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| Die vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene und den Zulässigkeitsanforderungen des § 124a Abs. 6 VwGO entsprechende Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die von der Klägerin erhobene Klage zu Recht abgewiesen. Es fehlt an dem gemäß § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Vorverfahren (I.). Eine Fallkonstellation, in der die Durchführung des Widerspruchsverfahrens als ausnahmsweise entbehrlich bewertet werden könnte, liegt nicht vor (II.). Dies gilt auch in Ansehung des Schreibens des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 04.11.2005 (III.). |
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| Die Zulässigkeit der von der Klägerin erhobenen Verpflichtungsklage setzt die Durchführung eines Vorverfahrens voraus. |
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| 1. Mit der zum Verwaltungsgericht erhobenen Klage erstrebt die Klägerin die Aufhebung des von der Beklagten unter dem 11.11.2005 erlassenen Festsetzungsbescheids und die Verpflichtung der Beklagten, die der Klägerin zustehende Vergütung auf 139.746,-- EUR auszusprechen. |
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| Die danach begehrte Festsetzung der angemessenen Vergütung eines von der Steuerberaterkammer bestellten Praxisabwicklers nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 4 Satz 5 StBerG stellt einen Verwaltungsakt dar. Sie beinhaltet die unmittelbare Ausgestaltung des Rechtverhältnisses zwischen dem Praxisabwickler und den Erben des durch ihn Vertretenen und löst darüber hinaus die in § 69 Abs. 4 Satz 7 StBerG angeordnete Bürgenhaftung der Berufskammer aus. Das Begehren, die Vergütung auf eine bestimmte, von der Steuerberaterkammer bislang unterlassene Höhe festzusetzen, ist daher auf den Erlass eines begünstigenden Verwaltungsaktes gerichtet. Statthafte Klageart hierfür ist die - von der Klägerin auch erhobene - Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO. |
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| a) Eine der in § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO benannten Ausnahmekonstellationen, in denen es einer solchen Nachprüfung nicht bedarf, liegt nicht vor. |
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| b) Die Erforderlichkeit des Vorverfahrens wird durch die Tatsache, dass die Steuerberaterkammer selbst zum Erlass des Widerspruchsbescheids berufen ist, nicht beeinträchtigt. |
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| Nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO erlässt in Selbstverwaltungsangelegenheiten grundsätzlich die Selbstverwaltungsbehörde selbst den Widerspruchsbescheid. Da die Aufsicht über die Tätigkeit der Steuerberaterkammern gemäß § 88 Abs. 3 Satz 1 StBerG auf die Beachtung der Rechtsvorgaben beschränkt ist, liegt eine Selbstverwaltungsangelegenheit in diesem Sinne vor (vgl. auch Gehre/von Borstel, Steuerberatungsgesetz, 5. Aufl. 2005, § 88 RdNr. 5). Der im Fall der Erfolglosigkeit des Widerspruchs zu erlassende Widerspruchsbescheid ist daher gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO von der Steuerberaterkammer zu erlassen. |
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| Diese Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde führt jedoch nicht zur Entbehrlichkeit des Vorverfahrens. Dies ergibt sich bereits aus den eindeutigen Festlegungen des Gesetzes, denn andernfalls wäre die Zuständigkeitsbestimmung in § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO - ebenso wie diejenige in § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO und die Anordnung in § 73 Abs. 1 Satz 3 VwGO - überflüssig. Die Zuständigkeitsbestimmung der genannten Vorschriften belegt vielmehr, dass die Identität von Erlass- und Widerspruchsbehörde nicht zur Entbehrlichkeit des Vorverfahrens führt. |
