Urteil vom Amtsgericht Viersen - 33 C 223/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich, seine Lebensgefährtin, die Zeugin A. Z., deren Mutter, die Zeugin S. Z. sowie für das Kind R. Z. eine Pauschalreise nach Belek/Türkei zu einem Gesamtpreis in Höhe von 2064,-- Euro, der von dem Kläger an die Beklagte bezahlt wurde. Der Hinflug von Nürnberg nach Antalya war für den 10.09.2009 um 20.35 Uhr vorgesehen, der Rückflug von Antalya nach Nürnberg sollte am 17.09.2009 um 17.15 erfolgen. Dabei war eine "ticketlose Beförderung" gebucht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung/Bestätigung der Beklagten (Kopie Bl. 8/9 d.A.) Bezug genommen.
3Dem Kläger wurden in der Folgezeit mit den weiteren Reiseunterlagen Flugtickets für die Zeugin S. Z. sowie für das Kind R. übersandt, jedoch nicht für ihn und seine Lebensgefährtin. Auf Nachfrage wurde dem Kläger von der Beklagten mitgeteilt, dies stelle kein Problem dar, da man auch "ticketlos" reisen könne.
4Inwieweit es am Abflugtag, dem 10.09.2009, beim Einchecken auf dem Flughafen Nürnberg zu Problemen wegen der nicht vorhandenen Flugtickets des Klägers und seiner Lebensgefährtin kam, ist unter den Parteien streitig.
5Am Anreisetag stellte sich in dem gebuchten Hotel dem Kläger ein Herr der Firma M. vor, der sich ihm gegenüber als Reiseleiter annahm. Inwieweit in der weiteren Reisezeit seitens der Beklagten eine Reiseleitung vor Ort für den Kläger und die übrigen Mitreisenden ansprechbar war, ist unter den Parteien streitig.
6Der Rückflug von Antalya nach Nürnberg fand – wie vereinbart – am 17.09.2009 statt, allerdings wurde die Abflugzeit von 17.15 Uhr auf 8.05 Uhr vorverlegt. Dieser Flug wurde nicht mit der Gesellschaft .. durchgeführt, sondern mit … Airlines. In Istanbul kam es zu einer Zwischenlandung mit 2 ½ Stunden Wartezeit.
7Vorprozessual machte der Kläger über seine späteren Prozessbevollmächtigten der Beklagten gegenüber Mängel geltend. Hierfür entstanden dem Kläger Rechtsanwaltskosten in Höhe von 641,05 Euro.
8Die Beklagte brachte vorprozessual 200,-- Euro kulanzweise an den Kläger zur Auszahlung.
9Der Kläger behauptet, der Urlaub sei völlig vertan.
10Als er am Abflugtag, dem 10.09.2009, mit den weiteren Mitreisenden habe einchecken wollten, sei ihm von Mitarbeitern der Fluggesellschaft, der Fa. …, mitgeteilt worden, er sowie seine Lebensgefährtin Frau A. Z. könnten mangels Tickets nicht mitreisen; ein ticketloses Reisen sei bei der Fluggesellschaft nicht möglich. Nach mehreren Telefonaten mit der Beklagten, verbunden mit minutenlangen Warteschleifen in der Telefonanlage, habe erreicht werden können, er Kläger sowie seine Lebensgefährtin zusammen mit den übrigen Mitreisenden doch noch in die Türkei geflogen wurde.
11Ein Flughafenmitarbeiter habe ihm bei Abflug vom Flughafen Nürnberg ebenso wie seiner Lebensgefährtin jedoch definitiv klargemacht, dass es für die "ticketlos Reisenden" keinerlei Garantie gäbe, dass man am geplanten Rückreisetag wieder zurückfliegen könne.
12Eine Erholung sei weder ihm noch den Mitreisenden möglich gewesen, da die Ungewissheit hinsichtlich des Rückfluges bestanden habe und am Urlaubsort niemand erreichbar gewesen sei, welcher ihm und seinen Angehörigen die Angst habe nehmen können. Dieses "Damokles-Schwert" habe ständig über seinem Kopf geschwebt.
13Mit der Klage macht der Kläger folgende Positionen geltend:
14Rückerstattung des Reisepreises 2064,-- Euro
15Schadensersatz wegen vertaner Urlaubszeit 1032,-- Euro
16Flugkosten 776,-- Euro
17Versicherungsprämien 164,-- Euro
18Unkostenpauschale 30,-- Euro
194066,-- Euro.
