Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (7. Kammer) - 7 Sa 431/13

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Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28. August 2013 - Az. 1 Ca 292/13 - wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, vorschussweise an ihn geleistete Bonuszahlungen zurückzuzahlen.

2

Der Beklagte war aufgrund unbefristeten Arbeitsvertrags (Anlage K 1, Bl. 4 ff. d. A.) und einer Zielfestlegung (Bl. 7 f. d. A.), jeweils vom 26./29. September 2011, bei der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis zum 14. Mai 2012 als Bereichsleiter Financial Services beschäftigt. Aufgabe des Beklagten war der Vertrieb von IT-Consulting-Dienstleistungen bei Finanzdienstleistungsunternehmen. Das Portfolio der Klägerin reicht kundenspezifisch von Anwendungsentwicklungen (zum Beispiel ...) über Analysen und Testmanagement bis hin zu Projektmanagementaufgaben.

3

Neben einem Jahresfixgehalt in Höhe von 120.000,00 € brutto hatten die Parteien einen erfolgsabhängigen variablen Bonus in Höhe von 5 % vom Auftragseingang, bezogen auf eine Gewinnmarge von 15 % vereinbart. Weiter vereinbarten die Parteien in Ziffer 4 der Zielfestlegung:

4

"4. Vorauszahlung

5

Für die Monate Januar 2012 bis März 2012 erfolgt eine Vorauszahlung auf den variablen Gehaltsbestandteil in Höhe von monatlich EUR 5.000,-. Wie in Abschnitt 3 "Abrechnung" beschrieben erfolgt bzgl. dieser Vorauszahlung eine Abrechnung und Verrechnung mit der Aprilabrechnung 2012.

6

Bei vorzeitigem Ausscheiden des Arbeitnehmers wird der variable Gehaltsbestandteil anteilig abgerechnet.
(…)."

7

Mit Schreiben vom 28. Februar 2012 der Klägerin (Anlage A 9, Bl. 40 d. A.) wurde dem Beklagten eine Prämie für hervorragenden Einsatz in Höhe von 1.400,00 € brutto zugesagt.

8

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wurde durch den Gesellschafter Z. Y. am 4. Mai 2012 telefonisch zum 14. Mai 2012 gekündigt. Am 10. Mai 2012 erreichte den Kläger eine auf den 20. April 2012 datierte Kündigungserklärung per E-Mail. Sodann ging dem Kläger am 11. Mai 2012 eine auf den 20. April datierte Kündigung mit Frist zum 14. Mai 2012 zu.

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Mit Schreiben vom 11. Mai 2012 (Anlage A 1, Bl. 23 ff. d. A.) übersandte der Beklagtenvertreter der Klägerin einen ersten Entwurf einer Abwicklungsvereinbarung (Anlage A 2, Bl. 26 ff. d. A). Die Klägerin unterbreitete mit E-Mail vom 15. Mai 2012, 9.44 Uhr (Anlage A 3, Bl. 29 d. A.) zwei Änderungswünsche. Der Beklagtenvertreter übersandte daraufhin mit Schreiben vom 15. Mai 2012 eine zweite Version der Abwicklungsvereinbarung (Anlage A 4, Bl. 30 ff. d. A.). Mit weiterer E-Mail vom 15. Mai 2012, 19.15 Uhr (Anlage A 5, Bl. 33 d. A.) äußerte die Klägerin einen weiteren Änderungswunsch betreffend den Umfang des abzugeltenden Urlaubsanspruchs. Sodann übersandte der Beklagtenvertreter zwei von Beklagtenseite unterzeichnete Ausfertigungen der dritten Version der Abwicklungsvereinbarung (Anlagen 6 und 7, Bl. 35 ff. d. A.) an die Klägerin. In einer Mail vom 25. Mai 2012 forderte der Geschäftsführer der Klägerin eine weitere Änderung in Ziffer 4 der geänderten Version. Mit Schreiben vom 11. Juni 2012 (Anlage A 8, Bl. 38 f. d. A.) erklärten sodann die Klägervertreter, dass das Angebot der Klägerin zum Abschluss eines Abwicklungsvertrages zurückgezogen werde, und forderten den Beklagten zur Rückzahlung der als Vorauszahlung erhaltenen 15.000,00 € auf.

