Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 607/11

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Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 22.07.2011 - Az.: 1 Ca 2110/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

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Die Firma T.-GmbH ist ein Dienstleistungsunternehmen, das Zeitungsbeilagen für Verlagsprodukte der Beklagten, eine Tageszeitung erstellt. Die Beklagte ist Gesellschafterin der Firma T.-GmbH. Die Klägerin war seit dem 21.07.1999 bei der Firma T.-GmbH als Assistentin der Geschäftsleitung beschäftigt. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung dieser Firma vom 21.01.2003 wurde sie zu deren Geschäftsführerin bestellt. In § 1 Abs. 3 des Geschäftsführervertrages vom 19.02.2003 (vgl. Bl. 17 ff. d. A.) wurde der zuvor bestehende Anstellungsvertrag einvernehmlich mit Wirkung zum 31.01.2003 aufgehoben.

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Die Klägerin hat vorgetragen,
die Firma T.-GmbH sei ein mit der Beklagten verbundenes Unternehmen (§ 15 AktG). Sie habe vier Gesellschafter, wobei die Beklagte - unstreitig - nur zu 25 Prozent deren Gesellschafterin sei. Die übrigen Gesellschafter träten in der Praxis nicht in Erscheinung. Alle Gesellschafterbeschlüsse würden im schriftlichen Umlaufverfahren gefasst und erst versandt, wenn die Beklagte sie genehmigt habe. Ihr - der Klägerin - sei nicht genau bekannt, ob die weiteren Gesellschafter deren Anteile nur treuhänderisch hielten oder aber ihre Gesellschaftsrechte an die Beklagte abgetreten hätten. Die Beklagte leite die Geschäfte der Firma T.-GmbH über eigene Führungskräfte; sie, die Klägerin, sei trotz ihrer Geschäftsführerstellung für die T.-GmbH nicht nur deren Arbeitnehmerin gewesen, sondern durch die tatsächliche Praxis sei auch zugleich ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zustande gekommen.

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Sie habe als Geschäftsführerin zu keinem Zeitpunkt ihre Tätigkeiten weisungsfrei ausgeführt, sei in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen, habe die betrieblichen Entscheidungen für die T.-GmbH durch die Beklagte hinnehmen müssen, ebenso die Entscheidungen über strategische Käufe von Tochtergesellschaften. Insgesamt haben sich ausschließlich die Beklagte um das operative Geschäft der Tochtergesellschaften gekümmert. Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Auffassung der Klägerin im erstinstanzlichen Rechtszug wird auf den streitigen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Seite 3 bis 5 = Bl. 322 bis 324 d. A.) Bezug genommen.

5

Insgesamt sei sie für die T.-GmbH tatsächlich nicht als Geschäftsführerin, sondern materiell-rechtlich als Arbeitnehmerin tätig geworden. Im Übrigen sei sie letztlich wie eine Abteilungsleiterin der Beklagten zu betrachten, so dass auch zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen sei. Es treffe nicht zu, wenn die Beklagte behaupte, es handele sich bei ihr um eine neutrale Gesellschaftergruppe, die mit der T.-GmbH nichts zu tun habe. Denn Weisungen habe sie zu keinem Zeitpunkt von der Gesellschafterversammlung der T.-GmbH erhalten, sondern allein von den Führungskräften der Beklagten.

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Die Klägerin hat beantragt,

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festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, welches nicht gekündigt ist.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat vorgetragen,
der Klägerin sei weder Arbeitnehmerin der T.-GmbH, noch bestehe ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Zwar sei die Beklagte Gesellschafterin der T.-GmbH. Sie führe aber keineswegs deren Geschäfte. Es habe zwar einmal monatlich ein Treffen zwischen der Klägerin und dem Mitarbeiter Dr. K. der Beklagten gegeben, in dessen Rahmen anstehende Fragen hinsichtlich der T.-GmbH besprochen worden seien. Lediglich ausnahmsweise habe dieser aber im Auftrag aller Gesellschafter der T.-GmbH deren Gesellschafterinteressen wahrgenommen, zum Beispiel deren Ansprüche auf Informationserteilung nach dem GmbH-Gesetz geltend gemacht. Im Übrigen sei die Klägerin in der Ausübung ihrer Tätigkeit grundsätzlich frei gewesen. Es sei gerade ihre Aufgabe gewesen, die Interessen der T.-GmbH auch gegenüber der Beklagten zu wahren. In diesem Zusammenhang habe keineswegs immer ein Gleichlauf der Interessen stattgefunden. Es könne auch keine Rede davon sein, dass die Klägerin in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingegliedert gewesen sei.