20Daneben nimmt er die Beklagte auf Erstattung der vorprozessual angefallenen Anwaltskosten in Anspruch.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4066,-- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 641,05 Euro zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Sie rügt die Aktivlegitimation des Klägers, soweit er Ansprüche für seine Mitreisenden geltend macht und beruft sich darauf, die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB sei in der Person des Klägers verstrichen. Überdies lägen Reisemängel nicht vor, weshalb eine Haftung der Beklagten bereits dem Grunde nach ausscheide. Schließlich sei die Klageforderung völlig überhöht.
26Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der weiteren Einzelheiten auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
27Entscheidungsgründe
28Die Klage ist nicht begründet.
29Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von 4066,-- Euro zu. Ansprüche des Klägers sind insoweit weder unter dem Gesichtspunkt der Minderung des Reisepreises wegen Mängeln der Reise (§ 651 d Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 346, 638 Abs. 4 BGB) begründet, noch wegen vertaner Urlaubszeit (§ 651 f Abs. 2 BGB).
30Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger vollumfänglich aktivlegitimiert ist und ob die Ausschlussfrist des § 651 g Abs. 1 BGB gewahrt ist. Denn berechtigte Ansprüche des Klägers auf Minderung des Reisepreises sind durch die vorprozessuale Zahlung der Beklagten erfüllt, § 362 Abs. 1 BGB. Weitergehende Ansprüche stehen dem Kläger nicht zu.
31Im Einzelnen gilt folgendes:
32Soweit der Kläger die Beklagte auf Rückzahlung des Reisepreises in Höhe von 2064,-- Euro in Anspruch nimmt, ist ein unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit der Reise (§ 651 c Abs. 1 BGB) begründeter Anspruch durch die geleistete Zahlung der Beklagten erfüllt.
33Insoweit liegt ein Reisemangel nämlich allenfalls vor, soweit es um die Verlegung der Abflugszeit für den Rückflug von Antalya nach Nürnberg geht. Durch die Verlegung der Abflugzeit von 17.15 Uhr auf 8.05 Uhr wurde der gebuchte Urlaub um mehr als 9 Stunden verkürzt. Dies stellt auch einen – wenn auch nicht erheblichen – (mehr dazu unten) – Mangel der Reise dar, der zur Minderung des Reisepreises berechtigt. Was die Minderungshöhe wegen der Verlegung der Abflugzeit betrifft, berechtigt diese bei einer Abweichung von mehr als 4 Stunden dazu, für jede weitere Stunde 5 % des anteiligen Reisepreises zurückzuverlangen (vgl. LG Frankfurt a.M., NJW-RR 1991, Seite 630). Ausgehend von dem Gesamtpreis von 2064,-- Euro beläuft sich der anteilige Preis für einen Reisetag (24 Stunden) auf 294,86 Euro. Hieraus ergibt sich anteilig für ca. 9 Stunden verkürzte Reisezeit ein Anspruch des Klägers auf Rückerstattung von 61,43 Euro. Selbst wenn man hierauf einen angemessenen Zuschlag für den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger infolge der Vorverlegung der Abflugzeit gemeinsam mit den übrigen Mitreisenden besonders früh aufstehen musste, ist dem durch die vorprozessuale Zahlung der Beklagten in Höhe von 200,-- Euro in vollem Umfang Rechnung getragen. Danach ist Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) eingetreten.
34Im Übrigen liegen Mängel der Reise nicht vor.
35Soweit der Kläger vorbringt, ihm und seiner Lebensgefährtin seien keine Flugtickets übersandt worden, stellt dies keinen Reisemangel dar. Denn eine "ticketlose Beförderung" war ausweislich der Reisebestätigung vereinbart.
36Auch die von dem Kläger behaupteten Probleme beim Einchecken auf dem Flughafen in Nürnberg rechtfertigen nicht die Minderung des Reisepreises. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass sich die Dinge tatsächlich so zugetragen haben, wie er dies behauptet. Selbst wenn der Kläger zunächst mehrfach bei der Beklagten anrufen musste und dabei auch längere Zeit in der Telefonschlange warten musste, ist er ebenso wie seine Lebensgefährtin in den Genuss der vertraglich geschuldeten ticketlosen Beförderung gelangt. Damit hat die Beklagten ihre geschuldete Leistung insoweit vollumfänglich erbracht.
37Gleiches gilt im Ergebnis, soweit der Kläger geltend macht, die Ungewissheit hinsichtlich des Rückfluges habe wie ein "Damokles-Schwert" während des gesamten Urlaubs auf ihm und den Mitreisenden gelastet. Auch diesbezüglich kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass – wie er vorträgt – ein Flughafenmitarbeiter ihm und seiner Lebensgefährtin klarmachte, dass es für die ticketlos Reisenden keinerlei Garantie gäbe, dass man am geplanten Rückreisetag wieder zurückfliegen könne. Hieraus kann der Kläger keine Rechte gegen die Beklagte herleiten, zumal bereits nicht ersichtlich ist, inwieweit sich die Beklagte derartige Erklärungen "eines Flughafenmitarbeiters" zurechnen lassen müsste.