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| Eine abweichende Regelung ist in Baden-Württemberg gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. § 6a Satz 1 AGVwGO zwar vorgeschrieben, wenn das Regierungspräsidium als Ausgangsbehörde zuständig ist. Eine entsprechende Regelung für Selbstverwaltungsangelegenheiten im Allgemeinen oder die Steuerberaterkammer im Besonderen findet sich dagegen nicht. |
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| c) Eine Ausnahme von der in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO angeordneten Erforderlichkeit des Vorverfahrens folgt auch nicht daraus, dass dem Bescheid der Beklagten vom 11.11.2005 eine Rechtsmittelbelehrung nicht beigefügt war und somit auf die Notwendigkeit eines Widerspruchs nicht hingewiesen worden ist. |
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| Die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung sind in § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 VwGO geregelt. Eine Anordnung des Inhalts, dass die Durchführung des Vorverfahrens durch eine unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung überflüssig oder entbehrlich werden könnte, ist dort nicht getroffen. Über die in § 58 VwGO angeordneten Folgen hinaus entfaltet die unterbliebene Rechtsmittelbelehrung indes grundsätzlich keine Wirkungen; nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die Rechtsfolgen einer unterbliebenen Rechtsmittelbelehrung in § 58 VwGO vielmehr abschließend bestimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.04.1994 - 11 C 2/93 -, BVerwGE 95, 321). |
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| Ein anderes Ergebnis ergäbe sich auch nicht, wenn man - obwohl eine verfassungsunmittelbare Verpflichtung zur Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung von der Rechtsprechung nicht anerkannt wird - die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung als Ursache des Versäumnisses bewertete. Zwar könnte das Fehlen der Widerspruchserhebung dann möglicherweise ohne Verschulden der Klägerin zustande gekommen sein. Die insoweit denkbare Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert aber jedenfalls daran, dass die Klägerin die hierfür einzuhaltende Zweiwochen-Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht gewahrt hat und mittlerweile auch die Ausschlussfrist des § 60 Abs. 3 VwGO verstrichen ist. Denn das fehlende Vorverfahren war der Klägerin spätestens mit Zugang des Klagerwiderungsschriftsatzes der Beklagten vom 08.06.2006 bekannt. |
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| Die Durchführung des Vorverfahrens war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich. |
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| 1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Durchführung eines förmlichen Vorverfahrens aus Gründen der Prozessökonomie entbehrlich, wenn sich der Beklagte auf die Klage eingelassen und deren Abweisung beantragt hat. Der Sinn des Widerspruchsverfahrens bestehe darin, der Behörde Gelegenheit zu geben, den angefochtenen Verwaltungsakt selbst zu überprüfen und dem Widerspruch abzuhelfen, falls sie die Einwendungen für berechtigt ansehe. Diesem Zweck sei auch Genüge getan, wenn die Behörde anstelle eines förmlichen Widerspruchsbescheids im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass sie den Einwendungen nicht abhelfen will. Auch in dieser Konstellation habe sich die Behörde mit der Sache befasst und darüber entschieden, sodass der Zweck des Vorverfahrens erfüllt sei (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 02.09.1983 - 7 C 97/81 -, NVwZ 1984, 507). |
