Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 250/14
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 25. März 2014, Az. 4 Ca 816/13, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers.
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Der 1962 geborene Kläger war seit dem 27.07.2013 in der Reparaturwerkstatt des Beklagten als Kfz-Mechaniker zu einem Bruttomonatslohn von € 2.500,- beschäftigt. Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis am 29.11.2013 ordentlich zum 31.12.2013. Der Beklagte kündigte am 04.12.2013 fristlos. Mit Teilanerkenntnisurteil vom 25.03.2014 hat das Arbeitsgericht rechtskräftig festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung aufgelöst worden ist, sondern erst am 31.12.2013 geendet hat.
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Am 03.12.2013 tauschte der Kläger die beschädigte Windschutzscheibe eines Kundenfahrzeugs der Marke BMW (Baureihe E 46) aus. Der Beklagte wirft ihm vor, diese Arbeit vorsätzlich grob mangelhaft ausgeführt und dadurch die Karosserie beschädigt zu haben. Den Schaden beziffert er mit € 886,85. Mit dieser Forderung rechnet er gegen den Nettolohn des Klägers für den Monat Dezember 2013 auf, der sich auf € 1.649,60 belief. Im Hinblick auf ein etwaiges Aufrechnungsverbot erhebt er hilfsweise Widerklage. Seine Schadensersatzforderung setzt sich wie folgt zusammen:
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1.
Lackierkosten gem. Rechnung der Fa. Karosserie- und
€ 590,00
Fahrzeugbau B. F. GmbH v. 10.01.2014 (netto)
2.
Leihwagen für den Kunden gem. Rechnung der
€ 115,13
Autovermietung A. GmbH v. 11.12.2013 (netto)
3.
Material
Scheibenrahmen
€ 19,20
Scheibenkleber
€ 13,80
Aktivator und sonstiges Klebematerial
€ 10,00
4.
Abhol- und Bringkosten (Kfz zum Kunden und Lackierer)
2 Mann x 1 Std. x € 17,34
€ 34,68
5.
Arbeitslohnkosten (Scheibe ausbauen und neu einkleben,
Fahrzeugreinigung) 2 Mann x 2 Std. x € 17,34
€ 69,36
6.
Fahrzeug außen polieren 1 Mann x 2 Std. x € 17,34 Lohn
€ 34,68
Summe
€ 886,85
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Das Arbeitsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen E., der als Kfz-Meister beim Beklagten beschäftigt ist, dem Antrag des Klägers auf Zahlung des restlichen Dezemberlohns iHv. € 886,85 netto nebst Verzugszinsen (Ziff. 3 des Tenors) stattgegeben und die Hilfswiderklage (Ziff. 4 des Tenors) abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Beklagte habe nicht zu beweisen vermocht, dass der Kläger für die behaupteten Schäden am Kundenfahrzeug verantwortlich sei. Die Kammer habe Zweifel an der Aussage des Zeugen E., denn es sei deutlich geworden, dass er sich Mühe gegeben habe, den Kläger in ein schlechtes Licht zu rücken. Davon unabhängig sei auch nach der Aussage des Zeugen nicht erklärbar, wie der Kläger die Schäden verursacht haben soll.
