Urteil vom Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (3. Berufungskammer) - 3 Sa 186/18

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 07.08.2018 - 6 Ca 228/18 – in Ziffer 9 des dortigen Tenors teilweise abgeändert und zur Klarstellung in soweit wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für den Monat Januar 2016 einen Betrag in Höhe von 200,00 € brutto abzüglich eines Pfändungsabzuges in Höhe von 25,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Differenzvergütungsansprüche, sowie um die Zahlung einer Urlaubsabgeltung für – unstreitig – neun Urlaubstage.

2

Auf Eigenantrag der Klägerin vom 30.10.2013 ist über ihr Vermögen mit Beschluss des Amtsgerichts Schwerin vom 23.01.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt O. als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Die Klägerin hat einen Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 287 Abs. 1 InsO gestellt und dazu gem. § 287 Abs. 2 InsO ihre pfändbaren Forderungen auf Bezüge aus einem Dienstverhältnis für die Zeit von sechs Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Insolvenzverwalter abgetreten.

3

Die seit 2014 geschiedene Klägerin lebt gemeinsam mit ihrer 2007 geborenen Tochter in einem gemeinsamen Haushalt (auch in den Jahren 2015, 2016 und 2017). Der Kindesvater ist nicht leistungsfähig und zahlt keinen Unterhalt.

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In dem schriftlichen Arbeitsvertrag der Parteien vom 24.09.2014 lautet es – soweit hier von Bedeutung – wie folgt:

5

„§ 3 Vergütung
(1) Die Arbeitnehmerin erhält eine monatliche am Monatsschluss zahlbare Bruttovergütung von € 1.600 (…), die sich ab dem 01.04.2015 auf € 1.800 brutto mtl. erhöht. Die weitere Veränderung der Vergütung bleibt einer besonderen Vereinbarung vorbehalten. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Schriftformerfordernis konstitutiv für das Entstehen des Entgeltanspruches ist.

6

(…)
§ 13 Ausschlussfristen
(1) Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht werden, gelten als verwirkt.

7

(2) Bleibt die Geltendmachung erfolglos, so muss der Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung durch die Gegenpartei eingeklagt werden, andernfalls gilt er ebenfalls als verwirkt.“

8

Für den Monat April 2015 zahlte die Beklagte an die Klägerin eine Vergütung in Höhe von 1.800 € brutto. Ab Mai 2015 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte die Beklagte mtl. ein Grundgehalt von 1.600 € brutto. Für den Monat November 2015 zahlte die Beklagte an die Klägerin als einmalige Sonderzahlung ein Weihnachtsgeld von zusätzlich 400 € brutto. Für den Monat Januar 2016 zahlte die Beklagte an die Klägerin als „Urlaubsabgeltung Vorjahr“ einen zusätzlichen Betrag i. H. v. 363,65 € brutto. Für den Monat Juni 2016 rechnet die Beklagte das Arbeitsverhältnis zunächst auf der Grundlage eines Bruttobetrages i. H. v. 1.818,19 € ab (Grundvergütung 1.600 € brutto + Urlaubsabgeltung 218,19 € brutto) und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag an die Klägerin aus. In einer späteren Korrekturabrechnung (Bl. 75 d.A.) wies die Beklagte dann einen weiteren Urlaubsabgeltungsbetrag i. H. v. 654,57 € brutto aus.

9

Mit Schreiben vom 29.05.2016 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zum 30.06.2016.

10

Mit Schreiben vom 25.08.2015 forderte die Klägerin die Beklagte auf, die gem. Arbeitsvertrag vereinbarte Vergütung i. H. v. 1.800 € brutto für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2015 zu zahlen. Die Beklagte reagierte hierauf nicht.

11

Mit ihrer am 02.09.2016 bei dem Arbeitsgericht Schwerin eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Vergütungsdifferenz von jeweils 200 € brutto für die Zeit von Mai 2015 bis Mai 2016 und i. H. v. 231,02 € brutto für den Monat Juni 2016 sowie zur Zahlung einer Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage i. H. v. 747,63 € brutto.