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| Nicht sicher entnommen werden kann der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts indes, ob die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens auch dann angenommen werden kann, wenn sich der Beklagte auf das Fehlen der Vorverfahren ausdrücklich berufen und zur Sache nur hilfsweise eingelassen hat. Während sich in einigen Entscheidungen - insbesondere des 2. Senats - die Feststellung findet, Entbehrlichkeit durch sachliche Einlassung liege vor, obwohl sich der Beklagte im Verwaltungsprozess ausdrücklich auf das Fehlen des Vorverfahrens berufen habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.10.1980 - 2 A 4/78 -, DVBl. 1981, 502; Urteil vom 09.05.1985 - 2 C 16/83 -, NVwZ 1986, 374; wohl auch Urteil vom 02.09.1983 - 7 C 97/81 -, NVwZ 1984, 507: „zumindest hilfsweise für in der Sache unbegründet erklärt“), findet sich in anderen Entscheidungen der gegenteilige Hinweis, wonach die Entbehrlichkeit des Vorverfahrens wegen sachlicher Einlassung ausgeschlossen sei, wenn der Beklagte in der Klageerwiderung zwar Ausführungen zur Sache mache, zugleich aber das Fehlen eines Vorverfahrens und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage rüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.09.1989 - 8 B 39/89 -, Buchholz 310 § 68 Nr. 35). Auch die jüngste ersichtliche Entscheidung des 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts scheint in diese Richtung zu tendieren, weil dort ausdrücklich darauf abgestellt wurde, dass sich der Beklagte nicht auf das Fehlen des Vorverfahrens berufen hatte (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.07.1999 - 2 C 14/98 -, DVBl. 2000, 485). |
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| In der Kommentarliteratur wird die Auffassung, die fehlende Durchführung eines Vorverfahrens könne bereits durch die hilfsweise Einlassung zur Sache geheilt und die Berufung auf die fehlenden Zulässigkeitsvoraussetzungen damit unbeachtlich werden, einhellig abgelehnt (vgl. etwa Dolde/Porsch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO-Großkommentar, § 68 RdNr. 29; Funke-Kaiser, in: Bader, VwGO-Kommentar, 4. Aufl. 2007, § 68 RdNr. 29; Geis, in: Sodan/Ziekow, Nomos-Kommentar, 2. Aufl. 2006, § 68 RdNr. 162; Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 15. Aufl. 2007, § 68 RdNr. 28; Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 12. Aufl. 2006, § 68 RdNr. 29 m.w.N.). |
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| Auch der erkennende Senat ist der Überzeugung, dass bei ausdrücklicher Berufung auf die fehlende Durchführung des Vorverfahrens und lediglich hilfsweiser Sacheinlassung kein ausreichender Grund dafür ersichtlich ist, von dem in § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor Durchführung einer Verpflichtungsklage zwingend vorgeschriebenen Vorverfahren abzusehen. Es sprechen bereits gute Gründe dafür, das von der Verwaltungsgerichtsordnung zwingend vorgeschriebene Vorverfahren außerhalb der gesetzlich angeordneten Ausnahmekonstellationen als verpflichtend anzusehen. Dies folgt bereits daraus, dass die zur Entscheidung über den Widerspruchsbescheid einerseits und zur Abfassung der Klageerwiderung andererseits zuständige Stelle vielfach nicht identisch ist und auch dem Kläger damit die im Gesetz angelegte Prüfung einer weiteren, regelmäßig übergeordneten (vgl. § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO) Behörde genommen wird. Darüber hinaus ist nicht zu verkennen, dass eine ergebnisoffene Nachprüfung im Rahmen der Erwiderung auf eine bereits anhängig gemachte Klage regelmäßig nicht mehr stattfinden wird; jedenfalls nicht mehr in der gleichen Weise wie in der von § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorgesehenen, noch von Prozesserwägungen unabhängigen Station. Jedenfalls aber setzt die im Hinblick auf die Disponibilität des Widerspruchsverfahrens angenommene Entbehrlichkeit nach Auffassung des Senats eine entsprechende Disposition der Beklagten voraus. Diese fehlt indes in Konstellationen, in denen - wie hier - auch in der Klageerwiderung zunächst und ausdrücklich auf das fehlende Vorverfahren hingewiesen und deshalb Klagabweisung beantragt worden ist. Ein Verzicht der Beklagten auf die Durchführung des Vorverfahrens kann in diesem Prozessverhalten bei objektiver Betrachtungsweise nicht gesehen werden. |
