Urteil vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (4. Senat) - 4 K 1781/09



Tenor

1. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2009 wird dahingehend geändert, dass die Erbschaftsteuer auf 12.121 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu 14/25 und der Kläger zu 11/25 zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist strittig, ob bei der Ermittlung der festzusetzenden Erbschaftsteuer von der im Erbschein ausgewiesenen Erbquote oder von der in einem Erbvergleich getroffenen Auseinandersetzungsvereinbarung auszugehen ist.

2

Die am 4. März 2006 verstorbene Erblasserin (Blatt 2 ErbSt-A) vermachte im handschriftlichen Testament vom 30. Oktober 2003 (Blatt 48 ErbSt-A ihr "Bar- und Sparvermögen" in Höhe eines Anteils von 1/3 dem Kläger, ihrem Neffen (Blatt 88 ErbSt-A), und in Höhe eines Anteils von 2/3 Herrn H. W., ihrem Lebensgefährten (Blatt 42 PA). Herr G. B. sollte ihr Hausgrundstück in N erhalten.

3

In seinem Erbscheinsantrag vom 17. November 2006 (Blatt 37-40 PA) gab Herr G. B. an, dass Herr W im gleichen Zeitraum wie die Erblasserin verstorben sei. Es könne nicht ermittelt werden, wer von beiden länger gelebt habe, weshalb nach § 11 des Verschollenheitsgesetzes beide gleichzeitig als verstorben gelten würden. Ein Erbrecht von Herrn H. W. scheide daher aus; sein Erbteil wachse den verbleibenden Erben im Verhältnis ihrer Erbteile an (Blatt 39 PA). Ausgehend von einem Geldvermögen der Erblasserin von 175.000 € und von einem Verkehrswert des Hausgrundstücks von 200.000 € (Blatt 38 PA) ermittelte er seine auf das Hausgrundstück entfallende Erbquote auf einen Anteil in Höhe von 600/1125, die sich um den auf ihn entfallenden Erbanteil des Herrn W von 271/1125 auf insgesamt 871/1125-Anteile erhöht habe (Blatt 39 PA). Der Kläger vertrat in seinem an das Nachlassgericht gerichtete Schreiben vom 1. Dezember 2006 (Blatt 41-46 PA) demgegenüber die Ansicht, dass er alleiniger Erbe der Erblasserin geworden sei, da die Zuwendung des Hausgrundstücks mit einem Verkehrswert allenfalls in Höhe von 130.000 € (Blatt 45 PA) nach der Auslegungsregel des § 2087 BGB als Vermächtnis zu beurteilen sei.

4

Am 4. Juni 2007 einigte sich der Kläger mit Herrn G. B. vor dem Notar W in der Urkunde mit der Nr. ...7/2000 (Blatt 3-5 ErbSt-A) wie folgt:

5

"1. Die Spareinlagen der Erblasserin, geführt bei der Kreissparkasse N

– zu Konto Nr. ...851 (Kontostand per 05.01.2006 = 130.548,93 € zuzüglich Zinsen und Boni ab Januar 2006),

– zu Konto Nr. ...467 (Kontostand per 30.03.2006 = 43.624,37 € zuzüglich Zinsen),

erhalten Herr G. B. zu 1/3 Anteil und Herr W. L. (der Kläger, Anm. d. Neutralisierenden) zu 2/3 Anteil. …

2. Den Ring mit Brillanten, die Goldkette mit Kreuz, 6 Kelchgläser und die vorhandenen Familienbilder erhält Herr W. L. …

3. Das Hausgrundstück der Gemarkung B Flur ... Nr. ..., Gebäude- und Freifläche, T, 5,46 Ar, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts L von B Blatt ..., einschließlich Inventar und aller sonstigen Einrichtungsgegenstände, erhält Herr G. B.

Mit der vorstehenden Auseinandersetzung ist der gesamte Nachlass der verstorbenen Frau M. H. M. geborene B. endgültig auseinandergesetzt.

Herr W. L. verpflichtet sich hiermit seine Beschwerde im Nachlassverfahren beim Amtsgericht L unter dem Aktenzeichen .../2006 unverzüglich zurückzunehmen, damit der beantragte Erbschein … gemäß dem Erbscheinsantrag vom 17.11.2006 erteilt werden kann. …" (Zitat)

6

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Notarvertrag vom 4. Juni 2007 verwiesen.

