Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Kammer) - 3 Sa 101/13

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 05.02.2013 – 2 Ca 870/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 23.05.2012 sowie der außerordentlichen Kündigung vom 28.06.2012.

2

Der am 30.06.1970 geborene und ledige Kläger ist seit dem 09.10.1990 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Verkauf in B-Stadt – S. gegen ein Bruttoarbeitsentgelt von zuletzt 2.151,34 € Brutto beschäftigt. Im Zeitpunkt der den Kündigungen zur Grunde liegenden Umstände war der Kläger stellvertretender Betriebsratsvorsitzender und als solcher freigestellt.

3

Die Beklagte beschäftigt ca. 6000 Arbeitnehmer in ca. 800 Filialen. Der Betriebsrat besteht aus 31 Mitgliedern und beschloss am 22.05.2012 seinen Rücktritt.

4

Die Beklagte hat nach erfolgter Beteiligung (Blatt 135 bis 139 Band I. d. A.) und erfolgter Zustimmung des Betriebsrates vom 22.05.2012 (Blatt 327, Band II. d. A.) das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger aus verhaltensbedingten Gründen fristlos gekündigt. Gegen diese am 24.05.2012 zugegangene Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner am 06.06.2012 bei dem Arbeitsgericht Rostock eingegangenen Kündigungsschutzklage.

5

Mit Schreiben vom 28.06.2012 hat die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger erneut fristlos gekündigt. Hinsichtlich dieser Kündigung leitete die Beklagte mit Schreiben vom 04.05.2012 (Blatt 120 bis 128 Bd. I. d. A.) das Zustimmungsverfahren gegenüber dem Betriebsrat ein. Eine Stellungnahme des Betriebsrates erfolgte nicht. Am 09.05.2012 reichte die Beklagte beim Arbeitsgericht Flensburg den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses ein (Aktenzeichen 2 BV 20/12). Noch im Verlauf des vorbenannten gerichtlichen Verfahrens erteilte der Betriebsrat der Beklagten am 19.06.2012 nachträglich die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger (Blatt 368, 369 d. A. Band III.). Gegen diese am 29.06.2012 zugegangene fristlose Kündigung wehrt sich der Kläger mit seiner am 12.07.2012 bei dem Arbeitsgericht Rostock eingegangen Kündigungsschutzklage.

6

Hintergrund der Kündigung vom 23.05.2012 ist die Vorstellung eines Kalenderauszuges per Beamer durch den Kläger anlässlich der Betriebsratssitzung vom 08.05.2012. Die Beklagte behauptet insoweit, diesen Kalenderauszug habe das Betriebsratsmitglied G. durch einen systematischen Datenzugriff ausgelesen und an den Kläger weitergeleitet. Der Kläger habe den Kalenderauszug in Kenntnis der Rechtswidrigkeit einerseits und der Geheimhaltungsbedürftigkeit andererseits gleichwohl den anwesenden Betriebsratsmitglieder zur Kenntnis gegeben.

7

Im Hinblick auf die Kündigung vom 28.06.2012 beruft sich die Beklagte auf Umstände, die sich aus den Protokollen der Betriebsratssitzungen vom 03.04.2012 und vom 19.04.2012 ergeben und die die Beklagte nach ihrem Vortrag anonym am 25.04.2012 (streitig) erhalten hat, sowie auf die Inhalte eines Strategiepapiers, welches den Betriebsratsmitgliedern anlässlich der Betriebsratssitzung vom 19.04.2012 durch den Kläger vorgestellt worden ist.

8

Die insoweit entscheidenden Protokollauszüge lauten – soweit hier von Bedeutung – wie folgt:

9

"Top 2

10

Beschlussfassung über die Bildung eines Ausschusses "Kontaktgruppe" bezüglich der engeren Zusammenarbeit mit der T. L. & Partner und V.

11

erklärt dem Gremium kurz, warum diese Kontaktgruppe einberufen werden soll. Die Kontaktgruppe wird auch mit einer Entscheidungskompetenz ausgestattet, um mit den Anwälten und V. schnell agieren zu können. T. erklärt kurz, dass die Gruppe Strategien entwickelt, wie wir weiter verfahren und wir diese Strategien auch sehr schnell umsetzen müssen. Die Gruppe sollte regional eng beisammen sein, um sich schnell treffen zu können. S. macht den Vorschlag, dass man für diesen Ausschuss freigestellte BR-Mitglieder nehmen sollte, da die schneller zusammentreten können.

12

In dieser Gruppe ist auch ein Geheimnisschutz vorgesehen, damit O. nicht immer einen Schritt voraus ist. G. fragt nach der rechtlichen Deckung für diesen Ausschuss. D. macht noch mal klar, dass der Ausschuss in der ganzen Zeit keine Auskünfte über die Strategie geben darf. C.: das Gremium muss einen sehr großen Vertrauensvorschuss in diesen Ausschuss legen. G. gibt zu bedenken, dass es schon mal nicht so rund gelaufen ist, als die Teilnehmer nicht über die Mediation sprechen durften. E. gibt zu bedenken, dass er nicht mit gehen kann, wenn eine kleine Gruppe seinen Werdegang im D. B. beeinflussen könnte.

13

R.: es wird schon wieder das Vertrauen im Gremium diskreditiert.

14

Es entsteht eine hitzige Diskussion über diesen Ausschuss. R. ist der Meinung, dass die Kontaktgruppe nicht gegründet werden sollte, da sie dafür sorgen könnte, dass das Gremium gesprengt wird. Das Feedback aus dem Gremium ist, dass viele Bauchschmerzen damit haben und andere finden, dass das gar nicht geht. N. möchte wissen, ob man die Geheimhaltung zeitlich befristen kann. C. möchte wissen, was V. davon hält.