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| Schließlich erschließt sich dem Senat auch nicht, warum in der Berufung auf eine gesetzlich angeordnete Sachurteilsvoraussetzung ein „schwer verständlicher Formalismus“ liegen könnte. Zwar liegt in dem in § 68 ff. VwGO angeordneten Vorverfahren zweifellos eine „formale“ Zulässigkeitshürde. Diese erscheint im Hinblick auf die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke jedoch nicht schwerer verständlich, als etwa die Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Fristen oder anderer Zulässigkeitserfordernisse. Vielmehr spricht einiges dafür, dass die erneute und vertiefte Befassung einer regelmäßig der Erlassbehörde übergeordneten Verwaltungsinstanz - auch im Interesse des Widerspruchsführers, der mit dem Widerspruchsverfahren ein kostengünstiges und „niederschwelliges“ Rechtsschutzsystem erhält - im Gegensatz zu anderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht als bloße Formalie betrachtet werden kann. |
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| Der Umstand, dass sich die Beklagte hier hilfsweise auch zur Sache eingelassen hat, vermag daher nichts daran zu ändern, dass es an der in § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO angeordneten Durchführung eines Vorverfahrens fehlt. |
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| 2. Entgegen der von der Klägerin vorgebrachten Meinung erweist sich das Vorverfahren auch nicht deshalb als entbehrlich, weil sich die Einschätzung der Beklagten bereits als „unabänderlich“ erwiesen habe und die Durchführung eines Vorverfahrens daher zwecklos gewesen sei. |
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| Allerdings sind in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durchaus Entscheidungen ersichtlich, nach denen die Durchführung des förmlichen Vorverfahrens entbehrlich sein soll, wenn sich die ablehnende Haltung der Widerspruchsbehörde bereits aus einer anderweitigen Sachbefassung ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 16.09.1980 - 1 C 89/79 -, BVerwGE 61, 40; Urteil vom 27.09.1988 - 1 C 3/85 -, DVBl. 1989, 252; Urteil vom 04.08.1993 - 11 C 15/92 -, NVwZ 1995, 76). Ob diese Rechtsprechung auf die vorliegende Fallkonstellation einer Selbstverwaltungsbehörde übertragen werden kann, erscheint indes - unabhängig von den bereits dargelegten Bedenken an der Entbehrlichkeit des Vorverfahrens an sich - deshalb zweifelhaft, weil diese Situation angesichts der in § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO angeordneten Identität von Ausgangs- und Widerspruchsbehörde bei Selbstverwaltungskörperschaften regelmäßig und typischerweise vorliegen dürfte. Es wäre mit der in § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO enthaltenen gesetzgeberischen Anordnung, die gerade von der Erforderlichkeit des Widerspruchsverfahrens ausgeht, indes schwer zur vereinbaren, eine Auslegung zu wählen, die regelmäßig zur Entbehrlichkeit des Vorverfahrens führt. |
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| Die Frage kann hier jedoch dahinstehen, weil es an einer sachlichen Befassung der Beklagten mit der zutreffenden Höhe der nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 4 Satz 5 StBerG festzusetzenden Vergütung außerhalb des angefochtenen Ausgangsbescheides fehlt. Die vorangegangene - im Übrigen zwar wiederholte, im Ergebnis dann aber doch geänderte - Befassung der Beklagten bezog sich ausschließlich auf die Frage, ob überhaupt eine Pflicht der Beklagten besteht, auch im Falle der Klägerin eine angemessene Vergütung festzusetzen. Hinsichtlich der in diesem Verfahren allein streitigen Höhe hat sich die Beklagte dagegen gegenüber der Klägerin nie geäußert. Angesichts der von