Beschluss vom Bundesgerichtshof (12. Zivilsenat) - XII ZB 565/16

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 15. November 2016 aufgehoben.

Dem Kläger wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung seiner Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 1. August 2016 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Wert: 16.873 €

Gründe

I.

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Räumung und Herausgabe gemieteter Praxisräume.

2

Das klageabweisende Urteil ist den erstinstanzlichen Bevollmächtigten des Klägers am 4. August 2016 zugestellt worden. Nach einem Anwaltswechsel haben seine zweitinstanzlichen Bevollmächtigten am 1. September 2016 Berufung eingelegt und mit Telefax vom 30. September 2016 "aufgrund erhöhten Termin- und Fristendrucks des Unterzeichners" um Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat, das heißt bis zum Ablauf des 4. November 2016, nachgesucht.

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Nachdem die Beklagte der beantragten Fristverlängerung widersprochen hatte, hat der Vorsitzende des Berufungssenats den Antrag auf Fristverlängerung mit Verfügung vom 7. Oktober 2016 abgelehnt. Zugleich hat er auf die Absicht des Berufungsgerichts hingewiesen, die Berufung zu verwerfen. Eine entsprechende Entscheidung werde jedoch nicht vor dem 25. Oktober 2016 ergehen.

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Mit Telefax vom 20. Oktober 2016 hat der Kläger seine Berufung begründet und wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sowie die Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht begehrt.

II.

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Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

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1. Sie ist gemäß §§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger in seinem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip), welches es den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 134/15 - FamRZ 2017, 368 Rn. 4 mwN und vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 4 mwN).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.

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a) Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor. Der Kläger sei nicht ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen. Sein Bevollmächtigter habe damit rechnen müssen, dass sein Antrag auf Fristverlängerung zurückgewiesen werde. Eine Einwilligung des Gegners gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO sei nicht erteilt worden. Die Voraussetzungen für eine Fristverlängerung ohne Einwilligung des Gegners nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO hätten nicht vorgelegen.

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Einerseits hätte bereits eine Fristverlängerung um wenige Tage zu einer Verzögerung des Rechtsstreits geführt. Denn in Räumungssachen berate das Berufungsgericht mit Rücksicht auf das Beschleunigungsgebot (§ 272 Abs. 4 ZPO) sofort nach Eingang der Berufungsbegründung und bestimme entweder einen nächst möglichen Termin zur mündlichen Verhandlung oder kündige im Wege eines Hinweises die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO) an. Dies gelte umso mehr, als es sich hier um einen rechtlich und tatsächlich einfach gelagerten Fall handele. Die Ankündigung des Vorsitzenden, das Berufungsgericht werde nicht vor dem 25. Oktober 2016 über die Verwerfung der Berufung entscheiden, habe allein der Gewährung rechtlichen Gehörs gedient. Eine Verzögerung im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO sei hiermit nicht verbunden gewesen.

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Andererseits habe der Kläger einen erheblichen Grund für eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht dargelegt. Denn in Räumungssachen reiche hierfür der schlichte Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung seines Prozessbevollmächtigten nicht aus. Das Beschleunigungsgebot (§ 272 Abs. 4 ZPO) binde nicht nur das Gericht, sondern beanspruche auch für das Prozessverhalten der Parteien Geltung. Daher sei insbesondere bei Fristverlängerungen in Räumungssachen ein strenger Maßstab an die Erheblichkeit der vorgebrachten Gründe anzulegen. Dies gelte für Verlängerungsgesuche sowohl des Mieters als auch des Vermieters.

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In Räumungssachen könne daher eine Fristverlängerung wegen "erhöhten Termin- und Fristendrucks" nur gewährt werden, wenn es sich bei den anderen Terminssachen ebenfalls um Räumungssachen oder andere vorrangig zu bearbeitende Verfahren handele. Hiervon habe auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers als Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumssachen ausgehen müssen. Dieser habe aber weder in seinem Verlängerungsantrag vom 30. September 2016 aufgezeigt, noch sei es im Übrigen ersichtlich, dass sich seine Arbeitsplanung am gesetzlichen Vorrang von Räumungssachen ausgerichtet habe. Insbesondere habe er nicht dargelegt, warum er trotz ablaufender Berufungsbegründungsfrist in einer beschleunigt zu behandelnden Räumungssache weitere Mandate angenommen und bearbeitet habe.