15

R. berichtet von einem Artikel, den man auf der V. Seite anschauen kann (im Suchfeld eingeben V. und O.). Die Personalchefin hat nach der Veröffentlichung eines Berichts, bei V. angerufen und gefragt, von wem die Informationen kommen. V. hat natürlich keine Informationen rausgegeben. Dies ist nur ein Beispiel für das, was in dieser Gruppe vorgehen und entschieden werden soll. Die Gruppe soll schnell und politisch agieren können. Sachen, die in dieser Gruppe bearbeitet, besprochen und entschieden werden, können und werden nicht im vollem Umfang vor dem Gremium berichtet werden.

16

K. hat mit D. telefoniert, sie macht nur mit, wenn sie und K. in dieser "Task Force" sind.

17

K. erklärt kurz, dass die Kontaktgruppe schnell gegenüber O. agieren können muss, damit wir ihn auch kalt erwischen können.

18

Vorschläge:

19

K.: Ja
D.: Ja
D.: Nein
R.: Ja

20

Beschluss:

21

Der Betriebsrat beschließt, einen Ausschuss "Kontaktgruppe" für die engere Zusammenarbeit mit der T. L. & Partner und V. einzusetzen. Der Ausschuss wird für den Zweck gegründet, eine schnelle und zielgerichtete Kommunikation und ergebnisorientierte Entscheidungsfindung zu strategischen und taktischen Maßnahmen, eigenständig zu erledigen. Sie besteht aus 3 Mitglieder, es gibt keine Ersatzmitglieder. Die Mitglieder werden in geheimer Wahl gewählt, die 3 vorgeschlagenen BR-Mitglieder sind D. B., K.H. und R. S..

22

Die Beschlussfähigkeit wurde festgestellt. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung waren 26 Betriebsratsmitglieder anwesend. Ohne JAV.

23

Abstimmungsergebnis: Ja - Stimmen: 19     Nein - Stimmen: 3     Enthaltungen: 4

24

Der Antrag wurde angenommen."

25

Top 6

26

Beschlussfassung Durchführung eines In – House Seminars "Kommunikation, Mediation und Konfliktlösung" im Rahmen der Betriebsratssitzung durchzuführen.

27

erklärt kurz, warum wir den Beschluss fassen sollten. Um die Kosten für die Mentoren zu decken wird die Klausurtagung als Seminar deklariert. Die Kosten beim I. belaufen sich auf 2100,00 Euro zzgl. MwSt., Übernachtung und Reisekosten. Vom I. wird empfohlen, das bei 31 BR's 2 Trainee gebucht werden. Das I. prüft gerade, ob sie auch jemanden finden, der das alleine machen kann. Die genauen Informationen über die Kosten kommen aber noch.

28

Dies ist ein Vorbehalts-Beschluss.

29

Beschluss:

30

Der Betriebsrat beschließt, im Rahmen der Betriebsratssitzung ein In – House Seminar "Kommunikation, Mediation und Konfliktlösung" am 09.50.2012 durchzuführen. Die Kosten werden vom Seminarbudget entnommen.

31

Die Beschlussfähigkeit wurde festgestellt. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung waren 25 Betriebsratsmitglieder anwesend. Ohne JAV.

32

Abstimmungsergebnis: Ja – Stimmen: 24     Nein – Stimmen: O     Enthaltungen: 1

33

Der Antrag wurde angenommen.

34

Top 4

35

Wahl der Mitglieder des Ausschusses Kontaktgruppe

36

erklärt, dass wir bei der Beschlussfassung zu den Mitgliedern in der Kontaktgruppe einen kleinen formellen Fehler gemacht haben. Die Mitglieder in Ausschüssen müssen einzeln gewählt werden.

37

Die Stimmenvergabe erfolgt in geheimer Wahl

38

Stimmenauszählung: 20 Mitglieder stimmen ab

39

D.: 16
K.: 18
R.: 15

40

Alle drei werden in den Ausschuss Kontaktgruppe gewählt.

41

Top 8

42

Weiteres Vorgehen aus der Kontaktgruppe

43

Punkt 8 wird vor Punkt 7 gezogen.

44

erklärt, dass sich die Kontaktgruppe gestern das erste Mal getroffen hat, dass Treffen hat den ganzen Tag gedauert. Bei diesem Treffen wurde der Fahrplan für die Zukunft erstellt. Gestern wurde eine Power-Point erstellt diese wird vorgestellt und ihr findet sie im Anhang.

45

Die einzelnen Punkte werden besprochen.

46

R. G. 1 €

47

R. R. möchte dass unter dem "Eskalation Stufe 2" die Überlastungsanzeige mit aufgenommen wird."

48

Das anlässlich der Betriebsratssitzung vom 19.04.2012 vorgestellte "Strategie-Papier" lautet wie folgt:

49

"Betriebsrat der C.

50

Unsere Strategie für die kommenden Wochen

51

Das weitere Vorgehen erfolgt in mehreren Stufen, je nach Intensität der Maßnahme, Eskalationsstufen 1 bis 3

52

Zeitplan für die kommenden Monate"

53

"Betriebsrat der C.

