Urteil vom Verwaltungsgericht Trier (1. Kammer) - 1 K 2065/14.TR

Diese Entscheidung zitiert ausblendenDiese Entscheidung zitiert


Tenor

Der Bescheid des Beklagten wird aufgehoben, soweit er einen Betrag von 498,90 EUR übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Geltendmachung von Schadensersatz durch den Dienstherrn.

2

Der Kläger stand bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2010 als Polizeikommissar im Dienst des beklagten Landes.

3

Gegen den Kläger wurde mit Verfügung vom 11. März 2009 wegen des Verdachts der Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit unter Benutzung des ihm im Rahmen seiner Abordnung zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeugs ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

4

Zeitgleich wurde ein Strafverfahren wegen unbefugter Benutzung von Kraftfahrzeugen geführt (Staatsanwaltschaft ..., Az. ...). Der dem Strafverfahren zugrunde liegende Strafantrag wurde am 16. Dezember 2009 gestellt und im Anschluss ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Am 16. Dezember 2010 wurde der Abschlussbericht erstellt. Blatt 113 ff. der strafrechtlichen Ermittlungsakte beinhaltet eine Übersichtstabelle der Fahrten bezüglich des Straftatbestandes des § 248 b Strafgesetzbuch – StGB -. Nach dieser hat der Kläger zwischen dem 4. Dezember 2007 und dem 15. August 2009 verschiedene Fahrten zwecks Fotoshootings durchgeführt und zusammengerechnet 1.705 km mit dem Dienstfahrzeug zurückgelegt. Die Staatsanwaltschaft bat mit Schreiben vom 16. März 2011, zugegangen beim Polizeipräsidium am 29. März 2011, um eine Stellungnahme zur Frage der Einstellung nach § 154 Strafprozessordnung – StPO -. Diese gab der Beklagte am 4. April 2011 ab. Das Verfahren wurde daraufhin am 13. April 2011 nach § 154 StPO eingestellt.

5

Mit Verfügung vom 12. Juli 2011 wurde das zuvor für die Dauer des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetzte Disziplinarverfahren fortgesetzt. In dem Disziplinarverfahren wurde festgestellt, dass eine Nutzung des Dienstfahrzeuges für private Zwecke erfolgte. Diese Feststellung wurde durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Trier (Az. ...) vom 14. August 2012 sowie durch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Koblenz (Az. ...) vom 27. Februar 2013 bestätigt. Das Verwaltungsgericht Trier sah den Sachverhalt der unbefugten Nutzung des Dienstfahrzeugs nach Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakte in dem Verfahren Az. ... als erwiesen an (§§ 67 Abs. 1, 21 Landesdisziplinargesetz – LDG -, § 99 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -). Hieraus ergebe sich nachvollziehbar, dass der Beklagte, ausweislich der „Exif-Daten“ der Kamera, die er zum Erstellen der Fotos genutzt habe, und der zum Teil gefunden Bestätigungs-Mails für den genannten Zeitraum, insgesamt 174 Shootings von Frauen durchgeführt habe. Die namentlich ermittelbaren Frauen bestätigten in 80 Fällen die jeweiligen Fototermine, die Örtlichkeiten und das Erscheinen des Beklagten jeweils mit einem Dienst-Kraftfahrzeug. Die Auflistung der einzelnen Fälle ergebe sich nachvollziehbar aus den Seiten 113 bis 117 der vorgenannten Strafakte. Eine darüber hinausgehende Feststellung, auch zur Höhe der zurückgelegten Kilometer, erfolgte im Rahmen der Disziplinarklage nicht.

6

Am 2. Mai 2014 wurde der Kläger auf die beabsichtigte Regressnahme gemäß § 48 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG - hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme und Beantragung der Mitbestimmung der Personalvertretung gegeben. Nach entsprechendem Antrag stimmte am 7. August 2014 der Personalrat des Polizeipräsidiums ... der Regressnahme zu.

