Urteil vom Landesarbeitsgericht Hamburg (1. Kammer) - 1 Sa 17/17

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2017 (4 Ca 192/16) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt mit der Klage eine weitere Erhöhung seiner betrieblichen Rente zum 1. Juli 2015 und zum 1. August 2016.

2

Der Kläger war bis 31. Januar 2008 bei der Beklagten tätig. Seit dem 1. Februar 2008 bezieht er eine betriebliche Rente auf der Grundlage der Versorgungsordnung vom 1. April 1985 (nachfolgend „VO 85“). Wegen der Einzelheiten der VO 85 wird auf die Anlage K 1 (Bl. 14-20 d.A.) Bezug genommen.

3

Die Anpassung der betrieblichen Rente richtet sich nach § 6 der VO 85. Darin ist unter der Überschrift „Anpassung der Renten“ folgendes geregelt:

4

„1.
Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepaßt.

5

2.
Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
(Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).

6

3.
Die Renten werden angepaßt, wenn der Versorgungsfall vor dem 01.12.des Vorjahres eingetreten ist.

7

4.
Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.

8

Die Beschlußfassung ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.

9

Bis zum 1. Juli 2015 erhielt der Kläger eine Betriebsrente in Höhe von € 1.270,31 brutto. Die Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung wurde zum 1. Juli 2015 um 2,09717 % erhöht.

10

Am 3. Juni 2015 beschloss der Vorstand der A. D. AG, dass eine Anpassung der Renten um mehr als 0,5 Prozent nicht als vertretbar erscheine und die Gesamtversorgung bzw. die Renten um 0,5 Prozent steigen sollten. Weiter wurde beschlossen, eine entsprechende Beschlussfassung zur Rentenanpassung durch die Vorstände/Geschäftsführungen und Aufsichtsräte der betroffenen Konzerngesellschaften zu initiieren. In der Folge fassten Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten am 26. August 2015 (Vorstand) bzw. im Umlaufverfahren mit Ablauf der Rückmeldefrist am 9. Oktober 2015 (Aufsichtsrat) - nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte sowie des Gesamtbetriebsrats mit Schreiben vom 15. Juni 2015 (Anlagenkonvolut B 5, Bl. 105 ff d. A.), - den Beschluss, zum 1. Juli 2015 eine Rentenerhöhung 0,5 % vorzunehmen. Mit Schreiben vom 16. Oktober 2015 (Anlage K 3, Bl. 22 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Vorstände und Aufsichtsräte der A. Versicherungen beschlossen hätten, die Renten unter Anwendung der in § 6 Ziffer 4 der VO 85 zum 1. Juli 2015 um 0,5 Prozent zu erhöhen. Dies führte für den Kläger ab dem 1. Juli 2015 zu einer Rente in Höhe von € 1.276,66 brutto monatlich.

11

Zum 1. Juli 2016 wurde die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 % erhöht. Der Vorstand der Beklagten beschloss am 20. Juni 2016, wie im Jahr 2015 die in § 6 Ziffer 4 der VO 85 normierte Ausnahmeregelung anzuwenden und den Aufsichtsräten zur Beschlussfassung vorzuschlagen, die zum 1.07.2016 zu gewährende Rentenanpassung der Renten nicht gemäß der Entwicklung der gesetzlichen Renten in Höhe von 4,2451 % sondern nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren. Die Betriebsräte wurden am 17. Mai 2016 angehört (Anlagenkonvolut B 12, Bl. 139-147 d.A.). Der Beschluss des Aufsichtsrates ist am 22. Juni 2016 erfolgt. Insoweit wird auf die Anlage B 14 (Bl. 175-181 d.A.) Bezug genommen.

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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die zum 1. Juli 2015 erfolgte Anpassung ihrer Rente fehlerhaft sei. Die Beklagte habe eine Anpassung entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente um 2,0972 % (gerundet) vorzunehmen. Dies folge aus § 6 Abs. 1 und 2 der VO 85. Danach sei eine Erhöhung der betrieblichen Rente zum gleichen Zeitpunkt und in der gleichen Höhe, wie die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zugesagt. Etwas anderes folge nicht aus § 6 Ziffer 4. Diese Regelung verstoße gegen die Grundsätze der Rechtsprechung zu den Widerrufsvorbehalten und benachteilige den Versorgungsempfänger unangemessen, so dass die Regelung unwirksam sei. Die Unwirksamkeit folge bereits aus der unklaren Formulierung der Regelung aus dem Rechtsgedanken des § 307 Abs. 1 BGB. Die Regelung enthalte keinerlei Bestimmung zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Widerruf- bzw. eine Änderung der in Ziffer 1 vorgesehenen Anpassung der Renten möglich sei. Zudem sei unklar, welche Folgen eintreten sollen, falls der Vorstand eine Veränderung der Renten nicht für vertretbar halte. Die Unwirksamkeit der Regelung folge weiter aus dem Rechtsgedanken des § 308 Nr. 4 BGB, wonach ein Änderungs- oder Widerrufsvorbehalt nur wirksam sei, wenn jedenfalls grundsätzlich erkennbar sei, aus welchem Grund der Widerruf bzw. die Änderung möglich sein sollen.