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Die zweite und dritte Version der Abwicklungsvereinbarung enthielten – unter anderem - folgende Ziffern:

11

„4. Die Parteien vereinbaren, dass Herr A. eine Provision in Höhe von 5 % auf den gesamten im Jahr 2012 mit der W. AG erzielten Umsatz erhält.

12

Ein möglicher Provisionsanspruch wird aber mit den von Herrn A. erhalten Vorauszahlungen in Höhe von 15.000,00 € und dem in Ziffer 3. geregelten Urlaubsabgeltungsanspruch verrechnet.
(…)

13

11. Die Parteien sind sich darüber einig, dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sowie jegliche Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung in Verbindung stehen, gleich aus welchem Rechtsgrund, bekannt oder unbekannt, mit der Erfüllung dieses Vergleichs erledigt sind.

14

Etwaige Ansprüche aus unerlaubter Handlung einer Partei gegen die andere werden von dieser Regelung nicht erfasst.“

15

Die Klägerin hat vorgetragen,
der Beklagte habe keine Leistung, respektive keinen Erfolg erzielt, die es rechtfertigten, ihm den Bonus zu gewähren und zu belassen. Er habe die Bonuszahlungen in Höhe von 15.000,00 € daher ohne Rechtsgrund erhalten und sei zur Rückzahlung verpflichtet. Sie sei einstweilen bereit, sich hierauf einen Spesenerstattungsanspruch in Höhe von 1.516,60 € brutto und einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 3.636,36 € brutto anzurechnen.

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Sie ist der Ansicht, eine abschließende Einigung zwischen den Parteien sei nicht zustande gekommen. Dies sei auch im Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 13. Juni 2012 (Anlage K 2, Bl. 59 ff. d. A.) erwähnt worden. Im Übrigen fehle es an der notwendigen Schriftform. Auch stehe die Erledigungsklausel dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen.

17

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

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den Beklagten zu verurteilen, an sie € 9.846,04 € zu bezahlen.

19

Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

21

Sie hat vorgetragen,
die Parteien hätten sich – wenn auch nicht in Schriftform – wirksam in Form einer Abwicklungsvereinbarung geeinigt. Aufgrund der in dieser enthaltenen Erledigungsklausel sei die Durchsetzung des streitgegenständlichen Anspruchs verhindert.

22

Darüber hinaus habe die Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Vorauszahlung, da die ihm mit der Zielfestlegung gesetzten Ziele offensichtlich nicht in der kurzen Beschäftigungszeit erreicht werden konnten. Allein die Klägerin habe ihm das Erreichen der Ziele unter anderem durch den Ausspruch der Kündigung unmöglich gemacht.

23

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch Urteil vom 28. August 2013 verurteilt, an die Klägerin 9.846,04 € zu zahlen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt:

24

Der Beklagte habe der Klägerin aufgrund der Vorschussvereinbarung in der Zielfestlegung vom September 2011 die geforderten 9.846,04 € zu erstatten. Der Beklagte habe die Voraussetzungen für den ihm vertraglich zugesicherten Bonus nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Beklagten komme es nicht darauf an, ob es ihm aufgrund der Kürze der Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich gewesen wäre, die mit der Zielfestlegung gesetzten Ziele zu erreichen. Die Nichtdurchführung des von dem Beklagten angebahnten Geschäfts mit der W. AG durch die Klägerin verstoße nicht gegen Treu und Glauben im Sinn des § 162 BGB. Auch die Abwicklungsvereinbarung - so sie denn überhaupt (formfrei) zustande gekommen sei - stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin habe unstreitig im gesamten Jahr 2012 keinen Umsatz mit der W. AG erzielt, so dass der Beklagte keinen Anspruch auf eine Provisionszahlung erworben habe. Nach Verrechnung gemäß Abs. 2 der Ziffer 4 der Abwicklungsvereinbarung mit den Vorauszahlungen in Höhe von 15.000,00 € und dem in Ziffer 3 geregelten Urlaubsabgeltungsanspruch habe sich ein negativer Saldo ergeben, den die Klägerin nunmehr zu Recht ihrer Klageforderung zugrunde lege. Die Abgeltungsklausel unter Ziffer 11 der Abwicklungsvereinbarung stehe diesem Anspruch der Klägerin, der sich unmittelbar aus Ziffer 4 der Vereinbarung ergebe, nicht entgegen.