12

Auf entsprechende Nachfrage ließ der Insolvenzverwalter der Klägerin mit Schreiben vom 26.10.2016 – soweit hier von Bedeutung – folgendes mitteilen:

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„Ich teile ihre Bewertung, dass das Nettoeinkommen der Schuldnerin auch unter Berücksichtigung des um 200 € brutto erhöhten Einkommens im fraglichen Zeitraum unterhalb der Pfändungsfreigrenzen des § 850 c ZPO liegt. Ich gehe davon aus, dass die mit von der Schuldnerin mitgeteilten Informationen über das Vorliegen einer Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind unverändert sind.

14

Auch bei Nachzahlungen für bereits abgerechnete Zeiträume muss eine Zurechnung auf den jeweils relevanten Abrechnungsmonat erfolgen. Daher gehören die von ihnen klaghalber geltend gemachten Ansprüche zu dem frei verfügbaren Vermögen der Schuldnerin. Es besteht daher auch die Aktivlegitimation für die klageweise Geltendmachung vor dem Arbeitsgericht.“

15

Mit Urteil vom 07.08.2018 hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich stattgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 25.08.2015 habe die Klägerin ihre Ansprüche für die Vergangenheit und für die Zukunft rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht. Da die Beklagte diese Ansprüche schriftlich gegenüber der Klägerin nicht abgelehnt habe, sei die gerichtliche Geltendmachungsfrist auf der zweiten Stufe der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist nicht in Gang gesetzt worden. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien auch begründet. Die Aktivlegitimation der Klägerin sei zu bejahen. Auch im Falle der Zahlung eines weiteren Bruttobetrages von jeweils mtl. 200 € für die Zeit von Mai 2015 bis Mai 2016 bzw. i. H. v. 231,02 € brutto für Juni 2016 seien keine pfändbaren Nettobeträge zu verzeichnen. Die Pfändungsfreigrenzen seien nicht erreicht. Mithin sei die Insolvenzmasse nicht betroffen und die Klägerin könne die geforderten Zahlungsansprüche aus eigenem Recht geltend machen. Dies treffe auch für die von ihr begehrte Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage zu. Diese Urlaubsabgeltung sei nicht mit dem Monat Juni 2016 abzurechnen, sondern vielmehr nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts frühestes in dem darauf folgenden Monat.

16

Gegen diese am 16.08.2018 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 17.09.2018 eingegangene Berufung der Beklagten nebst der am 16.10.2018 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Berufungsbegründung.

17

Die Beklagte trägt vor, die Klägerin habe ihre Aktivlegitimation nicht dargelegt, da sie die Höhe der Pfändungsfreigrenzen für den Zeitraum von Mai 2015 bis Juni 2016 nicht belegt habe. Jedenfalls sei die Klage deshalb unschlüssig. Das Arbeitsgericht sei auf der Grundlage des entsprechenden und unrichtigen Vortrages der Klägerin zu Unrecht davon ausgegangen, die Klägerin habe für den Zeitraum von Mai 2015 bis Juni 2016 mtl. jeweils 1.600 € brutto erhalten. Für die Monate November 2015, Januar 2016 sowie Juni 2016 seien – nunmehr unstreitig – höhere Zahlungsbeträge zu verzeichnen. Auf der Grundlage der zur Gerichtsakte abgereichten Probeabrechnungen für die vorbenannten Monate (Bl. 306 – 308 d. A.) sei für November 2015 und für Januar 2016 jeweils ein Pfändungsabzug i. H. v. 25,98 € zu verzeichnen und für den Monat Juni 2016 ein Betrag i. H. v. 205,98 €. Außerdem sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gem. § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Damit habe sich das Arbeitsgericht nicht hinreichend auseinander gesetzt. Die Klägerin mache rückständiges Arbeitsentgelt geltend. Damit stelle dieses geltend gemachte Arbeitseinkommen Neuerwerb im Sinne des § 35 InsO dar. Ein derartiger – zurückliegender - vertraglicher Anspruch unterfalle von Anfang an der Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis des Insolvenzverwalters. Außerdem folge aus der zutreffenden Entscheidung des Amtsgerichts Neuwied vom 13.02.1996 – 5 M 333/96 -, das die Lohnnachzahlung aus einem mehr als einem Jahr zurückliegenden Bezugsraum nicht dem Pfändungsschutz des § 850 ZPO unterliege, sondern in voller Höhe pfändbar sei. Schließlich seien für Fragen der Höhe der Pfändungsfreibeträge bzw. der Pfändbarkeit von Gehaltsansprüchen allein gem. § 36 Abs. 4 InsO die Insolvenzgerichte zuständig. Jedenfalls aber seien die geltend gemachten Ansprüche gem. § 13 des Arbeitsvertrages verfallen, da eine rechtzeitige Geltendmachung nicht erfolgt sei. Das Geltendmachungsschreiben vom 25.08.2015 reiche nicht aus, da die Klägerin nicht Forderungsinhaberin sei. Eine Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter sei gerade nicht erfolgt.