54

Weiteres strategisches / taktisches Vorgehen I

55

Eskalationsstufe 1:

56
eV Verfahren bzgl. Freigestellten BR Mitglieder wg Arbeitsort durchführen
57
Wirtschaftsausschuss mit der Überprüfung der Rentabilität der Filialen beauftragen
58
Versetzung/Kündigungen/Eingruppierungen/Umgruppierungen ablehnen (PA)
59
Auskünfte über Personalplanung einfordern (BA)
60
Den zuständigen Datenschutzbeauftragten einschalten
61
BR Sprechstunden einrichten, die von Mitarbeitern wahrgenommen werden können
62
Sonntagsöffnungen, Sonderöffnungen, Mehrstunden ablehnen (AZA)
63
Ausschusssitzungen durchführen
64
Ganztagsberatung durchführen
65
Usw."
66

""Betriebsrat der C.

67

Eskalationsphase 1

68

16.04.           

19.04.           

20.04          

23.04          

24.04          

25.04          

26.04          

30.04          

→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→

69

      GT/BR          

                    GT         

       BA           

       BA             

 PA                            

AZA
Briefing

70

Auftrag an
PVP Gruppe                            

="top">

Datenschutz-
Beauftragten
Einschalten                         

Eingruppierung
Umgruppierung
prüfen und ablehnenong>         

Telko"

71

""Betriebsrat der C.

="RspDL"> <dt>72

Weiteres strategisches / taktisches Vorgehen II

73

Eskalationsstufe 2:

74
AGG Verfahren einleiten
75
Berufsbildungsbedarfsermittlung einfordern (BR); Einleitung eines Estellenverfahrens zu § 97 BetrVG
76
Arbeitsschutzbehörde einschalten; den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu § 87 I Nr. 7 BetrVG beantragen
77
Auskunftsanspruch nach § 80 BetrVG intensiv geltend machen (BR)
78
Sich dem Thema Bonuszahlungen wieder annehmen
79
Feststellung, Sitzungsorte: HH/H./K./B./O. beantragen
80
Einleitung eines Estellenverfahrens nach § 110 BetrVG (WA)
81
Estelle § 87 I Nr. 13, Filialbesetzung als Gruppenarbeit? einleiten
82
§ 85 er Verfahren durchführen
83
Wiederaufnahme der Estelle BV Arbeitszeit Schicht BV, BV Arbeitszeit
84
Betriebsversammlung durchführen
85
Öffentlichkeit intern und extern einschalten
86
Überlastungsanzeigen abgeben, usw."
87

""Betriebsrat der C.

88

Eskalationsphase 2

89

       02.05   

03.05          

06.05          

07.05                    

09.05          

→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→→

90

PA       

Arbeits-
gruppe   

PVP      

yle="text-align:justify">BR       

BR       

PA       

Versetzung
prüfen und
ablehnen   

                          

"Während
Klausurtagung"
Kündigungen,
Probezeitkündigung
Info beim AG
gem. § 102
anfordern           

Flugblattentwurf
von R.      

        

Einarbeitung
Flugblattentwurf   

Flugblattend-
abstimmung

        
91

""Betriebsrat der C.

92

Weiteres strategisches / taktisches Vorgehen III

93

Eskalationsstufe 3:

94
Strafverfahren nach § 119 BetrVG einleiten, weg Behinderung der BR-Tätigkeit
95
Offenen Brief fertigen und versenden
96
Streik durchführen
97
span="1" rowspan="1" valign="top"> Usw."
98

Mit Urteil vom 05.02.2013 hat das Arbeitsgericht Rostock die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigungen vom 23.05.2012 sowie vom 28.06.2012 festgestellt und im Wesentlichen aufgeführt, eine Verletzung betriebsverfassungsrechtlicher Amtspflichten könne die fristlose Kündigung eines Betriebsrats nur rechtfertigen, wenn durch die Amtspflichtverletzung zugleich auch das konkrete Arbeitsverhältnis unmittelbar und erheblich beeinträchtigt werde. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben. Weder die Mitteilung eines im Intranet der Beklagten zugänglichen und durch einen Dritten erlangten Kalenderauszugs, noch die Bildung einer sogenannten Kontaktgruppe und die Entwicklung einer Eskalationsstrategie seien geeignet, einen Grund für die außerordentliche Kündigung des Klägers zu liefern. In beiden Fällen handele es sich um Taten, die der Kläger im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Betriebsrat gemacht habe. Die Veröffentlichung des Kalenderauszugs im Rahmen einer Betriebsratssitzung sei nicht geeignet, dem Arbeitgeber unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen zu lassen. Was die Tätigkeit des Klägers in der sogenannten Kontaktgruppe betreffe, sei zunächst darauf hinzuweisen, dass dieser Ausschuss durch Betriebsratsbeschluss gebildet und der Kläger in diesen Ausschuss gewählt worden sei. Das vom Kläger vorgestellte Eskalationspapier beschreibe dann eine gestufte Taktik, mit der der Betriebsrat seine Interessen gegen die Beklagte durchzusetzen suchte. Dabei handele es sich bei dem Strategiepapier offensichtlich noch um einen relativ unkonkreten Entwurf bzw. eine Art Ideensammlung.

99

Im Ergebnis sei das Vertrauen in den Kläger als Verkäufer der Beklagten von den ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen nicht tangiert. Der Beklagten sei es deshalb zuzumuten, den Kläger zu den Bedingungen des bisherigen Arbeitsvertrages als Verkäufer weiterzubeschäftigen.

100

Gegen diese am 22.04.2013 zugegangene Entscheidung richtet sich die am 10.05.2013 bei dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern eingegangene Berufung der Beklagten nebst – nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung – am 24.07.2013 eingegangener Berufungsbegründung.

101

Die Beklagte hält zum einen an der erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest und führt in der Berufungsinstanz einen weiteren Kündigungsgrund in den Prozess ein.