25

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern (Bl. 87 ff. d. A.) Bezug genommen.

26

Das genannte Urteil ist dem Beklagten am 16. September 2013 zugestellt worden. Der Beklagte hat hiergegen mit einem am 11. Oktober 2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

27

Zur Begründung der Berufung macht der Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 20. Dezember 2013 und vom 21. Januar 2014, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 144 ff., 210 ff., 226 d. A.) zusammengefasst geltend:

28

Im Ergebnis hätten sich die Parteien - wenn auch nicht in Schriftform - wirksam in Form einer Abwicklungsvereinbarung geeinigt. Mit Zugang der von Seiten seines Prozessbevollmächtigten unterzeichneten dritten Version der Abwicklungsvereinbarung bei der Klägerin sei eine Einigung über die Abwicklung des zwischen den Parteien bestandenen Arbeitsverhältnisses in Form der dritten Version der Abwicklungsvereinbarung erfolgt. In diesem Abwicklungsvertrag sei eine vollumfassende Erledigungsklausel enthalten, die die Durchsetzung des hier streitgegenständlichen Anspruchs bereits verhindere. Es sei ausschließlich der Umstand geregelt worden, dass ein möglicher Provisionsanspruch in seiner Person hätte entstehen können. Ein solcher Anspruch habe dann mit der Vorauszahlung verrechnet werden sollen. Weder in der E-Mail vom 15. Mai 2012 noch in der schriftlichen Abwicklungsvereinbarung habe der Fall geregelt werden sollen, dass er überhaupt keinen Umsatz erziele.

29

Letztlich habe die Klägerin deshalb keinen Anspruch auf die Rückzahlung der Vorausleistung, da sie selbst ihm durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach vier Monaten Beschäftigungszeit die Zielerreichung unmöglich gemacht und vollkommen grundlos den Abschluss vom ihm generierter Geschäfte verhindert habe. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe er zu einer Vielzahl potentieller Kunden Kontakt aufgenommen gehabt, die Dienstleistungen und Produkte der Klägerin vorgestellt gehabt und sich in konkreten Vertragsgesprächen befunden.

30

Der Beklagte beantragt,

31

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28. August 2013, Az. 1 Ca 292/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.

32

Die Klägerin beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

34

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 28. November 2013 sowie ihres Schriftsatzes vom 14. Januar 2014, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 206 ff., 218 f. d. A.) als rechtlich zutreffend: Eine Abwicklungsvereinbarung sei nicht (endgültig) geschlossen worden. Die vom Beklagten geschilderte Problematik der langwierigen Anbahnung sei durchaus zutreffend, jedoch kein Regelfall und dem Beklagten von vornherein bekannt gewesen, dass dies mit seinen Vorauszahlungen und der Probezeit möglicherweise schwer zu vereinbaren sein werde. Es hätte dem Beklagten freigestanden, andere Vereinbarungen zu treffen, die dieses Risiko abgefedert hätten.

35

Hinsichtlich der W. AG sei es letztlich diese gewesen, die keine Leistungen von ihr abgerufen habe.

36

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

37

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

II.

38

In der Sache hatte die Berufung des Beklagten jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 9.846,04 € an die Klägerin verurteilt. Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus dem Arbeitsvertrag i. V. m. § 4 der Zielfestlegung vom 26./29. September 2011 einen Anspruch auf Rückzahlung der an diesen geleisteten Vorauszahlung in Höhe von insgesamt 15.000,00 € abzüglich des von der Klägerin in Abzug gebrachten Erstattungsanspruchs in Höhe von 1.516,16 € brutto und abzgl. eines Urlaubsabgeltungsanspruchs des Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 3.636,36 € brutto.

