Urteil vom Anwaltsgerichtshof NRW - 1 AGH 19/20
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 15.06.2020, mit dem diese den Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt gemäß § 46a BRAO zugelassen hat.
31.
4Mit am 20.09.2019 bei der Beklagten eingegangenem Antrag beantragte der Beigeladene die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt für seine seit dem 01.05.2007 bei der Kreishandwerkerschaft N ausgeübte Tätigkeit als Geschäftsführer. In der zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gemachten und vom Präsidenten der Kreishandwerkerschaft unterzeichneten Tätigkeitsbeschreibung mit 5 Anlagen werden die Merkmale der anwaltlichen Tätigkeit im Wesentlichen wie folgt beschrieben:
5Der Beigeladene ist für die Rechtsabteilung der Kreishandwerkerschaft verantwortlich, die anwaltliche Dienstleistungen für die ca. 900 Mitgliedsbetriebe der der Kreishandwerkerschaft angehörigen Innungen übernehme.
6Prüfung von Rechtsfragen: Ermittlung rechtlich relevanter Sachverhalte bei den Mitgliedsbetrieben und Beratung sowie Unterbreitung von Lösungsansätzen; im Bereich des privaten Baurechts seien Leistungsverzeichnisse von Bauherren und Architekten zu sichten und rechtlich zu analysieren. Werkverträge zwischen den Mitgliedsbetrieben und den Bauherren seien rechtlich zu bewerten und insbesondere im Bereich der Werklohnvergütung und der Gewährleistungsansprüche auf Probleme hinzuweisen. Im Bereich „Inkasso“ biete der Beigeladene sämtliche Dienstleistungen an, bis hin zur Einleitung von Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung.
7Erteilung von Rechtsrat: auf Basis des ermittelten Sachverhalts werde den Mitgliedsbetrieben Rechtsrat erteilt; (vgl. zu Prüfung von Rechtsfragen). Im Arbeits- und Tarifvertragsrecht werde umfassend beraten und z.B. erforderlichenfalls Ansprüche gegenüber Mitarbeitern der Mitgliedsunternehmen gerichtlich durchgesetzt.
8Gestaltung von Rechtverhältnissen: Tätigkeit weitgehend wie zu Prüfung von Rechtsfragen, außerdem habe er die Befugnis, für die Mitgliedsunternehmen Verhandlungen mit rechtsverbindlichen Abschlüssen durchzuführen.
9Verantwortliches Auftreten nach außen: Als Geschäftsführer sei er alleinvertretungsberechtigt und daher verantwortlich nach außen.
10In Anlage IV zum Zulassungsantrag werden die von der Kreishandwerkerschaft für die Handwerkskammer nach § 87 Nr. 6 HwO übernommen Aufgaben beschrieben, u.a.: Vorbereitende Tätigkeiten für die Eintragung in die Handwerksrolle, Unterstützung des Hauptzollamtes bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit, Benennung von Sachverständigen sowie Überprüfung von Berufsausbildungsverträgen. Verwaltungsakte würden nicht erlassen.
11Seine fachliche Unabhängigkeit werde gewährleistet. Der prozentuale Anteil anwaltlicher Tätigkeit wird mit 75 bis 80 % angegeben.
12In dem zwischen der Kreishandwerkerschaft N und dem Beigeladenen geschlossenen Anstellungsvertrag vom 00.04.2007 werden u.a. die Arbeitszeit, die Vergütung, Regelungen im Krankheitsfall, Urlaub, Vertragsdauer und Kündigung geregelt. In § 4 Ziff. 2. des Vertrages ist geregelt, dass der Beigeladene Mitglied im Versorgungswerk der Rechtsanwälte und die Beiträge von ihm abgeführt würden. Der zunächst befristet geschlossene Vertrag wurde mit Vereinbarung vom 16.08.2011 in einen unbefristeten Dienstvertrag umgewandelt.
132.
14Mit Schreiben vom 27.11.2019 wurde die Klägerin zur beabsichtigten Zulassung des Beigeladenen angehört. In ihrem Schreiben vom 12.12.2019 wies sie darauf hin, dass die Zulassungsvoraussetzungen für die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt nicht gegeben seien, da der Beigeladene hoheitliche Tätigkeiten wahrnehme, die der Zulassung entgegenstünden.
153.
16Mit Bescheid vom 15.06.2020 ließ die Beklagte den Beigeladenen gem. § 46a BRAO als Syndikusrechtsanwalt zu.
174.
18Gegen diesen, der Klägerin am 16.07.2020 zugegangenem Bescheid richtet sich die am 30.07.2020 fristgerecht erhobene Klage. Zur Begründung ihrer Klage trägt sie im Wesentlichen folgendes vor:
19a)
20Der Zulassung stehe der Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO entgegen. Als Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft N (Kreishandwerkerschaft) sowie der diese bildenden Innungen, bei denen es sich um Körperschaften des öffentlichen Rechts handele, sei er auch hoheitlich tätig, sodass er eine Tätigkeit ausübe, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege nicht vereinbar sei und das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden könne.
21Zwar habe der BGH in mehreren jüngeren Entscheidungen nicht eine generelle Unvereinbarkeit einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst mit der Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt erkannt, insoweit komme es immer auf den Einzelfall an. Insbesondere in seiner Entscheidung vom 30.9.2019 –AnwZ (Brfg) 38/18- habe der BGH die wesentlichen Grundsätze für eine Vereinbarkeit der Tätigkeit dargelegt.