102

Ergänzend zum bisherigen Sachvortrag trägt die Beklagte vor, der Betriebsrat habe anlässlich der Sitzung vom 03.04.2012 auf Vorschlag des Klägers beschlossen, im Rahmen der Betriebsratssitzung ein In-House Seminar "Kommunikation, Mediation und Konfliktlösung" am 09.05.2012 durchzuführen. Aus dem Protokoll ergebe sich, dass der Kläger einen Betrug zum Nachteil der Beklagten vorgeschlagen habe. Es sei vorgesehen gewesen, im Rahmen einer anstehenden Klausurtagung Moderatoren einzusetzen, um ggf. zwischen verschiedenen Fraktionen des Betriebsrates zu vermitteln. Da die Befürchtung bestanden habe, dass die Kosten der Moderatoren nicht im Sinne des § 40 BetrVG ersatzfähig sein könnten, habe die Absicht einer Beschlussfassung des Betriebsrates bestanden, den tatsächlichen Einsatz von Moderatoren zu verschleiern. Der Kläger habe somit geplant, eine Kostentragung der Beklagten in Höhe von 2.000,00 € zzgl. Mehrwertsteuer, Übernachtung und Reisekosten durch Täuschung herbeizuführen. Zugleich habe die Absicht bestanden, die Beklagte durch eben diese Täuschungshandlung zu einer Vermögensverfügung zu veranlassen. Zwar sei dem Protokoll der Betriebsratssitzung vom 03.04.2012 das jeweilige Abstimmungsverhalten der einzelnen Betriebsratsmitglieder nicht zu entnehmen. Jedoch gehe daraus unmissverständlich hervor, dass der Beschluss auf Vorschlag des Klägers gefasst worden sei. Das Vorgehen des Klägers betreffe mithin nicht nur das Betriebsratsamt, sondern auch die Grundlage des Arbeitsverhältnisses. Denn aus dem Arbeitsverhältnis heraus bestehe grundsätzlich die Pflicht, den Arbeitgeber nicht zu schädigen und alles zu unterlassen, was den Arbeitgeber und den Betrieb abträglich sei. Die Beklagte habe die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zum Ausspruch der Kündigung gewahrt, da sie das entsprechende Protokoll der Betriebsratssitzung anonym mit Datum vom 25.04.2012 erhalten habe.

103

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Rostock sei die fristlose Kündigung vom 28.06.2012 auch hinsichtlich der dem Kläger vorgeworfenen Gründung der sogenannten "Kontaktgruppe" bzw. vor dem Hintergrund der Miterarbeitung und Vorstellung des Strategiekonzeptes gerechtfertigt. Erstinstanzlich sei verkannt worden, dass es sich bei den jeweils aufgeführten Punkten der einzelnen Eskalationsstufen jeweils um einen konkreten Rechtsbruch handele, zu dem die Kontaktgruppe und damit auch der Kläger gegenüber dem Betriebsrat aufgerufen habe. Es gehe bei den Vorwürfen gegenüber dem Kläger im Rahmen der Erarbeitung und Vorstellung des Strategiepapiers eben nicht nur um Pflichtverletzungen im Zuge der Ausübung des Betriebsratsmandates, sondern betreffe vielmehr das Arbeitsverhältnis als solches. Denn das Strategiepapier habe nach seinem Inhalt einen Schaden bei dem Arbeitgeber verursachen sollen. Das Papier ziele darauf ab, Agitation zu betreiben. Es sei beabsichtigt gewesen, die Filialen lahm zu legen. Auch die weiter aufgeführten Punkte wie beispielsweise Einschaltung der Öffentlichkeit mache deutlich, dass es dem Kläger im Kern darum gegangen sei, die Beklagte vorsätzlich zu schädigen. Diese Schädigungsmöglichkeit habe der Kläger nach wie vor. Die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses folge jedoch auch daraus, dass die Beklagte damit rechnen müsse, dass der Kläger auch zukünftig in den Betriebsrat gewählt werde, was im Übrigen bereits tatsächlich geschehen sei (insoweit unstreitig). Es sei damit eine konkrete Wiederholungsgefahr gegeben. Danach falle die vorzunehmende Prognoseentscheidung zu Lasten des Klägers aus. Eine Abmahnung sei nicht auszusprechen. Auch unter Berücksichtigung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei unter Berücksichtigung der Interessen beider Parteien eine Rechtswidrigkeit der Kündigung vom 28.06.2012 nicht gegeben. Der Betriebsrat sei ausweislich der abgereichten Informationsschreiben inhaltlich ordnungsgemäß beteiligt worden. Ihm seien alle Umstände mitgeteilt worden, welche die Beklagte der Kündigung zur Grunde gelegt habe. Die fristlose Kündigung vom 23.05.2012 sei entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Rostock rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Betriebsratsmitglied G. habe versucht, auf eine Vielzahl von Dateien zuzugreifen. Die Zugriffe auf die Kalender J. und K. seien nur deshalb erfolgreich gewesen, weil diese ihre Kalender versehentlich nicht gesperrt hätten. Der Mitarbeiter G. sei sehr systematisch und sorgfältig vorgegangen. Dem Kläger habe bewusst sein müssen, dass die von ihm vorgestellten Daten illegal erworben worden seien.

104

Die Beklagte beantragt:

105
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1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Rostock vom 05.02.2013 – 2 Ca 870/12 – wird dahingehend abgeändert, dass die Klage abgewiesen wird.
106
2. colspan="1" rowspan="1" valign="top"> Der Kläger und Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
107>

>Der Kläger beantragt,

108

die Berufung zurückzuweisen.