der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung bedurfte es hierzu auch keiner Ausführungen, weil von ihr bereits eine Verpflichtung dem Grunde nach bestritten worden ist. Die von der Klägerin mit der vorliegenden Verpflichtungsklage primär angegriffene Höhe der festgesetzten Vergütung auf 30.000,-- EUR findet sich erstmals im Bescheid vom 11.11.2005. Weder hinsichtlich des zum Maßstab herangezogenen durchschnittlichen Monatsgehalts eines angestellten Steuerberaters noch zu der insoweit angesetzten Höhe von 5.000,-- EUR noch zu der angenommenen Tätigkeitsdauer von sechs Monaten hatte es zuvor zwischen der Klägerin und der Beklagten einen Schriftwechsel gegeben. Es sind daher keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Position der Beklagten hinsichtlich der Berechnung und deren Modalitäten dergestalt vorgefestigt und verhärtet gewesen sein sollte, dass ein Widerspruchsverfahren hierzu von vornherein sinnlos hätte erscheinen müssen. Auch in Bezug auf den Zweck des Vorverfahrens kann hier daher nicht von einer - außergesetzlichen - Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens ausgegangen werden. |
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| Auch die Schreiben des Finanzministeriums Baden-Württemberg rechtfertigen es schließlich nicht, die von der Klägerin erhobene Verpflichtungsklage abweichend von § 68 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 VwGO ohne Durchführung eines Vorverfahrens für zulässig zu erachten. |
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| 1. Allerdings ist zuzugeben, dass die Durchführung eines Vorverfahrens materiell sinnlos erscheint, wenn in derselben Angelegenheit bereits eine verbindliche Weisung der Aufsichtsbehörde vorliegen sollte. Denn in diesen Fallkonstellationen besteht die in § 72 VwGO vorgesehene Abhilfemöglichkeit im Widerspruchsverfahren nicht mehr, sodass die Durchführung weder für den Kläger noch aus Behördenperspektive einen Sinn ergibt und das Prozedere daher als zweckentfremdete Formalie erscheint (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27.09.1988 - 1 C 3/85 -, DVBl. 1989, 252; Urteil vom 23.10.1980 - 2 A 4/78 -, DVBl. 1981, 502). |
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| 2. Auch diese Frage bedarf vorliegend jedoch keiner Entscheidung, weil eine verbindliche Weisung der Aufsichtsbehörde hinsichtlich der hier streitigen Höhe der der Klägerin zustehenden Vergütung nicht vorliegt. |
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| a) Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ergibt sich dies indes nicht bereits daraus, dass die Vergütungsfestsetzung eine Selbstverwaltungsangelegenheit darstelle und der Aufsicht daher gar nicht zugänglich wäre. Nach § 70 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 4 Satz 5 StBerG hat die Steuerberaterkammer auf Antrag die Vergütung festzusetzen, die gemäß § 69 Abs. 4 Satz 4 StBerG angemessen zu sein hat. Die Bestimmung der Vergütung steht damit nicht im Ermessen der Steuerberaterkammer; der Begriff der angemessenen Vergütung ist vielmehr ein unbestimmter Rechtsbegriff, der der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BGH, Beschluss vom 30.11.1992 - AnwZ (B) 27/92 -, NJW 1993, 1334 für die gleichlautende Vorschrift in § 53 Abs. 10 Satz 4 BRAO; VG Frankfurt, Urteil vom 15.03.2006 - 12 E 300/05 -). Ein Selbstverwaltungs- oder Ermessensbereich, der der in § 88 Abs. 3 Satz 1 StBerG angeordneten Rechtsaufsicht des Finanzministeriums entzogen sein könnte, liegt damit nicht vor. |
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| b) Dem Schreiben des Finanzministeriums Baden-Württemberg kann indes keine verbindliche Weisung entnommen werden, aus der sich die Sinnlosigkeit der Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ergeben könnte. |