7

Das Amtsgericht L folgte dem Erbscheinsantrag des Herrn G. B. Im Erbschein vom 14. Juni 2007 (Blatt 1 ErbSt-A) bescheinigte es, dass die Erblasserin von Herrn G. B. zu 871/1125 Anteil (= 77,43 %) und vom Kläger zu 254/1125 Anteil (= 22,57 %) beerbt worden sei.

8

Den Grundbesitzwert des im Nachlass befindlichen Hausgrundstücks stellte das Lagefinanzamt N im Bescheid vom 6. August 2007 (Blatt 22 ErbSt-A) für Zwecke der Erbschaftsteuer gesondert und einheitlich auf 48.500 € fest.

9

Mit Bescheid vom 20. August 2007 (Blatt 31/32 ErbSt-A) wurde gegen den Kläger die Erbschaftsteuer auf 17.765 € festgesetzt. Bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer legte der Beklagte die Auseinandersetzungsvereinbarung vom 4. Juni 2007 zu Grunde und rechnete dem Kläger zunächst 117.167 € (= 2/3 von 175.750 €) an Kapitalvermögen der Erblasserin zu (Blatt 31 Rückseite ErbSt-A). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2007 verwiesen.

10

Seinen am 18. September 2007 per Fax erhobenen Einspruch (Blatt 53-57 ErbSt-A) begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass die Festsetzung der Erbschaftsteuer entsprechend seiner Erbquote im Erbschein zu erfolgen habe. Soweit er über seine Erbquote hinaus Kapitalvermögen aus dem Nachlass erhalten habe, sei eine vom Erbfall losgelöste unentgeltliche Zuwendung des Miterben B anzunehmen. Der Beklagte gab dem Einspruch in der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2009 (Blatt 87-91 ErbSt-A) im geringen Umfang statt und setzte darin die Erbschaftsteuer um 51 € auf 17.714 € herab. Die Reduzierung der Erbschaftsteuer beruhte darauf, dass er das Kapitalvermögen der Erblasserin um einen Additionsfehler auf 175.246 € korrigierte, wodurch sich die Bereicherung des Klägers auf 116.831 € (= 2/3 von 175.246 €) minderte. Im Übrigen wies er den Einspruch aus folgenden Gründen zurück: Bei einem Erbvergleich, bei dem es wie hier um die vertragliche Einigung zur Beseitigung von Streit oder Ungewissheit über erbrechtliche Verhältnisse gehe, sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung die Besteuerung so vorzunehmen, als ob der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen eine entsprechende Regelung getroffen hätte (mit Hinweis u.a. auf das Urteil des BFH vom 25. August 1998 II B 45/98, BFH/NV 1999 Seite 313). Ob das im Vergleich Vereinbarte auch das Ergebnis eines zivilrechtlichen Urteils über das streitige Erbrecht hätte sein können, sei unerheblich (mit Hinweis auf BFH vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BStBl II 1972 Seite 886). Der Vermögensanfall richte sich nach dem Inhalt der Vereinbarung, d.h. nach dem, was der Erbe tatsächlich aufgrund des Vergleichs erhalten habe, nicht jedoch nach den von den einzelnen Erbprätendenten vertretenen Rechtspositionen (mit Hinweis auf FG München vom 17. Juni 1989 10 K 10022/85, EFG 1989 Seite 64; Meincke, ErbStG, 11. Auflage, § 3 Anm. 27). Im Auseinandersetzungsvertrag vom 4. Juli 2007 sei bezüglich der streitigen Erbrechtsverhältnisse einvernehmlich geregelt worden, was dem Kläger aus dem Nachlass zukommen sollte. Damit sei von der laut Erbschein festgestellten Erbquote abgewichen worden. Die Rechtsgestaltung, zu der sich alle Beteiligten im “Erbvertrag“ bekannten, sei an die Stelle der Aufteilung des gesamten Nachlasses aufgrund des Erbscheins getreten; sie sei auch für die steuerliche Beurteilung maßgebend. Dies gelte insbesondere deshalb, weil sich die Rechtsgestaltung tatsächlich nur auf durch den Erbfall ausgelöste Vermögensbewegungen beziehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2009 verwiesen.