13

Ein Anspruch des Klägers auf Erhöhung seiner Rente entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente für das Jahr 2015 bestehe selbst bei unterstellter Wirksamkeit von § 6 Ziffer 4 der VO 85. Der Anspruch des Klägers sei am 1. Juli 2015 entstanden und habe durch den erst am 26. August 2015 bzw. 9. Oktober 2015 von Vorstand und Aufsichtsrat gefassten Beschluss nicht rückwirkend beseitigt werden können. Zudem entspreche die von Vorstand und Aufsichtsrat getroffene Entscheidung nicht billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB. Es sei nicht ersichtlich, dass die Interessen der Versorgungsempfänger angemessen berücksichtigt worden seien. Die von der Beklagten für den Beschluss genannten Gründe rechtfertigten die Entscheidung nicht. Von einer fehlenden Vertretbarkeit im Sinne des § 6 Ziffer 4 der VO 85 könne mangels Vorliegens wirtschaftlicher Gründe bzw. mangels Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse sowie aufgrund des guten Ergebnisses der A. nicht ausgegangen werden.

14

Dem Kläger stehe ab Juli 2015 mit Blick auf die Erhöhung der gesetzlichen Rente um 2,0972 Prozent eine entsprechende Erhöhung der von der Beklagten zu zahlenden Bezüge zu. Ausgehend von den bis einschließlich Juni 2015 gezahlten Bezügen in Höhe von € 1.270,31 brutto führe dies zu einer Erhöhung um € 26,64 auf € 1.296,95 brutto. Von diesem Betrag sind die von der Beklagten geleisteten Zahlungen in Höhe von € 1.276,66 in Abzug zu bringen. Dies führe zu einer verbleibenden Differenz von € 20,29 brutto monatlich für den Zeitraum Juli 2015 bis Juni 2016.

15

Für den Zeitraum ab Juli 2016 sei die Erhöhung der gesetzlichen Rente um 4,25 % zu gewähren. Ausgehend von den bis einschließlich Juni 2016 zu zahlenden Bezügen in Höhe von € 1.296,95 brutto führe dies zu einer Erhöhung um € 55,12 auf € 1.352,07 brutto. Von diesem Betrag sind die von der Beklagten ab Juli 2016 geleisteten Zahlungen in Höhe von € 1.283,04 in Abzug zu bringen. Dies führe zu einer verbleibenden Differenz von € 69,03 brutto monatlich ab Juli 2016.

16

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei beginnend mit dem 01.02.2017 über den Betrag von € 1.283,04 hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag von € 69,03 brutto zu zahlen.

18

2. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei einen Betrag von € 243,48 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins auf einen Betrag von € 20,29 seit dem 01.07.2015, auf € 20,29 seit dem 01.08.2015, auf € 20,29 seit dem 01.09.2015, auf € 20,29 seit dem 01.10.2015, auf € 20,29 seit dem 01.11.2015 und auf € 20,29 seit dem 01.12.2015, auf € 20,29 seit dem 01.01.2016, auf € 20,29 seit dem 01.02.2016, auf € 20,29 seit dem 01.03.2016, auf € 20,29 seit dem 01.04.2016, auf € 20,29 seit dem 01.05.2016 und auf € 20,29 seit dem 01.06.2016 zu zahlen.

19

3. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei einen Betrag von € 483,21 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszins auf einen Betrag von € 69,03 seit dem 01.07.2016, auf € 69,03 seit dem 01.08.2016, auf € 69,03 seit dem 01.09.2016, auf € 69,03 seit dem 01.10.2016, auf € 69,03 seit dem 01.11.2016 und auf € 69,03 seit dem 01.12.2016 und auf € 69,03 seit dem 01.01.2017 zu zahlen.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Klage abzuweisen.

22

Die hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger über die bereits erfolgte Erhöhung der Rente in 2015 und 2016 um jeweils um 0,5 Prozent hinaus keinen Anspruch auf weitere Erhöhung seiner Rente habe. Die Entscheidung der Beklagten zur Rentenanpassung im Jahr 2015 und 2016 seien von § 6 Ziffer 4 der VO 85 gedeckt. Hierbei handele es sich um eine tarifvertragliche Regelung, so dass die Rente gemäß § 17 Abs. 3 BetrAVG nicht nach § 16 BetrAVG angepasst werde. Die Regelung sei wirksam, insbesondere nicht zu unbestimmt. Sie sei dahin auszulegen, dass der Vorstand jährlich entscheiden müsse, wie der sogenannte Teuerungsausgleich zu erfolgen habe. Halte er eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rentenerhöhung nicht für vertretbar, müsse er mit dem Aufsichtsrat über einen angemessenen Ausgleich entscheiden und diesen definieren, wobei Vorstand und Aufsichtsrat eine gemeinsame Entscheidung nach billigen Ermessen treffen müssten. Auslegungsbedürftig sei in § 6 Ziffer 4 der VO 85 der Begriff „vertretbar“. Dieser sei aber dahin auszulegen, dass die jährliche gemeinsame Ermessenentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt seien. Dies bedeute, dass eine von § 6 Ziffer 1 negativ abweichende Anpassung der Rente einen sachlichen Grund voraussetze, der die Abweichung nach Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beklagten und der betroffenen Betriebsrentner rechtfertige. Ein solcher sachlicher Grund liege der Anpassungsentscheidung der Beklagten zugrunde. Hierbei müsse es sich nicht um wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 16 BetrAVG handeln.