18

Die Beklagte beantragt,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 07.08.2018 zum Aktenzeichen 6 Ca 228/18 vollumfänglich aufzuheben und die Klage der Berufungsbeklagten und Klägerin vom 06.09.2016 in allen Punkten zurückzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Mit Ausnahme einer kleinen Abweichung im Hinblick auf den Monat Januar 2016 hat das Arbeitsgericht der Klage rechtsfehlerfrei und mit überzeugender und ausführlicher Begründung stattgegeben. Die von der Beklagten vorgebrachten rechtlichen Einwende gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Schwerin greifen zur Überzeugung der Kammer nicht durch.

I.

24

Die Klägerin verfügt gegenüber der Beklagten gem. § 611 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag für die Monate Mai 2015 bis Juni 2016 – mit Ausnahme eines Abzugsbetrages i. H. v. 25,98 € im Hinblick auf den Monat Januar 2016 – jeweils über einen Anspruch auf Zahlung einer Vergütungsdifferenz von 200 € brutto sowie gem. § 7 Abs. 4 BUrlG über einen Anspruch auf Zahlung von 747,63 € brutto Urlaubsabgeltung für neun Urlaubstage sowie weiteren 31,02 € brutto Differenzurlaubsabgeltung für drei Urlaubstage.

25

Die Voraussetzungen für die genannten Zahlungsansprüche sind nach dem unstreitigen Vortrag der Parteien in der Berufungsinstanz dem Grunde nach erfüllt. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Parteien zur Zahlung eines Bruttogehaltes i. H. v. 1.800 € ab dem 01.04.2015 steht ebenso wenig im Streit, wie die Verpflichtung der Beklagten zur Abgeltung von neun Urlaubstagen zur unstreitigen Höhe von 747,63 € brutto sowie zur Zahlung einer Differenzurlaubsabgeltung auf der Berechnungsbasis von 1.800 € brutto für weitere drei Urlaubstage zur ebenfalls unstreitigen Höhe von 31,02 € brutto.

26

Die diesbezüglich erstinstanzlich hilfsweise erklärte Aufrechnung bzw. das erklärte Zurückbehaltungsrecht auf der Grundlage behaupteter Schadensersatzansprüche hat die Beklagte mit der Berufungsbegründung nicht mehr aufrechterhalten. Dies gilt ebenso für die erstinstanzlich vorgebrachte Behauptung, mit der Klägerin sei mündlich im Juni 2016 die Zurücknahme der Gehaltserhöhung auf 1.800 € brutto vereinbart worden.

27

Soweit die Beklagte den oben genannten Zahlungsansprüchen entgegen hält, es bestehe die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts (1.), die Klägerin sei zudem nicht aktiv legitimiert (2.), jedenfalls seien die Ansprüche wegen der Ausschlussfrist nach § 13 des Arbeitsvertrages verfallen (3.) und außerdem seien für November 2015, Januar 2016 sowie Juni 2016 (inkl. der Urlaubsabgeltung) Abzugsbeträge zu berücksichtigen (4.), so vermag die Kammer dem rechtlich – mit Ausnahme des Abzugsbetrages in Höhe von 25,98 € für den Monat Januar 2016 – nicht zu folgen.

