Beschluss vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg - 4 S 3460/20

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25. August 2020 - 4 K 2912/19 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 25.08.2020, mit dem seine auf Feststellung eines unverfallbaren Anspruchs auf Ruhegehalt gerichtete Klage abgewiesen wurde, hat keinen Erfolg. Aus den von ihm in der fristgemäßen Antragsbegründung genannten und somit nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO allein maßgeblichen Gründen ergibt sich nicht, dass die Berufung wegen ernstlicher Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen ist.
I.
Eine Zulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (BVerfG, Beschlüsse vom 16.07.2013 - 1 BvR 3057/11 -, BVerfGE 134, 106 [118], und vom 08.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104 [140]). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfordert dabei eine substantiierte Auseinandersetzung mit der erstinstanzlichen Entscheidung, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen oder aufbereitet wird. Dies kann regelmäßig nur dadurch erfolgen, dass sich die Antragsbegründung konkret mit der angegriffenen Entscheidung inhaltlich auseinandersetzt und aufzeigt, was im Einzelnen und warum dies als fehlerhaft erachtet wird. Eine Bezugnahme auf früheren Vortrag genügt grundsätzlich nicht (vgl. nur VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.11.2004 - 11 S 2771/03 -, Juris Rn. 2; Senatsbeschluss vom 19.05.1998 - 4 S 660/98 -, Juris Rn. 2). Wird ein Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, kann die Berufung nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund dargelegt wird und auch vorliegt (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.03.2010 - 3 S 1537/08 -, Juris Rn. 3).
II.
Mit der Zulassungsbegründung werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht hervorgerufen. Auch in Ansehung des Zulassungsvorbringens ist die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, wonach der Kläger trotz seines insgesamt mehr als sechsjährigen Vorbereitungsdienstes im Lehramtsreferendariat als Beamter auf Widerruf keinen Anspruch auf Ruhegehalt gemäß § 18 LBeamtVG erworben hat, im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dies gilt auch dann, wenn man den Antrag des Klägers dahingehend auslegt, dass er nicht die Feststellung begehrt, bereits gegenwärtig einen Anspruch auf Ruhegehalt zu haben, sondern festgestellt haben möchte, dass er einen Anspruch auf Ruhegehalt ab Erreichen der entsprechenden Altersgrenze erworben hat.
1. Nach § 18 Abs. 2 LBeamtVG entsteht ein Anspruch auf Ruhegehalt „mit dem Beginn des Ruhestands“. Ein Anspruch auf Ruhegehalt besteht folglich nur dann, wenn das Beamtenverhältnis dadurch endet, dass der Beamte aus dem aktiven Dienst in den Ruhestand tritt oder versetzt wird (BVerwG, Urteil vom 17.12.2009 - 2 C 71.08 -, Juris Rn. 27 [zur insoweit inhaltsgleichen Regelung in § 4 Abs. 2 BeamtVG]), wenn folglich das aktive Beamtenverhältnis unmittelbar in ein Ruhestandsbeamtenverhältnis umgewandelt wird. Eintritt bzw. Versetzung in den Ruhestand und Ruhegehaltsanspruch sind untrennbar miteinander verbunden; weder gibt es einen Anspruch auf Ruhegehalt ohne Ruhestand, noch kann ein Beamter ohne Ansprüche auf Ruhegehalt in den Ruhestand versetzt werden (Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, Stand 12/2020, § 4 BeamtVG Rn. 36 ff.).
Für alle anderen Fälle der Beendigung des Beamtenverhältnisses - neben den Sonderfällen eines Verlusts der Beamtenrechte oder einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nach den Disziplinargesetzen ist dies vor allem die Entlassung (vgl. § 21 BeamtStG) - fehlt es dagegen an gesetzlichen Regelungen, die einen Anspruch auf Ruhegehalt begründeten. In diesen Fällen scheidet der Beamte daher ohne Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, insbesondere ohne Anspruch auf Ruhegehalt, aus dem Beamtenverhältnis aus (vgl. für die Entlassung: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, Stand 12/2020, § 4 BeamtVG Rn. 36).
2. Ein Eintritt bzw. eine Versetzung in den Ruhestand ist von Gesetzes wegen von vornherein nur vorgesehen für Beamte auf Lebenszeit (§§ 25, 26 BeamtStG), Beamte auf Probe (§ 28 BeamtStG) sowie Beamte auf Zeit (§ 6 BeamtStG) und hängt auch für diese Beamtengruppen von bestimmten Voraussetzungen ab.