11

Zur weiteren Darstellung des streitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf Seite 6 bis 8 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 325 bis 327 d. A.) Bezug genommen.

12

Das Arbeitsgericht Mainz hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 18.05.2011 - 1 Ca 2110/10 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 321 bis 333 d. A. Bezug genommen.

13

Gegen das ihr am 06.10.2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch am 31.10.2011 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 06.12.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.

14

Die Klägerin wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, vorliegend sei der Arbeitnehmerbegriff auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht eng auszulegen. Mit der Bestellung der Klägerin zur Geschäftsführer der T.-GmbH sei auch die Eingliederung in die Organisation der Beklagten einhergegangen. Zu dieser Zeit habe ein entsprechendes faktisches Arbeitsverhältnis bestanden. Anders sei das ausgeübte Weisungsrecht nicht zu erklären. Zu berücksichtigen sei auch, dass die T.-GmbH Leistungen ausschließlich für die Beklagte und nicht für andere Verlage und Druckereien erbringe.

15

Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Klägerin wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.12.2011 (Bl. 353 bis 359 d. A.) Bezug genommen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichtes Mainz, Az.: 1 Ca 2110/10, vom 27. Juli 201111, wird abgeändert. Auf die Klage wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, welches nicht gekündigt ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, der Sachvortrag der Klägerin lasse lediglich erkennen, dass eine enge Zusammenarbeit zweier Unternehmen bestanden habe. Warum dies allerdings dazu geführt haben solle, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagte übergegangen sei, erschließe sich nicht. Denn selbst bei einer engen Zusammenarbeit zweier Unternehmen bleibe ein Arbeitsverhältnis mit den bisherigen formellen Vertragspartnern bestehen. Insofern liege eine Parallele zur juristischen Konstruktion des gemeinsamen Betriebes mehrerer Unternehmen nahe. Insgesamt sei die Klägerin ausschließlich für die T.-GmbH und nicht etwa für die Beklagte tätig gewesen. Lediglich ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass sich dem Sachvortrag der Klägerin auch nicht entnehmen lasse, dass ihre Arbeitsleistung nach Zeit, Ort und Art dem Weisungsrecht dem Beklagten unterlegen habe.

21

Zur weiteren Auffassung der Darstellung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 09.01.2012 (Bl. 375 bis 379 d. A.) Bezug genommen.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

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Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 27.02.2012.

Entscheidungsgründe

I.

24

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

II.

25

Das Rechtsmittel in der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

26

Denn das Arbeitsgericht ist letztlich sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis besteht, so dass die Klage voll umfänglich unbegründet ist.

27

Denn nach dem Sachvortrag der Parteien in beiden Rechtszügen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin Arbeitnehmerin der Beklagten war.

28

Dies folgt nicht von vornherein schon daraus, dass die Klägerin als Geschäftsführerin Vertretungsorgan der T.-GmbH (§ 35, 37 GmbHG) war und damit grundsätzlich nicht in einem Arbeitsverhältnis zur T.-GmbH hätte stehen können. Denn bei Tätigkeiten für die juristische Person ist zwischen der Organstellung und dem ihr zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Insoweit wird zunächst zur weiteren Darstellung auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung (S. 9, 10 = Bl. 328, 329 d. A.) Bezug genommen.

29

Insoweit ist das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers zur GmbH in der Regel zwar nicht Arbeits-, sondern freies Dienstverhältnis (BAG 21.02.1994, EzA § 2 ArbGG 1979 Nr. 28, OLG München 16.05.2007, NZA-RR 2007, 579). Denn an sich ist mit der Organstellung die Arbeitnehmereigenschaft von vornherein unvereinbar (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 9. Auflage 2011, Kap. 1, Rz. 189 ff.). Das schließt das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aber nicht schlechthin aus; möglich ist zudem zum Beispiel auch die Vereinbarung der Anwendung arbeitsrechtlicher Normen durch die Vertragsparteien (vgl. BGH 10.05.2010, NZA 2010,889). Schließlich können zwischen den Vertragsparteien auch zwei Rechtsverhältnisse gleichzeitig bestehen; möglich sind sogar zwei Rechtsverhältnisse zu verschiedenen Gesellschaften. Wird zum Beispiel ein Angestellter einer GmbH zum Geschäftsführer berufen, ohne dass sich an den Vertragsbedingungen im Übrigen etwas ändert, so kann durchaus anzunehmen sein, dass das bisherige Arbeitsverhältnis nicht beendet, sondern nur suspendiert wird.