7

Durch Bescheid vom 13. August 2014 machte der Beklagte gegenüber dem Kläger einen Schaden in Höhe von 510,- Euro geltend und nahm zur Begründung auf das Ergebnis der Beweiserhebung des Strafverfahrens Bezug. Danach stünde fest, dass der Kläger eine Gesamtdistanz von mindestens 1.700 km mit dem Dienstfahrzeug für private Zwecke zurückgelegt habe. Dieser Sachverhalt sei durch das Disziplinarverfahren gegen den Kläger rechtskräftig festgestellt worden. Lege man einen Wert von 30 Cent pro Kilometer zugrunde, so ergebe sich ein Schadensbetrag von 510,- Euro.

8

Die Voraussetzungen des § 48 BeamtStG lägen vor. Durch die unbefugte Nutzung des Dienstfahrzeugs habe der Kläger seine Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen, sowie seine Gehorsamspflicht zumindest grob fahrlässig verletzt. Die Pflichtwidrigkeit seines Handelns, sowie der daraus resultierende Schaden, hätten sich ihm förmlich aufdrängen müssen, da die Dienstfahrzeuge ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung gestellt würden.

9

Hinsichtlich des Einwandes, der Anspruch sei verjährt, sei festzustellen, dass der dem Verfahren zugrunde liegende Schaden in dem gegen den Kläger anhängigen sachgleichen Disziplinarverfahren bis zuletzt bestritten worden sei. Als maßgeblicher Zeitpunkt für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist sei auf die Kenntnis des Dienstherrn bezüglich des Schadens abzustellen, welcher erst mit Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Februar 2013 rechtskräftig festgestellt worden sei.

10

Mit Schreiben vom 12. September 2014 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein. Die Verjährungsfrist beginne, sobald mit Aussicht auf Erfolg ein Anspruch, und sei es auch nur dem Grunde nach, geltend gemacht werden könne. Daher sei der Anspruch verjährt.

11

Am 10. Oktober 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. In Ergänzung zum Ausgangsbescheid führte er aus, dass Ansprüche nach § 48 BeamtStG nach drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähren würden, in dem der Dienstherr von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt habe. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft ... vom 13. April 2011 sei das gegen den Kläger geführte Strafverfahren wegen unbefugter Benutzung von Kraftfahrzeugen nach § 154 StPO eingestellt und der Beklagte hierüber in Kenntnis gesetzt worden. Damit habe er erstmalig Kenntnis von einem mutmaßlichen Schaden erhalten. Der im Rahmen des Strafverfahrens festgestellte Sachverhalt sei in dem gegen den Kläger geführten sachgleichen Disziplinarverfahren bestritten und erst im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 27. Februar 2013 rechtskräftig festgestellt worden. Hiernach habe der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist erst am 1. Januar 2014 begonnen. Die Verjährung wäre jedoch selbst dann noch nicht eingetreten, wenn als maßgeblicher Zeitpunkt für die Kenntnis des Dienstherrn bereits die Mitteilung der Staatsanwaltschaft ... vom 13. April 2011 herangezogen werden würde. In diesem Fall habe die Verjährungsfrist am 1. Januar 2012 begonnen.

12

Der Kläger hat am 17. November 2014 Klage erhoben. Unabhängig von der aus seiner Sicht bestehenden Verjährung, sei ein Innenregress bereits deshalb nicht durchzuführen, weil er nicht mehr im Beamtenverhältnis stehe. Zumindest könne der Anspruch nicht mittels Verwaltungsakt geltend gemacht werden. Zudem werde bestritten, dass dem Beklagten ein Schaden zugefügt worden sei.

13

Der Kläger beantragt,

14

den Bescheid des Beklagten vom 13. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2014 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Zur Begründung führt er aus, dass der Hinweis des Klägers auf die Strafanzeige vom 16. Dezember 2009 sowie auf einen sich im Laufe des Ermittlungsverfahrens abzeichnenden Schaden für den Zeitpunkt der Kenntnis des Dienstherrn unbeachtlich sei, da sich die Schadenshöhe bis zuletzt im Rahmen der Ermittlungen verändert habe.