11

Im Klageverfahren hält der Kläger an seiner bisher vertretenen Auffassung weiterhin fest. Ergänzend und vertiefend trägt er vor:

12

Herr G. B. habe im Erbscheinsantrag vom 17. November 2006 die Rechtsansicht vertreten, Miterbe am Nachlass der verstorbenen Erblasserin geworden zu sein. Seiner (des Klägers) Ansicht nach sei Herrn B lediglich das Hausgrundstück der Erblasserin im Wege des Vermächtnisses zugewandt worden. Zur Beilegung des Streites sei sodann vor dem Notar W in der Urkunde mit der Nr. .../2007 eine Vereinbarung getroffen worden. Grundlage dieser Vereinbarung sei die Anerkennung einer Erbquote gewesen, wie sie sich im Wege der Auslegung entsprechend dem Erbscheinsantrag vom 17. November 2006 ergeben habe. Es sei insoweit anerkannt worden, dass der Beteiligte B Miterbe zu 871/1125-Anteil und er Miterbe zu 254/1125-Anteil am Nachlass geworden sei. Diese Entscheidung sei allerdings nicht aufgrund der vertraglichen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Beteiligten B, sondern aufgrund eigenständiger Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Auslegung des Testaments der Erblasserin ergangen. Der Rechtsgrund seiner Bereicherung sei in der wechselseitigen Abwägung der bestehenden Prozessrisiken und nicht im Erbrecht zu sehen. Der Mitbeteiligte B sei unter Abwägung der Prozessrisiken bereit gewesen, auf einen Teil seines Erbanteils zu verzichten, um nicht der Gefahr ausgesetzt zu sein, keinen Anteil am Barvermögen der Erblasserin zu erhalten. Der Beteiligte B habe vielmehr erkannt, dass die Auslegung des Testaments durch ihn, den Kläger, eine überdurchschnittlich hohe Wahrscheinlichkeit für sich gehabt habe, im Erbscheinverfahren durch das Nachlassgericht bestätigt zu werden. Allein zur Vermeidung dieses Prozessrisikos und zur Erhaltung immerhin eines Anteils von 1/3 am Nachlassbarvermögen habe sich der Beteiligte B auf die Vergleichsvereinbarung eingelassen. Folglich habe die Bereicherung des Miterben ihren Rechtsgrund letztlich nicht im Erbrecht gehabt. Die quotenabweichende Aufteilung des Barvermögens habe ihren Grund vielmehr in der Bereitschaft des Klägers gehabt, seine berechtigten Einwendungen im Erbscheinsverfahren nicht weiter zu verfolgen. Die Zuweisung von 2/3 des Barvermögens sei allein mit Rücksicht auf die Bereitschaft des Klägers erfolgt, die Testamentsauslegung des Miterben B zu akzeptieren. Die Zuwendung des Beteiligten B stelle sich damit als eine unentgeltliche Zuwendung dar. Infolgedessen sei der Vorgang in einen erbschaftsteuerlichen Teil mit einer Steuerschuld in Höhe von 4.546,96 € und in einen schenkungssteuerlichen Teil mit einer Steuerschuld in Höhe von 10.784,74 € aufzuteilen. Diese steuerliche Aufteilung stehe auch nicht die zitierte Entscheidung des BFH vom 25. August 1998 (II B 45/98, a.a.O.) entgegen. Die von den Parteien des Erbauseinandersetzungsvertrages gewollte Miterbenstellung der Beteiligten mit einer Erbquote zu Gunsten des Klägers in Höhe von 254/1125 habe ihren Rechtsgrund im Erbrecht. Dieser Aufteilung des Barvermögens entspringe einer prozessualen Einschätzung der Erfolgsaussichten des Erbscheinverfahrens und habe die Ursache gerade nicht im Erbrecht.

13

Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten folgen würde, wäre der Erbschaftsteuerbescheid gleichwohl zu ändern. Es stehe in jedem Fall fest, dass die Beteiligten entsprechend dem Erbschein Miterben geworden seien, so dass er, der Kläger, ebenfalls Miterbe am Hausgrundstück der Erblasserin geworden sei. Dementsprechend müsste ihm auch die Gunst der privilegierten Bewertung des Grundvermögens zu Teil werden. Insoweit sei es mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar, dass dem Vertragspartner der Auseinandersetzungsvereinbarung, der als Miterbe zur Erfüllung seines Erbanspruches das Grundvermögen erhalten habe, eine steuerliche Bevorzugung erfahre.