23

Der erforderliche sachliche Grund folge aus dem Programm für die zukunftsfähige Ausrichtung des Unternehmens der Beklagten, dessen wesentlicher Baustein das Konzept „S.“ =„S.“ bilde. Mit diesem Programm sichere der Konzern seine Wettbewerbsfähigkeit trotz widriger Rahmenbedingungen für die Zukunft. Grundlage dieses Konzepts sei nicht die wirtschaftliche Lage der Beklagten, sondern deren zukunftsfähige Aufstellung am Markt. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten und Hintergründe dieses Konzepts wird ergänzend auf die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 27. Oktober 2016, Seite 27 f. und S. 36 ff. Bezug genommen. Es sei angemessen, dass auch die Rentner einen Beitrag leisteten. Hinzu komme, dass das Interesse des Klägers auf einen Teuerungsausgleich als eher gering anzusehen sei, da das Versorgungsniveau bei den Rentenempfängern im A.-Konzern bereits überdurchschnittlich hoch sei.

24

Der gemeinsame Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat sei rechtzeitig erfolgt. Er habe nicht bis zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2015, sondern lediglich mit Wirkung zu diesem Stichtag erfolgen müssen. Dies sei geschehen. Insbesondere hebe der gemeinsame Beschluss der Gremien nicht eine vorherige automatische Anpassung nach § 6 Ziffer 1 nachträglich wieder auf, sondern ersetze die nach § 6 Ziffer 1 vorzunehmende Anpassung. Eine automatische Erhöhung der Versorgungsbezüge in Höhe der Erhöhung der gesetzlichen Rente sei in den VO 85 nicht vorgesehen. Vielmehr sei in jedem Fall eine Prüfung und Entscheidung des Vorstands zur Anpassung der Versorgungsbezüge erforderlich.

25

Die teilweise Aussetzung der Betriebsrentenanpassung unterliege keinem Mitbestimmungsrecht. Das aus § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG folgende Mitbestimmungsrecht habe der Betriebsrat durch den Abschluss der Betriebsvereinbarung abschließend ausgeübt und verbraucht. Darüber hinaus seien keine Mitbestimmungsrechte gegeben, insbesondere werde ein solches nicht durch die teilweise Aussetzung der Anpassung von Betriebsrenten ausgelöst, da eine entsprechende Aussetzung der Anpassung in § 6 Ziffer 4 der VO 85 bereits angelegt sei.

26

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 26. Januar 2017 ganz überwiegend stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 188 bis 202 d.A. verwiesen. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 7. Februar 2017 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 7. März 2017, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 30. März 2017, der am selben Tage beim Landesarbeitsgericht einging, hat sie die Verlängerung der Frist zu Begründung der Berufung beantragt. Das Landesarbeitsgericht hat die Frist mit Beschluss vom 3. April 2017 bis zum 8. Mai 2017 verlängert. Mit Schriftsatz vom 8. Mai 2017 hat die Beklagte die Berufung begründet.