Für Beamte auf Widerruf bestimmt dagegen § 22 Abs. 4 BeamtStG unter der amtlichen Normüberschrift „Entlassung kraft Gesetzes“, dass das Beamtenverhältnis auf Widerruf mit Ablauf des Tages der Ablegung oder dem endgültigen Nichtbestehen der für die Laufbahn vorgeschriebenen Prüfung endet; das Landesrecht bestimmt insoweit nichts grundlegend anderes, sondern sieht in § 31 LBG lediglich verfahrensrechtliche Abweichungen, insbesondere das Erfordernis eines deklaratorischen schriftlichen Bescheids im Falle der Entlassung kraft Gesetzes (§ 31 Abs. 2 LBG), vor. Ferner können Beamte auf Widerruf jederzeit durch Verwaltungsakt entlassen werden (§ 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG). Ein Übertritt in den Ruhestand wegen Erreichens der Altersgrenze oder eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit sind bei einem Widerrufsbeamten gesetzlich nicht vorgesehen und damit rechtlich nicht möglich.
Auch das Beamtenverhältnis auf Widerruf des Klägers endete mit Ablauf des 31.01.2014 durch Entlassung kraft Gesetzes, nachdem der Kläger im Rahmen des Vorbereitungsdienstes die Lehrbefähigung erworben hatte.
Setzt ein Anspruch auf Ruhegehalt den Ruhestand voraus und kann ein Widerrufsbeamter nicht in Ruhestand treten, so können Beamte auf Widerruf mangels rechtlicher Grundlage, wie sie mit Blick auf den auch für Versorgungsleistungen geltenden Gesetzesvorbehalt (§ 2 Abs. 2 LBeamtVG) unabdingbar wäre, von vornherein keine (beamtenrechtlichen) Versorgungsansprüche erwerben (Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 03/2021, § 80 LBG NRW Rn. 123 [zur vergleichbaren nordrhein-westfälischen Rechtslage]), und hat auch der Kläger den geltend gemachten Anspruch auf beamtenrechtliche Versorgung ungeachtet der Länge seines Vorbereitungsdienstes nicht erwerben können.
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3. Die Einwände des Klägers gegen dieses auch vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis vermögen nicht zu überzeugen.
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a. Ihm steht entgegen der Auffassung des Klägers zunächst nicht die Regelung des § 21 Abs. 1 Nr. 6 LBeamtVG entgegen. Der Kläger hat zwar Recht, wenn er aus dieser Regelung den Umkehrschluss zieht, dass Zeiten im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Sinne von § 4 Abs. 4 lit. a BeamtStG ruhegehaltsfähig sind. Er missversteht die Regelung jedoch, wenn er daraus den Schluss zieht, dass bei einem mindestens fünfjährigen Status als Beamter auf Widerruf automatisch ein Anspruch auf (künftiges) Ruhegehalt entstehe. Vielmehr bleibt es auch insoweit bei dem Grundsatz, das Anspruch auf Ruhegehalt nur hat, wer aus dem aktiven Dienst in den Ruhestand tritt oder versetzt wird. Nur, sofern dies der Fall ist, bemisst sich für die Berechnung der Höhe des Ruhegehalts nach § 21 LBeamtVG, die (auch) von der Länge der ruhegehaltsfähigen Dienstzeit abhängt, welche Dienstzeiten - etwa auch diejenige als Beamter auf Widerruf im Ausbildungsverhältnis im Sinne von § 4 Abs. 4 lit. a BeamtStG, nicht aber diejenigen im Beamtenverhältnis auf Widerruf im Sinne des § 4 Abs. 4 lit. b BeamtStG - als ruhegehaltsfähig anzusehen sind.
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b. Nichts anderes ergibt sich aus § 31 Abs. 1 Satz 3 HS 1 LDG, wonach der Beamte mit seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis auch den Anspruch auf Bezüge und Versorgung verliert. Entgegen der Auffassung des Klägers hat Satz 3 keine konstitutive Wirkung dergestalt, dass ohne eine explizite Feststellung des Verlusts der Ansprüche auf Bezüge und Versorgung der Beamte diese trotz Entfernung aus dem Dienst behielte. Vielmehr hat der ausdrückliche Hinweis in Satz 3 lediglich klarstellende Funktion dahingehend, dass die Entfernung eine vollständige Beendigung des Beamtenverhältnisses mit allen sich hieraus ergebenden Konsequenzen zur Folge hat (LT-Drs. 14/2996 S. 96; vgl. auch Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand 11/2020, § 10 BDG Rn. 3 [zur inhaltsgleichen Regelung in § 10 Abs. 1 Satz 2 BDG]). Entsprechendes gilt im Übrigen für § 31 Abs. 1 Satz 2 LDG, wonach mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis das Beamtenverhältnis endet; denn auch diese Konsequenz ist bereits bundesrechtlich (§ 21 Nr. 3 BeamtStG) vorgegeben.