30

Von Letzterem kann vorliegend allerdings schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Klägerin mit der T.-GmbH einen schriftlichen Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen hat, nach dessen Inhalt ausdrücklich das zuvor bestehende Arbeitsverhältnis aufgehoben worden ist (vgl. BAG 19.07.2007, EzA § 623 BGB 2002 Nr. 7, 05.06.2008, NZA 2008, 1002, 03.02.2009, NZA 2009, 669). Gleichwohl kann nach alledem nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass die Klägerin trotz ihrer Geschäftsführerstellung bei der T.-GmbH wegen der von ihr behaupteten weitgehenden Weisungsabhängigkeit bei dieser als Arbeitnehmerin tätig geworden ist.

31

Anhaltspunkte dafür können sich ergänzend auch aus dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff (Artikel 45 AEUV) ergeben.

32

Das Eingreifkriterium für viele Bestimmungen der arbeitsrechtlichen EU-Richtlinien ist der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff. Dieser ist nicht nach innerstaatlichem Recht, sondern vielmehr nach objektiven Kriterien unionsrechtlich zu definieren, um eine einheitliche Rechtsanwendung innerhalb der EU zu gewährleisten. Der Arbeitnehmerbegriff wird als zentrale Vorschrift des Unionsrechts und zur Gewährleistung einer effektiven Rechtsanwendung weit ausgelegt (EuGH NZA 2010, 213; Oberthür NZA 2011, 254). So verlangt z. B. Art 10 der (Mutterschutz-)RL 92/85/EWG, dass die Mitgliedsaaten ein - in seinen Voraussetzungen und Ausnahmen näher beschriebenes - Kündigungsverbot für "schwangere Arbeitnehmerinnen" vorsehen. Der Begriff der Arbeitnehmerin im Sinne der Richtlinie entspricht insoweit dem allgemeinen unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 Abs. 1 AEUV). Umfasst sind alle weisungsabhängig Beschäftigten, die eine Arbeitsleistung gegen Entgelt für eine bestimmte Zeit erbringen (EuGH 11.11.2010 NZA 2011, 143). Da es sich um einen autonomen europäischen Begriff handelt, spielt es keine Rolle, wie das nationale Recht eines Mitgliedstaats Arbeitnehmer von Selbständigen abgrenzt (EuGH 11.11.2010 NZA 2011, 143; s. Junker NZA 2011, 950 ff.; Oberthür NZA 2011, 254).

33

Der Unterschied zum nationalen Arbeitnehmerbegriff zeigt sich insbesondere bei der Einordnung von Organmitgliedern, hier vor allem von Fremdgeschäftsführern. Die Eigenschaft einer Mitarbeiterin als Mitglied der Unternehmensleitung - Fremdgeschäftsführerin - einer Kapitalgesellschaft schließt, so der EuGH (11.11.2010 NZA 2011, 134), es nicht per se aus, dass sie in einem für das Arbeitsverhältnis typischen Unterordnungsverhältnis zur Gesellschaft steht. Für die Zwecke der RL 92/85/EWG ist die Arbeitnehmereigenschaft eines Mitglieds der Unternehmensleitung einer Kapitalgesellschaft zu bejahen, "wenn es seine Tätigkeit für eine bestimmte Zeit nach der Weisung oder unter der Aufsicht eines anderen Organs dieser Gesellschaft ausübt und als Gegenleistung für die Tätigkeit ein Entgelt erhält". Selbst wenn sie über einen Ermessensspielraum bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben verfügt, muss sie gegenüber dem Aufsichtsrat Rechenschaft über ihre Geschäftsführung ablegen und mit diesem zusammenarbeiten, also einem Organ, das von ihr jedenfalls nicht kontrolliert wird und das jederzeit gegen ihren Willen entscheiden kann (EuGH 11.11.2010 NZA 2011, 143). Diese Formulierungen sind so weit, dass schwer zu erkennen ist, wie der Sachverhalt beschaffen sein muss, damit eine Geschäftsführerin nicht unter den Arbeitnehmerbegriff fällt; damit kann eine rein gesellschaftsrechtlich begründete Weisungsunterworfenheit den Arbeitnehmerstatus begründen (instr. Junker NZA 2011, 950 ff.; Rebhahn, EuZW 2012, 27).