14
Der Kläger beantragt, den Erbschaftsteuerbescheid vom 20. August 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2009 zu ändern und die Festsetzung der Erbschaftsteuer auf 4.546,96 € zu mindern.
15

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

16

Er nimmt auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug und trägt des Weiteren vor:

17

Es handele sich um einen streitigen Erbfall. Der Streit bzw. die Ungewissheit über die erbrechtlichen Verhältnisse seien im Notarvertrag vom 4. Juni 2007 im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt worden. Ein solcher Erbvergleich sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Besteuerung zu Grunde zu legen, sofern er seinen letzten Rechtsgrund noch im Erbrecht habe (mit Hinweis auf RFH vom 30. Januar 1919 II A 14/18, RFHE 1 Seite 1; RFH vom 14. Juli 1938 III e 24/38, Reichssteuerblatt 1938 Seite 857; BFH vom 11. Oktober 1957 III 139/56, BStBl III 1957 Seite 447; BFH vom 1. Februar 1961 II 269/58, BStBl III 1961 Seite 133; BFH vom 24. Juli 1972 II R 35/70, BStBl II 1972 Seite 886; BFH vom 6. Dezember 2000 II R 28/98, BFH/NV 2001 Seite 601). Dem sei auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung für den Fall des Erbprätendentvergleichs gefolgt (mit Hinweis auf FG München vom 8. Oktober 1997 4 K 1455/94, EFG 1998 Seite 489).

I.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist im erkannten Umfang begründet.

19

1. Zu Recht hat der Beklagte der Erbschaftsbesteuerung die Auseinandersetzungsvereinbarung im Erbvergleich vom 4. Juni 2007 und nicht etwa den Erbschein vom 14. Juni 2007 zu Grunde gelegt.

20

Zwar gilt auch im Erbschaftsteuerrecht die in § 2365 BGB geregelte Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins. Diese Vermutung bindet grundsätzlich sowohl die Finanzbehörden als auch die Finanzgerichte. Werden jedoch gewichtige Gründe - Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte - erkennbar, die gegen die Richtigkeit des Erbscheins sprechen, so sind sie berechtigt und verpflichtet, eine andere Auslegung des Testaments vorzunehmen (vgl. z.B.: BFH vom 22. November 1995 II R 89/93, BStBl II 1996 Seite 242; BFH vom 24. November 2004 II B 71/03, BFH/NV 2005 Seite 557). Solche gewichtigen Gründe sind darin zu sehen, dass die Erblasserin in ihrem Testament vom 20. Oktober 2003 den von ihr bedachten Personen jeweils lediglich einzelne Vermögenspositionen zuwies, ohne allerdings ausdrücklich zu sagen, welche der bedachten Personen Erbe mit welcher Erbquote sein soll. Dadurch sind Ungewissheiten über die Person des Erben und der ihm zugefallenen Beträge entstanden, die grundsätzlich durch Auslegung des Testaments zu beseitigen sind (vgl. dazu z.B.: Burandt/Rojahn/Czubayko, Erbrecht 2011, Rz 2 ff zu § 2087 BGB; Palandt/Weidlich, BGB, 70. A. 2011, 2 ff zu § 2087). Bei dieser Sach- und Rechtslage ist es angezeigt gewesen, durch Erbvergleich zu regeln, was nach übereinstimmender Auffassung der an seinem Abschluss beteiligten Personen Inhalt der strittigen testamentarischen Verfügungen der Erblasserin war. Das Ergebnis eines derartigen ernsthaft gemeinten Vergleichs, der die gütliche Regelung streitiger Erbverhältnisse zum Ziel hat, ist der Erbschaftsbesteuerung zu Grunde zu legen (st. Rspr.; vgl. z.B.: BFH vom 24. Juli 1972 II R 35/70, a.a.O.; BFH vom 22. November 1995 II R 89/93, a.a.O.; BFH vom 19. September 2000 II B 10/00, BFH/NV 2001 Seite 163). Ein Erbvergleich in diesem Sinne ist auch die einvernehmliche Beseitigung bestehender Ungewissheiten über einzelne Erbteile oder über die den Erben zufallenden Beträge (BFH vom 4. Mai 2011 II R 34/09, BB 2011 Seite 1557).