27

Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für unzutreffend. Grundlage der Beschlussfassung zur reduzierten Anpassung der Betriebsrente seien die widrigen Rahmenbedingungen und der Druck am Markt gewesen. Diese hätten erhebliche Spar- und Personalreduzierungsprogramme mit sich gebracht, so insbesondere das sog. „S.-Konzept“ mit weiteren Maßnahmen, das sich bei der Beklagten in der Umsetzung befände. Die Verringerung der Rentenanpassungen sei Teil eines umfassenden Einsparkonzeptes, um sicherzustellen, dass der A.-Konzern auch in Zukunft am Markt mit Gewinnen bestehen könne. Es gebe ein schwieriges Marktumfeld, das durch die niedrigen Zinsen (Leitzins von 0% bzw. 0,05 %) und die niedrige Inflation (0,3 % im Juni 2015) bestimmt werde. Der Verbraucherpreisindex habe sich von Juni 2014 bis Juni 2015 nur von 106,7 auf 107 erhöht. Wegen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise werde es für Versicherer immer schwieriger, das Geld lukrativ anzulegen. Das Zinsniveau stelle eine erhebliche Belastung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns und damit auch der Beklagten dar. Die Beklagte sei zum 1. Juli 2015 davon ausgegangen, dass sich das Wachstum im Versicherungsmarkt 2015 abschwächen werde. Sie gehe weiter von einer nur schwachen konjunkturellen Entwicklung im Euroraum aus. Risiken ergäben sich zudem aus der demographischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung. Es seien außerdem signifikant gestiegene Kundenanforderungen zu verzeichnen, v.a. angestiegene Preissensitivität bei sinkender Loyalität. Weitere Risikopotenziale seien aus vertrieblichen Herausforderungen im Branchenumfeld entstanden, die letztlich die Folge der Finanzmarktkrise seien. Wettbewerber würden Kostensenkungs- und Automatisierungsprogramme forcieren und variable Produktmodelle ohne feste Garantien. Die Komplexität der Lebensversicherung sei durch das Mitte 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG) weiter gesteigert worden. Der für Lebensversicherungsprodukte erforderliche finanzielle Aufwand sei deutlich erhöht worden. Die Umsetzung des LVRG habe zu erheblichen Produktänderungen im gesamten Konzern und zu einer Veränderung der Provisionsregelungen geführt. Der Aufwand der Versicherungsunternehmen für die Vergütung der Vermittler habe sich spürbar erhöht. Solvency II verschlechtere die Rahmenbedingungen, weil die Versicherer hiernach über so viel Kapital verfügen müssten, dass sie Negativergebnisse verkraften könnten, die statistisch gesehen nur einmal in 200 Jahren aufträten. Somit hätte zum 1. Januar 2016 mit der Umsetzung von Solvency II in nationales Recht die Notwendigkeit bestanden, eine risiko- bzw. marktwertorientierte Bewertung der Kapitalanlagen und Leistungsverpflichtungen vorzunehmen. Ferner würden weitgehende Anforderungen an die Geschäftsorganisation der Versicherungsunternehmen gestellt und die Berichtspflichten von Versicherern erweitert worden. Dieses umzusetzen, habe finanziellen Aufwand für den Konzern und die Beklagte bedeutet. Wegen des negativen Marktumfeldes habe der Konzern u.a. eine sog. Zinszusatzreserve € 2 Milliarden Euro aufbauen müssen. Allein 2016 habe dieser Posten um ca. 620 Millionen Euro aufgefüllt werden müssen, und es sei mit steigenden Entwicklungen zu rechnen. Als Folge des Marktdrucks sei es konzernweit zu einem Einstellungsstopp und einem massiven Personalabbau gekommen. 2016 hätten im Konzern etwa 1.135 Personen den Konzern bei einem Personalbestand von etwa 13.000 verlassen. Der angestellte Außendienst werde reduziert, das Provisionsmodell massiv angepasst. Im Konzern gebe es weitere Sparprogramme zur Kostenreduzierung (Raumverknappung, Betriebsübergänge, Spesenreduzierungsprogramme, Reduzierung der Altersversorgung auf Führungsebene für Neueintritte). Die Reduzierung der Rentenerhöhung habe allein im Zeitraum 1. Juli 2015 bis 1. Juli 2016 zu Einsparungen in Höhe von etwa 2,7 Mio. Euro sowie eine Reduzierung der Rückstellungen um 43,6 Millionen Euro geführt. Aufgrund dieser Maßnahmen sei es noch gelungen, für die Unternehmen des Konzerns einen Gewinn zu erwirtschaften. Vor allem der Personalabbau von ca. 8,5 % der kompletten Belegschaft in Deutschland allein im Jahr 2016 zeige, wie sehr auf den Marktdruck habe reagiert werden müssen. Näheres ergebe sich auch aus dem S.