22Gemessen an diesen Grundsätzen sei die Tätigkeit unvereinbar. Als Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, der offenbar auf Ersuchen der Mitgliedsinnungen auch Geschäftsführer zahlreicher angeschlossener Innungen sei, nehme er für diese zahlreiche in der HwO vorgesehene hoheitliche Aufgaben wahr und verfüge über Entscheidungsbefugnisse.
23Hierzu gehörten u.a. die in § 54 Abs. 1 Satz 2 HwO geregelten Pflichtaufgaben der Innungen mit hoheitlichem Charakter, wie z.B. die Regelung und Überwachung der Lehrlingsausbildung, die Errichtung der Gesellenprüfungsauschüsse und Abnahme der Gesellenprüfungen, die Mitwirkung bei der Verwaltung der Berufsschulen sowie die Erstattung von Gutachten und Erteilung von Auskünften an die Behörden. Darüberhinaus hätten die Innungen die Möglichkeit Ausschüsse zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Auszubildenden und Lehrlingen zu errichten, von der zahlreiche der der Kreishandwerkerschaft angeschlossenen Innungen Gebrauch gemacht hätten. Aus der von der Handwerkskammer E erlassenen Verfahrensordnung der Schlichtungsausschüsse ergebe sich, die vorsitzende Person des Ausschusses die Befähigung zum Richteramt haben müsse. Da der Beigeladene über die Befähigung zum Richteramt verfüge, sei anzunehmen, dass er einem solchen Schlichtungsausschuss angehöre. Seine Einlassung in der mündlichen Verhandlung, dass die Handwerkskammer E die Lehrlingsstreitverfahren erledige, entspräche daher nicht der Realität.
24Außerdem erhöben die Kreishandwerkerschaft und die Innungen z.B. gem. § 73 HwO Beiträge und Gebühren durch Verwaltungsakte.
25b)
26Außerdem sei zu bezweifeln, dass die vom Beigeladenen ausgebübten Tätigkeiten durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1-4 BRAO bezeichneten Tätigkeiten geprägt seien. Es bestünden Zweifel daran, dass tatsächlich etwa 75 bis 80 % der Arbeitszeit des Beigeladenen auf anwaltliche Tätigkeiten entfielen. Die Angaben im Zulassungsantrag seien insgesamt anzuzweifeln, da keine Angaben zu den sonstigen Tätigkeiten des Beigeladenen als Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft und der angeschlossenen Innungen gemacht würden. Zahlreiche der von ihm als Geschäftsführer wahrzunehmenden Aufgaben seien nicht anwaltlicher Natur. Die Geschäftsführung der 19 angeschlossenen Innungen erforderten einen erheblichen zeitlichen Aufwand, wie sich insbesondere aus der im Magazin der Kreishandwerkerschaft zu entnehmenden Anzahl der Innungsversammlungen entnehmen lasse, in denen er Bericht zu erstatten habe. Darüber hinaus habe der Beigeladene zahlreiche nicht-anwaltliche Tätigkeiten, wie Ehrungen und Geburtstagsgratulationen sowie sonstige Veranstaltungen wahrzunehmen.
27c)
28Schließlich sei der Beigeladene nicht nur i.S.v. § 46 Abs. 5 BRAO in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers, der Kreishandwerkerschaft, sondern auch in Angelegenheiten Dritter tätig, die nicht zu den Mitgliedern der Kreishandwerkerschaft gehörten und damit nicht von § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO erfasst seien. Mitglieder der Kreishandwerkerschaft seien nur die Innungen und nicht deren angehörige Betriebe.
29Die Klägerin beantragt,
30den Zulassungsbescheid des Beklagten vom 15.06.2020 aufzuheben.
31Die Beklagte beantragt,
32die Klage abzuweisen.
33Sie tritt dem Vortrag der Klägerin entgegen: Weder der Beigeladene noch weisungsabhängige Mitarbeiter seien hoheitlich tätig, auch sei er an Schlichtungsverfahren nicht beteiligt. Seine Tätigkeit bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft führe nicht zur Unvereinbarkeit. Der BGH habe in mehreren Entscheidungen die Kriterien aufgestellt, die bei der Beurteilung dieser Frage für bei öffentlich-rechtlich organisierten Arbeitgebern beschäftigten Syndikusrechtsanwälten gälten. Die von der Klägerin zitierte Entscheidung des BGH v. 13.09.1993 beträfe auch weniger die Unvereinbarkeit der anwaltlichen Tätigkeit als vielmehr die aus dieser resultierenden, von Rechtssuchenden erwarteten Vorteile der Mandatierung eines Rechtsanwaltes im öffentlichen Dienstverhältnis.
34Themen wie die Lehrlingsausbildung gehörten gem. § 89 HwO nicht zum Tätigkeitsspektrum der Kreishandwerkerschaft; als Geschäftsführer der Innungen, die für die Lehrlingsausbildung zuständig seien, sei er mit derartigen Aufgaben nicht befasst. Gesellenprüfungen werden von den Prüfungsausschüssen betrieben, an denen Innungsmitglieder mitwirkten, nicht aber der Beigeladenen als Geschäftsführer. Außerdem liefen zahlreiche Zuständigkeiten der Innungen weitgehend zu Gunsten der Handwerkskammern leer, die von der ihr zustehenden Kompetenz in § 91 Abs. 1 Nr. 4 HwO Gebrauch machten. Soweit die Innungen Kompetenzen zur Erstattung von Gutachten u.a. hätten, stellten diese keine Verwaltungsakte dar. Die Vorbereitung von hoheitlichen Entscheidungen sei kein hoheitliches Handeln.