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Das Gericht habe den Bevollmächtigten des Klägers auch nicht vorab darauf hinweisen müssen, dass der Bewilligung der Fristverlängerung möglicherweise Hinderungsgründe entgegenstehen. Vielmehr habe es dem Bevollmächtigten oblegen, sich rechtzeitig danach zu erkundigen, ob die beantragte Fristverlängerung bewilligt worden sei. Angesichts des Beschleunigungsgebots habe gerade kein Vertrauenstatbestand zu seinen Gunsten bestanden. Eine Erkundigung durch den Bevollmächtigten sei vor allem auch deshalb geboten gewesen, weil sein Verlängerungsgesuch erst am Freitag, dem 30. September 2016, um 12:10 Uhr eingegangen sei, sodass es dem Gericht aufgrund des Feiertags erst am 4. Oktober 2016 habe vorgelegt werden können.

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b) Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

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aa) Zwar geht das Oberlandesgericht zutreffend von einem verspäteten Eingang der Berufungsbegründung am 20. Oktober 2016 aus. Denn die diesbezügliche Frist hatte angesichts der Zurückweisung des Verlängerungsantrags durch die Verfügung des Vorsitzenden vom 7. Oktober 2016 bereits mit Ablauf des 4. Oktober 2016 geendet (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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bb) Das Oberlandesgericht hat dem Kläger aber zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist versagt.

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(1) Gemäß § 233 Satz 1 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert gewesen ist, die Frist zur Begründung einer Berufung einzuhalten. Dies ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

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(2) Die Frage, ob einen Prozessbevollmächtigten ein der Partei nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden trifft, richtet sich nach einem objektiv-typisierenden Maßstab, wobei auf die Person des Bevollmächtigten abzustellen ist. Verschuldensmaßstab ist dabei die von einem ordentlichen Rechtsanwalt zu fordernde übliche Sorgfalt, wobei die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht nicht überspannt werden dürfen. Ihre Beachtung muss im Einzelfall auch zumutbar sein, da andernfalls das Recht auf wirkungsvollen Rechtsschutz und auf einen zumutbaren Zugang zu den Gerichten verletzt würde (BGH Beschluss vom 17. August 2011 - I ZB 21/11 - NJW-RR 2012, 122 Rn. 12 mwN).

18

Die Sorgfaltspflicht in Fristsachen verlangt von einem Rechtsanwalt, alles ihm Zumutbare zu tun, um die Wahrung von Rechtsmittelfristen zu gewährleisten (BGH Beschluss vom 29. Juni 2017 - III ZB 95/16 - juris Rn. 7). Erkennt der Rechtsanwalt, dass er eine Frist zur Rechtsmittelbegründung nicht einhalten kann, muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch gar nicht erst notwendig wird (BGH Beschluss vom 1. Juli 2013 - VI ZB 18/12 - NJW 2013, 3181 Rn. 9 mwN). Das Verlängerungsgesuch ist rechtzeitig, wenn es spätestens am letzten Tag der zu verlängernden Frist beim zuständigen Gericht eingereicht worden ist (vgl. BGH Beschluss vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09 - NJW 2010, 1610 Rn. 10 mwN).

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(3) Allerdings ist der Rechtsmittelführer generell mit dem Risiko belastet, dass der Vorsitzende des Rechtsmittelgerichts in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens eine beantragte Verlängerung der Rechtsmittelbegründungsfrist versagt. Ohne Verschulden im Sinne von § 233 ZPO handelt der Rechtsanwalt daher nur dann, wenn er auf die Fristverlängerung vertrauen durfte, das heißt wenn deren Bewilligung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Dies ist bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dann der Fall, wenn entweder der Antragsgegner bereits seine Einwilligung erklärt hat (§ 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO) oder vom Antragsteller erhebliche Gründe im Sinne des § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO geltend gemacht werden (BGH Beschluss vom 9. Juli 2009 - VII ZB 111/08 - FamRZ 2009, 1745 Rn. 8 f. mwN). Dabei ist zumindest beim ersten Verlängerungsantrag eine ins Einzelne gehende Darlegung eines erheblichen Grundes nicht erforderlich. Es reicht etwa der bloße Hinweis auf eine Arbeitsüberlastung aus, ohne dass es einer weiteren Substantiierung bedürfte (BGH Beschlüsse vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16 - NJW 2017, 2041 Rn. 13 mwN und vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09 - NJW 2010, 1610 Rn. 9; BVerfG NJW 2007, 3342 mwN).