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Daraus wird gefolgert, dass der EuGH in allen EU-Vorschriften, in denen es um die Arbeitnehmereigenschaft von GmbH-Fremdgeschäftsführern geht, die unionsrechtliche Arbeitnehmereigenschaft bejaht wird. Theoretisch ist es danach möglich, für EU-induziertes Recht und für rein deutsches Recht zu unterschiedlichen Ergebnissen zu kommen (s. Oberthür NZA 2011, 254). Auf die Dauer wird sich jedoch die Rechtsprechung des EuGH insgesamt auch für das deutsche Recht durchsetzen (so Wank EWiR Art. 10 Richtlinie 92/85/EWG 1/2011 S. 27 f.; s. a. Rebhahn EuZW 2012, 27 ff.; Fischer NJW 2011, 2329 ff.).

35

Selbst wenn die Entscheidung des EuGH (11.11.2010 a. a. O.) keine unmittelbaren Auswirkungen auf den innerstaatlichen Arbeitnehmerbegriff hat, liegt es jedenfalls nahe, davon auszugehen, der Fremdgeschäftsführer einer GmbH sei in richtlinienkonformer Auslegung als Arbeitnehmer i. S. v. § 6 Abs. 1 AGG zu behandeln (Meyer/Wilsing DB 2011, 341 ff.; ErfK/Schlachter § 6 AGG, Rz. 5). Das muss aber dann konsequenterweise auch für Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer gelten, die keinen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben können, so dass sich die vollständige Anwendung des AGG auf Fremd- und Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer unmittelbar aus § 6 Abs. 1 i.V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG ergibt (Stegat NZA-RR 2011, 617 ff.; s. a. Fischer NJW 2011, 2329 ff.).

36

Unabhängig davon, wie sich diese Diskussionslinie um den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff auf das nationale Arbeitsrecht auswirken wird, folgen daraus allenfalls Anhaltspunkte dafür, dass auch Organe juristischer Personen, eher als bisher angenommen, Arbeitnehmer im Sinne arbeitsrechtlicher Vorschriften sein können. Dies ist für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit allerdings nicht maßgeblich. Denn das Arbeitsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass gerade dann, wenn die Klägerin Arbeitnehmerin der T.-GmbH war, es nicht recht ersichtlich ist, dass, warum und ab wann sie parallel dazu Arbeitnehmerin der Beklagten gewesen sein könnte.

37

Zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ist - unstreitig - zu keinem Zeitpunkt ein eigenständiges Vertragsverhältnis ausdrücklich verabredet worden. Die Klägerin beruft sich darauf, dass sie aufgrund von fortgesetzten Weisungen eines Mitarbeiters der Beklagten nicht weisungsfrei habe tätig sein können; zudem sei sie in den Betrieb der Beklagten eingegliedert gewesen. Auszugehen ist insoweit aber davon, dass die Beklagte Minderheitsgesellschafterin der T.-GmbH ist. Selbst wenn anzunehmen wäre, dass ein Mitarbeiter der Beklagten in dieser Funktion in einer Weise gestaltend für die Beklagte tätig war, die über die gesellschaftsrechtlichen Befugnisse als Minderheitsgesellschafter hinaus gingen, führt dies nicht zur Annahme eines Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits. Die Klägerin behauptet insoweit selbst nicht, dass die Beklagte zu irgendeinem Zeitpunkt Vertragspartner eines schriftlichen Vertrages mit ihr geworden ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein etwaiges Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der T.-GmbH auf die Beklagte übergegangen sein könnte. Gerade für diese Überlegung ist der Hinweis der Klägerin auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff unergiebig. Denn der hat auch nicht im Ansatz den Inhalt, dass aufgrund faktisch gelebter Weisungen ein - weiteres - Arbeitsverhältnis begründet ist, das neben ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis tritt.

38

Im Übrigen wäre, insoweit folgt die Kammer ausdrücklich dem Arbeitsgericht, dann, wenn entgegen der Auffassung der Beklagten zwischen den Parteien ein konkludentes Vertragsverhältnis zustande gekommen wäre, dieses jedenfalls - auch im Hinblick auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff - nicht als Arbeitsverhältnis anzusehen.