28

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist vorliegend die ausschließliche Zuständigkeit des Insolvenzgerichts nach § 36 Abs. 4 InsO nicht gegeben.

29

Nach der vorgenannten Norm ist das Insolvenzgericht für Entscheidungen darüber zuständig, ob ein Gegenstand nach den in § 36 Abs. 1 S. 2 InsO in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung, darunter auch diejenigen des § 850 e ZPO, zur Insolvenzmasse gehört. Dies setzt zwingend voraus, dass die in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung eine Maßnahme oder eine Entscheidung des Vollstreckungsgerichts vorsehen, für welche nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Insolvenzgericht zuständig wird (BGH v. 13.12.2012 – 9 ZB 7/12 - ; juris, Rn 5). In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass die Berechnung des pfändungsfreien Arbeitseinkommens dem Arbeitgeber als Drittschuldner obliegt und es insoweit keiner gerichtlichen Anordnung bedarf (BGH, a.a.O., juris, Rn 6; BGH v. 19.04.2018 – 9 ZB 27/17 -, juris, Rn 3 ff.). Mithin sind die Voraussetzungen des § 36 Abs. 4 InsO vorliegend gerade nicht erfüllt.

30

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist die Klägerin klagebefugt, da sie vorliegend Ansprüche geltend macht, die nach ihrer Auffassung den Pfändungsfreigrenzen unterliegen.

31

Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das Gesamtvermögen, welches dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Nach § 36 Abs. 1 S. 1 InsO gehören Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse. Gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO gelten die §§ 850, 859 a, 850 c, 850 e, 850 f Abs. 1, 850 g bis 850 k, 851 c und 851 d der ZPO entsprechend. Unpfändbare Forderungen gehören mithin nicht zur Insolvenzmasse. Sie sind daher auch nicht dem Insolvenzverwalter nach §§ 148 Abs. 1, 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung übertragen (BAG v. 28.08.2013 – 10 AZR 323/12 -, juris, Rn 11; BAG v. 12.08.2014 – 10 AZB 8/14 – juris, Rn 16). Diesbezüglich ist jedenfalls weitgehend anerkannt und die Kammer schließt sich dieser Auffassung an, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 850 c Abs. 1 S. 1 ZPO bei der Prüfung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens die Nachzahlung rückständiger Beträge den jeweiligen Lohnzahlungszeiträumen hinzuzuschlagen und entsprechend neu zu berechnen sind (Zöller/Herget, ZPO, 32. Aufl., Rn 3 zu § 850 c ZPO, m.w.N.). Soweit die Beklagte diesbezüglich unter Hinweis auf eine Entscheidung des Amtsgerichts Neuwied vom 13.02.1996 – 5 M 333/96 – die Rechtsansicht vertritt, eine Lohnnachzahlung unterliege keiner Pfändungsbeschränkung, so vermag das erkennende Gericht dem nicht zu folgen. Zum einen lässt sich der sehr kurzen Begründung der vorgenannten Entscheidung des Amtsgerichts Neuwied (vgl. DGVZ 1996, S. 126, 127) nicht entnehmen, um welchen konkreten Sachverhalt es dort tatsächlich geht, so dass für die Kammer keine Möglichkeit der Prüfung gegeben ist, ob es sich insoweit tatsächlich um einen vergleichbaren Sachverhalt handelt. Selbst wenn man jedoch im Sinne der Beklagten von einem vergleichbaren Sachverhalt ausgehen will, so vermag diese Rechtsauffassung inhaltlich nicht zu überzeugen. Dem steht – wie bereits erörtert – einerseits der eindeutige Wortlaut des § 850 c Abs. 1 S. 1 ZPO entgegen. Andererseits ist für die Kammer die Rechtsauffassung der Beklagten auch inhaltlich nicht nachvollziehbar. Wie bereits ausgeführt wird das pfändungsfreie Einkommen gem. § 36 Abs. 1 InsO gerade nicht Bestandteil der Insolvenzmasse. Daran ändert auch eine nachträgliche Auszahlung nichts. Es ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, wonach ein pfändungsfreier Gehaltsbestandteil, der gerade nicht der Insolvenzmasse unterliegt, nunmehr doch der Insolvenzmasse unterfallen soll, weil dieser Gehaltsbestandteil zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt wird.