39

Aus Ziffer 4 Abs. 1 Satz 2 der Zielvereinbarung folgt, dass die von der Klägerin zu erbringenden Bonusvorauszahlungen für die Monate Januar 2012 bis März 2012 in dem Umfang zu verrechnen bzw. zurückzuzahlen sind, in dem der erfolgsabhängig variable Bonus, der dem Beklagten für diesen Zeitraum zusteht, den vorausgezahlten Betrag nicht erreicht.

40

Unstreitig hat der Kläger im Zeitraum Januar bis März 2012 keine Aufträge herbeiführen, sodass sein Bonusanspruch für diesen Zeitpunkt null Euro Beträgt. Der Beklagte ist daher in voller Höhe der Vorauszahlung für die drei Monate Januar bis März 2012 überzahlt und hat diese Überzahlung an die Klägerin zurückzuerstatten.

41

Die Klägerin ist nicht gemäß § 814 BGB an der Rückforderung der Bonusvorauszahlung gehindert. Die Zahlung der Bonusvorauszahlung erfolgte nicht ohne Rechtsgrund, sondern aufgrund der Ziffer 4 der zwischen den Parteien abgeschlossenen Zielvereinbarung. Die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruches durch die Klägerin verstößt auch nicht gegen § 242 BGB (Treu und Glauben). Hier ist der Klägerin die Geltendmachung des Rückzahlungsanspruchs nicht deshalb verwehrt, weil sie dem Beklagten die Möglichkeit zur Erzielung des Bonusses vereitelt hätte.

42

Nicht zu beanstanden ist, dass die Parteien die Zahlung des variablen Gehaltsbestandteils vom Auftragseingang abhängig gemacht haben. So sieht auch § 65 HGB i. V. m. § 87 HBG für Handlungsgehilfen vor, dass diese eine Provision für während des Vertragsverhältnisses geschlossene Geschäfte bzw. solche Geschäfte erhalten, die vermittelt und so eingeleitet und so vorbereitet worden sind, dass der Abschluss überwiegend auf die Tätigkeit des Handlungsgehilfen zurückzuführen ist und das Geschäft innerhalb einer angemessenen Frist nach Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen worden ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin dem Beklagten die Bonuserzielung, durch den Ausspruch der Kündigung im Mai 2012 unmöglich gemacht hätte. Die Parteien, die beide Kenntnis von der Art der durch den Beklagten für die Klägerin zu vermittelnden Geschäfte hatten, haben ausdrücklich die Abrechnung und Verrechnung des Bonusses für die Monate Januar bis März 2012 mit der Aprilabrechnung 2012 vereinbart. Dass sie das Problem eines nicht kurzfristigen Vermittlungserfolges gesehen haben, schlägt sich darin nieder, dass sie für die ersten drei Monate des Jahres 2012 eine Vorauszahlung vorgesehen haben. Es hätte den Parteien freigestanden, auch eine anderweitige Regelung, z. B. eine Verrechnung zu einem späteren Zeitpunkt oder aber den Verzicht auf die Vereinbarung einer Probezeit und die Vereinbarung einer längeren Kündigungsfrist zu treffen. Dies haben sie jedoch nicht getan.

