Urteil vom Amtsgericht Essen - 14 C 162/16
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 522,88 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 14.10.2016 zu zahlen.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 147,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.10.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d :
2Von der Wiedergabe des Tatbestandes wird gemäß § 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
3E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
4Die zulässige Klage ist begründet.
5Das Gericht konnte nach § 495a ZPO im vereinfachten Verfahren ohne mündliche Verhandlung durch Endurteil entscheiden, weil der Streitwert 600,00 Euro nicht übersteigt.
6Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Rückzahlung des geltend gemachten Betrages von 522,88 Euro aus § 812 Abs.1 S.1 Alt.1 BGB zu.
7Denn der streitgegenständliche Werkvertrag ist als wucherähnliches Rechtsgeschäft gemäß § 138 Abs.1 BGB sittenwidrig und damit nichtig.
8Ein wucherähnliches Rechtsgeschäft liegt vor, wenn zwischen Leistung und Gegenleistung ein besonders grobes Missverhältnis besteht und die hierdurch begründete tatsächliche Vermutung einer verwerflichen Gesinnung des Vertragspartners von diesem nicht widerlegt wird. Für die Annahme eines besonders groben Missverhältnisses genügt bereits, dass der Wert der Leistung knapp doppelt so hoch ist, wie der der Gegenleistung (Palandt-Ellenberger § 138 Rn34a).
9Ein besonders grobes Missverhältnis in diesem Sinne liegt hier vor.
10Denn der objektive Wert der Türöffnung beträgt 296,61 Euro, so dass die Leistung des Klägers – gezahlt wurden 824,55 Euro – mehr als doppelt so hoch ausfiel, wie die empfangene Gegenleistung.
11Bei der Bestimmung des objektiven Wertes der hier streitgegenständlichen Türöffnung war dabei die Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall (BVM) zugrunde zu legen.
12Insoweit verfängt der Einwand des Beklagten, dass Schlüsselnotdienste diesem Gewerke nicht unterliegen, nicht. Denn bei der Preisempfehlung handelt es sich gerade um Preise für Türöffnungen durch einen Schlüsseldienst.
13Auch der Einwand des Beklagten, dass ein 24 Stunden Notdienst mit höheren Preisen kalkulieren müsse, greift insoweit nicht durch. Denn die Uhrzeit der jeweiligen Türöffnung berücksichtigt bereits die die Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall durch ein abgestuftes Vergütungssystem, welches gerade nach Uhrzeiten differenziert. Soweit hierbei keine Unterscheidung zwischen 24 Stundennotdiensten und regional agierenden ebenfalls auf Notdienste ausgerichtete Unternehmen vorgenommen wird, erscheint dies dem Gericht richtig, da schlussendlich beide Unternehmen die Aufgabenstellung gleichermaßen erfüllen. Die Nebenleistungen, wie die Bereitstellung des Notdienst-Personals und deren Erreichbarkeit sowie Mobilität fallen für beide Unternehmen gleichermaßen an. Dass für eine Türöffnung erforderliche Werkzeug muss ebenso von beiden bereit gehalten werden.
14Bei Zugrundelegung der Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall ist für die streitgegenständliche Türöffnung ein Werklohn in Höhe von 296,61 Euro angemessen. Dieser ergibt sich daraus, dass es sich um eine Türöffnung am Sonntag in Frankfurt geht, für die eine Pauschale in Höhe von 168,00 Euro als angemessen anzusehen ist. Hinzu kommt ein Zuschlag für die Arbeitszeit von unter ¼ Stunde in Höhe von 42,00 Euro und Fahrtkosten in Höhe von 36,00 Euro.
15Soweit hier ein neuer Schließzylinder eingebaut wurde sieht die Preisempfehlung hierfür einen angemessenen Betrag von weiteren 36,00 Euro vor.
16Dass hier ein Sicherheitsschloss verbaut worden wäre, für das evtl. ein höherer Preis in Ansatz zu bringen wäre, ergibt sich aus der Rechnung des Beklagten vom 17.07.2016 nicht. So wurde dies in dem Formular nicht entsprechend angekreuzt, obwohl hierfür eine Möglichkeit bestanden hätte. Insoweit hätte es dem Beklagten daher oblegen näher darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass hier entgegen dem Rechnungsinhalt doch ein Sicherheitsschloss verbaut worden ist.
17In Summe ergibt sich daher ein Betrag von 282,00 Euro. Da sich die in der Preisempfehlung des Bundesverbandes Metall aufgeführten Kosten auf August 2011 beziehen (Datum der Preisempfehlung des BVM), ist den dort zu findenden Werten eine Teuerungsrate aufzuschlagen. Der Verbraucherpreisindex lag im August 2011 bei 102,3 Punkten. Im Juli 2016 (Zeitpunkt der Türöffnung) lag der Verbraucherpreisindex bei 107,6 Punkten.
18Daraus folgt, dass die Türöffnung im Juli 2016 insgesamt 296,61 Euro kosten durfte. (282,00 Euro ÷ 102,3 × 107,6). Tatsächlich in Rechnung gestellt wurde ein Betrag in Höhe von 824,55 Euro.
19Vor diesem Hintergrund wird daher auch eine verwerfliche Gesinnung des Beklagten vermutet. Diese Vermutung ist von Seiten des Beklagten auch nicht widerlegt worden
20Da sich der geschlossene Vertrag demnach als sittenwidrig erweist, ist der Beklagte jedenfalls zu Rückzahlung des von Klägerseite geltend gemachten Betrages in Höhe von 522,88 Euro verpflichtet, da er diesen Betrag ohne Rechtsgrund durch Leistung des Klägers erlangt hat.
21Der Anspruch auf Zinsen folgt insoweit aus §§ 288, 291 BGB.
22Darüber hinaus ist der Beklagte aufgrund Verzuges (§§ 280 Abs.1, 2, 286 BGB) verpflichtet, die entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen (§§ 288, 291 BGB) zu erstatten, nachdem der Kläger den Beklagten zunächst selbst zur Zahlung aufgefordert hatte.
23Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
24Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
25Die Berufung war nicht zuzulassen, weil der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Anrufung des Berufungsgerichts auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist, § 511 Abs. 4 S. 1 ZPO.
26Der Streitwert wird auf 522,88 Euro festgesetzt.
27Rechtsbehelfsbelehrung:
28A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
291. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
302. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
31Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
32Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
33Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
34Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
35B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Essen statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Amtsgericht Essen, Zweigertstr. 52, 45130 Essen, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.
36Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
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Referenzen
- ZPO § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 2 Eintritt der Volljährigkeit 1x
- BGB § 138 Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher 1x
- BGB § 812 Herausgabeanspruch 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 1x
- ZPO § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- BGB § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden 2x
- BGB § 291 Prozesszinsen 2x
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x