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Gegen das am 10.04.2014 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit am 07.05.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 06.06.2014 eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Der Beklagte macht zur Begründung der Berufung geltend, er habe durch die Aussage des Zeugen E. den Beweis geführt, dass der Kläger den Schaden am Kundenfahrzeug verursacht habe. Es sei weder üblich noch notwendig, die Scheibenrahmendichtung mittels Keil zu lösen. Diese Dichtung sei an einem Stück mit einem Schneidedraht zu durchtrennen, noch vorhandener Restkleber sei mit einem Spezialmesser zu entfernen, ohne die Karosserie zu beschädigen. Da das Kundenfahrzeug vor der Arbeit des Klägers nicht beschädigt gewesen sei und danach Beschädigungen aufgewiesen habe, die auf den gefertigten Lichtbildern A1-A6 zu erkennen seien, stehe zwingend fest, dass der Kläger die Schäden herbeigeführt habe. Dabei könne dahinstehen, mit welchem "Werkzeug" er gearbeitet habe. Dass es sich um frische Schäden gehandelt habe, sei am blanken Blech zu erkennen. Dem Zeugen E. könne nicht angelastet werden, dass er vor dem Arbeitsgericht wiederholt ausgesagt habe, die Schäden seien ihm bei der Unterstützung des Klägers beim Scheibenaus- und -einbau nicht aufgefallen. Der Zeuge habe dies damit erklärt, dass er seine eigene Arbeit unterbrochen habe, er sei unter Zeitdruck gewesen und habe schlicht nicht darauf geachtet. Der Zeuge sei lediglich bei zwei kurzen Vorgängen, nämlich beim Abheben der alten und dem Aufbringen der neuen Scheibe, zugegen gewesen. Alle anderen Arbeiten habe der Kläger allein durchgeführt. Der Kläger habe die Schäden am Fahrzeug vorsätzlich verursacht. Dies ergebe sich bereits aus dem Schadensbild. Diese Beschädigungen könnten nicht versehentlich erfolgen. In Anbetracht der vorsätzlichen Beschädigung könne sich der Kläger nicht auf den Pfändungsschutz berufen, so dass die Aufrechnung zulässig sei. Für den Fall, dass ein Aufrechnungsverbot bestehe, sei jedenfalls die Hilfswiderklage begründet.
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Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 06.06.2014 und vom 18.08.2014 Bezug genommen.
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Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 25. März 2014, Az. 4 Ca 816/13, teilweise abzuändern und den Klageantrag zu 3) abzuweisen, hilfsweise dem Widerklageantrag zu 4) stattzugeben.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 29.07.2014, auf die Bezug genommen wird, als zutreffend. Die erstinstanzliche Aussage des Zeugen E. sei in hohem Maße fragwürdig. Der Zeuge habe sich offensichtlich bemüht, den Vortrag des Beklagten zu bestätigen. Der Zeuge habe versucht, ihm ein bewusstes Fehlverhalten zum Nachteil des Beklagten "anzuhängen". Die vom Beklagten behauptete vorsätzliche Sachbeschädigung liege nicht vor. Er vermute, dass es sich bei den Vorwürfen des Beklagten um einen Vorwand handele, den er gesucht und gefunden habe, um ihm gegenüber die fristlose Kündigung auszusprechen und seinem Lohnanspruch eine Schadensersatzforderung entgegenstellen zu können.
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Die Berufungskammer hat Beweis erhoben über die Behauptungen des Beklagten durch Vernehmung der Zeugen E., F. (Geschäftsführer der Fa. Karosserie- und Fahrzeugbau F. GmbH) und G. (Fahrzeughalter). Außerdem hat die Berufungskammer den Kfz-Sachverständigen Dipl.-Ing. H. (DEKRA) zum Gutachter bestellt.
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Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.03.2014 Bezug genommen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen des weiteren Vorbringens der Parteien auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die zur Akte gereichten Lichtbilder A1-A6 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
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Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und inhaltlich ausreichend begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II.
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Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 3) auf Zahlung von € 886,85 netto nebst Verzugszinsen zu Recht stattgegeben und die Hilfswiderklage zu Recht abgewiesen.
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Die Klage ist begründet. Der Kläger hat nach § 611 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag einen Anspruch auf Zahlung des restlichen Arbeitsentgelts für den Monat Dezember 2013 in unstreitiger Höhe von € 886,85 netto. Dieser Anspruch ist nicht durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen. Die Hilfswiderklage ist unbegründet, weil dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB oder § 823 Abs. 2 iVm. § 303 StGB gegen den Kläger wegen vorsätzlicher Beschädigung des Kundenfahrzeugs beim Scheibenwechsel am 03.12.2013 zusteht. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.
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1. Dem Beklagten ist auch nach dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme der erforderliche Nachweis einer Sachbeschädigung bzw. einer vorsätzlichen Schlechtleistung des Klägers nicht gelungen.
