Urteil vom Amtsgericht Halle (Saale) - 93 C 942/12
Tenor
1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.114,90 € nebst 4 % Zinsen seit dem 16. September 2011 zu bezahlen.
2.) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3.) Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 22 % und der Beklagte 78 %.
4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung, auch zu einem Teilbetrag, durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.114,90 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Mobilfunkvertrag geltend.
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Der Beklagte schloss mit der Klägerin am 25. Januar 2011 einen Mobilfunkvertrag ab. Wegen der Einzelheiten wird auf den Vertrag Bl. 13 d. A. verwiesen. Aus diesem Vertrag macht die Klägerin geltend
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eine Forderung über 59,95 € aus der Rechnung vom 14. April 2011. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 14 d. A. verwiesen.
- 4
-
eine Forderung über 61,13 € aus der Rechnung vom 13. Mai 2011. Wegen der Einzelheiten wird auf die (auf 69,92 € lautende) Rechnung Bl. 15 d. A. verwiesen. Die Sperrkosten von 7,39 € netto plus Mehrwertsteuer aus dieser Rechnung macht die Klägerin nicht geltend.
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eine Forderung über 61,13 € aus der Rechnung vom 16. Juni 2011. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 16 d. A. verwiesen.
- 6
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eine Forderung über 61,13 € aus der Rechnung vom 14. Juli 2011. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 17 d. A. verwiesen.
- 7
-
eine Forderung über 871,56 € aus der Rechnung vom 15. August 2011. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung Bl. 18 d. A. verwiesen.
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Diese Forderungen macht die Klägerin nebst Nebenforderungen mit der vorliegenden Klage geltend.
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Die Klägerin beantragt,
- 10
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.114,90 € nebst 4 % Zinsen seit dem 16. September 2011 nebst 15,00 € Mahnkosten sowie 147,50 € Inkassokosten nebst 8,67 € Bankrücklastkosten und 20,00 € Kontoführungskosten sowie 130,50 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
- 12
die Klage abzuweisen.
- 13
Der Beklagte behauptet, dass er den streitgegenständlichen Telefonvertrag an einem Werbestand am Hauptbahnhof Halle (Saale) abgeschlossen habe, nachdem er von dem Promoter S... B... mit der falschen Behauptung, er müsse für das Telefonieren nichts bezahlen, weil er 4 Prepaidkarten der Klägerin erhalte, angelockt worden sei. Der Beklagte beruft sich auf ein Schreiben vom 31. Januar 2011, mit welchem er den streitgegenständlichen Telefonvertrag widerrufen habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 31. Januar 2011 Bl. 34 d. A. verwiesen. Zudem beruft sich der Beklagte auf ein Schreiben vom 12. April 2011, mit welchem er den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 12. April 2011 Bl. 37 d. A. verwiesen.
- 14
Mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 (in diesem Verfahren) hat der Beklagte ausdrücklich seine auf Abschluss des streitgegenständlichen Mobilfunkvertrages gerichtete Willenserklärung widerrufen.
- 15
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2012 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist in der Hauptsache, nicht aber hinsichtlich der Nebenforderungen, begründet.
- 17
Der Abschluss des Vertrages ist unstreitig. Die Rechnungsforderungen sind schlüssig vorgetragen und der Höhe nach auch nicht bestritten.
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Der Ansicht des Landgerichts Halle (Urteil vom 8. Juni 2012, Az. 2 S 254/11), dass zu einer schlüssigen Klage auf Mobilfunkentgelt „die Klägerin konkrete Tatsachen vorzutragen hat, die Rückschlüsse auf das vereinbarte Preis- bzw. Tarifsystem in der Art und Weise zulassen, dass der Kammer ein rechnerischer Nachvollzug der Abrechnungen bereits anhand des Vortrages der Partei möglich ist“, vermag das Gericht nicht zu folgen. Diese Ansicht verkennt die Verteilung der Darlegungslast im Zivilprozess und insbesondere die Tatsache, dass ein unbestrittener Vortrag zur Rechnungshöhe als zugestanden gilt (§ 138 Abs. 3 ZPO). Zudem führt diese Rechtsansicht angesichts der Tatsache, dass Klagen auf Mobilfunkentgelt in der Praxis ein Massengeschäft sind, dazu, dass Mobilfunkentgelt faktisch nicht mehr oder nur noch mit unvertretbarem Aufwand gerichtlich gemacht werden könnte, was angesichts der staatlichen Justizgewährleistungspflicht bedenklich erscheint.
- 19
Der Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass ihm ein Widerrufsrecht zustand. Sollte seine Behauptung zutreffen, hätte er zwar gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BGB ein Widerrufsrecht, wobei die Widerrufsfrist mangels Erteilung einer Widerrufsbelehrung noch nicht einmal zu laufen begonnen hätte. Der Beklagte hat aber seine bestrittene Behauptung, er habe den Vertrag gerade unter solchen Umständen, die ein Widerrufsrecht begründen könnten, nicht bewiesen, obwohl er für das Vorliegen der Voraussetzungen eines Widerrufsrechts die Beweislast trägt. Die Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung hat das Gericht zwar zur Kenntnis genommen und bedacht. Sie reichen aber nicht aus, um den Gericht die Überzeugung zu verschaffen, dass die Sachverhaltsdarstellung des Beklagten zutrifft.