-Konzept. Vorüberlegungen hierzu seien beginnend mit dem 23. Februar 2015 erfolgt. Zum 25. Mai 2015 sei es soweit abgeschlossen gewesen, dass es gegenüber der Belegschaft der Beklagten habe kommuniziert werden können. Das Konzept beinhalte eine Neuausrichtung zur Sicherung der zukünftigen Wettbewerbsfähigkeit. Es hätten die nötigen Schritte eingeleitet werden sollen, solange noch die Möglichkeit dazu bestanden habe, die Zukunft aktiv zu gestalten. Im September 2015 hätten die Verhandlungen mit den Betriebsräten über die Umsetzung des Konzepts aufgenommen werden können. Mittlerweile befände sich das Konzept in der Umsetzungsphase. In finanzieller Hinsicht ziele das Konzept auf die konzernweite Einsparung von Kosten in Höhe von € 160 bis 190 Mio. pro Jahr ab. Ein Teil der Planungen habe in dem Übergang des gesamten Personals der Beklagten und der A. V. AG auf die neue A. D. AG bestanden, was mit Standortverlagerungen und Standortzusammenschlüssen einhergegangen sei. In diesem Zusammenhang stünde der Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen im Raum. Die aktive Belegschaft leiste einen erheblichen Beitrag für die zukunftsfähige Ausrichtung des Konzerns mit u.a. folgenden Maßnahmen: Personalabbau i.V.m. einem Einstellungs- und Beförderungsstopp sowie einem Verbot von Entfristungen befristeter Arbeitsverträge, was eine Verdichtung der Arbeitsbelastung bedeute, Betriebsübergänge auf die A. D. AG, Reduzierung des angestellten Außendienstes, Kürzung der Budgets für Sach-, Reise-, Bewirtungs- und Fortbildungskosten, Kürzung des Budgets für Leistungszusagen in der betrieblichen Altersversorgung bei Neueintritten auf der Stufe der Vorstände und leitenden Angestellten um die Hälfte des bisherigen Volumens, keine Gehaltserhöhung für außertarifliche Angestellte in 2016 (bis auf individuelle Sonderfälle). Demgegenüber wögen die Interessen des Klägers nur gering. Die Betriebsrentnerinnen und -rentner hätten ihren Beitrag zur zukunftsfähigen Ausrichtung des Konzerns und der Beklagten zu leisten. Der von ihnen eingeforderte Beitrag sei im Verhältnis zu dem Beitrag der aktiven Belegschaft nur sehr gering. Das Versorgungsniveau im BVW sei überdurchschnittlich hoch. Kaufkraftschwund und die Inflationsentwicklung seien bei der Anpassungsentscheidung im Jahr 2015 ausreichend berücksichtigt worden. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne sich der Kläger nicht berufen, denn die Aussetzung der Rentenanpassung sei in § 6 Ziff. 4 VO 85 ausdrücklich vorgesehen. Der Vorstand der Beklagten hätte in Folge der Entscheidung des Vorstands der A. D. AG beschlossen, die Ausnahmeregelung in § 6 Ziff. 4 anzuwenden und dem Aufsichtsrat vorzuschlagen, die zum 1. Juli 2015 zu gewährende Rentenanpassung der Gesamtversorgungsbezüge bzw. der Renten nur in Höhe von 0,5 % zu gewähren. Dabei hätte sich der Vorstand an der Inflationsrate orientiert, die bei 0,28 % gelegen habe. Diese habe man für den Zeitpunkt der Entscheidung auf 0,5 % geschätzt. Die Betriebsräte seien ausreichend angehört worden und hätten Stellung genommen. Sodann hätten Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam die Reduzierung der vertraglichen Anpassung auf 0,5 % zum 1. Juli 2015 beschlossen. Auf die Erforderlichkeit einer Interessenabwägung sei in den jeweiligen Beschlussvorlagen ausdrücklich hingewiesen worden. Beide Gremien hätten alle Argumente abgewogen und in ihre Entscheidung einfließen lassen, auch die Stellungnahmen der Betriebsräte. Zudem seien Erwägungen zur ungekürzten Anpassung und weniger einschneidenden Kürzungen enthalten gewesen. Die Beklagte habe von § 6 Ziff. 4 VO 85 Gebrauch machen dürfen. Der Begriff „vertretbar“ sei so zu verstehen, dass die jährliche gemeinsame Ermessensentscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat nach § 6 Ziff. 4 durch die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes eingeschränkt sei. Eine von § 6 Ziff. 1 VO 85 negativ abweichende Anpassung der Versorgungsbezüge erfordere einen sachlichen Grund, der die Abweichung rechtfertige. Der Beschluss von Vorstand und Aufsichtsrat wirke auf den Zeitpunkt zurück, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert worden seien. Ein sachlicher Grund für die Entscheidung nach § 6 Ziffer. 4 VO 85 könne in einem Konzept zur zukunftsfähigen Ausrichtung eines Unternehmens liegen. Erforderlich, aber auch ausreichend sei es, wenn die sachlichen Gründe willkürfrei, nachvollziehbar und anerkennenswert seien. Das Versorgungsniveau für die Betriebsrentnerinnen und -rentner sei überdurchschnittlich hoch. Eine weitere Anpassung von 2,1 Prozent mit Wirkung zum 1. Juli 2015 wäre weitaus höher, als eine Anpassung für Versorgungsempfänger in anderen Versorgungswerken bei der Beklagten und im A.-Konzern. Auch dieses ungleiche Verhältnis zu anderen Versorgungsempfängern trage zur sachlichen Begründung der Entscheidung bei.