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Der Kfz-Sachverständige, der der Vernehmung der Zeugen E., F. und G. beigewohnt und die Kammer bei der Befragung der Zeugen unterstützt hat, kam in seiner abschließenden Beurteilung des Geschehens zu dem Ergebnis, dass die am Kundenfahrzeug entstandenen Schäden, die auf den Lichtbildern A1-A6 zu erkennen sind, nicht bei einem "normalen" fachgerechten Scheibenumbau und auch nicht bei einem Durchfädeln entstanden sein können. Das Ausmaß der Schäden - Deformationen des Blechs und Kratzspuren im Lack - lasse auf eine vorsätzliche Schadensverursachung schließen. Es seien Hebelspuren festzustellen, die unter Gewalteinwirkung entstanden seien, indem versucht worden sei, die Windschutzscheibe absichtlich herauszubrechen oder herauszuschlagen. Die Schäden ließen sich ebenso mit einem nachträglichen gewaltsamen Verschiebeversuch der Scheibe erklären.
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Der Kfz-Sachverständige erläuterte, dass normalerweise beim Einsetzen einer Windschutzscheibe die Kleberaupe mit der Kartusche auf der Scheibe aufgebracht wird und nicht - wie es der Zeuge E. ausgesagt hat - an der Karosserie. Die Monteure müssen beim Einsetzen der neuen Scheibe darauf achten, dass der Kleber nicht schon vor dem Setzen auf den tatsächlichen Punkt verstrichen wird. Weil die Scheibe millimetergenau eingesetzt werden muss, konnte der Kfz-Sachverständige technisch nicht nachvollziehen, dass der Zeuge E., der dem Kläger unstreitig beim Einsetzen der neuen Windschutzscheibe geholfen hat, die deutlichen Beschädigungen an der Karosserie nicht gesehen haben will.
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Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung auf mehrfaches Befragen bekundet, dass ihm beim Einsetzen der neuen Scheibe die massiven Schäden am Kundenfahrzeug nicht aufgefallen seien. Er habe nicht darauf geachtet, weil an diesem Tag sehr viel zu tun gewesen sei und es deshalb "zack, zack" gehen musste. Außerdem sei der Kleber auf dem Rahmen - nicht auf der Scheibe - aufgebracht worden. Das Ausmaß der Schäden sei ihm erst zum Feierabend aufgefallen, nachdem die Hektik des Tages abgeklungen sei.
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Da der Zeuge E. die deutlichen Beschädigungen an der Karosserie beim Einsetzen der neuen Scheibe nach eigenem Bekunden nicht bemerkt hat, obwohl sie ihm hätten auffallen müssen, ist dem Beklagten der erforderliche Beweis für seine Behauptung, der Kläger habe das Kundenfahrzeug beim Scheibenwechsel beschädigt, nicht gelungen. Auf der Grundlage der Aussage des Zeugen E. kann nicht angenommen werden, der Kläger habe den Schaden durch Gewalteinwirkung vorsätzlich verursacht, denn dessen Aussage war nicht ergiebig.
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2. Da ein Schadensersatzanspruch des Beklagten bereits dem Grunde nach nicht besteht, kann dahinstehen, ob seine Forderung der Höhe nach berechtigt ist. Deutlich übersetzt sind nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls die Kosten der Fahrzeuginnenreinigung iHv. € 120,- (netto), die laut Rechnung der Fa. Karosserie- und Fahrzeugbau B. F. GmbH vom 10.01.2014 zwei Stunden gedauert haben soll. Hinzu kommt, dass der Beklagte dem Kläger nochmals Arbeitslohn für die Reinigung und das Polieren des Kfz berechnet, obwohl der Zeuge F. bei seiner Vernehmung bekundet hat, dass er das Fahrzeug innen gereinigt und auch poliert habe. Seine wahrheitswidrige Aussage, er habe das Kundenfahrzeug mit einem Anhänger zum Lackieren transportiert, korrigierte der Zeuge F. auf Intervention des Kfz-Sachverständigen in der Beweisaufnahme sofort. Er räumte ein, dass das Fahrzeug ohne Windschutzscheibe in seine Werkstatt, die sich neben der Werkstatt des Beklagten befindet, gefahren worden ist. Deshalb sind auch die vom Beklagten berechneten Abhol- und Bringkosten "zum Lackierer im Ort" übersetzt. Wenn sich durch die Fahrt ohne Windschutzscheibe im Fahrzeug feiner Glasstaub bis zur Hutablage verwirbelt hat, gehen die dadurch verursachten Reinigungskosten mit dem Beklagten heim.
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3. Die geltend gemachte Zinsforderung rechtfertigt sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs (§§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Satz 1 BGB).
III.
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Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
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Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
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