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Ebensowenig hat der Beklagte bewiesen, dass er berechtigt war, seine auf den Abschluss des Vertrages gerichtete Willenserklärung wegen arglistiger Täuschung anzufechten. Auch insoweit reichen die Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht aus.
- 21
Der vom Beklagte benannte Zeuge S... B... konnte nicht vernommen werden, da der Beklagte dem Gericht keine ladungsfähige Anschrift des Zeugen mitgeteilt hat, obwohl er hierzu von der Geschäftsstelle mit dem Hinweis, dass eine Ladung unter der vom Beklagten zunächst mitgeteilten Anschrift nicht erfolgen konnte, mit Schreiben vom 28. November 2012 aufgefordert wurde und mit Schreiben vom 2. Januar 2013 noch einmal an die Mitteilung der zustellungsfähigen Anschrift erinnert wurde. Darauf teilte der Beklagte mit, dass der Zeuge B... nach unbekannt abgemeldet sei und eine neue Anschrift nicht mitgeteilt werden könne. Eine Fristsetzung durch Beschluss gemäß § 356 ZPO war bei dieser Sachlage nicht erforderlich, weil sich diese Vorschrift nur auf Hindernisse bezieht, die der Beweisführer beheben kann (Zöller, ZPO, 29. Auflage, § 356 Rn. 2), während vorliegend der Beklagte mitteilt, dass er das Hindernis mangels Kenntnis der ladungsfähigen Anschrift gerade nicht beheben könne. Eine gleichwohl vorgenommene Fristsetzung wäre nur eine zur - der Klägerin nicht zuzumutenden - Verfahrensverzögerung führende Förmelei. Entgegen der Ansicht des Beklagten gibt es daher keine Handhabe, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen (dem hat die Klägerin auch ausdrücklich widersprochen) oder unter einem anderen Gesichtspunkt vom Erlass einer Endentscheidung abzusehen. Es kann nicht zu Lasten der Klägerin gehen, dass ein vom Beklagten benannter Zeuge nicht geladen werden kann. Der Beklagte möge sich vorstellen, wie er es fände, wenn er eine seiner Ansicht nach berechtigte Forderung gegen einen Schuldner nicht gerichtlich durchsetzen kann, weil die Gegenseite sich auf einen Zeugen beruft und dieser nicht geladen werden kann.
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Der Zinsanspruch beruht auf § 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
- 23
Die Nebenforderungen kann die Klägerin als Verzugsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB nicht verlangen, insbesondere keine Inkassokosten und vorgerichtliche Anwaltskosten. Der Beklagte hat mit Schreiben an die Klägerin vom 31. Januar 2011 und vom 12. April 2011 unmissverständlich deutlich gemacht, dass er zur Erfüllung des Vertrages nicht bereit ist. Bei dieser Sachlage war es von vorneherein nicht erfolgversprechend und daher nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, ein Inkassobüro einzuschalten und die Forderungen vorgerichtlich durch einen Rechtsanwalt anmahnen zu lassen (zumal weder das Inkassobüro noch der Rechtsanwalt auf die von dem Beklagten vorgerichtlich geltend gemachten Einwendungen eingingen). Auch Mahnungen waren daher aussichtslos, ebenso der - Bankrücklastgebühren auslösende - Versuch von Abbuchungen. Vielmehr war die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gehalten, nach der abschließenden Rechnung vom 15. August 2011 die Forderung alsbald einzuklagen. Ein - ohnehin kaum zu erwartendes - sofortiges Anerkenntnis des Beklagten hätte keinesfalls zu einer Kostenentscheidung zu Lasten der Klägerin gemäß § 93 ZPO führen können, da sich der Beklagte im Verzug befand und im übrigen durch seine vorgerichtliche Berufung auf einen Widerruf bzw. Anfechtung wegen arglistiger Täuschung Anlass zur Klageerhebung gegeben hätte. Da insoweit nur Nebenforderungen betroffen sind, musste das Gericht hierauf nicht hinweisen.
- 24
Bei der Kostenentscheidung war von einem fiktiven „Kostenquotenstreitwert“ von 1.436,57 € (Hauptforderung plus sämtliche Nebenforderungen) auszugehen, um die erhebliche Zuvielforderung hinsichtlich der Nebenforderungen bei der Kostenentscheidung abzugelten. Auf dieser Grundlage war die Kostenquote zu bilden. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
- BGB § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung 1x
- BGB § 286 Verzug des Schuldners 2x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 356 Beibringungsfrist 1x
- BGB § 254 Mitverschulden 1x
- ZPO § 93 Kosten bei sofortigem Anerkenntnis 1x
- ZPO § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht 1x
- BGB § 312 Anwendungsbereich 1x
- BGB § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes 1x
- Urteil vom Landgericht Halle (2. Zivilkammer) - 2 S 254/11 1x