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| aa) Zu Recht hat die Klägerin allerdings darauf hingewiesen, dass das an die Beklagte gerichtete Schreiben des Finanzministeriums vom 04.11.2005 nicht lediglich eine „Empfehlung bzw. Bitte“ darstellt, wie das Verwaltungsgericht meint. Denn unbeschadet der höflich gehaltenen Formulierung wird die Beklagte darin durch ihre Aufsichtsbehörde aufgefordert, die Vergütung „unter Beachtung der vorstehenden Kriterien“ festzusetzen. Bereits der Erklärungsgehalt des Schreibens für sich genommen lässt daher kaum Zweifel daran aufkommen, dass die vom Finanzministerium vorgetragene Bitte verbindlich gemeint ist und die Aufsichtsbehörde im Falle der Weigerung ihrem Anliegen durch eine Anordnung nach § 88 Abs. 3 Satz 2 StBerG Nachdruck verleihen würde. |
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| Der verbindliche „Aufsichtscharakter“ des Schreibens wird aber insbesondere bei Berücksichtigung der Vorgeschichte deutlich. Bereits mit Schreiben vom 04.08.2005 hatte das Finanzministerium dem Landgericht Mannheim auf dessen Anfrage hin mitgeteilt, auch das Finanzministerium teile die Auffassung, dass die Steuerberaterkammer zur Festsetzung der umstrittenen Vergütung verpflichtet sei. Dabei wird vom Finanzministerium ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Spielraum für andere Interpretationen entgegen der Auffassung der Steuerberaterkammer nicht bestehe. Sowohl die recht deutliche Formulierung des Schreibens als auch die Tatsache, dass sich das Finanzministerium mit seiner Auffassung nach außen hin festgelegt hat, spricht sehr deutlich dafür, dass die „Empfehlung“ der Beklagten gegenüber mit hoher Verbindlichkeit ausgesprochen worden ist. Dies wird schließlich auch durch das Schreiben des Finanzministeriums vom 07.09.2005 bestätigt, in dem es der Beklagten gegenüber wiederholt und bekräftigt, dass eine Rechtspflicht der Beklagten zur Festsetzung der angemessenen Abwicklervergütung bestehe. Die in dem Schreiben enthaltenen Hinweise auf die „Staatsaufsicht“, auf die bislang fehlende Abstimmung durch die Beklagte und auf die Möglichkeit einer Vergütungsfestsetzung von Amts wegen durch das Finanzministerium lassen am Durchsetzungswillen wenig Zweifel. |
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| Das Schreiben des Finanzministeriums vom 04.11.2005 musste von der Beklagten daher als verbindlich betrachtet werden; tatsächlich hat sie sich im Bescheid vom 11.11.2005 - wenn auch unter Bekräftigung der fortbestehenden gegenteiligen Rechtsauffassung - dem Druck denn auch gebeugt und die umstrittene Vergütungsfestsetzung vorgenommen. |
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| bb) Die inhaltliche Reichweite des vom Finanzministerium verbindlich Vorgegebenen bezieht sich jedoch nicht auf die im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren umstrittene Höhe der angemessenen Vergütung, sondern lediglich auf die Verpflichtung der Beklagten, überhaupt eine Vergütung festzusetzen. |
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| Allein diese Frage war Gegenstand des an das Landgericht gerichteten Schreibens vom 04.08.2005 und damit der außenwirksamen Festlegung des Finanzministeriums. Auch das an die Beklagte gerichtete Schreiben vom 07.09.2005 betrifft inhaltlich nur die Frage, ob die Beklagte auch in den Fällen, in denen die Bestellung auf Antrag der Erben erfolgt, zur Vergütungsfestsetzung verpflichtet ist. Schließlich ist diese Verpflichtung dem Grunde nach ausweislich des Schreibens des Finanzministeriums vom 04.11.2005 auch der Gegenstand der Besprechung vom 25.10.2005 gewesen. |
