Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 55/15
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28. Januar 2015, Az. 1 Ca 860/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten zweitinstanzlich noch über Urlaubsabgeltung.
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Der 1968 geborene Kläger war seit dem 23.03.2011 bei der Beklagten als Kraftfahrer zu einem Bruttomonatslohn von € 3.000,- beschäftigt. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis am 23.11. zum 31.12.2013 gekündigt, nachdem der Kläger mit dem von ihm geführten Rundholz-Lkw einen Unfall mit erheblichem Sachschaden verursacht hatte. Die Beklagte hatte sich vorbehalten, den Kläger in Regress zu nehmen, weil er deutlich zu schnell gefahren sei. Gegen die Wirksamkeit der Kündigung wandte sich der Kläger, der seit dem Unfall am 11.11.2013 arbeitsunfähig erkrankt war, in einem vor dem Arbeitsgericht Trier geführten Kündigungsschutzrechtsstreit (Az. 4 Ca 1750/13). Außerdem verlangte er ein Zwischenzeugnis. In einem weiteren Rechtsstreit (Az. 4 Ca 1927/13) machte er die Zahlung der Löhne für November und Dezember 2013 iHv. jeweils € 3.000,-, eines Weihnachtsgeldes für 2013 iHv. € 3.000,- sowie restliches Weihnachtsgeld für 2011 und 2012 iHv. € 1.765,03 und € 2.401,93 (Differenz zu € 3.000,-) geltend.
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Am 21.03.2014 stellte das Arbeitsgericht (Az. 4 Ca 1750/13) gem. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO das Zustandekommen folgenden Vergleichs fest:
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"Vergleich
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1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch ordentliche Kündigung der Beklagten aus betriebsbedingten Gründen vom 22.11.2013 mit Ablauf des 31.12.2013 sein Ende gefunden hat.
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2. Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und die sich zugunsten des Klägers ergebenden Nettolöhne an diesen zur Auszahlung zu bringen.
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Die Beklagte verzichtet insofern hinsichtlich der Löhne für die Monate November und Dezember 2013 ausdrücklich auf die Erhebung eines Zurückbehaltungsrechts oder die Erklärung einer Aufrechnung.
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3. Die Beklagte verpflichtet sich, dem Kläger ein ordentliches qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
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4. Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind alle wechselseitigen Ansprüche der Parteien, gleich ob bekannt oder unbekannt erledigt, dies gilt auch für etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten gegen den Kläger.
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5. Damit ist der Rechtsstreit erledigt, ebenso erledigt ist der Rechtsstreit der Parteien zu Az. 4 Ca 1927/13 des Arbeitsgerichts Trier."
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Mit der vorliegenden am 15.07.2014 erhobenen Klage verlangt der Kläger Urlaubsabgeltung für 8,5 Tage iHv. € 1.326,- brutto. Das Arbeitsgericht hat diesem Antrag stattgegeben. Den weiteren Antrag auf Zeugnisberichtigung, der zweitinstanzlich nicht mehr im Streit ist, hat das Arbeitsgericht abgewiesen.
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Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlichen Sachanträge wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 28.01.2015 (dort Seite 2 bis 4) Bezug genommen.
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Das Arbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung -zusammengefasst-ausgeführt, der Anspruch des Klägers auf Urlaubsabgeltung sei nicht durch die in Ziff. 4 des Vergleichs vom 21.03.2014 vereinbarte Ausgleichsklausel ausgeschlossen, denn die Beklagte habe sich in Ziff. 2 verpflichtet, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung "ordnungsgemäß abzurechnen". Zu einer ordnungsgemäßen Abrechnung gehöre auch der Urlaubsabgeltungsanspruch gem. § 7 Abs. 4 BUrlG. Die Abrechnungsklausel sei nicht deswegen einschränkend auszulegen, weil sie von der Auszahlung der "Nettolöhne" spreche. Selbst wenn man mit der Beklagten die Urlaubsabgeltung nicht als Lohnanspruch im engeren Sinne ansehen wollte, so ergäbe sich dennoch keine Einschränkung, da die Parteien hinter den Begriff abrechnen ein "und", nicht etwa ein "das heißt" gesetzt hätten. Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf Seite 5 bis 8 des erstinstanzlichen Urteils vom 28.01.2015 Bezug genommen.
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Gegen das am 06.02.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 12.02.2015 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 23.03.2015 eingegangenem Schriftsatz begründet.
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Sie macht zur Begründung ihrer Berufung geltend, das Arbeitsgericht habe den Vergleich fehlerhaft ausgelegt. Ihre Verpflichtung in Ziff. 2 des Vergleichs, das Arbeitsverhältnis "ordnungsgemäß abzurechnen", sei nicht mit einer Zahlungspflicht auf Urlaubsabgeltung gleichzusetzen. Sie habe sich im Vergleich zur Auszahlung der Löhne für November und Dezember 2013 unter Beachtung der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abzüge sowie zur Erstellung von Abrechnungen über die gezahlten Löhne verpflichtet, wie es bereits § 108 GewO vorsehe. Das Arbeitsgericht habe Ziff. 2 des Vergleichs über den Wortlaut hinaus ausgelegt, denn die Pflicht zur Abrechnung begründe nicht selbständig einen Vergütungsanspruch. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei mangels ausdrücklicher Nennung im Vergleich aufgrund der Ausgleichsklausel in Ziff. 4 erloschen. Auch die Begleitumstände und die Vorgeschichte des Vergleichs sprächen gegen das Auslegungsergebnis des Arbeitsgerichts. Sie habe die Löhne für November und Dezember 2013 wegen der Unfallschäden am Lkw zunächst zurückbehalten. Es habe dem Parteiwillen entsprochen, diese Monatslöhne abzurechnen und zur Auszahlung zu bringen. Über Urlaubsabgeltungsansprüche sei außergerichtlich nie gesprochen und auch in keinem Rechtsstreit verhandelt worden. Wegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 20.03.2015 Bezug genommen.