109

Die Idee, eine Klausurtagung als In – House Seminar zu deklarieren, stamme nicht von dem Kläger, sondern von dem Betriebsratsmitglied S., der diese am 02.04.2012 in einer Ausschusssitzung vorgestellt habe. Da die Betriebsratsvorsitzende B. wegen Abwesenheit die außerordentliche Betriebsratssitzung am 03.04.2012 – insoweit unstreitig – nicht habe leiten können, habe der Kläger diese Funktion als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender wahrnehmen müssen. Es handele sich mithin um einen Zufall, dass der Vortrag "aus dem Mund" des Klägers stamme. Der Kläger habe lediglich etwas vorgestellt, was in der Ausschusssitzung am Vorabend des 03.04.2012 entschieden und beschlossen worden sei.

110

Bei dem streitgegenständlichen "Strategiepapier" handele es sich lediglich um eine Ideensammlung. Die Beklagte widerspreche sich selbst, in dem sie auf Seite 6 der Berufungsbegründung vortrage, die Kontaktgruppe stelle kein rechtlich vorgesehenes Gremium dar, andererseits im weiteren Vortrag ihr eine solche Machtstellung unterstelle, dass die Ausschüsse ihren Anweisungen gefolgt seien. Auch ohne ein solches "Strategiepapier" sei der Betriebsrat in der Lage gewesen, Anträge des Arbeitgebers abzulehnen oder zu blockieren. Eine rechtswidrige Vorgehensweise sei insoweit nicht ersichtlich. Auch Überlastungsanzeigen und das Einschalten von Arbeitsschutzbehörden seien – bei Vorliegen eines entsprechenden Sachverhaltes – legitime Rechtsausübung des Betriebsrates.

111

Auch bezüglich der "Veröffentlichung eines Kalenderauszuges" lasse sich ein Kündigungsgrund nicht herleiten. Die Daten seien nicht rechtswidrig erlangt worden. Der Kläger habe auch hier lediglich eine ihm als Betriebsratsmitglied vorliegende Information anderen Betriebsratsmitgliedern mitgeteilt, so dass eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten nicht ersichtlich sei.

112

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

113

Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die außerordentlichen Kündigungen der Beklagten vom 23.05.2012 sowie vom 28.06.2012 halten einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Eine Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Rostock vom 05.02.2013 kommt mithin nicht in Betracht.

I.

114

Die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG i. V. m. § 626 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich voraus, dass sich der notwendige wichtige Grund aus dem Arbeitsverhältnis selbst ergibt. Es ist danach zu unterscheiden, ob eine Verpflichtung aus dem Amts- oder aus dem Arbeitsverhältnis verletzt wurde oder ob beide Bereiche betroffen sind. Im Falle einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung kann gegenüber dem Betriebsratsmitglied eine außerordentliche Kündigung unter den gleichen Voraussetzungen ausgesprochen werden, unter denen gegenüber anderen Arbeitnehmern eine Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs. 1 BGB möglich ist. Wird einem Betriebsratsmitglied dagegen lediglich die Verletzung einer Amtspflicht vorgeworfen, so ist die Kündigung unzulässig und nur ein Ausschlussverfahren nach § 23 BetrVG möglich. Sofern eine Handlung gleichzeitig Amtspflichten als auch arbeitsvertragliche Pflichten verletzt oder aber die Vertragsverletzung nur deshalb eingetreten ist, weil der Arbeitnehmer als Betriebsratsmitglied tätig geworden ist, kann ein wichtiger Grund zur Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Mit Rücksicht auf die besondere Konfliktsituation, in der sich das Betriebsratsmitglied befindet, ist die außerordentliche Kündigung aber nur gerechtfertigt, wenn unter Anlegung eines besonders strengen Maßstabs das pflichtwidrige Verhalten auch als schwerer Verstoß gegen die Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis zu werten ist. Darüber hinaus bedarf es stets einer genauen Prüfung, ob auch nach dem Ausschluss des Betriebsratsmitglieds aus dem Betriebsratsamt weitere vergleichbare Pflichtverletzungen drohen und das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber auf Grund einer eingetretenen Pflichtverletzung, die mit der Ausübung des Mandats im Zusammenhang steht, nachhaltig gestört ist (BAG vom 23.10.2008 – 2 ABR 59/07 – Juris, Rd.-Nr. 19 m. w. N.). Zudem ist insoweit das geltende Prognoseprinzip zu berücksichtigen. Der Zweck der Kündigung ist nicht Sanktion für die erfolgte Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen in der Zukunft. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken. Eine negative Prognose ist dann zu bejahen, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch zukünftig in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Der Gesichtspunkt der Prognose gewinnt bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen auch insoweit an Bedeutung, als sich die Kündigung jeweils dann als unverhältnismäßig erweist, wenn es andere geeignete – mildere – Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu vermeiden (BAG vom 13.10.2008, a. a. O., Juris, Rd.-Nr. 28 m. w. N).

115

Diesbezüglich ist schließlich zu berücksichtigen, dass bei der Prüfung der Zukunftsprognose im Sinne einer Wiederholungsgefahr zukünftiger Pflichtverletzungen die Möglichkeit einer Wiederwahl des betroffenen Betriebsratsmitglieds nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden kann. Schließt der Gesetzgeber selbst im Fall grober Amtspflichtverletzungen und bei bestehender Gefahr einer Wiederholung gleichgelagerter Amtspflichtverletzungen eine erneute Wiederwahl des Betriebsratsmitglieds – wie im Fall des § 23 Abs. 1 BetrVG i. V. m. § 8 BetrVG – nicht aus, kann eine sich allein aus der Wiederwahlmöglichkeit ergebende Gefährdung der arbeitsvertraglichen Interessen keinen Grund dafür bieten, eine fristlose Kündigung in Betracht zu ziehen. Dies wäre mit dem Benachteiligungsverbot für Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 BetrVG nicht zu vereinbaren (BAG vom 23.10.2008, a. a. O., Juris, Rd.-Nr. 31 m. w. N.).