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c. Der Senat vermag auch der weiteren Argumentation des Klägers nicht zu folgen. Der Kläger ist der Auffassung, aus der Einschränkung in § 32 Abs. 1 LBG, wonach nach der Entlassung frühere Beamtinnen und Beamte keinen Anspruch auf Leistungen des Dienstherrn haben, „soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“, und dem Umstand, dass in § 18 Abs. 1 LBeamtVG etwas anderes - nämlich dass Ruhegehalt stets nach einer Dienstzeit von mindestens fünf Jahren gewährt werde - geregelt sei, ergebe sich, dass Beamte auf Widerruf nach Ablauf der Fünfjahresfrist trotz einer Entlassung gleichwohl Ruhegehaltsansprüche hätten. Damit verkennt er jedoch, dass es an einer gesetzlichen Bestimmung, wonach Beamte auf Widerruf Anspruch auf Versorgungsleistungen haben, gerade fehlt, dass sich aus dem Zusammenspiel der Normen im Gegenteil, wie gesehen, ergibt, dass ein Anspruch auf Ruhegehalt den Ruhestand voraussetzt, und dass Beamte auf Widerruf nicht in den Ruhestand versetzt werden können.
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4. Schließlich begegnet diese einfachgesetzliche Rechtslage, nämlich das Fehlen eines selbstständigen Anspruchs auf Versorgung für ausgeschiedene Beamte auf Widerruf, auch mit Blick auf Art. 33 Abs. 5 GG keinen rechtlichen Bedenken.
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Das Rechtsverhältnis eines Beamten auf Widerruf unterscheidet sich grundsätzlich von demjenigen anderer Beamtengruppen. Dies gilt für die Wahrnehmung von Aufgaben von begrenzter Dauer im Sinne von § 4 Abs. 4 lit. b BeamtStG - etwa im Rahmen von Aushilfstätigkeiten oder Beschäftigungen zur Überbrückung von Ausfallzeiten u.a. wegen Krankheit, Elternzeit oder Beurlaubungen -, aber auch und insbesondere für das hier relevante Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Ableistung eines Vorbereitungsdienstes gemäß § 4 Abs. 4 lit. a BeamtStG. Der Beamte auf Widerruf ist kein Berufsbeamter. Ihm wird kein Amt im statusrechtlichen Sinn übertragen und er übt auch kein Amt im konkret funktionellen Sinne aus, da das zeitlich beschränkte Dienstverhältnis allein zur Ausbildung, nicht aber zur Erfüllung der Aufgaben nach § 3 Abs. 2 BeamtStG begründet wird. Entsprechend der vorrangigen Funktion, dem Anwärter den Erwerb der zur Begründung eines Beamtenverhältnisses auf Lebenszeit vorgeschriebenen Qualifikationen und damit der Laufbahnbefähigung zu ermöglichen, erbringt der Anwärter während der Zeit der Ausbildung für seinen Dienstherrn nur eine beschränkte Dienstleistung (BVerwG, Beschluss vom 17.03.2014 - 2 B 45.13 -, Juris Rn. 16; BeckOK Beamtenrecht Bund, Brinktrine/Schollendorf, Stand 01.04.2020, § 4 BeamtStG Rn. 19). Aufgrund dieser Besonderheiten gilt der Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG gegenüber einem Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst nicht (BVerfG, Beschlüsse vom 07.10.1992 - 2 BvR 1318/92 -, Juris Rn. 5, vom 20.02.2008 - 2 BvR 1843/06 -, Juris Rn. 11, und vom 12.04.1972 - 2 BvR 704/70 -, Juris Rn. 27; BVerwG, Beschluss vom 17.03.2014 - 2 B 45.13 -, Juris Rn. 16, und vom 31.01.1989 - 2 B 2.89 -, Juris Rn. 2; Senatsurteil vom 09.12.2009 - 4 S 2158/07 -, Juris Rn. 29). Dementsprechend sind die ihm gewährten Anwärterbezüge nicht auf Vollalimentation ausgelegt, sondern stellen lediglich eine auf Grundlage des Fürsorgeprinzips erfolgende Hilfe zur Bestreitung des Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit dar. Hat aber ein Beamter auf Widerruf im Vorbereitungsdienst bereits keinen verfassungsrechtlich verbrieften Anspruch auf Alimentation in Form von Besoldung, kann er, wenn er nach dem Vorbereitungsdienst aus dem Beamtenverhältnis ausscheidet, aus Art. 33 Abs. 5 GG auch keinen Anspruch auf Versorgung herleiten (OVG NRW, Urteil vom 26.02.1992 - 12 A 117/89 -, Juris Rn. 8 ff.; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht, Stand 03/2021, § 80 LBG NRW Rn. 123, m.w.N.; Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsgesetz des Bundes und der Länder, Stand 12/2020, § 4 BeamtVG Rn. 22).
III.
16 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
17 
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
18 
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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