38Im Übrigen sind die Befürchtungen des Klägers nicht nachzuvollziehen: Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund ein ticketloser Rückflug zur vorgesehenen Zeit nicht ebenso erfolgen konnte, wie der in gleicher Weise durchgeführte ticketlose Hinflug. Nichts ist dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass für den Rückflug anderes gelten könnte.
39Abgesehen davon wäre es schließlich dem Kläger ein leichtes gewesen, die ihn angeblich so belastende Ungewissheit durch einen Anruf bei der Beklagten aus der Welt zu schaffen. Die Inanspruchnahme der örtlichen Reiseleitung war insoweit nicht erforderlich.
40Aus dem vorgenannten Grund kann der Kläger die Reisepreisminderung auch nicht auf das angebliche Fehlen einer örtlichen Reiseleitung stützen.
41Schließlich ist es auch unerheblich, ob der Rückflug statt mit der Fluggesellschaft … mit … stattfand. Denn der Kläger hatte nicht eine bestimmte Fluglinie gebucht.
42Mangels Buchung eines Direktflugs Nürnberg – Antalya kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass bei dem Rückflug eine Zwischenlandung in Istanbul stattfand. Der dortige Zwischenaufenthalt von 2 ½ Stunden stellt ebenfalls keinen Reisemangel dar, da es sich insoweit nicht um eine überlange vertragswidrige Zwischenlandung handelte, wie diese bei Zwischenaufenthalten von mehr als sechs Stunden in der Rechtsprechung angenommen wird (vgl. etwa AG Düsseldorf, NJW-RR 1997, Seite 1139).
43Auch soweit der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe 1032,-- Euro wegen vertaner Urlaubszeit in Anspruch nimmt, ist die Klage nicht begründet. Ein diesbezüglicher Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit kann gem. § 651 f Abs. 2 BGB nur dann eine angemessene Entschädigung in Geld verlangt werden, wenn es sich um einen erheblichen Reisemangel handelt. Die Vorverlegung der Abflugzeit von 17.15 Uhr auf 8.05 Uhr begründet zwar insoweit einen Reisemangel (siehe oben). Erheblich ist ein solcher Mangel jedoch erst dann, wenn die Reisezeit um jedenfalls mehr als einen ganzen Tag verkürzt wurde. Dies gilt auch, wenn die Reise – wie hier - insgesamt nur eine Woche dauerte (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998) Seite 51).
44Auch die weiter mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Flugkosten, Versicherungsprämie und pauschalen Unkosten sind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet.
45Unter welchem tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkt der Kläger hier einen Anspruch auf Erstattung von Flugkosten in Höhe von 776,-- Euro gegenüber der Beklagten geltend macht, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat dies ausdrücklich gerügt. Angesichts des Umstandes, dass die Flugkosten im Reisepreis von 2064,--Euro naturgemäß enthalten sind und zusätzliche Flugkosten in keiner Weise anfielen, muss sich der Kläger fragen lassen, inwieweit das Festhalten an der genannten Klageposition mit der prozessualen Wahrheitspflicht in Einklang gebracht werden kann.
46Ähnliches gilt für die Rückzahlung der vom Kläger verauslagten Versicherungsprämie in Höhe von 164,-- Euro. Inwieweit die Beklagte hierfür einzustehen hätte, ist unerfindlich. Ein Schaden des Klägers ist nicht entstanden, da dieser kraft der geschlossenen Versicherungen in den Genuss des entsprechenden Versicherungsschutzes gelangte.
47Die Geltendmachung einer Unkostenpauschale ist dem Deutschen Recht generell fremd; sie ist lediglich im Rahmen der Abrechnung von Ersatzansprüchen wegen Verkehrsunfällen inzwischen gewohnheitsrechtlich anerkannt. Für Reisevertragssachen gilt dies nicht.
48Der Kläger kann die Beklagte schließlich auch nicht auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 641,05 Euro in Anspruch nehmen, namentlich nicht unter dem Gesichtspunkt des Schuldnerverzugs gem. §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Denn nichts ist dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass sich die Beklagte mit der Befriedigung der berechtigten Ansprüche des Klägers bereits im Verzug befand, als die Prozessbevollmächtigten des Klägers vorprozessual mandatiert wurden.
49Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
50Die Anordnung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
51Streitwert: 4066,--Euro.
52Richter
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.