18

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Verwaltungsakten, inklusive der Kopien der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ... mit den Aktenzeichen ..., verwiesen. Diese lagen dem Gericht ebenso vor wie Gerichtsakte ..., und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

19

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig, hat in der Sache jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Soweit der Bescheid einen Betrag von 498,90 EUR übersteigt, ist er rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen ist der Bescheid des Beklagten rechtmäßig, § 113 Abs. 1 VwGO.

20

Dem Beklagten steht gegen den Kläger gemäß § 48 BeamtStG ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 510,- EUR gegen den Kläger zu. In Höhe von 11,10 EUR steht der Geltendmachung des Anspruchs gemäß §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – jedoch die Einrede der Verjährung entgegen.

21

Gemäß § 48 BeamtStG haben Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Die materiellen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs liegen vor. Indem der Kläger das ihm überlassene Dienstfahrzeug in mehreren Fällen unbefugt für private Fahrten nutzte, hat er seine ihm obliegenden Pflichten vorsätzlich verletzt. Dem Dienstherrn ist daraus ein Schaden in Höhe von 510,- EUR entstanden.

22

Zunächst verfängt der Einwand des Klägers, dass der Dienstherr aufgrund dessen, dass er sich bereits im Ruhestand befinde und damit ein Innenregress bzw. eine Geltendmachung durch Verwaltungsakt ausscheide, nicht. Der Anspruch des Dienstherrn gegen einen Beamten auf Ersatz des Schadens, der ihm aus einer während des Dienstverhältnisses begangenen schuldhaften Verletzung der Dienstpflichten entstanden ist, kann auch noch nach der Beendigung des Dienstverhältnisses durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden (vgl. zum Wehrdienstverhältnis BVerwG, Urteil vom 28. Juni 1967 – 8 C 68.66 –, BVerwGE 27, 250). So liegt der Fall hier. Die dem Schadensersatz zugrunde liegenden Pflichtverletzungen, die privaten Nutzungen des Dienstfahrzeuges, ereigneten sich im Zeitraum vom 4. Dezember 2007 bis 15. August 2009, und damit vor Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2010.

23

Des Weiteren ergibt sich aus den Feststellungen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, die aufgrund des rechtskräftigen Urteils des VG Trier vom 14. August 2012 – ... – und dem Urteil des OVG Koblenz vom 27. Februar 2013 – ... – feststehen, dass der Kläger in der Zeit vom 4. Dezember 2007 bis zum 28. August 2009 die ihm zur Verfügung gestellten Dienstfahrzeuge nutzte, um Fotoshooting Termine wahrzunehmen, ohne hierzu berechtigt zu sein. Dessen war sich der Kläger nach den Feststellungen des Gerichts auch bewusst. Damit hat er vorsätzlich gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 BeamtStG) und gegen seine Hingabepflicht und Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 1 und 2 BeamtStG) verstoßen und seine Pflichten i.S.d. § 48 BeamtStG verletzt.

24

Aus diesen Pflichtverletzungen ist dem Dienstherrn auch der geltend gemachte Schaden entstanden. Entgegen der Ansicht des Beklagten ergibt sich die Feststellung eines Schadens zwar nicht bereits aus den rechtskräftigen Feststellungen des VG Trier bzw. OVG Koblenz. Eine Feststellung zu der Höhe der zurückgelegten Kilometer und dem daraus errechenbaren Schaden erfolgte im Rahmen des Disziplinarverfahrens nicht. Jedoch ergibt sich der Schaden nachvollziehbar aus der Auflistung der Fahrten auf den Seiten 113 ff. des Abschlussberichts der Staatsanwaltschaft vom 16. Dezember 2010. Danach hat der Kläger mindestens 1700 km mit dem Dienstfahrzeug zurückgelegt. Diesen Feststellungen ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten, so dass nach Überzeugung des Gerichts dieser Sachverhalt als erwiesen anzusehen ist. Das schlichte Bestreiten eines Schadens ist nicht geeignet, diese Feststellungen in Frage zu stellen.

