Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (5. Kammer) - 5 K 340/13.TR

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger erstrebt die Asylanerkennung, die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft sowie von Abschiebungsverboten und wendet sich gegen eine ihm gegenüber ergangene Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung.

2

Am 3. April 2012 stellte der Kläger bei der Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Trier (Bundesamt) einen Asylantrag, nachdem er am 15. März 2013 in Lörrach als Asylbewerber erfasst worden war.

3

Bei der Asylbeantragung gab er an, somalischer Staatsangehörigkeit und am ... 1993 in ... geboren zu sein; er gehöre der Volksgruppe der Mursade an und sei sunnitischer Religionszugehörigkeit.

4

Bei der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 29. Mai 2013 trug der Kläger vor gab der Kläger dann an, bis zum 2. März 2012 in ... gelebt und dort einen Videoladen geführt zu haben; auf einem Fernsehgerät habe er mit Hilfe eines Videokassettenrecorders Videos abgespielt. Den Laden habe er – illegal - am 2. Oktober 2011 in seinem Dorf eröffnet. Wegen des Betriebs des Ladens sei er am 1. Dezember 2011 von Al Shabaab festgenommen worden. Noch am selben Tag habe man ihm gesagt, dass er verurteilt worden sei, beide Hände und ein Bein sollten ihm abgetrennt werden; wenn er mit ihnen zusammenarbeite, könne er begnadigt werden. Er habe sich zur Zusammenarbeit bereiterklärt, ein Gewehr bekommen und sei noch am 1. Dezember 2011 in ein Camp verbracht worden. Am Abend des zweiten Tages sei er dann aus dem Camp weggelaufen, sei zunächst zu seiner Mutter und dann zu einem Onkel nach Mogadischu gekommen und am 2. März 2012 dann von Mogadischu aus nach Nairobi geflogen, das er am 13. März 2012 auf dem Luftweg nach Deutschland verlassen habe, hier sei er am 15. März 2013 angekommen. Später trug der Kläger dann vor, dass er bis zum 26. Februar 2012 – drei Monate - bei Al-Shabaab gewesen sei, erst da sei das Urteil gegen ihn gefällt worden; während der ganzen Zeit sei er immer wieder aufgefordert worden, für Al Shabaab zu kämpfen, was er jedoch stets abgelehnt habe.

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Der Asylantrag blieb erfolglos; er wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 18. Februar 2013 sowohl hinsichtlich der Anerkennung als asylberechtigt als auch hinsichtlich der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG als unbegründet abgelehnt. Außerdem wurde das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 – 7 AufenthG verneint. Ferner wurde der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Somalia oder in jeden anderen Staat, in den er einreisen darf und der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, dass der Kläger keine nachprüfbaren Angaben zur Einreise nach Deutschland gemacht habe, so dass eine Asylanerkennung ausscheide. Die Flüchtlingseigenschaft und Abschiebungsverbote könnten nicht festgestellt werden, denn das Vorbingen sei nicht glaubhaft.

6

Der Versuch, den Bescheid am 20. Februar 2013 mit Postzustellungsurkunde an den Kläger zuzustellen, scheiterte; auf der Postzustellungsurkunde ist vermerkt, dass der Kläger unter der im Rubrum des Urteils angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln sei, obwohl dies seine zutreffende Anschrift war und immer noch ist.

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Am 13. März 2013 wurde der Bescheid auf Veranlassung der Beklagten dem Kläger sodann durch die für seinen Wohnort zuständige Verbandsgemeindeverwaltung gegen Empfangsbestätigung ausgehändigt.

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Am 15. März 2013 hat der Kläger daraufhin Klage erhoben, zu deren Begründung er schriftsätzlich auf das bisherige Vorbringen verweist und ergänzend unter Bezugnahme auf ein Urteil des VG München vom 20. September 2013 – M 11 K 13.30514 - vorträgt, dass angesichts der allgemeinen Verhältnisse in Somalia zumindest die Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 Satz 2 und Satz 1 AufenthG vorlägen.

9

In der mündlichen Verhandlung vor Gericht hat der Kläger die ihm eingeräumte Möglichkeit, sich ergänzend zum Klagebegehren zu äußern, genutzt und Angaben gemacht. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Angaben wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen, die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes AufenthG - festzustellen und – hilfsweise - festzustellen, dass im Hinblick auf seine Person in Bezug auf eine Abschiebung nach Somalia die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 bis Abs. 5 bzw. Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.

12

Die in der mündlichen Verhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertretene Beklagte ist dem Vorbringen des Klägers unter Bezugnahme auf die Gründe ihrer Entscheidung schriftsätzlich entgegengetreten und bittet,

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die Klage abzuweisen.

14

Die Kammer hat mit Beschluss vom 25. März 2013 den Rechtsstreit dem Einzelrichter übertragen.

15

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13. November 2013. Die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die auf Blatt 32 ff. der Prozessakte aufgelisteten Unterlagen zu den Verhältnissen in Somalia lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird ebenfalls verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Die Klage ist nicht zulässig, weil der Kläger die Klagefrist versäumt hat und ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren ist.

17

Nach § 74 Abs. 1 des Asylverfahrensgesetzes - AsylVfG - muss die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden. Diese Frist hat der Kläger mit seiner am 15. März 2013 erfolgten Klageerhebung nicht eingehalten.