28

Die Beklagte beantragt,

29

das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 26. Januar 2017, Az. 4 Ca 192/16, aufzuheben und die Klage abzuweisen.

30

Der Kläger beantragt:

31

die Berufung zurückzuweisen.

32

Der Kläger meint, dass die Regelung in § 6 Ziff. 4 VO 85 auf Tatbestands- wie Rechtsfolgenseite nicht hinreichend bestimmt sei. Die nach dem 12. Juli 2015 gefassten Beschlüsse hätten den nach § 6 Ziff. 1 VO 85 bereits entstandenen Anspruch nicht rückwirkend entfallen lassen können. Nach § 6 Ziff. 4 VO 85 dürfe nur dann von deren § 6 Ziff. 1 abgewichen werden, wenn veränderte wirtschaftliche Verhältnisse vorlägen, also die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin die Anpassung nicht zulasse und der Fortbestand der Gesellschaft gefährdet sei. Das sei vorliegend nicht der Fall. Hinzuweisen sei auch auf einen Bericht des Handelsblatts vom 18. Juni 2016, wonach der A.-Konzern im Jahr 2015 so viel verdient habe wie seit acht Jahren nicht mehr. Die Steigerung der Dividende im Jahr 2015 stehe zudem im Widerspruch zu der Entscheidung, dass die Erfüllung der Anpassungsansprüche der Betriebsrentner nicht vertretbar sei. Betriebsbedingte Kündigungen seien nicht ausgesprochen worden und kein Mitarbeiter habe auf finanzielle Ansprüche verzichten müssen.

33

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Protokolle sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

34

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

35

1) Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchstabe b ArbGG statthaft und nach §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO form- und fristgemäß eingelegt und begründet worden.

36

2) Die Berufung ist unbegründet, weil die Klage, soweit die Berufung über sie zu entscheiden hat, zulässig und begründet ist.

37

a) Die Klage ist zulässig.

38

Für den auf Gewährung zukünftiger Leistungen gerichteten Klagantrag zu 1 liegen die Voraussetzungen des § 258 ZPO vor. Wiederkehrende Leistungen, die von keiner Gegenleistung abhängen, können nach § 258 ZPO auch für die Zukunft eingeklagt werden. Betriebsrentenansprüche sind in diesem Sinne von keiner Gegenleistung abhängig.

39

Die Klaganträge zu 2 und 3 sind zulässig, weil der Kläger mit ihnen eine hinreichend bestimmte Leistung, nämlich die Zahlung von Geld, verlangt. Bestimmt sind auch die Zinsanträge, obwohl sich aus ihnen selbst nicht die Höhe des verlangten Zinses ergibt. Durch den Bezug auf den Basiszinssatz ist es möglich, den Zinssatz in ausreichender Weise zu bestimmen. Dieser Satz wird regelmäßig öffentlich bekannt gegeben. Ein Antrag muss nicht möglichst bestimmt, sondern hinreichend bestimmt sein. Dass die Schuldnerin, die die Zinsen durch mangelnde Zahlung veranlasst hat, dadurch mehr belastet wird als durch eine Angabe in Prozentpunkten, ist unerheblich (BAG, Urteil vom 1. Oktober 2002, 9 AZR 215/01, AP Nr. 37 zu § 253 ZPO = EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 157).

40

b) Die Anträge sind begründet, weil die Betriebsrente des Klägers zum 1. Juli 2015 um weitere € 20,29 und zum 1. Juli 2016 um weitere € 68,97 monatlich erhöht worden ist. Demgemäß kann der Kläger die Zahlung einer höheren Betriebsrente und die Nachzahlung der in der Vergangenheit insoweit aufgelaufenen Rückstände nebst Zinsen verlangen.

41

Die Ansprüche auf weitere Erhöhungen der Betriebsrente zum 1. Juli 2015 und zum 1. Juli 2016 ergeben sich daraus, dass § 6 Ziffer 1 VO 85 anordnet, dass die Gesamtversorgungsbezüge entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst werden. An die Stelle des § 49 AVG sind die Steigerungen der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß §§ 65, 68 SGB VI getreten. Zum 1. Juli 2015 sind diese Renten um 2,0972 % und zum 1. Juli 2016 um 4,24512 % gesteigert worden. Eine entsprechende Steigerung der Gesamtversorgungsbezüge des Klägers macht unter Abzug der von der Beklagten gewährten Erhöhungen die weiteren Erhöhungen aus, die der Kläger verlangen kann.

42

Die Steigerung der Gesamtversorgungsbezüge nach § 6 Ziffer 1 VO 85 hat die Beklagte in den Jahren 2015 und 2016 nicht durch einen Beschlüsse nach § 6 Ziffer 4 VO 85 ersetzt. Die Voraussetzungen für solche Beschlussfassungen waren nicht gegeben.

43

Die Voraussetzungen für eine Beschlussfassung der Beklagten nach § 6 Ziffer 4 VO 85 waren nicht gegeben. Der Vorstand der Beklagten durfte die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge nach § 6 Ziffer 1 VO 5 nicht „nicht für vertretbar“ halten.