21

a) Da sich der Kläger und der im Testament ebenfalls bedachte G. B. im Erbvergleich vom 4. Juni 2007 einigten, wie das gesamte Nachlassvermögen unter ihnen aufgeteilt werden sollte, haben sie auf der Basis des mutmaßlichen Willens der Erblasserin die Erbteile und die dem Einzelnen zufallenden Beträge - in Abweichung zum Inhalt des Erbscheins - bestimmt. Infolgedessen ist der Inhalt der Vereinbarungen im Erbvergleich nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, für die Erbschaftsbesteuerung maßgeblich.

22

b) Nicht gehört werden kann der Kläger mit seinem in diesem Zusammenhang erhobenen Einwand, der Rechtsgrund seiner Bereicherung sei in der wechselseitigen Abwägung des Prozessrisikos zu sehen.

23

Rechtsgrund seiner Bereicherung ist vielmehr der am 4. Juni 2007 abgeschlossene Erbvergleich. Beim Erbvergleich handelt es sich um einen Vertrag im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB, durch den der Streit oder die Ungewissheit über erbrechtliche Verhältnisse im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt werden (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblattsammlung Stand März 2009, Rz 80 zu § 3). Diesem Vertrag sind Ungewissheiten und ein daraus resultierendes Prozessrisiko immanent. Dem Prozessrisiko kommt somit keine eigenständige Bedeutung zu. Das Prozessrisiko kann folglich nicht Rechtsgrundlage für einen Vermögenserwerb sein, auch nicht in Form einer Schenkung, denn der der Erbschaftsbesteuerung unterworfene Vermögenserwerb des Klägers wurzelt in der im abgeschlossenen Erbvergleich erzielten Übereinkunft über die Nachlassverteilung. Der Erbvergleich hat seinen Rechtsgrund noch im Erbrecht und ist daher auch bei der Erbschaftsbesteuerung zu Grunde zu legen (BFH vom 6. Dezember 2000 II R 28/98, BFH/NV 2001 Seite 601).

24

c) Die Grenzen der Besteuerung des Erwerbs aufgrund eines Erbvergleichs ist erst erreicht, wenn der Erwerb tatsächlich nicht auf einen erbrechtlichen Rechtsgrund - wie Erbanfall nach § 1922 BGB, Vermächtnis nach §§ 2147 ff BGB, geltend gemachter Pflichtteilsanspruch nach §§ 2303 ff BGB - zurückgeführt werden kann. Die Vorgänge, die als Erwerb von Todes wegen in Betracht kommen, sind nämlich in § 3 ErbStG abschließend aufgezählt. Die erbrechtlichen Erwerbstatbestände können durch einen bloß schuldrechtlich wirkenden Vergleich im Sinne des § 779 BGB nicht erweitert werden (BFH vom 4. Mai 2011 II R 34/09, a.a.O.).

25

Dieser erbschaftsteuerfreie Ausnahmetatbestand ist vorliegend indes nicht gegeben. Er wäre beispielsweise erfüllt, wenn der weichende Erbprätendent, der zunächst das Alleinerbe beansprucht, später die Alleinerbenstellung des anderen Erbprätendenten anerkannt hat. Sind hingegen mehre Personen Miterbe geworden und einigen sie sich im Wege eines ernstgemeinten Erbvergleichs darauf, dass ein Miterbe eine Abfindung erhält, so unterliegt diese Abfindung der Erbschaftsteuer (Meßbacher-Hönsch, jurisPR-SteuerR 32/2011 Anmerkung 3 zum Urteil des BFH vom 4. Mai 2011 II R 34/09, a.a.O.). Im Streitfall ist der Kläger aufgrund des gültigen Testaments vom 30. Oktober 2003 - unstrittig - Miterbe der Erblasserin geworden. Von daher ist das Nachlassvermögen, welches er über seine im Erbschein ausgewiesene Erbquote hinaus aufgrund des Erbvergleichs erhielt, letztlich auf seine Miterbenstellung zurückzuführen und somit auch erbschaftsteuerpflichtig.

26

2. Allerdings zeigt sich der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid insoweit als rechtswidrig, als der Beklagte den Umfang der Bereicherung des Klägers anhand dessen bestimmte, was er nach der Teilungsabrede an Kapitalvermögen tatsächlich erhielt.