43

Die Klägerin hat die Erzielung des Bonusses auch nicht dadurch verhindert, dass sie vom Beklagten vermittelte Geschäfte nicht abgeschlossen hätte. In keinem der Fälle, die der Beklagte im Einzelnen vorgetragen hat, war bereits ein Angebot erstellt, das Geschäft also bereits vermittelt. Ebenfalls war kein Geschäft bereits so vorbereitet, dass es ohne weiteres Zutun der Klägerin zum Vertragsabschluss gekommen wäre. Auch das - letztlich nicht zustande gekommene - Geschäft mit der W. AG, war zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch nicht abschlussreif. Zu diesem Zeitpunkt war lediglich der Abbruch der Verhandlungen abgewendet. Die W. AG hatte der Klägerin zu diesem Zeitpunkt eine zweite Chance zur Nachlieferung von Mitarbeiterprofilen gewährt. Es mussten von der Klägerin weitere Interviews geführt werden und im Anschluss daran ein Angebot erstellt werden. Letztlich kam es zu keinem Vertragsabschluss zwischen der Klägerin und der W. AG. Unabhängig von der Frage, in welchem Machtbereich letztlich die Ursache für das Nichtzustandekommen des Vertragsverhältnisses zwischen der W. AG und der Klägerin lag, waren diese Verhandlungen zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers noch nicht so weit vorbereitet, dass ihr Abschluss der Tätigkeit des Beklagten hätte zugerechnet werden können.

44

Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist auch nicht aufgrund Ziffer 11 einer Abwicklungsvereinbarung erledigt. Nach Auffassung der Kammer ist eine solche Vereinbarung weder schriftlich noch formfrei zustande gekommen.

