen. Die Vollziehung des Unionsrechts obliegt nämlich den Mitgliedstaaten und es entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 19. November 1991 – C-6/90 und C-9/90, Francovich – Slg.1991, 5357), dass diesbezüglich die formellen und materiellen Bestimmungen des nationalen Rechts maßgeblich sind, soweit das Unionsrecht keine gemeinsamen Vorschriften enthält und die Verwirklichung des Unionsrechts hierdurch nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (Effizienzgebot) sowie sich im Vergleich zum Vollzug nationalen Rechts nicht ungünstiger gestaltet (Äquivalenzgebot). Für die Ausübung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub hat der Europäische Gerichtshof anerkannt, dass dieser nationalen Ausübungsregelungen, wie beispielsweise Verjährungsvorschriften, unterworfen werden darf (EuGH, Urteil vom 20. Januar 2009 – Rs. C-350/06 und 520/06, Schultz-Hoff –, Slg. 2009, I-179). Nichts anderes kann sinngemäß für ggf. aus der Richtlinie resultierende Kompensationsansprüche gelten.

39

Ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Rundschreiben des Ministeriums des Innern und für Sport vom 12. März 1988 oder aus Art. 3 GG in Verbindung mit der gängigen Verwaltungspraxis des Beklagten laut deren Mitarbeiterinformation vom 21. Oktober 2010. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten im Widerspruchsbescheid verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).

40

Als unterliegender Teil trägt der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

41

Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 VwGO. Die Frage nach der Vergütungsfähigkeit von aufgrund von Krankheit nicht in Anspruch genommenem Freizeitausgleich hat grundsätzliche Bedeutung.

42

Beschluss

43

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.960,68 € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).

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