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Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Klägerin mit Eingang des Schriftsatzes ihres Bevollmächtigten bei Gericht am 2.12.2005 Klage erhoben hat.
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Wird bei Gericht gleichzeitig mit einem Prozesskostenhilfegesuch ein Schriftsatz eingereicht, der allen an eine Klageschrift zu stellenden Anforderungen entspricht, wird neben dem Prozesskostenhilfeverfahren auch der Rechtsstreit als solcher anhängig, es sei denn, der Antragsteller stellt eindeutig klar, dass der Schriftsatz lediglich einen der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags dienenden Entwurf einer erst zukünftig zu erhebenden Klage darstellt (vgl. dazu: OLG Koblenz, Beschluss vom 3.9.1997 - 13 WF 942/97 - FamRZ 1998, 312; Philippi in: Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl., § 117 Rdnr. 7). Eine solche Klarstellung geschieht etwa dadurch, dass die Klageschrift als Entwurf oder als „beabsichtigte Klage“ bezeichnet (BGH, Beschluss vom 15.9.1999 - XII ZB 114/99 - NJW-RR 2000, 879) oder dass sie nicht unterschrieben wird. Die Klarstellung kann auch durch die Erklärung erreicht werden, die Klage solle erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe erhoben werden. Wenn der Antragsteller zusammen mit dem Prozesskostenhilfegesuch Klage unter der Bedingung erhebt, dass Prozesskostenhilfe bewilligt wird, ist die Klage unwirksam und damit unzulässig (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 17.1.1980 - 5 C 32.79 - BVerwGE 59, 302); auch in diesem Fall ist die Klage jedenfalls noch nicht erhoben.
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Die erforderliche Klarstellung im dargelegten Sinne ist hier nicht durch die Erklärung im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 1.12.2005 erfolgt, über die Prozesskostenhilfe solle „vorab“ entschieden werden. Unerheblich in diesem Zusammenhang ist zunächst der Vortrag des Bevollmächtigten, die Klageerhebung sei von ihm noch nicht beabsichtigt gewesen und das Verwaltungsgericht sei jedenfalls verpflichtet gewesen, in diesem Zweifelsfall eine Rückfrage zu stellen. Bei der Auslegung der Frage, ob Klage erhoben wurde (§ 81 Abs. 1 VwGO), kommt es nicht auf den inneren Willen der Beteiligten an; maßgebend ist vielmehr der in der Erklärung verkörperte Wille unter Berücksichtigung der erkennbaren Umstände des Falles (BVerwG, Beschluss vom 16.10.1990 - 9 B 92.90 - Buchholz 310, § 166 VwGO Nr. 22).
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Ohne Erfolg beruft sich die Klägerin auf die Rechtsprechung der Zivilgerichte, wonach die erforderliche Klarstellung durch die Erklärung erreicht werden kann, über die Prozesskostenhilfe solle „vorab“ entschieden werden (BGH, Beschluss vom 9.2.2005 - XII ZB 146/04 - NJW-RR 2005, 1015; OLG Koblenz, Beschluss vom 3.9.1997, aaO; OLG Köln, Beschluss vom 25.5.1984 - 4 WF 133/84 - FamRZ 1984, 916). Diese Rechtsprechung beruht auf den Besonderheiten der Zivilprozessordnung, sie kann aber auf verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht übertragen werden. Während im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Einreichung einer den Erfordernissen des § 82 VwGO genügenden Klageschrift bei Gericht bereits Klage erhoben wird (§ 81 Abs. 1 S. 1 VwGO), setzt die Klageerhebung im zivilgerichtlichen Verfahren neben der Einreichung einer Klageschrift (vgl. § 253 Abs. 2 bis 4 ZPO) die Zustellung derselben an den Gegner voraus (§ 253 Abs. 1 ZPO). Folglich wird im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Streitsache durch die Einreichung der Klage rechtshängig (§ 90 Abs. 1 VwGO); dagegen bewirkt die Einreichung in zivilgerichtlichen Verfahren lediglich die Anhängigkeit der Klage und erst die Zustellung die Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO). Vor diesem rechtlichen Hintergrund wird für das zivilgerichtliche Verfahren durch die Formulierung „vorab“ in ausreichender Weise zum Ausdruck gebracht, dass sich das Gericht zunächst nur mit dem Prozesskostenhilfegesuch befassen und prozessfördernde Maßnahmen - wie die Zustellung der Klageschrift - ansonsten unterlassen soll. Die Sachlage im Zivilprozess ist damit nicht anders als bei Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs mit Klageentwurf; dies gilt jedenfalls dann, wenn nicht zusätzlich erklärt wird, dass entgegen dieser gewünschten Bearbeitungsreihenfolge die Klage dennoch schon zugestellt werden solle (z.B. zur Verjährungsunterbrechung). Ohne einen solchen Zusatz will sich der Antragsteller die Entscheidung darüber, ob er Klage trotz eventuell negativer Entscheidung über die Prozesskostenhilfe einreichen will, ersichtlich noch vorbehalten. Wird dagegen - wie im verwaltungsgerichtlichen Prozess - die Klage bereits mit Einreichung des Schriftsatzes bei Gericht und damit ohne Zutun des Gerichts erhoben, kommt der Formulierung „vorab“ keine entsprechende rechtliche Relevanz zu.