45

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, dass eine solche Vereinbarung nicht schriftlich zustande gekommen ist. Sie ist jedoch auch nicht formfrei zustande gekommen. Der Beklagtenvertreter hat der Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 2012 einen ersten Entwurf einer Abwicklungsvereinbarung übersandt. Sodann hat die Klägerin dem Beklagten mit E-Mail vom 15. Mai 2012, 9.44 Uhr (Anlage A3, Bl. 29 d. A.) "Änderungswünsche" übersandt, die sie "als Vorschlag einbringen" wollte. Aus dieser Formulierung ist zu schließen, dass die Klägerin hiermit kein neues (geändertes) Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages abgeben wollte, sondern dass sie lediglich Vorschläge für die Formulierung einer in Schriftform abzufassenden Abwicklungsvereinbarung unterbreiten wollte. Hierfür spricht auch die abschließende Formulierung des Schreibens der Klägerin "… ich würde mich freuen, wenn diesem Vorschlag entsprochen werden kann". Schließlich hat die Klägerin mit weiterer E-Mail vom 15. Mai, 19.15 Uhr (Anlage A5, Bl. 33 d. A.) nach Übersendung einer überarbeitenden Version einen "nochmaligen Änderungswunsch" übersandt. Auch hierin ist nicht ein neues (abgeändertes) Angebot zu sehen, sondern erneut ein "Wunsch" einer Änderung des schriftlichen Entwurfs der Abwicklungsvereinbarung. Dies entspricht auch dem darauf folgenden Schreiben des Beklagtenvertreter mit Datum vom 16. Mai 2013, indem dieser zwei Ausfertigungen der Abwicklungsvereinbarung, bereits von Seiten der Beklagten unterzeichnet, übersendet und um ordnungsgemäße Unterzeichnung und Übersendung an den Beklagtenvertreter bittet. Aus dem Schriftwechsel der Parteien ergibt sich, dass die Abwicklungsvereinbarung endgültig erst mit Unterzeichnung der beiden schriftlichen Exemplare zustande kommen sollte. Die von den Parteien verhandelte "Abwicklungsvereinbarung" bedurfte auch der Schriftform (§ 623 BGB). Während nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil v. 25. April 2007 - 6 AZR 622/06 - AP InsO § 113 Nr. 23 Rz 21; vom 19. April 2007 - 2 AZR 208/06 - NZA 2007, 1227, 1228) Abwicklungsvereinbarungen formlos abgeschlossen werden können, bedarf der Abschluss eines sogenannten Aufhebungsvertrages der Schriftform. Mit einem Abwicklungsvertrag vereinbaren dabei die Parteien nach Ausspruch einer Kündigung die Bedingungen, zu denen der Arbeitnehmer ausscheidet. Er ist in der Regel gekennzeichnet durch den (vertraglichen) Verzicht des Arbeitnehmers auf Kündigungsschutz gegen Zahlung einer Abfindung. Mit einem solchem, nach geltendem Recht unbedenklich zulässigen Abfindungs- und Abwicklungsvertrag "erkauft" sich der Arbeitgeber die von ihm angestrebte Planungssicherheit. Gegenstand des Vertrags ist die Hinnahme der Kündigung unter Verzicht auf die Inanspruchnahme des staatlichen Rechtsschutzes. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird damit nicht durch den Abwicklungsvertrag, sondern durch einen anderen Tatbestand bewirkt. Ein Aufhebungsvertrag dagegen ist eine Vereinbarung über das vorzeitige Ausscheiden eines Arbeitnehmers aus einem Dauerarbeitsverhältnis. Er führt selbst zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses (BAG, Urteil vom 25. April 2007 - 6 AZR 622/06 - AP InsO § 113 Nr. 23 Rz. 21). Ob ein Vertrag ein Abwicklungsvertrag in diesem Sinne oder ein Aufhebungsvertrag in diesem Sinne ist, ist durch seine Auslegung zu ermitteln. Dabei sind gemäß § 157 BGB Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist nach § 133 BGB der wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Ausgehend vom Wortlaut ist der objektive Bedeutungsgehalt der Erklärung zu ermitteln. Maßgebend ist der allgemeine Sprachgebrauch unter Berücksichtigung des vertraglichen Regelungszusammenhangs. In die Auslegung einzubeziehen sind auch die Begleitumstände der Erklärung, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind auch der von den Arbeitsvertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die Interessenlage der Parteien. Im vorliegenden Fall ist der von Beklagtenseite zur Verfügung gestellte Vertragsentwurf mit "Abwicklungsvereinbarung" überschrieben. Daneben hält dieser im Weiteren Formulierungen und Regelungen, die für den Abschluss eines Abwicklungsvertrages typisch sind. Das gilt zum einen für die Formulierung in Ziffer 1: "Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. April 2012 am 14. Mai 2012 enden wird." Schließlich haben die Ziffern 8 und 9 des Vertrags unter anderem die Hinnahme der Kündigung und den Verzicht auf gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Kündigung zum Regelungsgegenstand Sie enthalten damit die für einen Abwicklungsvertrag charakteristischen Willenser-klärungen. Dennoch wäre das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung, sondern durch den Vertrag beendet worden. Zum Zeitpunkt der Erstellung der ersten Version der Abwicklungsvereinbarung lag dem Beklagten noch keine schriftliche Kündigung vor, die das Arbeitsverhältnis hätte beenden können (vgl. Schreiben der Beklagtenvertreter vom 11. Mai 2012, Anlage A 1, Bl. 23 d. A.). Der Beklagtenvertreter führt in diesem Schreiben weiter aus: "Es ist daher rein rechtlich noch keine Kündigung existent, die das Arbeitsverhältnis wirksam zum 14. Mai 2012 beenden könnte". Darüber hinaus hätte die dem Beklagten zu einem späteren Zeitpunkt - am 11. Mai 2012 - zugegangene schriftliche Kündigungserklärung das Arbeitsverhältnis nicht wirksam zum 14. Mai 2012 beenden können. Gemäß § 2 Ziffer 1 Satz 2 des Arbeitsvertrags konnte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien innerhalb der vereinbarten Probezeit nur mit einer Kündigungsfrist von 14 Tagen gekündigt werden. Aufgrund der Vereinbarung sollte daher die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt eintreten, zu dem sie durch die Kündigung, datiert auf den 20. April 2013 nicht hätte eintreten können. Diese Vereinbarung bedurfte daher der Schriftform des § 623 BGB. Sinn der entworfenen Abwicklungsvereinbarung war es gerade, die sichere Auflösung des Arbeitsvertrages durch die einverständliche Regelung zum 14. Mai 2012 zu erreichen. Für dieses Ergebnis spricht auch die Warnfunktion der Schriftform sowie der Zweck der Beweissicherung.

46

Mangels wirksam zustande gekommener Abwicklungsvereinbarung ist der Beklagte daher weiter zur Rückzahlung der Bonusvorauszahlung verpflichtet. Seine Berufung hatte keinen Erfolg.

III.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfolgt.

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