25

Nicht zu beanstanden ist auch die konkrete Schadensberechnung unter Zugrundelegung von 0,30 EUR pro Kilometer. Aus der Dienstkraftfahrzeug-Richtlinie – KfzR -, Verwaltungsvorschrift der Landesregierung und des Ministeriums der Finanzen vom 5. November 2002, MinBl. 2002, S. 539, ergibt sich unter Ziff. 9.4 i.V.m. Ziff. 8.2., dass für Privatfahrten mit Dienstfahrzeugen ein Entgelt in Höhe von 0,31 EUR je Kilometer zu entrichten ist. Dieser Wert kann zur Schadensberechnung bei der unbefugten Nutzung des Dienstfahrzeugs für private Zwecke herangezogen werden. Der Beklagte bleibt sogar mit den veranschlagten 0,30 EUR/km hinter dem Betrag von 0,31 EUR zurück. Somit ergibt sich ein Schaden in Höhe von 510,- EUR.

26

Dieser Anspruch ist jedoch gem. §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Höhe von 11,10 EUR verjährt, da der Beklagte bereits im Jahr 2009 Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände der unberechtigten Fahrt am 4. März 2009 hatte. Im Übrigen greift die Einrede der Verjährung nicht.

27

Die Verjährung des Schadensersatzanspruchs richtet sich in Ermangelung einer spezielleren Verjährungsregelung im BeamtStG nach den allgemeinen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Rechts (Kugele, BeamtStG, § 48 Rn. 26). Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt danach gem. § 195 BGB drei Jahre.

28

Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB der Schluss des Jahres, in dem der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners erlangt oder ohne fahrlässige Kenntnis erlangen müsste. Konkret bedeutet dies, dass der Gläubiger die Tatsachen kennen muss, die die anspruchsbegründende Norm - hier § 48 BeamtStG - erfüllen. Bei Schadensersatzansprüchen gehört dazu die Verletzungshandlung, der Eintritt des Schadens und die eigene Schadensbetroffenheit (Palandt, BGB, § 199 Rn. 28; BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 – IX ZR 43/92 –, juris). Für die Frage, wann der Gläubiger die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen besitzt, kann weitgehend auf die Rechtsprechung des BGH zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. zurückgegriffen werden (BGH, Urteil vom 09. November 2007 – V ZR 25/07 –, Rn. 15, juris). Danach liegt die erforderliche Kenntnis vom Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, oder eines entsprechenden Bescheids, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 – VI ZR 379/02; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 22. Februar 2013 – 12 K 1564/10 –, Rn. 192, juris). Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit risikolos führen zu können (BGH, Urteil vom 18. Januar 1994 – VI ZR 190/93 –, juris). Insbesondere ist es unschädlich, wenn der Schuldner den Anspruch bestreitet (Palandt, BGB, § 199 Rn. 28). Auch ist die Kenntnis von Höhe und Umfang des Schadens nicht erforderlich (Grothe, in MüKo BGB, § 199 Rn. 39).

29

Besteht der Vorwurf in mehreren Pflichtverletzungen, so beginnt die Verjährung für jede Pflichtverletzung gesondert mit der jeweiligen Kenntnis zu laufen (Palandt, BGB, § 199 Rn. 28). Insbesondere kann bei sich wiederholenden eigenständigen Verletzungshandlungen nicht der Grundsatz der Schadenseinheit herangezogen werden. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit entsteht der Schadensersatzanspruch grundsätzlich einheitlich auch für die erst in Zukunft fällig werdenden Beträge, sobald ein erster Teilbetrag geltend gemacht werden kann (dazu Grothe, in MüKo BGB, § 199 Rn. 9; Palandt; BGB, § 199 Rn. 14). Dieser Grundsatz dient jedoch nicht als Klammer für mehrere Verhaltensweisen selbständiger Art, mögen sie unterschiedlichen oder wiederholenden Charakter haben. Es kommt allein auf die Zurechenbarkeit des Schadens zum jeweiligen Verhalten an (BGH, Urteil vom 24. März 2011 – III ZR 81/10 –, juris; BGH, Urteil vom 15. November 2012 – IX ZR 184/09 -; Grothe, in MüKo BGB, § 199 Rn. 9). Der Grundsatz ist daher auf Schäden aus mehreren Pflichtverletzungen, oder wenn durch wiederholte Handlungen mehrere Schäden entstehen, nicht anwendbar (Palandt. BGB, § 199 Rn. 14).