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Vor diesem Hintergrund ist die Formulierung „vorab“ im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dahingehend zu verstehen, dass das Gericht gebeten bzw. aufgefordert wird, über das Prozesskostenhilfegesuch zeitnah zu entscheiden. Denn im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens und das Gebot der effektiven Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) ist über ein - wie hier - frühzeitig eingereichtes, vollständiges Prozesskostenhilfegesuch im Klageverfahren einige Zeit vor der mündlichen Verhandlung zu entscheiden, da ansonsten dem jeweiligen Kläger Nachteile entstehen können; durch die rechtzeitige Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch muss es dem Prozessbevollmächtigten ermöglicht werden, weiter vorzutragen und vor allem an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können, um so die Rechte des Mandanten wahrzunehmen (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 2.12.2004 - 12 S 2793/04 - VBlBW 2005, 197; Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 166 Rdnr. 11). Das Verwaltungsgericht hat die Formulierung „vorab“ auch wie dargelegt verstanden und deshalb frühzeitig über das Prozesskostenhilfegesucht der Klägerin entschieden und ihr die Durchführung eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ermöglicht, bevor das verwaltungsgerichtliche Verfahren seinen Fortgang genommen hat bzw. mündliche Verhandlung anberaumt worden ist. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin wäre deshalb - über die Formulierung „vorab“ hinaus - gehalten gewesen, den Entwurfcharakter der Klage mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit klarzustellen, wenn er sich die Klageerhebung im Hinblick auf den Ausgang des Prozesskostenhilfeverfahrens vorbehalten wollte.
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Die danach zu fordernde Klarstellung hat der Bevollmächtigte der Klägerin auch nicht mit der Formulierung vorgenommen „nach Gewährung der Prozesskostenhilfe werde die Klägerin in der mündlichen Verhandlung folgende Anträge stellen“. Nach § 103 Abs. 2 und Abs. 3 VwGO erhalten die Beteiligten nach erfolgtem Sachbericht durch das Gericht das Wort, um ihre Anträge zu stellen und zu begründen. Die dargestellte Formulierung greift mithin die von der Prozessordnung vorgegebene Verfahrensweise auf und wiederholt sie lediglich; der Schluss, es handele sich zunächst um einen bloßen Klageentwurf kann aus ihr für sich allein nicht gezogen werden.
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Die Qualifizierung des Schriftsatzes vom 1.12.2005 als vorbehaltlose Klage widerspricht auch nicht dem Grundsatz der interessengerechten Auslegung des Begehrens. Es ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass in Fällen wie dem vorliegenden, in denen bei Gericht zusammen mit dem Prozesskostenhilfegesuch eine Klage eingereicht wird, diese stets als „Entwurf“ einzuordnen ist. Zwar trägt die Einreichung eines Prozesskostenhilfegesuchs und eines Klageentwurfs am besten dem berechtigten Interesse der mittellosen Partei Rechnung, keine eigenen Kosten für die Durchführung eines Klageverfahrens aufwenden zu müssen. Andererseits ist diese Verfahrensweise bei fristgebundenen Rechtbehelfen für die mittellose Partei nicht risikolos. Die Mittellosigkeit ist ein unverschuldetes Hindernis für eine rechtzeitige Klageerhebung, das durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beseitigt wird (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 2.5.1996 - 7 S 297/95 - VBlBW 1996, 339). Dem Antragsteller ist nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Frist zu gewähren. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 60 Abs. 2 S. 1 VwGO). Das in der Mittellosigkeit des Beteiligten liegende Hindernis entfällt mit der Bekanntgabe des Beschlusses über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe an den Beteiligten oder dessen schon vorher bestellten Prozessbevollmächtigten. Wird die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 S. 1 und S. 3 VwGO nachgeholt, kommt eine Wiedereinsetzung von Amts wegen in Betracht (§ 60 Abs. 2 S. 4 VwGO). Wird aber nicht innerhalb der - kurzen - Zweiwochenfrist des § 60 Abs. 2 S. 1 VwGO Wiedereinsetzung beantragt bzw. die versäumte Rechtshandlung nachgeholt, erwächst die streitgegenständliche Entscheidung in Bestandkraft; eine gerichtliche Überprüfung ist dann ausgeschlossen. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit kann deshalb nicht darauf verzichtet werden, dass die mittellose Partei eindeutig klarstellt, ob zusammen mit dem Prozesskostenhilfegesuch Klage erhoben oder lediglich ein Klageentwurf eingereicht wird.
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Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die zulässige Anfechtungsklage gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 13.10.2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 25.11.2005 zu Recht abgewiesen; die Bescheide sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen kann vollumfänglich auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 31.8.2007 verwiesen werden, mit dem die Beschwerde der Klägerin gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 4.1.2007 zurückgewiesen wurde.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
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B e s c h l u s s vom 26. September 2008
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG auf 198,91 EUR (ein Viertel des Streitwerts der Hauptsache) festgesetzt. Für das vorliegend zu beurteilende selbständige Vollstreckungsverfahren hat sich der Senat dabei an Nr. 1.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. der am 7./8.7.2004 in Leipzig beschlossenen Änderungen orientiert (VBlBW 2004, 467).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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