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(4) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Anforderungen an die Darlegung eines erheblichen Grundes auch nicht im Hinblick auf das in § 272 Abs. 4 ZPO enthaltene Beschleunigungsgebot für Räumungssachen zu modifizieren.

21

Diese Regelung, nach der Räumungssachen vorrangig und beschleunigt durchzuführen sind, ist durch das Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln vom 11. März 2013 (Mietrechtsänderungsgesetz; BGBl. I S. 434) eingeführt worden. Sie bezweckt den Schutz des Vermieters, welcher auch bei wirksamer Kündigung des Vertrags seine Leistung - nämlich die Besitzüberlassung - nicht eigenmächtig zurückerhalten kann. Durch eine besonders schnelle Durchführung des Verfahrens soll vermieden werden, dass sich die Forderung des Vermieters monatlich um das auflaufende Nutzungsentgelt erhöht, falls der Mieter nicht zahlt (BT-Drucks. 17/11894 S. 24).

22

(a) Systematisch ist § 272 Abs. 4 ZPO in die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug vor den Landgerichten eingebettet. Das Beschleunigungsgebot richtet sich daher vornehmlich an die Angehörigen der Justiz, das heißt an Richter, Geschäftsstellenmitarbeiter und Vollstreckungsorgane (Schmid ZMR 2013, 417, 418; Drasdo NJW-Spezial 2014, 225, 226). Die Parteien und ihre Rechtsanwälte sind demgegenüber keine unmittelbaren Normadressaten. Sie werden jedoch von dem Vorrangs- und Beschleunigungsgebot mittelbar betroffen, da die Gerichte auf eine Beschleunigung hinwirken müssen, die auch den Bereich der Parteien und ihrer Rechtsanwälte betrifft (Schmid ZMR 2013, 417, 418).

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(b) Zwar orientiert sich § 272 Abs. 4 ZPO an anderen Beschleunigungsgeboten wie etwa § 155 Abs. 1 FamFG für Kindschaftssachen oder § 61 a Abs. 1 ArbGG für den Kündigungsschutz. Anders als diese Vorschriften enthält § 272 Abs. 4 ZPO jedoch keine konkreten Handlungsgebote für das Gericht. Dadurch sollen insbesondere die richterliche Prozessleitung sowie die Entscheidung nach § 272 Abs. 2 ZPO zwischen einem frühen ersten Termin (§ 275 ZPO) und einem schriftlichen Vorverfahren (§ 276 ZPO) offen gehalten werden (BT-Drucks. 17/11894 S. 24).

24

(c) Allerdings sind Räumungsprozesse nach dem Willen des Gesetzgebers schneller als andere Zivilprozesse durchzuführen, um auf diese Weise das Uneinbringlichkeitsrisiko für den Gläubiger auf ein vertretbares Maß zu begrenzen. Sie sind vorrangig zu terminieren, und die Fristen zur Stellungnahme für die Parteien sind auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren (BT-Drucks. 17/11894 S. 24).

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(aa) In der Literatur wird deshalb teilweise vertreten, dass in Räumungssachen insbesondere bei Anträgen auf Fristverlängerung ein besonders strenger Maßstab an die Erheblichkeit der Verlängerungsgründe im Sinne der §§ 224 Abs. 2, 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO anzulegen sei. Das gelte vor allem für Berufungsbegründungsfristen. Prozessvertreter müssten ihre Arbeit ebenfalls auf die normierte Priorität von Räumungssachen ausrichten. Eine Fristverlängerung wegen Überlastung eines Prozessbevollmächtigten mit anderen Fristsachen könne demzufolge nur gewährt werden, wenn es sich hierbei ebenfalls um Räumungssachen oder um andere vorrangig zu behandelnde Verfahren etwa nach §§ 155 FamFG, 61 a ArbGG handele. Andernfalls müsse in den anderen Sachen um Fristverlängerung nachgesucht werden. Hierzu müsse das Fristverlängerungsgesuch Angaben enthalten. Formelhafte Begründungen seien insoweit nicht ausreichend (Schmid ZMR 2013, 417, 418; Musielak/Voit/Foerste ZPO 14. Aufl. § 272 Rn. 9). Im Ergebnis solle Anträgen auf Fristverlängerung daher grundsätzlich nicht stattgegeben werden (vgl. Prütting/Gehrlein/Geisler ZPO 9. Aufl. § 272 Rn. 9; Baudewin in: Kern/Diehm ZPO § 272 Rn. 16).