39

Arbeitnehmer ist nach nationalem bundesdeutschem Recht, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages (oder eines diesem gleichgestellten Rechtsverhältnisses) über entgeltliche Dienste für einen anderen in persönlicher Abhängigkeit tätig ist (z.B. BAG 15.12.1999, 20.09.2000, 12.12.2001, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 78, 80, 84, 87; 20.08.2003, NZA 2004, 39; Reiserer/Freckmann NJW 2003, 180 ff.). Für die Bestimmung der Arbeitnehmereigenschaft werden zahlreiche Einzelmerkmale verwendet, die zur Feststellung der persönlichen Abhängigkeit herangezogen werden, in der das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses gesehen wird (BAG 13.01.1983, 1991 EzA § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 26, 27, 38; LAG Rheinland-Pfalz 02.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS).

40

Dagegen gibt es für die Abgrenzung z. B. von Arbeitnehmern und "freien Mitarbeitern" kein Einzelmerkmal, das aus der Vielzahl möglicher Merkmale unverzichtbar vorliegen muss (BAG 23.04.1980 EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 21; LAG Rheinland-Pfalz 02.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS).

41

Maßgeblich ist in materieller Hinsicht darauf abzustellen, inwieweit durch Fremdbestimmung der Arbeit in fachlicher, zeitlicher, örtlicher und organisatorischer Hinsicht eine persönliche Abhängigkeit des Dienstleistenden gegeben ist (LAG Rheinland-Pfalz 12.05.2004 - 2 Ta 81/04 - ArbuR 2005, 161 LS; zum europäischen Arbeitnehmerbegriff gem. Art. 45 AEUV s. EuGH 17.07.2008, NZA 2008, 995; 11.11.2010, NZA 2011, 143; Oberthür NZA 2011, 253 ff.).

42

Hinsichtlich der insoweit im Einzelnen maßgeblichen Kriterien wird auf Seite 12 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 331 d. A.) Bezug genommen (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz, a. a. O., Kap. 1, Rz. 41 ff.).

43

Entscheidend für die Abgrenzung ist die praktische Durchführung des Rechtsverhältnisses (BAG 08.06.1967 AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005, 08.04.2005, NZA-RR 2005, 656), wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern z. B. als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet (BAG 25.01.2007, EzA § 233 ZPO 2002 Nr. 6).

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Entscheidend für die Abgrenzung ist die praktische Durchführung des Rechtsverhältnisses (BAG 08.06.1967 AP § 611 BGB Abhängigkeit Nr. 6; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005, 08.04.2005, NZA-RR 2005, 656), wenn die Parteien ein Vertragsverhältnis nicht als Arbeitsverhältnis, sondern z. B. als freies Dienstverhältnis bezeichnen, der Beschäftigte jedoch tatsächlich weisungsgebundene Tätigkeiten verrichtet (BAG 25.01.2007, EzA § 233 ZPO 2002 Nr. 6).

45

Der Status eines Beschäftigten richtet sich also danach, wie die Vertragsbeziehung nach ihrem Geschäftsinhalt objektiv einzuordnen ist. Wird der Vertrag abweichend von der ausdrücklichen Vereinbarung vollzogen, so ist i.d.R. die tatsächliche Durchführung maßgebend (BAG 03.04.1990, EzA § 2 HAG Nr: 1; 20.07.1994, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 54; LAG Schleswig-Holstein 19.09.2005 - 2 Ta 189/05 - EzA-SD 22/2005, S. 9 LS; LAG Hamm 07.02.2011, LAGE § 5 ArbGG 1979 Nr. 15; a.A. LAG Köln 21.11.1997, NZA-RR 1998, 394). Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Wille der Vertragsschließenden unbeachtlich ist. Haben die Vertragsparteien deshalb ihr Rechtsverhältnis, das die Erbringung von Diensten gegen Entgelt zum Inhalt hat, ausdrücklich als Arbeitsverhältnis bezeichnet, so genügt es grundsätzlich, wenn der Vertragsinhalt die für einen Arbeitsvertrag typischen Regelungen enthält. Es müssen keine Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass ein für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses erforderliches Maß an persönlicher Abhängigkeit gegeben ist (LAG Nürnberg 12.01.2004, NZA-RR 2004, 400). Denn die Parteien können auch unabhängig von der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis vereinbaren (BAG 09.03.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3). Unbeachtlich ist lediglich, auf Grund fehlender Dispositionsmöglichkeiten über die Rechtsfolgen, eine sog. Falschbezeichnung. Eine solche liegt nur dann vor, wenn die Vertragsbezeichnung dem Vertragsinhalt oder der tatsächlichen Handhabung widerspricht, d. h. z. B. der Handhabung ein anderer Wille entnommen werden muss als er in der Vertragsbezeichnung seinen Niederschlag gefunden hat (Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, Rz. 23, s.u. Rn. 79 f.).