27

a) Als der Erbschaftsteuer unterliegender Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall. Unter Erbanfall ist der Übergang des Vermögens des Erblassers auf den (die) Erben i.S. von § 1922 BGB zu verstehen. Dieser Anteil ist bei einer Mehrheit von Erben beim jeweiligen Miterben entsprechend seiner Erbquote (vgl. § 2047 Abs. 1 BGB) erbschaftsteuerrechtlich zu erfassen, und zwar auch dann, wenn eine verbindliche Teilungsanordnung des Erblassers (§ 2048 BGB) vorliegt (vgl. z.B.: BFH-Urteile vom 10. November 1982 II R 85-86/78, BStBl II 1983 Seite 329; BFH vom 5. Februar 1992 II R 7/89, BFH/NV 1993 Seite 100; BFH vom 1. April 1992 II R 21/89, BStBl II 1992 Seite 669; BFH vom 6. Oktober 2010 II R 29/09, BFH/NV 2011 Seite 603).

28

Hieraus folgt, dass die Einigung im Erbvergleich über die den Erben zufallenden Vermögensgegenstände nur insoweit Grundlage der Besteuerung sein kann, als dort eine Einigung über die Erbquote erzielt worden ist. Einvernehmliche Absprachen der Erben über Fragen der Nachlassverteilung sind hingegen ebenso wenig von Belang wie entsprechende Anordnungen des Erblassers es wären (Gebel, a.a.O., Rz 81 zu § 3). Solche Verteilungsabreden sind nur beachtlich, wenn und soweit sie die Erbquote beeinflussen. Bei einem Streit zwischen Miterben über den Umfang der Nachlassbeteiligung bleibt Gegenstand des Erwerbs von Todes wegen der Anteil am Nachlass. Demgemäß ist die auf den unstrittigen Miterben entfallende Erbquote aus dem Verkehrswertverhältnis der zugewiesenen Vermögensgegenstände zu dem übrigen Nachlass abzuleiten (Meincke, ErbStG, 15. A. 2009, Rz 27 zu § 3; Gebel, a.a.O., Rz 81 zu § 3), denn bei einer Erbengemeinschaft, wird die Höhe der Mitberechtigung am Gesamtnachlass durch den (Verkehrswert der einzelnen Vermögensgegenstände ausgedrückt (BFH vom 22. November 1995 II R 89/93, BStBl II 1996 Seite 242).

29

Ob etwas anderes dann gilt, wenn im Erbvergleich dem Steuerpflichtigen eine umstrittene Erbenposition nicht nur der Höhe, sondern dem Grunde nach zugestanden wird (vgl. dazu z.B.: FG München vom 15. Juni 1989 10 K 10022/85, EFG 1989 Seite 642), bedarf keiner abschließenden Klärung. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da die Stellung des Klägers als Erbe zu keiner Zeit in Frage stand.

30

b) Gemessen nach Verkehrswerten umfasste der Gesamtnachlass der Erblasserin das Hausgrundstück mit einem Wert in Höhe von 130.000 €, auf den sich die Beteiligten im Sitzungstermin einvernehmlich einigten, und das Kapitalvermögen mit einem Wert in Höhe von 175.246 €, zusammen also 305.246 €. Vom Gesamtnachlass erhielt der Kläger einen Betrag in Höhe von 116.830,66 € (= 2/3 von 175.246 € Kapitalvermögen). Seine Erbquote beträgt hiernach 38,27 %.

31

Die festzusetzende Erbschaftsteuer berechnet sich nach alledem wie folgt:

32

hinterlassene Vermögenswerte nach Steuerwerten:

33

Grundvermögen

  48.500 €

Kapitalvermögen

175.246 €

Summe Besitzposten

223.746 €

abzüglich Nachlassverbindlichkeiten

        

(Pauschale: § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 2 ErbStG)

  10.300 €

Reinnachlass

213.446 €

davon entfallen 38,27 % auf den Kläger

  81.685 €

abzüglich Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG)

  10.300 €

steuerpflichtiger Erwerb abgerundet auf volle 100 €

  71.300 €

Steuersatz bei Steuerklasse II: 17 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG)

        

festzusetzende Erbschaftsteuer

  12.121 €

II.

34

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1 und Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

35

2. Revisionszulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 FGO) sind nicht vorhanden.

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