116

Gemessen an den genannten Voraussetzungen erweisen sich die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 23.05.2012 (1.) und vom 28.06.2012 (2.) als rechtsunwirksam.

1.

117

Die Präsentation des Kalenderauszuges anlässlich der Betriebsratssitzung vom 08.05.2012 durch den Kläger vermag die fristlose Kündigung vom 23.05.2012 nicht zu rechtfertigen. Hierin mag allenfalls eine Amtspflichtverletzung, jedoch kein Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten durch den Kläger gesehen werden. Auch ist ein Durchgriff einer unterstellten Amtspflichtverletzung auf Grund der Schwere und Tragweite auf das Arbeitsverhältnis im Sinne einer relevanten Störung des Vertrauensverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

118

Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten als richtig unterstellt, dass Betriebsratsmitglied G. habe diesen Kalenderauszug durch einen rechtswidrigen Eingriff erlangt, so ist auch nach den Ausführungen der Beklagten nicht ersichtlich, dass der Kläger daran beteiligt gewesen wäre. Dem Kläger könnte mithin allenfalls im Sinne einer Amtspflichtverletzung vorgeworfen werden, er habe die rechtswidrige Erlangung erkennen können und eine Präsentation unterlassen müssen. Dem steht jedoch der eigene Vortrag der Beklagten mit Schriftsatz vom 17.09.2012 (Blatt 86 Bd. I. d. A.) entgegen, wo es wie folgt heißt:

119

"Dieser Erfolg am 04.05.2012 zwischen der vom Computer erfassten Zeit von 14:02 Uhr bis 14:24 Uhr konnte erfolgen, da die Mitarbeiter der Beklagten, Herr H. J. und Frau B. K., versehentlich ihre Kalender gegenüber Dritten nicht gesperrt hatten."

120

Wie hätte der Kläger eine rechtswidrige Erlangung erkennen sollen, wenn die Beklagte selbst vorträgt, der Kalenderauszug sei in jenem Moment für jeden Betriebsangehörigen zugänglich – da nicht gesichert – gewesen, so dass jedenfalls diesbezüglich ein rechtswidriger Zugriff durch Überwindung einer Sicherungsmaßnahme nicht erkennbar ist. Hinzu kommt, dass nach dem Vortrag der Beklagten nicht nachvollzogen werden kann, dass der Kläger tatsächlich Kenntnis davon gehabt haben soll, dass das Betriebsratsmitglied G. mit hohem zeitlichen Aufwand und einer systematischen Vorgehensweise eine hohe Anzahl unberechtigter Zugriffsversuche unternommen haben soll. Dies ist im Hinblick auf den Kläger eine nicht durch Tatsachen belegte Vermutung der Beklagten.

121

Die Kammer ist aus den vorstehenden Gründen mithin zu dem Ergebnis gelangt, dass die Präsentation des Kalenderauszuges möglicherweise als Amtspflichtverletzung in Betracht zu ziehen ist, ohne dass dieser Umstand jedoch Auswirkungen auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis entfaltet hat und damit als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB ausscheidet.

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2.

122

Die fristlose Kündigung vom 28.06.2012 erweist sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ebenfalls als rechtsunwirksam.

a)

123

Der Vorwurf der Beklagten, der Kläger habe den Betriebsrat anlässlich der Sitzung vom 03.04.2012 zu einem Betrug bzw. einem Betrugsversuch gegenüber der Beklagten durch Falschdeklarierung des In – House Seminars "Kommunikation, Mediation und Konfliktlösung" angestiftet bzw. veranlasst, bleibt bereits in der Sache selbst unbewiesen. Der nach dem Sach- und Streitstand festzustellende Sachverhalt mag wiederum unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtverletzung relevant sein. Jedoch sind von der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten keine hinreichenden Tatsachen vorgetragen bzw. unter Beweis gestellt worden, welche eine Verletzung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen durch den Kläger bzw. ein Durchgreifen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses im oben erörterten Sinn begründen könnten.

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Zwar hat die Beklagte diesbezüglich vorgetragen, der Kläger habe die Vorgehensweise hinsichtlich der Durchführung des In – House Seminars initiiert und damit das Betriebsratsgremium maßgeblich zu einer Entscheidung zum Nachteil der Beklagten zu beeinflussen versucht. Dem ist der Kläger jedoch substantiiert mit dem Vortrag entgegengetreten, die Idee, eine Klausurtagung als In – House Seminar zu deklarieren, stamme von dem Betriebsratsmitglied S., der diese am 02.04.2012 in einer Ausschusssitzung vorgestellt habe. Der Kläger habe die sich daran anschließende Betriebsratssitzung am 03.04.2012 nur deshalb leiten und entsprechend die Idee des Betriebsratsmitglieds S. vorstellen müssen, weil – insoweit unstreitig – die Betriebsratsvorsitzende Frau B. verhindert gewesen sei. Diesen Vortrag des Klägers hat die Beklagte lediglich mit Nichtwissen bestritten, was jedoch nicht als ausreichend erachtet werden kann. Die Beklagte trägt für das Vorliegen eines Kündigungsgrundes nach § 626 Abs. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast, so dass sie die Einzelheiten zu den Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Bezeichnung und Deklarierung als In – House Seminar hätte unter Beweisantritt vortragen müssen.