46

Kommt nach den objektiven Gegebenheiten für die vertraglich vereinbarte Tätigkeit typologisch sowohl ein Arbeitsverhältnis als auch ein Rechtsverhältnis als freier Mitarbeiter (freier Dienstvertrag) oder die Beschäftigung im Rahmen eines Werkvertrages in Betracht, so entscheidet der im Geschäftsinhalt zum Ausdruck gekommene Wille der Vertragsparteien darüber, ob ein Arbeitsverhältnis oder ein Dienstvertragsverhältnis als freier Mitarbeiter besteht. Folglich ist die Entscheidung der Vertragsparteien für einen bestimmten Vertragstypus im Rahmen der bei jeder Statusbeurteilung erforderlichen Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (BAG 09.06.2010, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18. s. a. BAG 14.09.2011, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 19; Dienstverhältnis durch Verwaltungsakt).

47

Haben die Parteien ein Rechtsverhältnis ausdrücklich als "Arbeitsverhältnis" vereinbart, so ist es dann in aller Regel auch als solches einzuordnen; ob dies auch dann gilt, wenn die Dienstleistung nicht im Rahmen einer fremdbestimmten Arbeitsorganisation erbracht wird, hat das BAG (21.04.2005, EzA § 626 BGB 2002 Nr. 8, s. a. LAG Nürnberg 21.12.2011 - 4 Ta 180/11 - EzA-SD 4/2012 S. 9 Ls) allerdings offen gelassen. Denn es ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass die Parteien auch unabhängig von der tatsächlichen Vertragsdurchführung ein Arbeitsverhältnis vereinbaren können (BAG 09.03.2005, EzA § 611 BGB 2002 Arbeitnehmerbegriff Nr. 3). Nicht entscheidend ist die gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung des Vertrages, die dem Geschäftsinhalt tatsächlich nicht entspricht (BAG 13.01.1983 EzA § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 26; zur Bedeutung von Statusvereinbarungen vgl. Stoffels NZA 2000, 690 ff.). Maßgeblich ist, ob das, was die Parteien vertraglich vereinbart haben, auch tatsächlich durchgeführt wurde. Bestehen zwischen Vertrag und Durchführung keine Differenzen, ist der aus dem Vertrag ermittelte Wille der Parteien maßgeblich. Bestehen Differenzen, ist der Wille primär anhand der tatsächlichen Vertragsdurchführung zu ermitteln. Ist dies nicht möglich, ist wieder auf den Willen abzustellen, der der Vertragsurkunde zu entnehmen ist. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. So ist es z.B. nicht möglich, in den Vertrag weitgehende Pflichten und Kontrollrechte aufzunehmen und später zu argumentieren, diese seien tatsächlich nicht ausgeübt worden. Denn Kontrollrechte sind Rechte, die auch dann bestehen, wenn sie tatsächlich längere Zeit nicht ausgeübt werden; dies genügt (vgl. BAG 12.09.1996, EzA § 611 BGB Arbeitnehmerbegriff Nr. 58; Bauer/Baeck/Schuster Scheinselbständigkeit, Rz. 24 ff.).

48

Nach Maßgabe dieser Kriterien ist ein etwaiges Rechtsverhältnis zwischen den Parteien weder nach nationalem noch nach dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff als Arbeitsverhältnis anzusehen. Insoweit wird auf Seite 12, 13 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 331, 332 d. A.) Bezug genommen.

49

Das Berufungsvorbringen der Klägerin rechtfertigt keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts, soweit es nicht bereits ausführlich im Rahmen der obigen Darstellung berücksichtigt worden ist. Denn es enthält lediglich die - von der Kammer aufgegriffene - Anregung, den Arbeitnehmerbegriff im Lichte des Unionsrechts zu interpretieren und wiederholt im Übrigen das erstinstanzliche Vorbringen. Neue, nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen substantiierte Tatsachen, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten, werden nicht vorgetragen; die Rechtsbehauptung, aus dem unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ergebe sich etwas anderes, trifft, wie ausführlich dargelegt, gerade nicht zu.

50

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

51

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

52

Für eine Zulassung der Revision war angesichts der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

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