44

Tatbestandliche Voraussetzung eines Beschlusses nach § 6 Ziffer 4 VO 85 ist, dass der Vorstand eine Erhöhung der Versorgungsbezüge entsprechend der Entwicklung der gesetzlichen Renten nicht für vertretbar halten durfte. Nur dann kann er gemäß § 6 Ziff. 4 VO 85 gemeinsam mit dem Aufsichtsrat eine Abweichung von der automatischen Anpassung der Betriebsrente nach § 6 Ziffer 1 VO 85 beschließen. Eine Auslegung der Regelung ergibt, dass für einen Beschluss nach § 6 Ziffer 4 VO 85 nicht ausreichend ist, dass der Vorstand eine solche Erhöhung nicht für vertretbar hält. Erforderlich ist vielmehr, dass objektive Gründe dafür vorgelegen haben müssen, dass er die Erhöhung nicht für vertretbar halten durfte. Es kommt demgemäß nicht nur auf die Meinungsbildung des Vorstands an, sondern auch darauf, ob die sachlichen Voraussetzungen für eine solche Meinungsbildung gegeben waren.

45

Tarifverträge sind wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist danach vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei einem unbestimmten Wortsinn sind der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu berücksichtigen, sofern und soweit dies im Text seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG, Urteil vom 8. Dezember 2015, 3 AZR 267/14; juris). Eine Ausnahmeregelung ist grundsätzlich nicht extensiv, sondern eng auszulegen (BAG, Urteil vom 26. März 1997, 10 AZR 751/96; juris).

46

Nach diesen Grundsätzen ist die Regelung des § 6 Ziffer 4 VO 85 hinsichtlich der Formulierung „nicht für vertretbar halten“ hinreichend bestimmt und dahingehend auszulegen, dass objektive Gründe dafür vorliegen müssen, dass der Vorstand die Weitergabe der gesetzlichen Rentenerhöhung nicht für vertretbar hält.

47

Die Auslegung der Formulierung „nicht für vertretbar hält“ ergibt, dass ihre Voraussetzungen regelmäßig nur dann gegeben sein können, wenn der Vorstand aufgrund objektiver Umstände davon ausgehen konnte, dass im Rahmen einer Interessenabwägung unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit wirtschaftliche Interessen der Beklagten gegenüber den Interessen der Rentnerinnen und Rentner Vorrang haben. Wegen des Ausnahmecharakters von § 6 Ziffer 4 VO 85 erfordert dieses ein deutlich überwiegendes Interesse der Beklagten.

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Das Erfordernis einer Interessenabwägung folgt schon daraus, dass etwas nur dann nicht für vertretbar gehalten werden kann, wenn es in eine wertende Abwägung zu einer alternativen Regelung gesetzt wird. Ohne eine Alternative kann es keine Entscheidung über die Vertretbarkeit geben. Damit hängt die Entscheidung, ob etwas für vertretbar gehalten wird, zwangsläufig von dem Ergebnis eines Abwägungsprozesses ab. Zutreffend weist die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in ihrem Urteil im Verfahren 7 Sa 96/16 vom 1. Juni 2017 darauf hin, dass der Begriff „für nicht vertretbar halten“ gleichbedeutend mit „nicht verantworten können“ ist. Auch ein solches „Nicht-Verantworten-Können“ setzt eine Abwägung zwischen verschiedenen Möglichkeiten voraus. Für die Regelung in § 6 Ziffer 4 VO 85 bedeutet dieses, dass im konkreten Jahr geprüft werden muss, ob von der Grundregel des § 6 Ziffer 1 VO 85 abgewichen werden darf. Bei einer solchen Interessenabwägung ist insbesondere zu beachten, dass § 6 Ziffer 1 VO 85 regelmäßig eine Anpassung entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Rente anordnet, also besondere Voraussetzungen dafür vorliegen müssen, dass eine Abweichung erfolgen darf. Wegen dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses ist davon auszugehen, dass die Tarifparteien dem Vorstand nur dann eine Abweichung von der Regel erlauben wollten, wenn er eine umfassende Würdigung der objektiven Sachlage unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmens und der Betriebsrentnerinnen und -rentner vorgenommen hatte. Da § 6 Ziffer 1 VO 85 den Grundsatz enthält, dass die Arbeitgeberin regelmäßig die finanziellen Mittel bereitstellt, um eine Anpassung entsprechend der gesetzlichen Rente zu ermöglichen, verlangt die gegenläufige Entscheidung nach § 6 Ziffer $ VO 85, dass Gründe vorliegen, die gegen eine solche Finanzierung sprechen. Das können regelmäßig nur Gründe sein, die sich aus der Finanzlage der Beklagten ergeben. Verspricht sie in der Regel die Finanzierung einer bestimmten Erhöhung, bedürfte es zumindest besonderer auf die Beklagte bezogener Umstände, wenn sie sich von ihrem Versprechen ausnahmsweise lösen dürfte, obwohl die Finanzierbarkeit gegeben ist. Regelmäßig bedarf es deshalb besonderer Gründe aus dem Bereich der Finanzierbarkeit, um eine Ausnahmeentscheidung nach § 6 Ziffer 4 VO 85 begründen zu können.