26

(bb) Diese Auffassung überzeugt jedoch nicht. Denn der Gesetzgeber hat das Beschleunigungsgebot gemäß § 272 Abs. 4 ZPO in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den erheblichen Gründen im Sinne von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO normiert, ohne zugleich die Verlängerungsmöglichkeiten für die Berufungsbegründungsfrist nach § 520 Abs. 2 ZPO im Hinblick auf Räumungssachen zu modifizieren. Insbesondere hat er davon abgesehen, die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten des Berufungsklägers in einem Räumungsverfahren zu beschränken. Eine "Überbeschleunigung" wird vom Gericht nicht verlangt (Abramenko ZMR 2014, 21; vgl. auch Baumbach/Lauterbach ZPO 76. Aufl. § 272 Rn. 19).

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Wäre es dem Gesetzgeber darauf angekommen, über § 272 Abs. 4 ZPO die Darlegungsanforderungen an einen erheblichen Grund nach § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO für Räumungssachen zu verschärfen, wäre es bereits aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit geboten gewesen, eine derartige Modifizierung in Abgrenzung zu den übrigen, hiervon nicht betroffenen Berufungsverfahren in den Gesetzestext aufzunehmen. Derartiges ist allerdings nicht geschehen und erscheint auch nicht erforderlich, um dem Beschleunigungsgebot in Räumungssachen im Hinblick auf die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist hinreichende Wirkung zu verleihen. Denn dem Vorsitzenden des Berufungsgerichts wird bei der Entscheidung über Fristverlängerungsanträge nach § 520 Abs. 2 ZPO ein weitreichendes Ermessen eingeräumt. Er kann vom Antrag des Berufungsklägers abweichen und innerhalb der gesetzlichen Grenzen eine kürzere Frist gewähren. Selbst eine Fristverlängerung von nur wenigen Tagen und/oder Stunden kann vom richterlichen Ermessen umfasst sein (vgl. Wieczorek/Schütze/Gerken ZPO 4. Aufl. § 520 Rn. 43 mwN).

28

Auf diese Weise ermöglicht § 520 Abs. 2 ZPO bereits in seiner bisherigen Auslegung durch die höchstrichterliche Rechtsprechung eine angemessene Handhabung der Verlängerungsbefugnis für Berufungsbegründungsfristen im Hinblick auf eine vorrangige und beschleunigte Durchführung von Räumungssachen. Entsprechend den Vorstellungen des Gesetzgebers, Fristen auf das unbedingt Notwendige zu reduzieren (BT-Drucks. 17/11894 S. 24), ist es auch im Rahmen von § 520 Abs. 2 ZPO ausreichend, mit entsprechend kurzen Fristverlängerungen zu reagieren (vgl. MünchKommZPO/Prütting 5. Aufl. § 272 Rn. 33; BeckOK ZPO/Bacher [Stand: 15. September 2017] § 272 Rn. 12; Hk-ZPO/Saenger 7. Aufl. § 272 Rn. 11; Thomas/Putzo/Reichold ZPO 38. Aufl. § 272 Rn. 9; vgl. auch BGH Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16 - NJW 2017, 2041 Rn. 11 ff.).

29

c) Gemessen hieran lag ein dem Kläger nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten nicht vor.

30

Unter Bezugnahme auf einen erhöhten Termin- und Fristendruck hat der Kläger eine Arbeitsüberlastung seines Bevollmächtigten geltend gemacht, welche nach ständiger Rechtsprechung als erheblicher Grund im Rahmen von § 520 Abs. 2 Satz 3 ZPO Berücksichtigung findet (BGH Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16 - NJW 2017, 2041 Rn. 12 mwN). Der Bevollmächtigte durfte darauf vertrauen, dass der Vorsitzende des Berufungsgerichts ihm mit der Verfügung vom 7. Oktober 2016 eine zumindest kurze Verlängerungsfrist gewähren würde, um die Berufungsbegründung bei der gebotenen beschleunigten Bearbeitung von Räumungssachen trotz erhöhten Termin- und Fristendrucks erstellen zu können. Unter diesen Umständen bestand für ihn auch keine Notwendigkeit, sich am letzten Tag der Frist telefonisch nach der Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag zu erkundigen (vgl. BGH Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16 - NJW 2017, 2041 Rn. 19 mwN).

31

3. Die weiteren Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen vor. Der die Berufung verwerfende Beschluss wird mit der Wiedereinsetzung gegenstandslos (Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - XII ZB 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). Seine Aufhebung erfolgt insoweit daher lediglich klarstellend.

Dose     

      

Klinkhammer     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Guhling     

      

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