35Seine Tätigkeit als Geschäftsführer mehrerer Innungen führe nicht zu einer Vervielfachung der Arbeit, da die Kreishandwerkerschaft von den Innungen gebildet würde und somit ein einheitlicher Organisationsapparat gebildet werde. Seine Tätigkeit sei anwaltlich geprägt.
36Der Beigeladene sei auch entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO in Rechtsangelegenheiten seines Arbeitgebers, der Kreishanderwerkerschaft tätig. Diese hätten sich entschieden, dass die anwaltliche Beratung der Mitglieder nicht durch sie selbst, sondern durch die von ihr gebildete Kreishandwerkerschaft erfolge.
37Entscheidungsgründe
38I.
39Die Anfechtungsklage der Klägerin ist zulässig. Gegen den Bescheid der Beklagten ist ohne Durchführung eines Vorverfahrens (§ 68 VwGO, § 110 JustG NRW) Anfechtungsklage zulässig (§ 42 VwGO, §§ 112 Abs. 1, 112c Abs. 1 BRAO) Der Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen ist für die Klage zuständig (§ 112a BRAO).
40II.
41Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt Rechte der Klägerin nicht (§§ 112c BRAO, 113 Abs. 1 VwGO).
42Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Über die Zulassung des Beigeladenen als Syndikusrechtsanwalt hat die örtlich zuständige Rechtsanwaltskammer auf Antrag des Beigeladenen nach Anhörung des Trägers der Rentenversicherung (§ 46a Abs. 2 Satz 1 BRAO) entschieden.
43Der angefochtene Zulassungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikusrechtsanwalt ist gemäß § 46a Abs. 1 BRAO auf Antrag zu erteilen, wenn
44- 45
1. die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum Beruf des Rechtsanwalts gemäß § 4 erfüllt sind
- 46
2. kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 vorliegt und
- 47
3. die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 entspricht.
1.
49Dafür, dass die Zulassungsvoraussetzungen gemäß § 4 BRAO nicht vorliegen, ist nichts ersichtlich. Der Beigeladene ist bei der Beklagten als Rechtsanwalt zugelassen.
502.
51Auch Zulassungsversagungsgründe nach § 7 BRAO sind nicht ersichtlich, insbesondere nicht solche gemäß § 7 Nr. 8 BRAO.
52Gem. § 46a Abs. 1 Nr. 2 BRAO i.V.m. § 7 Nr. 8 BRAO ist die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt zu versagen, wenn eine Tätigkeit ausgeübt wird, die mit dem Beruf eines Syndikusrechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbar ist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefährden kann.
53a)
54Der BGH hat die Voraussetzungen für die Anwendung dieses Zulassungsversagungsgrundes auf die Zulassung von Syndikusrechtsanwälten in seinem Urteil vom 22.06.2020 – AnwZ (Bfg) 81/18 – noch einmal wie folgt zusammengefasst:
55Nach zwischenzeitlich gefestigter Rechtsprechung des Senats kann das Zulassungshindernis des § 7 Nr. 8 BRAO einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt entgegenstehen (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Bfg) 38/18, NJW 2019, 3644 Rn. 16). Eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst ist zwar nicht von vornherein mit einer Zulassung als Syndikusrechtsanwalt unvereinbar. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die ausgeübte Tätigkeit im öffentlichen Dienst einer Zulassung entgegensteht, ob also die Belange der Rechtspflege durch die Zulassung gefährdet sind (BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Bfg) 38/18, a.a.O. Rn. 17). Mit dieser Prüfung sind die Besonderheiten der anwaltlichen Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts nach §§ 46 f. BRAO zu berücksichtigen.
56Eine Gefährdung der Interessen der Rechtspflege i.S.v. § 7 Nr. 8 BRAO und damit ein Ausschluss der Zulassung ergibt sich hierbei insbesondere dann, wenn der Antragsteller am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist. Mit einer Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege ist eine solche hoheitliche Tätigkeit nicht vereinbar. Die Ausübung hoheitlicher Befugnisse ist den staatlichen Organen als solchen vorbehalten. Derjenige, der hoheitlich tätig wird, nimmt spezifische Staatsfunktionen wahr und ist deutlich enger in die Staatshierarchie eingebunden als nicht hoheitlich tätige Angestellte des öffentlichen Dienstes. Der hoheitlich tätige Angestellte handelt – auch aus Sicht der Rechtsuchenden – gleichsam als Staat im Rahmen der der staatlichen Stelle zukommenden Hoheitsgewalt, nicht jedoch als Berater oder Vertreter seines Arbeitgebers und damit nicht als unabhängiges Organ der Rechtspflege (BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Bfg) 38/18, a.a.O. Rn. 21).
57Auf den Umfang der hoheitlichen Tätigkeit des Antragstellers kommt es hierbei nicht entscheidend an. Insbesondere muss die hoheitliche Tätigkeit nicht den Schwerpunkt der Gesamttätigkeit darstellen. Der Zulassungsversagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAO stellt nicht auf den Schwerpunkt der Tätigkeit ab, sondern darauf, ob zu dem Tätigkeitsfeld des Antragstellers Aufgaben gehören, die mit dem Beruf des Rechtsanwalts unvereinbar sind. Nicht entscheidend ist auch, ob der Antragsteller nach außen hin als Entscheidungsträger in Erscheinung tritt oder als solcher zu erkennen ist. Nicht das äußere Erscheinungsbild ist maßgeblich, sondern der objektive Inhalt der Tätigkeit, mithin die tatsächlich bestehende Entscheidungsbefugnis. Die Unvereinbarkeit folgt nicht aus dem äußeren Erscheinungsbild, sondern aus der Tätigkeit als solcher. Eine Zulassung scheidet demnach insbesondere dann aus, wenn die hoheitlichen Maßnahmen innerhalb der Organisationseinheit getroffen werden, welcher der Antragsteller angehört und wenn der Antragsteller hieran mit Entscheidungskompetenz beteiligt ist. Fungiert der Antragsteller dagegen lediglich als rechtliche Prüfstelle ohne weisungsbefugt zu sein, ist eine Zulassung nicht nach § 7 Nr. 8 BRAO ausgeschlossen (BGH, Urteil vom 30.09.2019 – AnwZ (Bfg) 38/18, a.a.O. Rn. 23 mwN).
58b)
59Aus der zitierten Entscheidung des BGH ergibt sich, dass eine Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ausscheidet, wenn dieser am Erlass hoheitlicher Maßnahmen mit Entscheidungsbefugnis beteiligt ist; unschädlich ist dabei, wenn er im Zusammenhang mit hoheitlichen Maßnahmen lediglich als Prüfstelle auftritt und hoheitliche Maßnahmen, etwa durch Stellungnahmen, Rechtsgutachten, mündliche oder schriftliche Beratungen sowie Fertigung von Entscheidungsentwürfen vorbereitet. Ebenso wenig ist entscheidend, ob und wie häufig Entscheidungsvorschlägen gefolgt werden. Auch handelt ein Syndikusrechtsanwalt nicht hoheitlich, wenn er seinen Arbeitgeber vor Gerichten vertritt. Dies gilt auch dann, wenn der Syndikusrechtsanwalt einen gerichtlichen Vergleich schließt oder einem Vergleichsvorschlag des Gerichts zustimmt, welcher den Arbeitgeber unmittelbar zu einem hoheitlichen Handeln verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.2019 – AnwZ (Bfg) 31/17).
60c)
61Gemessen an diesen Voraussetzungen nimmt der Beigeladene keine hoheitlichen Aufgaben war.
62aa)
63Die Kreishandwerkerschaft ist wie die ihr angeschlossenen Innungen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§§ 89 Abs. 1 Nr.1, 53 HwO). Gemäß § 86 HwO bilden die Handwerksinnungen, die in einem Stadt- und Landkreis ihren Sitz haben, die Kreishandwerkerschaft. Die Zugehörigkeit der Innungen zur Kreishandwerkerschaft ist zwingende gesetzliche Folge und steht nicht zu ihrer Disposition (vgl. VG Freiburg. Urteil v. 30.06.1970 –IV 123/69-). Im Organisationsgefüge der Handwerksordnung sind die Innungen und die Kreishandwerkerschaft die untere Organisationseinheit der Handwerksbetriebe auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte, während die Handwerkskammern von den obersten Landesbehörden in der Regel im Bereich der höheren Verwaltungsbehörden (Regierungsbezirke) gebildet werden (§ 90 Abs. 5 HwO). Entsprechend § 90 Abs. 2 HwO gehören zur Handwerkskammer die Inhaber eines Betriebs eines Handwerks und eines handwerkähnlichen Gewerbes des Handwerkskammerbezirks sowie die Gesellen, andere Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung und die Lehrlinge dieser Gewerbetreibenden, während Mitglieder der Innungen nur Inhaber von Handwerksbetrieben werden können (§ 52 Abs. 1 HwO). Handwerkskammern werden zur Vertretung des Interesses des Handwerks errichtet (§ 90 Abs. 1 HwO). Der Aufgabenbereich der Handwerkskammern ist in § 91 HwO im Wesentlichen, aber nicht abschließend aufgeführt. Danach obliegt es der Handwerkskammer, die Interessen des Handwerks zu fördern und für einen gerechten Ausgleich der Interessen der einzelnen Handwerke und ihrer Organisationen zu sorgen, die Behörden in der Förderung des Handwerks durch Anregungen, Vorschläge und durch Erstattung von Gutachten zu unterstützen und regelmäßig Berichte über die Verhältnisse des Handwerks zu erstatten. Demgegenüber ist Aufgabe der Handwerksinnungen u.a., die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern, insbesondere den Gemeingeist und die Berufsehre zu pflegen und ein gutes Verhältnis zwischen Meistern, Gesellen und Lehrlingen anzustreben und entsprechend den Vorschriften der Handwerkskammer die Lehrlingsausbildung zu regeln und zu überwachen sowie für die berufliche Ausbildung der Lehrlinge zu sorgen und ihre charakterliche Entwicklung zu fördern, die Gesellenprüfungen abzunehmen und hierfür Gesellenprüfungsausschüsse zu errichten, sofern sie von der Handwerkskammer dazu ermächtigt sind (§ 54 HwO) Außerdem haben die Handwerksinnungen nach § 54 Abs. 3 HwO bestimmte fakultative Aufgaben namentlich im Bereich des Abschlusses von Tarifverträgen und der Unterstützungskassen. Die Handwerksinnung kann schließlich nach § 54 Abs. 4 HwO auch sonstige Maßnahmen zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen der Innungsmitglieder durchführen.
64Daraus resultiert eine Aufgabenverteilung zwischen der Handwerkskammer und den Innungen, die in Teilbereichen zu Aufgabenüberschneidungen führen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. 4. 2006 - 6 C 19/05-), die in der Praxis sehr weitgehend sind (so König/Knörr/Thiel/Günther HwO § 91 Rn. 94). Die Handwerksordnung geht somit von einer dualen Organisation des Handwerks aus. Die Aufgabenwahrnehmung der Kammern und der Innungen steht somit nebeneinander und nicht in einem Konkurrenzverhältnis. In dieser Organisationsstruktur sind die Kreishandwerkerschaften eine Art fachunabhängiger Dachverband der Innungen auf Kreisebene. Historisch betrachtet sind sie aus den Innungsausschüssen der GewO 1881 hervorgegangen und stellen eine berufsständige Organisation dar, die ihren Mitgliedern in allen mit dem Beruf zusammenhängenden Fragen beratend und helfend zur Seite zu stehen hat. Als ursprünglich aus der privaten Rechtsordnung hervorgegangene Vereinigungen wurden sie im Interesse der Stärkung der Selbstverwaltung zunehmend in beschränktem Umfang mit hoheitlichen Funktionen ausgestattet (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 16.5.1957 -I 174.54-; BGH, Urt. v. 12.7.1990 –I ZR 62/89-; zur Historie auch: Honig/Knörr/Thiel/Günther HwO § 86 Rn. 1-2). Zu ihrer gesetzlichen Aufgabenstellung gehört nicht nur die Interessenwahrnehmung der ihr angeschlossenen Innungen, sondern auch der selbständigen Handwerker, im Übrigen auch solcher, die nicht in Innungen vertreten sind (so OLG Hamm, Urt. v. 3.10.1989 -4 U 40/89-).
65bb)
66Die Kreishandwerkerschaft hat die in § 87 HwO normierten Pflichtaufgaben zu erfüllen, kann aber entsprechend ihrer Satzung auch weitere freiwillige Aufgaben übernehmen (§ 89 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 2 HwO). Hiervon hat die Kreishandwerkerschaft in § 2 ihrer Satzung aus dem Jahre 2007 Gebrauch gemacht, neben den in § 87 HwO formulierten Pflichtaufgaben allerdings lediglich eine freiwillige Aufgabe, nämlich die Förderung arbeitsloser Jugendlicher und Erwachsener übernommen und sich die Übernahme weiterer freiwilliger Aufgaben vorbehalten, soweit sie nicht den gesetzlichen Bestimmungen widersprechen. Zu diesen Pflichtaufgaben gehört auf Ansuchen der angeschlossenen Innungen auch deren Geschäftsführung (§ 87 Nr. 5 HwO, § 2 Abs. 1 Nr. 5 Satzung). Von dieser Möglichkeit haben die der Kreishandwerkerschaft N angeschlossenen Innungen entsprechend ihrer Satzungsbestimmungen (vgl. beispielhaft § 5 Abs. 2 der Satzung der Elektrotechniker-Innung) Gebrauch gemacht. Folglich ist der Beigeladene nicht nur für die Geschäftsführung der Kreishandwerkerschaft, sondern auch der der Innungen zuständig.
67Dem Geschäftsführer sowohl der Kreishandwerkerschaft als auch der Innungen obliegt die Wahrnehmung der Aufgaben der laufenden Verwaltung (§ 21 Abs. 4 der Satzung der Kreishandwerkerschaft, § 35 Abs. 1 der Satzung der Elektrotechniker-Innung). Er vertritt die Körperschaften gerichtlich und außergerichtlich; entsprechend § 21 Abs. 6 der Satzung der Kreishandwerkerschaft, § 35 Abs. 2 Satzung der Elektrotechniker-Innung kann er die Innungsmitglieder im Rahmen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auch vor Gericht vertreten.
68Zum Tätigkeitsfeld der Innungen gehören auch hoheitliche Aufgaben. Ob die Kompetenzen der Innungen zu hoheitlichem Handeln aufgrund der Regelungsbefugnis der Handwerkskammern, worauf die Beklagte hinweist, leer liefen kommt es nicht an. Denn die Regelungsbefugnisse der Handwerkskammern führen nicht zu einem „Leerlaufen“ der hoheitlichen Kompetenzen von Kreishandwerkerschaft und Innungen. Die Kreishandwerkerschaft und die Innungen haben von Gesetzes wegen hoheitliche Aufgaben wahrzunehmen (Pflichtaufgaben). Zu den Pflichtaufgaben der Kreishandwerkerschaft und der Innungen zählt die Durchführung von Vorschriften und Anordnungen der Handwerkskammer. Diese Rechtsvorschriften erlässt die Handwerkskammer zur Regelung der Berufsausbildung der Lehrlinge oder den Erlass der Gesellenprüfungsordnungen (vgl. Honig/Knörr/Thiel/Günther, HwO § 87 Rn. 11). Selbst wenn die Handwerkskammer von ihrer Regelungskompetenz i.S.v. § 54 Abs. 1 Nr. 3 (Lehrlingsausbildung) und Nr. 4 (Gesellenprüfungen) Gebrauch gemacht hat, sind die Innungen zur Durchführung dieser Vorschriften verpflichtet (§ 54 Abs. 1 Nr. 10 HwO). Auch die Erstattung von Gutachten und Auskünften gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 8 HwO ist, auch wenn sie nicht in Form eines Verwal-tungsaktes ergehen, hoheitliche Tätigkeit. Diese Tätigkeit ist Ausdruck der allgemeinen Amts- und Rechtshilfepflicht der Behörden i.S.v. §§ 4 ff. VwVfg. Als Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, sind die Kreishand-werkerschaft bzw. die Innungen Behörde i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG. Sowohl Kreishandwerkerschaft als auch die Innungen nehmen damit zahlreiche hoheitliche Pflichtaufgaben wahr.
69cc)
70Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass der Beigeladene nicht mit Entscheidungsbefugnis weder mittelbar noch unmittelbar am Erlass hoheitlicher Maßnahmen beteiligt ist. Dies ergibt sich – in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Klägerin in ihrer Klagebegründung vom 24.08.2020 (S. 7) - aus den Angaben in der Tätigkeitsbeschreibung einschließlich ihrer weiteren Anlagen sowie den Bekundungen des Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung. Von den in den Schriftsätzen der Klägerin aufgeführte, auch nach Einschätzung des Senats unstreitig hoheitlichen Aufgaben, insbesondere der Lehrlingsausbildung und des Prüfungswesens, nimmt der Beigeladene keine mit Entscheidungsbefugnis wahr. Dies ergibt sich zum einen aus seiner sich aus den Satzungen ergebenden Aufgabenstellung der Wahrnehmung der Geschäfte der laufenden Verwaltung, zu denen das Prüfungswesen nicht gehört und zu anderen aus fachlichen Gesichtspunkten. Die Prüfungs- und sonstigen Ausschüsse sind mit Mitgliedern der Innungen, in aller Regel auch mit Mitgliedern ihrer Organe zu besetzen, um die fachliche Qualität zu gewährleisten (vgl. §§ 39 ff. der Satzung der Elektrotechniker-Innung). Die genannten, hoheitlichen Aufgaben werden also von, von den Innungen bestimmten Mitgliedern wahrgenommen bzw. ihren Organen. Der Beigeladene ist als Geschäftsführer weder Mitglied der Innungen, noch ihr Organ, er übt seine Geschäftsführertätigkeit als Angestellter aus (§§ 60, 66 HwO, § 35 der Satzung der Elektrotechniker-Innung).
71Daher sind die Einlassungen der Beklagten und des Beigeladenen, er sei in keinem Ausschuss vertreten, nachvollziehbar.
72Dies gilt auch für den von der Klägerin angesprochenen, auf § 67 Abs. 3 HwO basierenden Ausschuss zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Auszubildenden und Lehrlingen. In den Innungen sind –teilweise- zwar derartige Ausschüsse gebildet worden bzw. sind entsprechend der Verfahrensordnung der Handwerkskammer E zu bilden. Zutreffend ist auch, dass der Vorsitzende dieses Ausschusses entsprechend § 1 Abs. 2 der Verfahrensordnung die Befähigung zum Richteramt haben muss. Dass dies –wie die Klägerin meint-, aufgrund seiner Ausbildung nur der Beigeladene sein kann, ist eine reine Vermutung, die angesichts der Stellung eines derartigen Ausschusses wenig naheliegend ist. Diese Ausschüsse nehmen aufgrund ihrer Schlichtungsfunktion eine rechtsprechungsersetzende Funktion wahr. Die Durchführung des Schiedsverfahrens ist Voraussetzung einer Klageerhebung vor den ordentlichen Gerichten. Es handelt sich mithin um unmittelbare staatliche, hoheitliche Tätigkeit, an die insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Neutralität hohe Anforderungen gestellt sind, die es ausschließen, dass der entscheidungsbefugte Vorsitzende des Schlichtungsausschusses Mitglied der Innung oder ihr Angestellter ist (vgl. hierzu Günther/Schwerdtfeger, Ausschüsse zur Schlichtung von Lehrlingsstreitigkeiten im Handwerk, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht 2016, S. 1 und § 51 Abs. 2 der Satzung der Elektrotechniker-Innung). Es ist daher plausibel und nachvollziehbar, wenn die Beklagte und der Beigeladene darauf hinweisen, dass er nicht in einem derartigen Ausschuss vertreten ist, sondern die Aufgabe eines Vorsitzenden von dem Geschäftsführer der Handwerkskammer E, Herrn Assessor jur. T wahrgenommen werde.
73Auch soweit die Klägerin darauf verweist, die Erhebung von Gebühren erfolge durch Verwaltungsakt und damit in hoheitlicher Handlungsform führt dies nicht zu einer anderen Bewertung. Gemäß § 73 Abs. 5 der Satzung der Elektrotechniker-Innung werden Beiträge durch die Innungsversammlung festgelegt und mit Beginn des Haushaltsjahres fällig. Die Beitragsforderung entsteht also aufgrund der Beschlussfassung und wird nur im Falle des Rückstandes vom Innungsvorstand beigetrieben. Entsprechend § 26 der Satzung der Kreishandwerkerschaft entrichten die Innungen als Mitglieder der Kreishandwerkerschaft ihre Beiträge haushaltsjährlich an diese. Sollte eine Beitrags- oder Gebührenbeitreibung erforderlich werden, ist dies Aufgabe des Vorstandes.
74Auch aus den Entscheidungen des BGH vom 13.09.1993 (-AnwZ Brfg 24/93-) und vom 08.02.2010 (-AnwZ (B) 9/09-) folgt nicht, dass die Tätigkeit eines Syndikusrechtsanwalts generell mit einem Amt bei einer öffentlich rechtlichen Körperschaft unvereinbar ist. Wie bereits eingangs ausgeführt hat der BGH mittlerweile klargestellt (vgl. nur BGH, Urt. v. 22.06.2020 –AnwZ (Brfg) 81/18), dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob durch die konkret ausgeübte Tätigkeit die Belange der Rechtspflege gefährdet sei. Dies ist, gemessen an den vom BGH entwickelten Kriterien hier nicht der Fall.
753.
76Die Tätigkeit des Beigeladenen entspricht auch den Anforderungen des § 46 Abs. 2 bis 5 BRAO.
77a)
78Der Beigeladene ist entsprechend § 46 Abs. 2 BRAO bei einer anderen als der in § 46 Abs. 1 BRAO genannten Personen oder Gesellschaften angestellt.
79b)
80Angestellte Syndikusrechtsanwälte sind anwaltlich tätig, wenn ihre fachlich unabhängig und eigenverantwortlich auszuübenden Tätigkeiten durch die in § 46 Abs. 3 Nr. 1. bis 4. BRAO aufgeführten Merkmale geprägt sind (§ 46 Abs. 3 BRAO). Eine fachlich unabhängige Tätigkeit übt nicht aus, wer sich an Weisungen zu halten hat, die eine eigenständige Analyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierte Rechtsberatung ausschließen. Die fachliche Unabhängigkeit ist vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten. Aus § 46 Abs. 2 BRAO i.V.m. den Absätzen 3 und 4 wird deutlich, dass nicht jeder Mitarbeiter eines Unternehmens, der juristisch geprägte Tätigkeiten ausübt, anwaltlich tätig ist. Die anwaltliche Tätigkeit ist entscheidend von der Unabhängigkeit der anwaltlichen Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten geprägt (vgl. § 3 BRAO).
81Die Tätigkeit des Beigeladenen ist von den Merkmalen des § 46 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 BRAO, die kumulativ erfüllt sein müssen, geprägt.
82aa)
83Die Prüfung von Rechtsfragen setzt eine möglichst genaue Aufklärung des Sachverhaltes voraus, zu dem der Rechtsanwalt beratend tätig werden soll, an die sich das Aufzeigen verschiedener Lösungsmöglichkeiten und deren Bewertung in rechtlicher, tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht anschließen. Die Prüfung von Rechtsfragen mündet in der Erteilung von Rechtsrat.
84Die in der Tätigkeitsbeschreibung beschriebenen Tätigkeiten lassen sich unter die Merkmale des § 46 Abs. 3 Nr. 1. und 2. BRAO subsumieren. Diese Tätigkeiten entsprechen den Merkmalen anwaltlicher Tätigkeit, wie sie in § 3 BRAO beschrieben werden. Danach ist der Rechtsanwalt der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, also solcher Tätigkeiten, die Rechtsfragen aufwerfen und deshalb eine rechtliche Beistandspflicht erfordern. Der Beigeladene klärt nach Einschaltung durch die Mitglieder der Innungen den Sachverhalt auf und klärt die Rechtslage, in dessen weiterem Verlauf das Aufzeigen von Lösungswegen, also der Rechtsrat steht. Er unterstützt die Beratenen bei der Geltendmachung von Ansprüchen und Forderungen gegenüber Dritten teilweise auch gerichtlich.
85bb)
86Die in der Tätigkeitsbeschreibung beschriebenen Tätigkeiten erfüllen auch das Merkmal der Rechtsgestaltung und der Befugnis, nach Außen verantwortlich aufzutreten (§ 46 Abs. 3 Nr. 3. und 4. BRAO). Der Beigeladene ist demnach mit dem Entwerfen von Verträgen, ihrer Überprüfung und mit dem Führen von Vertragsverhandlungen beschäftigt und hat auch die satzungsgemäße Befugnis, eigenverantwortlich, vor allem gegenüber Gerichten aufzutreten.
87cc)
88Die Tätigkeit des Beigeladenen ist auch von den in § 46 Abs. 3 BRAO beschriebenen Merkmalen geprägt. Der Beigeladene nimmt für seinen Arbeitgeber zwar nicht ausschließlich anwaltlich geprägte Tätigkeiten wahr. Dazu gehören vielmehr auch zahlreiche repräsentative Tätigkeit und die Berichterstattung und Teilnahme an Ausschusssitzungen und Innungsversammlungen. Aus den Darstellungen seiner unstreitigen anwaltlichen Tätigkeiten in der Tätigkeitsbeschreibung und seinen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung erschließt sich für den erkennenden Senat die anwaltliche Prägung seiner Tätigkeit mit hinreichender Verlässlichkeit. Es ist nachvollziehbar, dass die Beratung und teilweise Vertretung von 900 Mitgliedsbetrieben der Innungen mit etwa 17.000 Mitarbeitern einen erheblichen Beratungsbedarf verursachen. Plausibel ist insoweit auch die Angabe des Beigeladenen, dass diese Tätigkeiten 75 bis 80 % seiner Tätigkeit ausmachten. Dass er darüberhinaus auch andere Aufgaben wahrzunehmen hat, steht dem nicht entgegen. Zum einen besteht die Geschäftsstelle der Kreishandwerkerschaft und somit der Innungen aus mehreren Mitarbeitern, sodass also nicht alle sonstigen Tätigkeiten vom Beigeladenen wahrzunehmen sind, zum anderen multipliziert sich die Geschäftsführertätigkeit für die Innungen nicht nach ihrer Anzahl. Die Bündelung der Geschäftsführung unter dem Dach der Kreishandwerkerschaft führt vielmehr zu einer Konzentration der Aufgaben und damit ihres Umfangs. Die minutiöse Aufzählung der sonstigen Tätigkeiten durch die Klägerin suggeriert zwar einen Tätigkeitsschwerpunkt auf nicht anwaltlichen Aufgaben. Dass diese aber nicht den zeitlichen Schwerpunkt ausmachen, haben die Beklagte und der Beigeladene plausibel dargelegt. Schließlich darf das offenbar große Engagement des Beigeladenen für seine Aufgaben nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden; er hat vielmehr verdeutlicht, dass dieses nur mit einem erheblichen Arbeits- und Zeitaufwand zu bewältigen ist.