30

Bei Klagen des Dienstherrn auf Schadensersatz gegen Beamte gilt, dass der Dienstherr die für den Beginn der Verjährungsfrist maßgebliche Kenntnis hat, wenn der einzelne Amtsträger, der zuständig und verantwortlich ist, über die entsprechende Kenntnis verfügt (BVerwG, Urteil vom 9. März 1989 - BVerwG 2 C 21.87 - BVerwGE 81, 301; BVerwG, Urteil vom 22. Februar 1996 – 2 C 12/94 –, BVerwGE 100, 280, juris; BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – VI ZR 294/08 -). Zuständig für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruch aus § 48 BeamtStG ist gemäß § 2 Nr. 1 g) Landesverordnung über dienst- und arbeitsrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern, für Sport und Infrastruktur - InnMinDRZustV RP - vom 3. Januar 2000, in der Fassung vom 7.12.2012, das Polizeipräsidium.

31

Unter Anwendung dieser Grundsätze, sind die in der strafrechtlichen Ermittlungsakte aufgeführten Fälle der unberechtigten Nutzung des Dienstfahrzeugs als eigenständige Verletzungshandlungen für die Frage des Verjährungsbeginns selbstständig zu betrachten, und einer der Ansprüche verjährt.

32

Der Beklagte hatte bereits im März 2009 Kenntnis von der unberechtigten Nutzung des Dienstfahrzeugs am 4. März 2009 in Andernach. Verjährungsbeginn war daher nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB der 1. Januar 2010, so dass der diesbezügliche Anspruch mit Ablauf des Jahres 2012 verjährte. Die Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände, des schädigenden Ereignisses am 4. März 2009, ergibt sich aus der Einleitung des Disziplinarverfahrens im März 2009 und des anschließenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, und wurde vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht in Frage gestellt. Bezüglich dieser Fahrt lag die erforderliche Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände vor, da der Kläger als Schädiger, die unbefugte Fahrt als Pflichtverletzung und der daraus resultierende Schaden, der durch die Ermittlung der Kilometerzahl auch bezifferbar war, bekannt waren. Aus dem Abschlussbericht ergibt sich, dass der Berechnung des Anspruchs eine Distanz von 37 km zugrunde gelegt wurde und damit ein Schaden von 11,10 EUR bei 0,30 EUR/km. In Höhe dieses Betrages ist der Anspruch damit verjährt. Die erforderliche Einrede der Verjährung wurde erhoben.

33

In den anderen Fällen ergibt sich aus der strafrechtlichen Ermittlungsakte die erforderliche Kenntnis des Polizeipräsidiums in der Person des Polizeipräsidenten, und voraussichtlich auch des zuständigen Sachbearbeiters, frühestens am 29. März 2011, mit Zugang der Anfrage der Staatsanwaltschaft vom 4. März 2011, so dass diese Ansprüche erst mit Ablauf des Jahres 2014 verjährt wären. Der Anspruch wurde jedoch bereits im August 2014 per Bescheid geltend gemacht.

34

Dem Vortrag des Klägers, dass auch diese Ansprüche verjährt seien, da der Beklagte bereits zum Zeitpunkt des Strafantrags geahnt hätte, dass weitere Fahrten unbefugter Weise erfolgt seien und daraus ein Schaden entstanden sei, kann nicht gefolgt werden. Allein der noch unbestimmte Verdacht weiterer Verletzungen der Dienstpflichten begründet keine Kenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Auch eine einheitliche Betrachtung der schädigenden Ereignisse verbietet sich.