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Demnach ist unter Berücksichtigung des feststellbaren Sachverhaltes davon auszugehen, dass der Kläger die Betriebsratssitzung vom 03.04.2012 gemä23; § 29 Abs. 2 Satz 1 BetrVG als Vertreter für die verhinderte Vorsitzende Frau B. geleitet und den Vorschlag des Betriebsratsmitglieds S. aus der Ausschusssitzung vom 02.04.2012 hinsichtlich des Umganges mit dem In – House Seminar vorgestellt hat, wobei in Ermangelung gegenteiliger Anhaltspunkte die Erstellung der Tagungsordnung für die Betriebsratssitzung vom 03.04.2012 durch die Betriebsratsvorsitzende Frau B. zur Grunde zu legen ist.

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126

Die vorgenannten Tatsachengrundlagen lassen nach Auffassung der Kammer eine vorsätzliche Schädigungsabsicht des Klägers bzw. eine entsprechende Beeinflussung des Betriebsratsgremiums in diese Richtung zu Lasten der Beklagten nicht erkennen. Jedenfalls lassen sich daraus keine verwertbaren Erkenntnisse im Sinne einer Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichtverletzungen bzw. eines Durchgriffes auf das Arbeitsverhältnis auf Grund der besonderen Schwere und Tragweite eines vermeintlichen Amtspflichtverstoßes gewinnen.

127

Auch insoweit ist mithin ein wichtiger Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht gegeben.

b)

128

Auch die mitverantwortliche Erarbeitung des sogenannten "Strategiepapiers" durch den Kläger führt nicht zur Rechtfertigung der fristlosen Kündigung vom 28.06.2012. Zwar liegt diesbezüglich zur Überzeugung des erkennenden Gerichts nicht nur eine erhebliche Amtspflichtverletzung (aa), sondern auch eine gravierende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Kläger vor, die an sich als wichtiger Grund für den Ausspruch einer fristlosen Kündigung im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist (bb).

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Gleichwohl vermag die Kammer eine Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers für die Beklagte bis zum Ablauf der – fiktiven – Kündigungsfrist nicht zu bejahen. Unter objektiver Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und in Hinblick auf die erforderliche Negativprognose wäre vorliegend für die Beklagte neben der Einleitung eines Verfahrens nach § 23 BetrVG der Ausspruch einer arbeitsvertraglichen Abmahnung gegenüber dem Kläger als angemessenes und damit milderes Reaktionsmittel auf das Fehlverhalten des Klägers zumutbar gewesen (cc).

aa)

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Das dem Betriebsratsgremium anlässlich der Betriebsratssitzung vom 19.04.2013 vorgestellte sogenannte "Strategiepapier" beinhaltet nach Auffassung der Kammer – entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts Rostock in der streitigen Entscheidung – nicht lediglich eine "Ideensammlung", sondern stellt in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht strukturierte Handlungsvorschläge für das Betriebsratsgremium dar. Dem Kläger mag in diesem Zusammenhang zuzubilligen sein, dass die Umsetzung der skizzierten Handlungsoptionen weiterhin der jeweiligen Entscheidung des Betriebsrates bzw. der jeweils zuständigen Gremien vorbehalten bleiben sollten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die formulierten Inhalte selbst in nennenswertem Umfang betriebsverfassungswidrige Verhaltensvorschläge in der "Zusammenarbeit" mit der Beklagten beschreiben. Hinsichtlich der in Aussicht genommenen Streikmaßnahmen folgt dieser Umstand unmissverständlich bereits aus der gesetzlichen Vorgabe des § 74 Abs. 2 BetrVG.

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Zahlreiche weitere Aspekte aus dem "Strategiepapier" (wie z. B. die pauschale Ablehnung von Versetzungen, Kündigungen, Eingruppierungen, Umgruppierungen, Sonntagsöffnungszeiten, Sonderöffnungszeiten aus der Eskalationsstufe 1 sowie die offenbar gezielt geplante Einschaltung der Öffentlichkeit zu Lasten der Beklagten aus den Eskalationsstufen 2 und 3) sind in dieser pauschalen Einforderung mit dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG nicht vereinbar. Die Planung einer derartig sachgrundlosen Verweigerungshaltung war nicht geeignet, dem Wohl der Arbeitnehmerschaft bzw. dem Wohl des Betriebes zu dienen, sondern vermochte allenfalls zu einer weiteren Eskalation der ohnehin schon angespannten Situation führen.

132

Insgesamt stellt sich mithin die Erarbeitung des sogenannten "Strategiepapiers" insbesondere auf Grund der offensichtlich rechtswidrig in Aussicht genommenen Streikmaßnahmen als grober Verstoß im Sinne des § 23 Abs. 1 BetrVG dar.

bb)

133

Die Beteiligung des Klägers an der Erarbeitung des sogenannten "Strategiepapiers" stellt zur Überzeugung der Kammer neben der beschriebenen Amtspflichtverletzung zugleich auch eine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar, welche an sich als wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB geeignet ist.

134

Aus jedem Arbeitsverhältnis erwachsen unter Berücksichtigung der jeweiligen Vertragsgestaltung – wie aus jedem Schuldverhältnis; § 241 Abs. 2 BGB – auch für den Arbeitnehmer konkrete Nebenpflichten hinsichtlich der Berücksichtigung berechtigter Interessen und Rechtsstellungen des Arbeitgebers (Schaub, Linck, 13. Auflage, § 55, Rd.-Nr. 3 und 4; BAG vom 23.10.2008 – 2 ABR 59/07; Juris, Rd.-Nr. 23). Hierzu zählen insbesondere die Schutzpflichten des Arbeitnehmers, Schäden vom Arbeitgeber abzuwenden bzw. eigene Schädigungshandlungen zu unterlassen (Schaub a. a. O. § 55, Rd.-Nr. 44 m. w. N.).