32

Gerade auch in Ansehung der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind ernstzunehmende rechtliche Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin nicht ersichtlich.

33

3. Die Ausschlussfrist nach § 13 des Arbeitsvertrages steht den geltend gemachten Zahlungsansprüchen der Klägerin nicht entgegen.

34

Diesbezüglich kann zum einen auf die zutreffenden und ausführlichen Ausführungen des Arbeitsgerichts in der streitbefangenen Entscheidung Bezug genommen werden, als es dort auszugsweise wie folgt lautet:

35

„Streitbefangen ist ein Differenzanspruch erstmalig aus Mai 2015, welcher gem. der arbeitsvertraglichen Regelung am Monatsschluss des Monats Mai fällig geworden ist. Die Ausschlussfrist der ersten Stufe beläuft sich auf drei Monate. Eine Geltendmachung war also bis Ende August 2015 erforderlich, um die Frist zu wahren. Im Posteingangsbuch der Beklagten ist das mit der Nummer 859/15 versehene Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 25.08.2015 unter dem 31.08.2015 erfasst. Es ist also innerhalb der maßgelblichen Ausschlussfrist eingegangen.

36

37

Soweit die Beklagte sich darauf bezieht, die einmalige Geltendmachung mit Schreiben vom 25.08.2015 sei nicht ausreichend, um den gesamten streitbefangenen Zahlungszeitraum zu umfassen, ist der Beklagten nicht zuzustimmen. Die Klägerin hat in dem Geltendmachungsschreiben darauf aufmerksam gemacht, dass ihr ja ab dem 01.04.2015 eine monatliche Bruttovergütung von 1.800 € zusteht. Sie hat konkret in diesem Schreiben eine Nachzahlung für die Monate Mai, Juni, Juli und August 2015 gefordert. Sie hat damit verdeutlicht, dass sie eine monatliche Bruttovergütung von 1.600 € nicht akzeptiert. Die Klägerin hat mit diesem Schreiben auch die Ansprüche auch für die Monate September 2015 bis Juni 2016 geltend gemacht. Zur Geltendmachung von Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung eines Anspruches aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruches sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird. Die Art des Anspruches sowie die Tatsache, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine Bezifferung der Forderung ist nicht erforderlich, wenn dem Schuldner die Höhe bekannt oder für ihn ohne weiteres errechenbar ist und die schriftliche Geltendmachung erkennbar hiervon ausgeht. Danach hat die Klägerin mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 25.08.2015 die dreimonatige Ausschlussfrist auch für die künftigen Ansprüche ab September 2015 bis einschließlich Juni 2016 gewagt.

38

39

Angesichts einer fehlenden schriftlichen Ablehnungserklärung der Beklagten war die Klägerin nicht gehalten, ihre Zahlungsanforderungen innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Ablehnung einzuklagen. Die zweite Stufe der arbeitsvertraglich vereinbaren Ausschlussfristenregelung sieht – unabhängig von der Frage ihrer Wirksamkeit – vor, dass innerhalb von drei Monaten nach schriftlicher Ablehnung Ansprüche eingeklagt werden müssen, um nicht zu verwirken. Vorliegend hat die Beklagte unstreitig die klägerischen Ansprüche jedoch nicht schriftlich abgelehnt. Die Klägerin war deshalb nicht zu einer gerichtlichen Geltendmachung angehalten, um einer Verwirkung entgegenzutreten.“