35

Mit der Kenntnis der Pflichtverletzung, der Fahrt nach Andernach am 4. März 2009, und dem Verdacht, dass dies kein Einzelfall gewesen ist, was den Beklagten zur Einleitung des Disziplinarverfahrens am 11. März 2009 und zur Stellung des Strafantrags am 16. Dezember 2009 veranlasste, war noch nicht der Hergang aller, im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen zu Tage getretener Fahrten, zumindest in ihren Grundzügen, bekannt. Vielmehr waren zunächst umfangreiche Ermittlungen, wie die Sicherstellung der Kamera, die Auswertung der sogenannten „Exif-Daten“ und die Ermittlung der jeweiligen Frauen erforderlich, die das Erscheinen des Klägers mit dem Dienstwagen beim Fototermin erst bestätigten. In den ermittelten Fällen ist der Kläger auch teilweise mit dem Privatwagen erschienen. Diese Ermittlungen waren mit dem Abschlussbericht am 16. Dezember 2010 abgeschlossen. Die Kenntnis der Staatsanwaltschaft und der ermittelnden Beamten ist jedoch dem Polizeipräsidenten nicht zuzurechnen. Maßgeblich ist allein die Kenntniserlangung des Polizeipräsidiums ..., als zuständige Stelle für die Geltendmachung des Anspruchs. Diese Kenntnisnahme des Ergebnisses der Ermittlungen erfolgte jedoch erst durch die Anfrage der Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Einstellung nach § 154 StPO am 4. März 2011, die dem Polizeipräsidium am 29. März 2011 zuging. Dass der Kläger während des Disziplinarverfahrens und dem sich daran anschließenden Klageverfahren die Tatsachen teilweise noch bestritten hat, ist für die Frage der Kenntnis wie ausgeführt nicht von Relevanz. Insbesondere muss entgegen der Ansicht des Beklagten die Pflichtverletzung – hier das Dienstvergehen – nicht rechtskräftig feststehen, so dass nicht auf den Zeitpunkt des Urteils des OVG Koblenz vom 27. Februar 2013 abzustellen war. Verjährungsbeginn war daher der 1. Januar 2012 und Verjährungsende der 31. Dezember 2014. Der Anspruch ist daher nicht verjährt, da die Geltendmachung im August 2014 erfolgte.

36

Entgegen der Ansicht des Klägers war es dem Beklagten auch nicht möglich und zumutbar bereits zum Zeitpunkt des Strafantrages einen feststellenden Bescheid dahingehend zu erlassen, dass der Kläger verpflichtet ist, Schäden die aus der unbefugten Nutzung des Dienstfahrzeuges entstanden sind, zu ersetzen. Ein solcher Tenor beinhaltet den abstrakt generellen Fall der unbefugten Nutzung von Dienstfahrzeugen und damit im Ergebnis nichts anderes, als § 48 BeamtStG in abstrakt genereller Form für alle Dienstpflichtverletzungen formuliert. Ein Verwaltungsakt setzt jedoch einen konkreten Einzelfall und damit zumindest die Kenntnis, und nicht bloße Vermutung, der konkreten Verletzungshandlungen voraus. Dem Kläger ist nicht darin zuzustimmen, wie sich aus der Unterscheidung zwischen dem Grundsatz der Schadenseinheit und selbstständigen, wenn auch wiederholenden Verletzungshandlungen ergibt, dass zum Zeitpunkt des Strafantrags die schädigenden Handlungen bereits bekannt waren, und nur der Schaden noch nicht ermittelt bzw. bezifferbar war. Vielmehr war auch die konkrete Verletzungshandlung noch unbekannt bzw. zu unbestimmt, da die jeweiligen Fahrten als eigenständige Verletzungshandlungen zu bewerten sind. Ein feststellender Bescheid als verjährungshemmende Maßnahme kam daher nicht in Betracht.

37

Aus diesem Grund war der Klage nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben und die Klage im Übrigen abzuweisen.

38

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, da der Beklagte lediglich in Höhe von 2 % unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

39

Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben (§§ 124, 124a VwGO).

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen