Beschluss vom Bundesgerichtshof (5. Zivilsenat) - V ZB 198/15

Tenor

Auf die Rechtsmittel der Beteiligten werden der Beschluss des 1. Zivilsenats des Kammergerichts vom 8. Dezember 2015 und die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Mitte - Grundbuchamt - vom 7. April 2015 aufgehoben.

Die Sache wird an das Grundbuchamt zur Entscheidung über den Antrag der Beteiligten vom 11. März 2015 zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte ist Eigentümerin des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten bebauten Grundstücks. Es befindet sich im Geltungsbereich einer durch den vormaligen Bezirk P.                      nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erlassenen Erhaltungsverordnung (GVBl. 1999 S. 104). Am 3. März 2015 machte der Senat von Berlin von der in § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB enthaltenen Ermächtigung Gebrauch und erließ eine Verordnung über einen Genehmigungsvorbehalt für die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum in dem Gebiet der Erhaltungsverordnung (GVBl. 2015 S. 43 - nachfolgend: Umwandlungsverordnung oder UmwandV). Gemäß § 1 UmwandV darf für alle Grundstücke im Bereich einer Erhaltungsverordnung Wohnungseigentum oder Teileigentum gemäß § 1 des Wohnungseigentumsgesetzes an Gebäuden, die ganz oder teilweise Wohnzwecken zu dienen bestimmt sind, nicht ohne Genehmigung begründet werden. Die Umwandlungsverordnung wurde am 13. März 2015 verkündet und ist am 14. März 2015 in Kraft getreten. Sie ist gemäß § 3 Satz 2 UmwandV auf Anträge auf Begründung von Wohnungs- und Teileigentum, die vor dem 3. März 2015 gestellt worden sind, nicht anzuwenden.

2

Mit notarieller Urkunde vom 10. März 2015 teilte die Beteiligte das Grundstück in Wohnungs- und Teileigentumseinheiten und bewilligte die Aufteilung. Auf den am 12. März 2015 eingegangenen Vollzugsantrag vom 11. März 2015 hat das Amtsgericht - Grundbuchamt - mit Zwischenverfügung vom 7. April 2015 darauf hingewiesen, dass der Eintragung das Fehlen einer Genehmigung nach der Umwandlungsverordnung entgegenstehe. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Kammergericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Beteiligte weiter die Aufhebung der Zwischenverfügung erreichen.

II.

3

Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in ZWE 2016, 82 veröffentlicht ist, meint, das vom Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis bestehe, da der beantragte Vollzug der Teilungserklärung einer Genehmigung nach § 1 UmwandV bedürfe und die Beteiligte insoweit einer Verfügungsbeschränkung unterliege. Dass die Umwandlungsverordnung zum Zeitpunkt der Antragstellung beim Grundbuchamt noch nicht in Kraft gewesen sei, ändere hieran nichts, weil für die Beurteilung der Verfügungsbefugnis der Zeitpunkt der Eintragung in das Grundbuch maßgeblich sei. Zwar könnten nach § 878 BGB Verfügungsbeschränkungen den Rechtserwerb nicht mehr beeinflussen, wenn die dingliche Einigung bindend und der Eintragungsantrag gestellt worden sei. Ob dies für die Teilungserklärung entsprechend gelte, könne jedoch dahinstehen, weil es hier an der für eine analoge Anwendung erforderlichen Regelungslücke im Gesetz fehle. Der Gesetzgeber habe die Frage eines im Zeitpunkt der Antragstellung beim Grundbuchamt schützenswerten Vertrauens gesehen und abschließend geregelt.

III.

4

Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen gemäß § 78 Abs. 3 GBO i.V.m. § 71 FamFG zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Annahme des Beschwerdegerichts, die Zwischenverfügung des Grundbuchamts sei zu Recht ergangen, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

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1. Die Zwischenverfügung weist zwar einen zulässigen Inhalt i.S.d. § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO auf. Sie zielt auf die Behebung eines Mangels des Antrags, der mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann (vgl. zu diesem Erfordernis Senat, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 1/12, FGPrax 2014, 192 Rn. 6). Fehlt eine kraft gesetzlicher Bestimmung erforderliche behördliche Genehmigung, hat dies nämlich zur Folge, dass das Rechtsgeschäft von seinem Abschluss bis zur endgültigen Entscheidung über die Genehmigung schwebend unwirksam ist. Mit Erteilung der Genehmigung wird es rückwirkend vom Zeitpunkt seines Abschlusses an voll wirksam (vgl. Senat, Beschluss vom 26. Februar 2015 - V ZB 86/13, DNotZ 2015, 526 Rn. 8 mwN zu dem Erfordernis der Genehmigung der Sanierungsbehörde gemäß § 144 Abs. 2 BauGB).

6

2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts bedarf die von der Beteiligten bewilligte Aufteilung ihres Grundstücks aber keiner Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB i.V.m. § 1 UmwandV.

7

a) Dieses Grundstück liegt allerdings im räumlichen Anwendungsbereich der Erhaltungsverordnung und der Umwandlungsverordnung. Auch zeitlich sind die Verordnungen anwendbar, weil der Eintragungsantrag der Beteiligten am 12. März 2015 und damit nach dem in der Umwandlungsverordnung gemäß § 3 Satz 3 maßgeblichen Stichtag des 3. März 2015 bei dem Grundbuchamt eingegangen ist. Da die Umwandlungsverordnung - erfasst wird jede Art der Begründung von Wohnungseigentum, also auch die Begründung durch Teilung gemäß § 8 WEG (vgl. OLG München, NJW-RR 2016, 137, 138; BeckOK BauGB/Oehmen, 32. Edition, § 172, Rn. 12; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [2015], § 172, Rn. 121; Brügelmann/Bank, BauGB [2011], § 172 Rn. 38) - gemäß § 3 Satz 1 UmwandV am 14. März 2015 in Kraft getreten ist, bestand am 7. April 2015, als das Grundbuchamt über den Eintragungsantrag entschieden hat, das Erfordernis der Genehmigung. Dass der Antrag noch vor dem Inkrafttreten der Umwandlungsverordnung eingegangen ist, ändert hieran grundsätzlich nichts. Die Verfügungs- bzw. Bewilligungsbefugnis (§ 19 GBO) muss bis zur Vollendung des Rechtserwerbs gegeben sein, so dass in der Regel der Zeitpunkt der Eintragung maßgeblich ist (vgl. BGH, Urteil vom 27. September 1962 - III ZR 83/61, NJW 1963, 36 f.; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., Nach § 20 Rn. 58; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19 Rn. 60; BeckOK GBO/Holzer, 26. Edition, § 19 Rn. 80; KEHE/Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 19 Rn. 68). Tritt - wie hier - bis zum Zeitpunkt der Eintragung eine Verfügungsbeschränkung ein, ist sie von dem Grundbuchamt zu beachten (Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19 Rn. 61; BeckOK GBO/Holzer, 26. Edition, § 19 Rn. 81).

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b) Das Genehmigungserfordernis für diesen Antrag gilt aber in entsprechender Anwendung des § 878 BGB nicht.

9

aa) Unmittelbar ist die Vorschrift auf den noch vor Inkrafttreten der Umwandlungsverordnung gestellten Eintragungsantrag der Beteiligten allerdings nicht anzuwenden. § 878 BGB erfasst seinem Wortlaut nach nur Verfügungen, an denen ein anderer als der Eigentümer beteiligt ist. Hiernach wird eine von dem Berechtigten gemäß §§ 873, 875 oder 877 BGB abgegebene Erklärung nicht dadurch unwirksam, dass er in der Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung bei dem Grundbuchamt gestellt worden ist. Dazu gehört die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungseigentum nicht. Sie setzt im Unterschied zu den in §§ 873, 875 und 877 BGB genannten Verfügungen nur die einseitige Erklärung des Eigentümers, aber keine Einigung voraus.

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bb) In Betracht kommt deshalb nur eine entsprechende Anwendung des § 878 BGB auf die Aufteilung nach § 8 WEG. Hierzu werden verschiedene Auffassungen vertreten.

11

(1) Die ganz überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum bejaht eine analoge Anwendung auf alle Eigenverfügungen (vgl. LG Leipzig, NotBZ 2000, 342; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 878 Rn. 9; MüKoBGB/Kohler, 6. Aufl., § 878 Rn. 23; NK-Krause, BGB, 4. Aufl., § 878 Rn. 4; Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 878 BGB Rn. 3; BeckOK BGB/Eckert, 39. Edition, § 878 Rn. 4; Soergel/Stürner, BGB, 13. Aufl., § 878 Rn. 2; BeckOGK/Kesseler, BGB [Stand: 1. Mai 2016], § 878 Rn. 48; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 878 Rn. 4; Erman/Artz, BGB, 14. Aufl., § 878 Rn. 2; Hügel/Elzer, WEG, § 8 Rn. 6; Krause in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 8 Rn. 3; Meikel/Böttcher, GBO, 11. Aufl., Nach § 20 Rn. 70; Bauer/von Oefele/Kössinger, GBO, 3. Aufl., § 19 Rn. 165). Zur Begründung wird auf § 1196 Abs. 2 BGB verwiesen, wonach § 878 BGB auf die Begründung einer Eigentümergrundschuld Anwendung findet. Diese Vorschrift zeige, dass § 878 BGB Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens sei, der nicht nur für die in der Vorschrift genannten Verfügungen und die in § 1196 Abs. 2 BGB angesprochene Eigentümergrundschuld gelte, sondern auch für andere Eigenverfügungen, insbesondere eine Aufteilung nach § 8 WEG, seine Berechtigung habe (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 878 Rn. 9; BeckOK BGB/Eckert, 39. Edition, § 878 Rn. 4; MüKoBGB/Kohler, 6. Aufl., § 878 Rn. 23; NK-Krause, BGB, 4. Aufl., § 878 Rn. 4).

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(2) Die Gegenansicht verweist darauf, dass Eigenverfügungen nicht, wie in § 878 BGB verlangt, für den Eigentümer bindend werden. Mangels eines Begünstigten, welcher auf eine fortbestehende Verfügungsmacht vertraue, bestehe kein Bedarf für eine erweiternde Anwendung (vgl. LG Köln, MittRhNotK 1984, 16, 17 f.; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 113; Demharter, GBO, 30. Aufl., § 13 Rn. 9). Ausnahmen werden allerdings teilweise für den Eigentumsverzicht nach § 928 BGB (vgl. Demharter, GBO, 30. Aufl., § 13 Rn. 9) und für das hier interessierende Genehmigungserfordernis nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3846, 3836) zugelassen.

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cc) Richtigerweise ist § 878 BGB auf die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum nach § 8 WEG entsprechend anzuwenden.

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(1) § 878 BGB enthält eine Regelungslücke. Sie besteht darin, dass die Vorschrift nicht schlechthin alle Verfügungen über ein Grundstück oder ein Recht an einem Grundstück erfasst, sondern nur Verfügungen, an denen ein anderer als der Grundstückseigentümer beteiligt ist (vgl. §§ 873, 877 BGB) sowie die Aufgabe eines Rechts an einem Grundstück (§ 875 BGB). Nicht geregelt werden Verfügungen, an denen nur der Grundstückseigentümer selbst beteiligt ist.

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(2) Diese Lücke ist planwidrig.

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(a) Die Vorschrift des § 878 BGB ergänzt die Regelung in §§ 873, 875 und 877 BGB. Die dort genannten Verfügungen des Eigentümers über sein Grundstück sowie des Inhabers eines dinglichen Rechts an dem Grundstück über dieses Recht werden nicht sofort wirksam, sondern erst mit der Eintragung in das Grundbuch. Der Grundstückseigentümer und der Inhaber des dinglichen Rechts an dem Grundstück können ihren nicht nur einfachrechtlich (§ 903 BGB), sondern durch Art. 14 GG auch grundrechtlich geschützten Gestaltungswillen nicht sogleich verwirklichen. Sie sind infolge des Eintragungszwangs vielmehr auf die Mitwirkung des Grundbuchamts angewiesen, wobei zwischen dem Eingang des Eintragungsantrags und dem Vollzug der Eintragung häufig Wochen oder Monate liegen. Das wirkt sich vor allem bei nachträglichen Beschränkungen ihrer Verfügungsmacht nachteilig aus. Sie würden ohne die Regelung in § 878 BGB sofort wirken und jede Verfügung erfassen, die noch nicht eingetragen ist. Vor diesem Risiko soll § 878 BGB nicht nur den Verfügungsempfänger, sondern auch den Verfügenden und damit den Grundstückseigentümer bzw. Inhaber eines dinglichen Rechts schützen (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 878 Rn. 1 ff.; MüKoBGB/Kohler, 6. Aufl., § 878 Rn. 1; siehe auch bereits Mugdan, Materialien, Bd. III. S. 105).

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(b) Das Schutzbedürfnis besteht bei der Aufteilung des Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum nach § 8 WEG in gleicher Weise. Denn auch diese wird erst mit der Eintragung in das Grundbuch bzw. mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam (§ 8 Abs. 2 Satz 2 WEG). Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Teilungserklärung keinerlei materiell-rechtliche Wirkung (vgl. Bärmann/Armbrüster, WEG, 13. Aufl., § 8 Rn. 32; BeckOK WEG/Kral, 27. Edition, § 8 Rn. 37). Damit aber ist der Grundstückseigentümer ebenso wie bei den in §§ 873, 875 und 877 BGB genannten Verfügungen auf die Tätigkeit des Grundbuchamts angewiesen und die damit verbundenen, nicht beeinflussbaren Verzögerungen.

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(c) Ein Grund, die Aufteilung des Grundstücks nach § 8 WEG anders zu behandeln, könnte sich deshalb nur daraus ergeben, dass es bei der Aufteilung keinen anderen Beteiligten gibt, dessen Interessen geschützt werden müssen. Das Fehlen weiterer Beteiligter hat der Gesetzgeber jedoch nicht als ausreichendes Differenzierungskriterium angesehen. Er hat in § 1196 Abs. 2 BGB nämlich die Regelung des § 878 BGB auf die Bestellung einer Eigentümergrundschuld für anwendbar erklärt. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine einseitige Verfügung, die keine Einigung im Sinne des § 873 BGB voraussetzt. Sie soll den Schutz vor nach Antragstellung eintretenden Verfügungsbeschränkungen erfahren, obwohl ihre Bestellung nicht in dem in § 873 BGB vorausgesetzten Sinne bindend wird. Das zeigt, dass es dem Gesetzgeber in § 878 BGB auch um den Eigentumsschutz ging. Dieser ist bei der Aufteilung nach § 8 WEG in gleicher Weise berührt.

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(d) Der Gesetzgeber hätte, wäre ihm das Problem bewusst gewesen, § 878 BGB nicht nur bei der Eigentümergrundschuld, sondern auch auf die Aufteilung nach § 8 WEG für anwendbar erklärt. Das Fehlen einer entsprechenden Norm erklärt sich daraus, dass nur bei der Bestellung einer Eigentümergrundschuld - einem im Bürgerlichen Gesetzbuch ausdrücklich geregelten Fall einer Eigenverfügung des Grundstückseigentümers - ein Regelungsbedürfnis offen zutage tritt. Die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum nach § 8 WEG ist zwar auch ein ausdrücklich geregelter Fall der Eigenverfügung des Grundstückseigentümers. Er tritt im System des Wohnungseigentumsgesetzes aber als Ausnahme hinter dem gedachten Regelfall der Aufteilung durch die Miteigentümer, die eine Einigung im Sinne von § 873 BGB erfordert, zurück (vgl. Bärmann/Armbrüster, WEG, 13. Aufl., § 3 Rn. 3 ff.; BeckOK WEG/Gerono, 27. Edition, § 3 Rn. 69). Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Aufteilung nach § 8 WEG weniger schützen wollte als die nach § 3 WEG, sind nicht erkennbar.

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dd) Die Vorschrift des § 878 BGB findet (bei § 8 WEG: entsprechende) Anwendung auf die sich aus § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB ergebende Verfügungsbeschränkung (so im Ergebnis auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3846, 3836; Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 878 Rn. 24; BeckOK BauGB/Grziwotz, 34. Edition, § 22 Rn. 20 aE; aA BeckOK BGB/Eckert, 39. Edition, § 878 Rn. 4; BeckOK WEG/Kral, 27. Edition, § 7 Rn. 88; BeckOK WEG/Gerono, 27. Edition, § 3 Rn. 38; Hertel, DNotI-Report 1997, 159, 164). Sie gilt grundsätzlich für alle Verfügungsbeschränkungen, unabhängig davon, woraus sich diese ergeben (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 878 Rn. 24). Der Gesetzgeber wäre allerdings nicht gehindert, für einzelne Verfügungsbeschränkungen eine von § 878 BGB abweichende Sonderregelung zu treffen. Das ist für das Genehmigungserfordernis auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB indessen nicht geschehen.

21

(1) Das Genehmigungserfordernis des § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB gilt nach Satz 5 dieser Vorschrift als Verfügungsbeschränkung im Sinne von § 135 BGB. Dies bedeutet, dass eine genehmigungsbedürftige, aber zu Unrecht in das Grundbuch eingetragene Rechtsänderung (hier: die Begründung von Wohnungs- oder Teileigentum) im Verhältnis zur Gemeinde unwirksam ist. Wird die Genehmigung versagt, kann die Gemeinde gemäß §§ 888, 883 Abs. 2 BGB die Löschung der Rechte verlangen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [2016], § 172 Rn. 125). Veräußert der Eigentümer das in dem Grundbuch zu Unrecht - ohne Genehmigung - eingetragene Wohnungs- oder Teileigentum an einen gutgläubigen Dritten, führt die vorgenommene Gleichstellung der Genehmigungsbedürftigkeit mit einem Veräußerungsverbot zudem unbestrittenermaßen dazu, dass der Dritte das Wohnungs- oder Teileigentum nach § 135 Abs. 2 BGB i.V.m. § 892 BGB gutgläubig genehmigungsfrei erwirbt (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [2016], § 172 Rn. 125; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl., § 172 Rn. 16; Grziwotz, MittBayNot 2014, 394, 396; Hertel, DNotI-Report 1997, 159, 162). Sie führt aber auch zur Anwendung aller anderen Vorschriften, die das Bürgerliche Gesetzbuch für Verfügungsbeschränkungen vorsieht und damit zur Anwendung von § 878 BGB.

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(2) Dieses Ergebnis liegt auch nach dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens nahe. Das in § 172 Abs. 1 Satz 4 bis 6 BauGB geregelte Genehmigungserfordernis beruht allerdings auf einem Vorschlag des Vermittlungsausschusses, der nicht begründet wird (BT-Drucks. 13/8019 S. 5). Sein Zweck lässt sich jedoch aus der Gesetzgebungsgeschichte ermitteln. Der Bundesrat hatte die Anrufung des Vermittlungsausschusses unter anderem mit der Ablehnung seines Vorschlags (vgl. BT-Drucks. 13/6392 S. 114 f. einerseits und S. 138 andererseits) begründet, in das Baugesetzbuch eine dem § 22 BauGB nachgebildete Regelung für Gebiete mit einer unzureichenden Versorgung mit erschwinglichem Wohnraum aufzunehmen (vgl. BT-Drucks. 13/7886 S. 12 f.). Die Bundesregierung hatte ihre Ablehnung mit Erschwerung des Rechtsverkehrs, der Behinderung der erwünschten Bildung von Einzeleigentum, insbesondere der Privatisierung von Mietwohnungen in den neuen Ländern, und einer Belastung der Grundbuchämter begründet (vgl. auch Brügelmann/Bank, BauGB [2014], § 172 Rn. 32). Der von dem Vermittlungsausschuss vorgeschlagene und Gesetz gewordene Kompromiss besteht in der Einführung eines engeren Genehmigungsvorbehalts mit einem zweistufigen Verfahren (Satzung und ergänzende Rechtsverordnung) und der Verweisung auf § 135 BGB, die dem von der Bundesregierung angemahnten Schutz des Rechtsverkehrs dient. Diesem entspricht es, nicht nur die Vorschriften über den Schutz des gutgläubig genehmigungsfreien Erwerbs (vgl. § 135 Abs. 2 BGB), sondern auch § 878 BGB anzuwenden.

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(3) Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts (siehe auch Hertel, DNotI-Report 1997, 159, 164) nicht aus der in § 236 Abs. 2 Satz 1 BauGB getroffenen Regelung. Nach dieser Vorschrift gilt § 172 Abs. 1 Satz 4 bis 6 BauGB nicht für die Bildung von Teil- und Wohnungseigentum, dessen Eintragung vor dem 26. Juni 1997 beantragt worden ist. Hierbei handelt es sich indessen nur um eine Überleitungsregelung, die wegen der Möglichkeit, die Wirkungen von Satzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB um einen Genehmigungsvorbehalt durch Rechtsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB zu ergänzen, als notwendig angesehen und deshalb ebenfalls von dem Vermittlungsausschuss vorgeschlagen worden ist (vgl. BT-Drucks. 13/8019 S. 6). Der Bundestag hatte beschlossen, dass der Genehmigungsvorbehalt für den Abbruch und andere Veränderungen von Gebäuden im Gebiet von Erhaltungssatzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BauGB auch auf Veränderungen im Gebiet von altrechtlichen Erhaltungssatzungen unmittelbar Anwendung finden soll (§ 236 Abs. 2 BauGB in der Fassung der Beschlussempfehlung in BT-Drucks. 13/7588 S. 51 mit Erläuterung in BT-Drucks. 13/7589 S. 30). Das sollte gleichermaßen für die Möglichkeit gelten, im Bereich solcher altrechtlichen Satzungen einen Genehmigungsvorbehalt für die Aufteilung von Grundstücken in Wohnungs- und Teileigentum einzuführen. Dies ließ wiederum mit Blick auf den von der Bundesregierung angemahnten Verkehrsschutz eine Übergangsregelung erforderlich erscheinen. Der Charakter der Norm als Überleitungsregelung für das Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 wird in der Wahl des Stichtags deutlich, nämlich des Datums des Beschlusses des Bundestags über die Vorschläge des Vermittlungsausschusses. Dieser Stichtag ist für eine Dauerregelung ungeeignet.

24

(4) Der Anwendung von § 878 BGB steht weder die sog. Grundbuchsperre (§ 172 Abs. 1 Satz 6 BauGB i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 3 und 4, Abs. 6 und 8 BauGB) noch der Umstand entgegen, dass diese beim Genehmigungsvorbehalt in Fremdenverkehrsgebieten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB mit § 22 Abs. 3 BauGB aF ursprünglich eine Norm umfasste, die einen ähnlichen Effekt hatte wie § 878 BGB.

25

(a) Aufgrund der gesetzlich angeordneten Gleichsetzung des Genehmigungsvorbehalts mit einem Veräußerungsverbot nach § 135 BGB könnte der Vorbehalt - statt durch die Grundbuchsperre - durch Eintragung in das Grundbuch des betroffenen Grundstücks gesichert werden. Hierdurch würde die Gemeinde vor einem genehmigungsfreien Erwerb des Wohnungs- oder Teileigentums durch einen Dritten geschützt. Dieses Instrument ist indes zur Durchsetzung des Genehmigungsvorbehalts nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB wenig geeignet, weil es einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordert und angesichts der auf fünf Jahre begrenzten Geltungsdauer solcher Vorbehaltsverordnungen zu schwerfällig ist. Der Gesetzgeber hat daraus aber nicht die Konsequenz gezogen, die Verweisung auf § 135 BGB durch andere Vorschriften zu ersetzen. Er hat sie vielmehr unberührt gelassen und um die heutigen Regelungen der Grundbuchsperre ergänzt. Die Grundbuchämter werden mit § 172 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 22 Abs. 2 Satz 3 und 4, Absatz 6 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 BauGB öffentlich-rechtlich verpflichtet, die Aufteilung eines Grundstücks in Wohnungs- und Teileigentum nur nach Vorlage des Genehmigungsbescheids oder diesem gleichgestellter Bescheinigungen oder Zeugnisse vorzunehmen (vgl. Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl., § 172 Rn. 15; BeckOK BauGB/Oehmen, 34. Edition, § 172 Rn. 13; Schrödter/Köhler/Fieseler, BauGB, 8. Aufl., § 172 Rn. 52; Brügelmann/Bank, BauGB [2011], § 172 Rn. 41a). Auf diese Weise wird die Einhaltung des Genehmigungsvorbehalts ohne Eintragung in das Grundbuch und damit schneller und weniger aufwendig erreicht.

26

Dieses Verfahren haben die Grundbuchämter aber nur einzuhalten, wenn die zur Eintragung anstehende Aufteilung materiell-rechtlich dem Genehmigungsvorbehalt unterliegt. Denn § 22 Abs. 6 Satz 1 BauGB schreibt es nur für „die von Absatz 1 erfassten Eintragungen“ vor. Die Eintragung eines Widerspruchs in das Grundbuch darf nach § 172 Abs. 1 Satz 6 i.V.m. § 22 Abs. 6 Satz 2 BauGB nur beantragt werden, „falls die Genehmigung erforderlich war“. Ob sie erforderlich war, ist hingegen unter Berücksichtigung von etwaigen Überleitungsregelungen in der Rechtsverordnung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB sowie unter Berücksichtigung von § 878 BGB zu prüfen. Die Grundbuchsperre folgt also dem Genehmigungsvorbehalt und erweitert ihn nicht.

27

(b) Eine andere Beurteilung ergibt sich entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts nicht aus dem Umstand, dass § 22 Abs. 3 BauGB aF eine dem § 878 BGB ähnliche Regelung enthielt und mit Wirkung vom 20. Juli 2004 ersatzlos gestrichen worden ist.