40

Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht uneingeschränkt an, zumal die Beklagte dem weder inhaltlich, noch rechtlich mit der Berufung entgegengetreten ist. Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung vorträgt, das Geltendmachungsschreiben der Klägerin sei deshalb unzureichend, weil sie nicht Inhaberin der geltend gemachten Forderungen sei und eine Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter nicht vorgenommen worden sei, so ist dies unzutreffend. Wie bereits oben ausgeführt, macht die Klägerin vorliegend pfändungsfreies Einkommen aus eigenem Recht geltend, so dass auch vor diesem Hintergrund ihr Geltendmachungsschreiben vom 25.08.2015 rechtlich nicht zu beanstanden ist.

41

4. Bei den von der Klägerin geltend gemachten Beträgen handelt es sich ganz überwiegend um unpfändbares Arbeitseinkommen. Lediglich für den Monat Januar 2016 ergibt sich ein Abzugsbetrag in Höhe von 25,98 €.

42

Unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtung der Klägerin gegenüber der in ihrem Haushalt lebenden Tochter und der Tatsache, dass der Kindsvater keine Unterhaltsleistungen im streitbefangenen Zeitraum erbracht hat, beträgt der unpfändbare Teil der Vergütung bis zum 30.06.2015 1.438,34 € und für die Zeit ab dem 01.07.2015 bis zum 30.06.2015 i. H. v. 1.478,04 €. Auf der Grundlage eines Bruttogehalts von 1.800 € hat die Beklagte einen Nettobetrag i. H. v. 1.307,49 € berechnet.

43

Vor diesem Hintergrund ergeben sich für die Monate Mai 2015 bis September 2015, Dezember 2015 sowie Februar 2016 bis Juni 2016 bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten keine pfändbaren Beträge.

44

Dies gilt auch im Hinblick auf den Monat November 2015. Diesbezüglich ist der Beklagten zwar zuzugestehen, dass für den Monat November 2015 zusätzlich ein Weihnachtsgeld i. H. v. 400 € brutto gezahlt worden ist. Dieser Betrag ist jedoch gem. § 36 Abs. 1 S. 2 InsO i. V. m. § 850 a Nr. 4 ZPO nicht berücksichtigungsfähig.

45

Auch für den Monat Juni 2016 ergeben sich keine pfändbaren Beträge. Zwar ist der Beklagten darin zu folgen, dass die Zahlung einer Urlaubsabgeltung wie die Zahlung des unmittelbaren Arbeitsentgeltes selbst der Pfändbarkeit unterliegt. Während jedoch bei der Prüfung des pfändbaren Teils des Arbeitseinkommens Nachzahlungen rückständiger Beträge dem Lohnzahlungszeitraum hinzuzuschlagen sind, zu dem sie gehören, betrifft die Urlaubsabgeltung den auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Zeitraum (BAG v. 28.08.2001 – 9 AZR 611/99 -, juris, Rn 16). Das bedeutet vorliegend, dass die Urlaubsabgeltung im Hinblick auf die Berechnung der pfändbaren Beträge nicht gemeinsam mit dem Junigehalt 2016 berechnet werden kann, sondern vielmehr gesondert ggf. für den Folgemonat abgerechnet werden muss (BAG, a.a.O.).

46

Lediglich für den Monat Januar 2016 ergibt sich bei einem Bruttobetrag im Rahmen der Klagestattgabe i. H. v. 2.163,65 € ein Nettobetrag i. H. v. 1.533,74 € und mithin nach der Pfändungstabelle (01.07.2015 bis 30.06.2017) ein pfändbarer Abzugsbetrag in Höhe von 25,98 €. Insoweit war die Klage teilweise im Umfang aus Ziffer 1. des Tenors abzuweisen.

II.

47

Die erstinstanzlich jeweils austenorierten Zinsansprüche sind nach den §§ 286, 288 BGB gerechtfertigt.

III.

48

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

49

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist dem Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG beizumessen.

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