89dd)
90Entsprechend § 46 Abs. 3 BRAO muss die Tätigkeit der Beigeladenen auch weisungsfrei sein. Dies hat der Arbeitgeber erklärt und zum Bestandteil des Vertrages gemacht. Dies entspricht auch den Satzungsvorgaben. Von der Klägerin wird dieses Merkmal auch nicht in Frage gestellt.
91c)
92Die Beratung und Vertretung durch den Beigeladenen beschränkt sich auch entsprechend § 46 Abs. 5 BRAO auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers. Zwar liegt der Schwerpunkt der Beratungstätigkeit des Beigeladenen in der Beratung der Innungsmitglieder, während die Kreishandwerkerschaft sein Arbeitgeber ist. Kreishandwerkerschaft und Innungen sind jeweils selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts. Es handelt sich allerdings entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2. BRAO um erlaubte Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 RDG). Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 sind Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Unternehmen und Zusammenschlüssen im Rahmen ihres Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichs Rechtsdienstleistungen erlaubt. Zu den Aufgaben der Kreishandwerkerschaften gehört entsprechend § 87 Nr. 3 HwO, Einrichtungen zur Förderung und Vertretung der gewerblichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Mitglieder der Handwerksinnungen zu schaffen oder zu unterstützen. Für Inkassostellen ist anerkannt, dass es sich um eine Einrichtung zur Förderung und Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der Betriebe handelt. Dem Wesen der Kreishandwerkerschaften (vgl. oben) entspricht auch, dass sie nicht nur der Wahrung der Interessen der Innungen als ihrer Mitglieder, sondern auch von Einzelinteressen der Handwerksbetriebe dienen (vgl. BGH, Urt. 12.07.1990 –I ZR 62/89- und OLG Hamm, Urt. v. 03.10.1989 -4 U 40/89-; Henssler/Prütting/Overkamp, BRAO 5. Aufl. 2019, § 8 RDG Rn. 23). Aus dem Umstand, dass Mitglieder der Kreishandwerkerschaft nur Innungen sind, ergibt sich nichts anderes. Aus dem dualen Organisationsystem des Handwerks folgt, dass insbesondere auf der Ebene der Innungen und ihres „Dachverbandes“, den Kreishandwerkerschaften, eine Wahrnehmung der Einzelinteressen der Handwerksbetriebe erfolgt, die auch von den Kreishandwerkerschaften wahrzunehmen sind.
934.
94Nach alledem war die Klage abzuweisen.
95III.
96Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 112c BRAO, 154, 162 Abs. 3 VwGO und §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 194 Abs. 1 und 2 BRAO, 52 GKG.
97Ein Anlass, die Berufung nach § 112 c BRAO, 124, 124a Abs. 1 VwGO zuzulassen, besteht nicht. Weder hat die Rechtssage grundsätzliche Bedeutung noch liegt ein Fall der Divergenz vor (§§ 124 Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).
98Rechtsmittelbelehrung
99Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag ist bei dem Anwaltsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, Heßlerstraße 53, 59065 Hamm, zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe, einzureichen.
100Die Berufung ist nur zuzulassen,
101- 102
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
- 103
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
- 104
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
- 105
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des. gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
- 106
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Anwaltsgerichtshof und dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Das gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein nach dem Vorstehenden Vertretungsberechtigter kann sich selbst vertreten; es sei denn, dass die sofortige Vollziehung einer Widerrufsverfügung angeordnet und die aufschiebende Wirkung weder ganz noch teilweise wiederhergestellt worden ist. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
108Die Festsetzung des Streitwerts ist unanfechtbar.
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Referenzen
- BRAO § 112 Entschädigung der anwaltlichen Beisitzer 1x
- BRAO § 112c Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung 4x
- VwGO § 113 1x
- §§ 46 f. BRAO 1x (nicht zugeordnet)
- HwO § 89 2x
- HwO § 53 1x
- HwO § 60 1x
- HwO § 66 1x
- VwGO § 154 1x
- VwGO § 162 1x
- BRAO § 194 Streitwert 1x
- BRAO § 2 Beruf des Rechtsanwalts 1x
- §§ 194 Abs. 1 und 2 BRAO, 52 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- VwGO § 124 2x
- VwGO § 4 1x
- BRAO § 46a Zulassung als Syndikusrechtsanwalt 5x
- HwO § 73 1x
- VwGO § 68 1x
- VwGO § 42 1x
- BRAO § 112a Rechtsweg und sachliche Zuständigkeit 1x
- BRAO § 4 Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts 1x
- BRAO § 7 Versagung der Zulassung 8x
- HwO § 86 1x
- HwO § 91 1x
- HwO § 54 5x
- HwO § 87 5x
- BRAO § 3 Recht zur Beratung und Vertretung 1x
- RDG § 8 Öffentliche und öffentlich anerkannte Stellen 2x
- BRAO § 46 Angestellte Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte 15x
- HwO § 90 3x
- HwO § 52 1x
- HwO § 55 1x
- VwVfG § 1 Anwendungsbereich 1x
- HwO § 67 1x
- 6 C 19/05 1x (nicht zugeordnet)
- I ZR 62/89 2x (nicht zugeordnet)
- 4 U 40/89 2x (nicht zugeordnet)