28

(aa) Die Regelung in § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB erinnert an die Regelung über den Genehmigungsvorbehalt in Fremdenverkehrsgebieten nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB, auf dessen verfahrensrechtliche Bestimmungen § 172 Abs. 1 Satz 6 BauGB heute verweist. Eine - allerdings deutlich weiter gehende - Anlehnung an diese Vorschrift hatte schon der Bundesrat vorgeschlagen, auf den der Genehmigungsvorbehalt letztlich zurückgeht (vgl. BT-Drucks. 13/6392 S. 115). In § 22 Abs. 3 BauGB aF war bis zum 19. Juli 2004 vorgesehen, dass die an sich vorgeschriebene Genehmigung, soweit hier von Interesse, nicht erforderlich war, wenn der Antrag auf Eintragung einer Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum vor dem Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts bei dem Grundbuchamt eingegangen war. Eine solche Ausnahme hatte der Gesetzgeber für den Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB aber nie vorgesehen, wie er umgekehrt den Genehmigungsvorbehalt nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB auch nie einem Veräußerungsverbot nach § 135 BGB gleichgestellt hat. Deshalb besagt das ursprüngliche Vorhandensein der § 878 BGB vergleichbaren Ausnahme in § 22 Abs. 3 BauGB aF nichts für die Anwendung von § 878 BGB auf den Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB.

29

(bb) Entsprechendes gilt für die ersatzlose Streichung der Ausnahme in § 22 Abs. 3 BauGB aF durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359). Die Streichung ist nicht die Folge einer veränderten Beurteilung des Schutzbedürfnisses der betroffenen Grundstückseigentümer, sondern die Folge einer Verwaltungsvereinfachung (so auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 3836).

30

Die Grundbuchämter hatten nach § 22 Abs. 6 BauGB aF für die Aufteilung in Wohnungs- und Teileigentum im Gebiet einer Satzung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 BauGB in jedem Fall die Vorlage einer Genehmigung oder eines Zeugnisses anzufordern, dass die Genehmigung nicht erforderlich war oder als erteilt gilt. Nach den Feststellungen der Bundesregierung wurden solche Negativatteste zum Teil auch dann angefordert, wenn gar keine Fremdenverkehrssatzung erlassen worden war (Entwurf des EAG Bau in BT-Drucks. 15/2250 S. 52). Die Folge davon war eine hohe Belastung der Genehmigungsbehörden mit der Erteilung von an sich unnötigen Negativattesten.

31

Dem sollte durch eine Abschaffung des Negativattests abgeholfen werden. Mit der heute in § 22 Abs. 2 Sätze 3 und 4 BauGB enthaltenen Regelung wurden die Kommunen verpflichtet, die Grundbuchämter rechtzeitig über den Erlass und das Inkrafttreten der Satzungen und ihren Anwendungsbereich zu unterrichten. Die Grundbuchämter sollten selbst feststellen, ab wann die Regelungen über den Genehmigungsvorbehalt griffen. Damit wurden alle Regelungen überflüssig, die die Erteilung der Genehmigung und der Negativatteste zum Gegenstand hatten und damit auch § 22 Abs. 3 BauGB aF. Das in § 22 Abs. 6 Satz 3 BauGB a.F. vorgesehene Aussetzungsverfahren wurde als unnötig gestrichen (BT-Drucks. 15/2250 S. 53; vgl. hierzu auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB [2016], § 22 Rn. 7a). Die Verweisung auf § 20 Abs. 2 bis 4 BauGB aF in § 172 Abs. 1 Satz 6 BauGB aF hat der Gesetzgeber im selben Gesetz in eine Verweisung auf die Vorschriften in § 22 Abs. 2 Sätze 3 und 4, Abs. 6 und Abs. 8 BauGB geändert, weil sie jetzt den Vorschriften des § 20 Abs. 2 bis 4 BauGB aF inhaltlich entsprachen.

32

3. Da das Beschwerdegericht die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung zu Unrecht zurückgewiesen hat, sind seine Entscheidung und die Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufzuheben. Die Sache ist zur Entscheidung über den Eintragungsantrag an das Grundbuchamt zurückzuverweisen, das den Vollzug der Eintragung nicht aus den in der Zwischenverfügung genannten Gründen verweigern darf.

IV.

33

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 i.V.m. § 36 Abs. 1 und 3 GNotKG.

Stresemann                           Schmidt-Räntsch                           Kazele

                         Göbel                                       Hamdorf

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