18

Der Bescheid der Beklagten war gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG dem seinerzeit nicht anwaltlich vertretenen Kläger persönlich zuzustellen, wobei die Beklagte von der in § 3 Verwaltungszustellungsgesetz – VwZG – vorgesehenen Zustellmöglichkeit mit Zustellungsurkunde Gebrauch gemacht hat.

19

Dabei muss der Kläger gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG Zustellungen unter der letzten Anschrift, die der Beklagten aufgrund des Asylantrags oder seiner Mitteilung bekannt ist, gegen sich gelten lassen muss. Kann eine Sendung dem Asylbewerber nicht zugestellt werden, so gilt die Zustellung gemäß § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylVfG mit der Aufgabe zur Post als bewirkt, selbst wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.

20

Aufgrund dieser Bestimmungen gilt der Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 2013 als spätestens am 20. Februar 2013 an den Kläger zugestellt, da auf der an diesem Tag ausgestellten Postzustellungsurkunde vermerkt ist, dass der Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln war. Dabei wird die Unzustellbarkeit durch die bei den Verwaltungsakten befindliche Kopie der Postzustellungsurkunde gemäß §§ 173 VwGO, 418 Abs. 1 ZPO bewiesen. Die Postzustellungsurkunde ist – auch nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost (vgl. BFH, Beschluss vom 14. April 2004 - VIII B 77/04 –, juris) – eine öffentliche Urkunde mit der sich aus § 418 Abs. 1 ZPO ergebenden vollen Beweiskraft. Diese Beweiskraft erstreckt sich dabei vorliegend darauf, dass der Kläger unter der genannten Anschrift nicht zu ermitteln war.

21

Die Beweiskraft der Postzustellungsurkunde wird auch nicht dadurch erschüttert, dass der Kläger seinen Angaben zufolge im Zustellungszeitpunkt tatsächlich unter der in der Postzustellungsurkunde genannten Anschrift wohnhaft war, denn er hat in der mündlichen Verhandlung vor Gericht auf Nachfrage eingeräumt, dass in dem Haus auf drei Etagen jeweils Wohnungen vorhanden seien, wobei in „seiner“ Wohnung insgesamt acht Personen in vier Zimmern untergebracht seien. Zum Haus gehörten sechs Türklingeln, an denen die Namen der anderen Bewohner, nicht aber sein Name, angebracht seien. Auch an den vorhandenen Briefkästen stehe sein Name nicht, wichtige Post erhalte er oft über das Sozialamt. Von daher ist der Vermerk auf der Postzustellungsurkunde, dass der im Zusammenhang mit der Asylbeantragung über die Zustellungsvorschriften des § 10 AsylVfG belehrte Kläger unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln gewesen sei, nicht zu beanstanden, denn ein Asylbewerber hat während seines Asylverfahrens vorzusorgen, dass ihn Mitteilungen unter anderem des Bundesamtes stets erreichen können, wozu auch die Vorsorge der Auffindbarkeit unter der angegebenen Wohnanschrift gehört; insoweit ist es nicht Aufgabe des Postzustellers, gleichsam auf die Suche zu gehen, ob Personen, deren Nachname weder auf einer Türklingel noch auf einem Briefkasten genannt wird, eventuell doch dort wohnhaft ist.

22

An der demnach kraft Gesetzes eingetretenen Zustellfiktion ändert sich nichts dadurch, dass die Beklagte den Bescheid nach Anschriftennachfrage bei der zuständigen Ausländerbehörde am 13. März 2012 erneut – nunmehr gegen Empfangsbestätigung durch die für den Wohnort des Klägers zuständige Verbandsgemeindeverwaltung – zugestellt hat. Die erneute Zustellung eines zuvor bereits einmal zugestellten Bescheides stellt nämlich ein bloßes zusätzliches Handeln der Verwaltung dar, das rechtlich ohne Bedeutung ist und insbesondere keine (zweite) Klagefrist in Lauf zu setzen vermag. Dabei kommt es auch nicht darauf an, dass die erneute Zustellung ohne Hinweis auf die bereits erfolgte Zustellung, die die Frist in Lauf gesetzt hat, erfolgt ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. Juli 2002 – 10 A 10438/02.OVG - mit weiteren Nachweisen, ESOVGRP).

23

Somit begann gemäß §§ 58 Abs. 1, 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO und 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - die Zweiwochenfrist des § 74 Abs. 1 AsylVfG bereits spätestens am 20. Februar 2013 zu laufen und endete gemäß §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 188 Abs. 2 BGB spätestens mit Ablauf des 6. März 2013, da die dem Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung den Anforderungen des § 58 Abs. 1 VwGO genügt.

24

Hinsichtlich der somit bei Klageerhebung gegebenen Verfristung kann dem Kläger ungeachtet der fehlenden Stellung eines Wiedereinsetzungsantrags keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO gewährt werden, denn die Fristversäumnis des Klägers ist angesichts der ihm gegenüber ordnungsgemäß nach § 10 Abs. 7 AsylVfG erfolgten Belehnung über die Zustellbestimmungen jedenfalls nicht unverschuldet.

25

Demnach kann die Klage aus prozessualen Gründen keinen Erfolg haben, ohne dass noch auf die materielle Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Beklagten und die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche einzugehen ist.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83 b AsylVfG nicht erhoben.

27

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO -.

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