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Zutreffend geht die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts in ihrem Urteil im Verfahren 7 Sa 96/16 vom 1. Juni 2017 schließlich davon aus, dass es eines besonderen Grundes für die Abweichung von der Anpassungsautomatik auch deshalb bedarf, weil es um ein Abweichen von der grundsätzlich zugesagten Erhöhung der Versorgung gemäß der Steigerungsrate der gesetzlichen Renten geht. Das erfordert, dass ein Eingriff in die Anpassungsautomatik nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Grundsatzes des Vertrauensschutzes möglich ist. Dafür ist es vorliegend nicht ausreichend, einen irgendwie nachvollziehbaren, willkürfreien, sachlichen Grund für das Abweichen vom Anpassungsgrundsatz genügen zu lassen. Weil es sich um ein von vornherein vorgesehenes einseitiges Recht der Arbeitgeberin handelt, in den gemeinsam aufgestellten Anpassungsgrundsatz im Ausnahmefall eingreifen zu dürfen, sind die Entscheidungsgrenzen eng zu ziehen, um dem gemeinsamen Willen der Tarifparteien, dass regelmäßig die Entwicklung der gesetzlichen Renten maßgeblich sein soll, Geltung verschaffen.

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Damit ist die Formulierung „nicht für vertretbar hält“ sowohl hinreichend bestimmt als auch mit dem Inhalt versehen, dass jedenfalls regelmäßig nur dann die Voraussetzungen von einer Abweichung von der Regel des § 6 Ziffer 1 VO 85 gegeben sein werden, wenn der Arbeitgeberin die Möglichkeit zu einer Finanzierung der entsprechenden Erhöhung fehlt oder zu erwarten ist, dass dies in absehbarer Zeit eintreten wird. Es kommt demgemäß nicht darauf an, ob bei einer fehlenden Bestimmtheit des § 6 Ziffer 4 VO 85 nur diese Regelung oder zugleich auch § 6 Ziffer 1 VO 85 unwirksam wäre.

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Nach diesen Grundsätzen lagen keine Gründe dafür vor, dass die Beklagte eine Anpassung nach § 6 Ziffer 1 VO 85 nicht für vertretbar halten durfte.

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Die Beklagte beruft sich für ihre unternehmerische Entscheidung auf ein Konzept, das sie aufgrund der Marktbedingungen und gesetzlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen beschlossen hatte, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Gewinne zu sichern bzw. zu steigern und ihr Unternehmen zukunftsfähig auszurichten. Das genügt nicht für die Annahme der Voraussetzungen für eine Abweichung nach § 6 Ziffer 4 VO 85. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte eine Anpassung nach § 6 Ziffer 1 VO 85 nicht finanzieren könnte, bestehen nicht. Das Reorganisations- und Umstrukturierungsprogramm für den gesamten Konzern zur Stabilisierung bzw. Steigerung der Gewinne und Stärkung der Marktposition genügt nicht. Wie ausgeführt darf grundsätzlich von der regelmäßig vorgesehenen Erhöhung der Gesamtversorgung entsprechend der gesetzlichen Rente nur abgewichen werden, wenn dieses für das Unternehmen finanziell nicht vertretbar ist. Das wird von der Beklagten nicht dargelegt. Dass sie aus unternehmerisch möglicherweise nachvollziehbaren Gründen von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen möchte, reicht nicht aus. Unternehmerische Gründe müssten nach dem oben Ausgeführten ein solches Gewicht haben, dass sie einer fehlenden Finanzierungsmöglichkeit in etwa gleichstehen könnten. Das ist von der Beklagten für die von ihr angenommenen Gründe nicht dargelegt worden. Ferner ist der Vortrag der Beklagten zu ihren unternehmerischen Gründen nicht genau genug. Soweit sie sich auf veränderte Lebenserwartungen, niedriges Zinsniveau, steigende Kundenanforderungen, vertriebliche Herausforderungen im Branchenumfeld, geringste Überschussbeteiligung in der Versicherungsbranche und Ähnliches beruft, legt sie die sich daraus ergebenden Folgen nicht nachvollziehbar dar. Insbesondere ist nicht erkennbar, welche finanzielle Belastung der Beklagten sich daraus ergeben soll. Zu erwartende Gewinneinbrüche oder gar Verluste sind nicht dargestellt. Gegen eine Gleichstellung dieser Umstände mit einer fehlenden Finanzierbarkeit spricht außerdem, dass die Beklagte sich ausdrücklich nur auf eine zukünftige Neuausrichtung des Konzerns bzw. ihres Unternehmens beruft, zu der die Rentnerinnen und Rentner ihren Beitrag leisten sollten. Welches wirtschaftliche Gewicht diese Neuausrichtung hat, ist aber ebenso wenig erkennbar wie die Bedeutung der Ausnahmeregelung bei der Anpassung im Rahmen dieses Konzepts.

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Eine Abwägung mit den Interessen der Beklagten ist im Übrigen schon deshalb nicht möglich, weil gar nicht erkennbar ist, welche Bedeutung diese Interessen bei der konzernweiten Entscheidung hatten, von der Erhöhung nach § 6 Ziffer 1 VO 85 abzuweichen.

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Die Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

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3) Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.

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