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| Allerdings enthält das Schreiben vom 04.11.2005 auch Hinweise zur höhenmäßigen Festsetzung der streitigen Vergütung. Zum einen wird „aus Sicht des Finanzministeriums“ festgestellt, dass die Abwicklung ab Januar 1999 erfolgte und spätestens im Juni 1999 durch die Verkaufsanzeigen abgeschlossen war. Zum anderen führt das Finanzministerium am Ende aus, dass es im vorliegenden Fall angemessen erscheine, die Durchschnittsmonatsvergütung eines angestellten Steuerberaters als Maßstab für die Abwicklervergütung heranzuziehen. Diese Erwägungen zur Maßstabsbildung sind durch das Finanzministerium indes neu aufgegriffen und gehen ersichtlich auf die Stellungnahme der Beklagten vom 19.09.2005 zurück. Anlass für die Aufsichtsbehörde, insoweit mit Nachdruck oder Verbindlichkeit aufzutreten, bestand insoweit daher schon deshalb nicht; vielmehr wurden im Wesentlichen nur die Vorschläge der Beklagten aufgegriffen. In dieser Frage hatte auch eine Vorfestlegung des Finanzministeriums bislang nicht stattgefunden. Dementsprechend erweist sich das Schreiben im Hinblick auf die Maßstäbe der Höhenbestimmung auch sprachlich deutlich zurückhaltender abgefasst. Die fehlende Verbindlichkeit der Ausführungen zur Maßstabsbildung bestätigt schließlich auch das Schreiben des Finanzministeriums vom 17.11.2005 an die Klägerin, in dem ausgeführt wird, das Ministerium habe im Schreiben vom 04.11.2005 „einen möglichen Bemessungsmaßstab“ für die Festsetzung der Abwicklervergütung aufgezeigt. |
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| Nach dem objektiven Erklärungsgehalt der vorliegenden Schreiben und deren Entstehungsgeschichte kann daher nach Auffassung des Senats nicht davon ausgegangen werden, dass auch hinsichtlich der im Schreiben vom 04.11.2005 erwähnten Maßstäbe eine verbindliche Anordnung getroffen worden ist. Dass insoweit ein weiteres Tätigwerden der Beklagten erforderlich war, ergibt sich im Übrigen bereits daraus, dass jedenfalls die Höhe der Durchschnittsmonatsvergütung eines angestellten Steuerberaters von keiner Seite beziffert worden war. |
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| cc) Angesichts der Gesamtumstände hält der Senat das Tätigwerden des Finanzministeriums als Aufsichtsbehörde daher hinsichtlich der Pflicht der Beklagten, überhaupt eine angemessene Vergütung festzusetzen, für dergestalt verbindlich, dass eine eigenständige Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde nicht mehr angenommen werden kann und das Widerspruchsverfahren daher „zwecklos“ erscheinen mag. Gleiches gilt indes nicht für die im Bescheid vom 11.11.2005 festgesetzte Höhe der angemessenen Vergütung, die allein Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Auch insoweit hat das Finanzministerium im Schreiben vom 04.11.2005 zwar Hinweise gegeben; diese sind jedoch nicht nur inhaltlich unvollständig, sie werden vielmehr auch ersichtlich nicht vom unbedingten Durchsetzungswillen der Aufsichtsbehörde getragen. Es erscheint daher jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass auch die Aufsichtsbehörde bei einer nachfolgenden Abweichung der Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von der Durchsetzung der Maßstäbe Abstand genommen hätte. Auch im Hinblick auf die mögliche Fallgruppe der Entbehrlichkeit bei bereits manifest gewordenem, unabänderlichem Willen der Aufsichtsbehörde kann hier daher nicht von der „Zwecklosigkeit“ des Vorverfahrens ausgegangen werden. Vielmehr spricht viel dafür, dass die Klägerin zwar die Jahresfrist aus § 70 Abs. 2 i.V.m. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO im Auge behalten, die Erforderlichkeit eines Vorverfahrens aber nicht beachtet hat (vgl. dazu bereits die Hinweise auf die Möglichkeit der Klageerhebung binnen Jahresfrist im Schriftsatz vom 30.11.2005 im Verfahren vor dem Landgericht Mannheim). |
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| Die Revision wird zugelassen, weil die in dem Rechtsstreit zu entscheidende Frage der Entbehrlichkeit des Vorverfahrens außerhalb der gesetzlich angeordneten Ausnahmetatbestände grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. |
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| Beschluss vom 4. März 2009 |
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