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Sowohl rechtswidrige Streikmaßnahmen als auch zum Beispiel die sachgrundlose und generelle Ablehnung von Überstunden etc. und daraus resultierende Arbeitsausfallzeiten bzw. Produktionsausfallzeiten können bei dem Arbeitgeber ggf. zu erheblichen Schadensfolgen – sei es z. B. in Form von Ertragsausfällen oder in Form von Kundenverlust etc. – führen. Die in dem sogenannten "Strategiepapier" vom Kläger mitverantwortlich erarbeiteten Maßnahmenvorschläge waren zu einem hohen Anteil (vgl. Ausführungen zu I. 2. b., aa.) geeignet im Falle der tatsächlichen Umsetzung Schäden im vorgenannten Sinn für die Beklagte zu verursachen. Zwar ist dem Arbeitsgericht Rostock darin zu folgen, dass auf Grund der notwendigen Zustimmung des Betriebsratsgremium zu einzelnen Verhaltensstrategien die Vorstellung des "Strategiepapiers" nicht mit der tatsächlichen Maßnahmenumsetzung gleichgestellt werden kann und insoweit zunächst als Diskussionsgrundlage für das Betriebsratsgremium verstanden werden muss. Jedoch ändert dieser Umstand nach Ansicht der Kammer nichts daran, dass bereits der Vorschlag zur Umsetzung insbesondere der unter I. 2. b. aa. benannten Maßnahmen in dem sogenannten "Strategiepapier" vor dem Hintergrund der benannten Nebenpflichten als im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB relevante arbeitsvertragliche Pflichtverletzung durch den insoweit mitverantwortlichen Kläger zu beurteilen ist.

136

Das sich der Kläger diesbezüglich nicht auf eigene – berechtigte – Interessen berufen kann, ergibt sich bereits aus der unter I. 2. b. aa. festgestellten Rechtswidrigkeit bestimmter vorgeschlagener Verhaltensweisen in dem "Strategiepapier".

cc)

137

Gleichwohl erweist sich die fristlose Kündigung vom 28.06.2012 als unverhältnismäßig.

138

Unter Berücksichtigung des gegebenen Sach- und Streitstandes ist die Kammer in Anwendung des Prognoseprinzips zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beklagten als milderes Mittel der Ausspruch einer Abmahnung zumutbar gewesen wäre. Im Hinblick auf eine mit einer Amtspflichtverletzung einhergehenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers ist stets zu berücksichtigen, inwieweit künftige – gleichgelagerte - Pflichtverstöße zu erwarten sind (BAG vom 23.10.2008 – 2 ABR 59/07 – Juris, Rd.-Nr. 29; LAG Baden-Württemberg vom 09.09.2011 – 17 Sa 16/11 – Juris, Rd-Nr. 53 und 55/56). Danach kann vorliegend nicht von der Entbehrlichkeit des Ausspruches einer vorhergehenden Abmahnung ausgegangen werden. Zwischen den Parteien ist unstreitig, das arbeitsvertragliche Abmahnungen gegenüber dem Kläger im Kündigungszeitpunkt nicht vorgelegen haben. Ebenso unstreitig ist der Rücktritt des gesamten Betriebsrates am 22.05.2012 vor Zugang der hier streitbefangenen Kündigung. Eine Wiederwahl des Klägers war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar. Im Übrigen hat ein derartiger Umstand bei der Beurteilung der Frage nach einer Wiederholungsgefahr – wie bereits erörtert – nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unberücksichtigt zu bleiben (BAG vom 23.10.2008, a. a. O., Rd. – Nr. 31). Damit verbleiben unter weiterer Berücksichtigung des Vortrages der Parteien keine hinreichenden Anknüpfungspunkte um eine Wiederholungsgefahr mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit bejahen zu können.

139

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2013 nochmals hat vortragen lassen, dass insbesondere der Vorgang um die Vorgehensweise der Deklarierung des In – House Seminars als auch die Erarbeitung, Vorstellung und – nach ihrer Auffassung – begonnene Umsetzung des sogenannten "Strategiepapiers" eine Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zulasse, da beide Umstände unmittelbar mit dem Namen des Klägers verbunden seien, so ist diese subjektive Wahrnehmung für die Kammer angesichts der Tragweite der festgestellten Tatsachen gut nachvollziehbar. Gleichwohl wäre hier unter Berücksichtigung objektiver Maßstäbe, vor dem Hintergrund der insgesamt sehr angespannten Situation zwischen dem Betriebsrat und der Beklagten im streiterheblichen Zeitraum und den strengen Anforderungen an eine fristlose Kündigung eines Mandatsträgers bei Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses aus der Sphäre der Betriebsratsarbeit zur Überzeugung des erkennenden Gerichts neben der Einleitung eines Verfahrens nach § 23 BetrVG der Ausspruch einer arbeitsvertraglichen Abmahnung gegenüber dem Kläger als milderes Mittel in Betracht zu ziehen gewesen.

II.

140

Auf Grund der vorstehenden Erwägungen bleibt unentschieden, inwieweit hinsichtlich der anonym erlangten Betriebsratsprotokolle ein Verwertungsverbot bestehen könnte.

III.

141

Die Verurteilung der Beklagten zur vertragsgemäßen Weiterbeschäftigung des Klägers durch das Arbeitsgericht Rostock in der streitgegenständlichen Entscheidung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

IV.

142

Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

143

Revisionszulassungsgründe sind nicht ersichtlich.

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