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Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 28.01.2015, Az. 1 Ca 860/14, abzuändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften und den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 4 Ca 1750/13 und 4 Ca 1927/13 (ArbG Trier) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die nach § 64 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 517, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und in ausreichender Weise begründet worden. Sie ist somit zulässig.
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II. In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Die Zahlungsklage ist begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte gem. § 7 Abs. 4 BUrlG einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung für 8,5 Urlaubstage iHv. € 1.326,00 brutto. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und der Begründung seiner Entscheidung zutreffend erkannt, dass der Anspruch des Klägers nicht aufgrund der Ausgleichsklausel in Ziff. 4 des Prozessvergleichs vom 21.03.2014 erloschen ist.
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Die Berufungskammer folgt der ausführlichen und sorgfältigen Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies nach § 69 Abs. 2 ArbGG fest. Das Berufungsvorbringen veranlasst lediglich folgende Ausführungen:
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1. Welche Rechtsqualität und welchen Umfang eine Ausgleichsklausel hat, ist durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln.
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a) Der Berufung ist zuzustimmen, dass Ausgleichsklauseln in gerichtlichen Vergleichen, die - wie hier in Ziff. 4 - "alle wechselseitigen Ansprüche", ausdrücklich auch "unbekannte" Ansprüche, erfassen sollen und auf diese Weise zu erkennen geben, dass die Parteien an die Möglichkeit des Bestehens ihnen nicht bewusster Ansprüche gedacht und auch sie in den gewollten Ausgleich einbezogen haben, regelmäßig als umfassender Anspruchsausschluss in Form eines konstitutiven negativen Schuldanerkenntnisses zu verstehen sind. Die Parteien wollen, wenn in einen gerichtlichen Vergleich eine umfassende, sich auf bekannte und unbekannte Ansprüche erstreckende Ausgleichsklausel aufgenommen und nicht nur der Rechtsstreit erledigt wird, in der Regel das Arbeitsverhältnis abschließend umfassend bereinigen und alle wechselseitigen Ansprüche erledigen, gleichgültig ob sie an sie dachten oder nicht. Jede andere Auslegung würde den angestrebten Vergleichsfrieden in Frage stellen. Der beurkundete Vergleichswille wäre wertlos, wenn über den beurkundeten Inhalt hinausgehende Ansprüche Quelle eines neuen Rechtsstreits sein könnten (BAG 27.05.2015 - 5 AZR 137/14 - Rn. 21 mwN; BAG 10.02.2015 - 9 AZR 455/13 - Rn. 28 mwN; LAG Rheinland-Pfalz 09.12.2010 - 10 Sa 464/10 - Rn. 23 mwN, jeweils Juris).
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b) Die Berufung übersieht, dass die wechselseitigen Ansprüche gem. Ziff. 4 erst "mit Erfüllung dieses Vergleichs" erledigt sein sollen. Zur Erfüllung des Vergleichs gehört die in Ziff. 2 geregelte Verpflichtung der Beklagten, "das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und die sich zugunsten des Klägers ergebenden Nettolöhne an diesen zur Auszahlung zu bringen". Entgegen der Ansicht der Berufung hat sich die Beklagte in Ziff. 2 nicht nur zur Abrechnung und Auszahlung der Monatslöhne für November und Dezember 2013 verpflichtet, sondern zur ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsverhältnisses bis zu seiner Beendigung. Dazu gehören auch Ansprüche auf Urlaubsabgeltung, die dem Kläger nach § 7 Abs. 4 BUrlG aufgrund der im Vergleich vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.2013 zustanden.
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Die Parteien legten mit den Klauseln in Ziff. 2 und Ziff. 4 des Vergleichs nicht nur fest, dass mit der ordnungsgemäßen Abrechnung des Arbeitsentgelts (im engeren Sinn) alle gegenseitigen Ansprüche abgegolten sein sollten. Sie bezogen die ordnungsgemäße Abrechnung vielmehr auf das ganze Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung. Zu den abzurechnenden Ansprüchen gehören demnach alle finanziellen Ansprüche, deren Rechtsgrundlage der Bestand und die in Ziff. 1 geregelte Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist. Das trifft auf den Urlaubsabgeltungsanspruch zu, der mit der vereinbarten Beendigung zum 31.12.2013 entstanden ist. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem Sachverhalt, der der zitierten Entscheidung des LAG Rheinland-Pfalz vom 09.12.2010 (10 Sa 464/10) zu Grunde lag. In jenem Vergleich erfasste der im Vergleichstext gewählte Begriff der „ordnungsgemäßen Abrechnung bis zum 30.09.2009" nicht Ansprüche auf eine Gratifikation, die nach der arbeitsvertraglichen Vereinbarung erst Ende November 2009 abzurechnen und auszuzahlen gewesen wäre.
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c) Das Arbeitsgericht hat außerdem zutreffend erkannt, dass sich die Beklagte in Ziff. 2 des Vergleichs nicht nur verpflichtet hat, eine ordnungsgemäße Abrechnung zu erstellen, sondern auch den sich aus dieser Abrechnung ergebenden Nettobetrag an den Kläger zu zahlen. Zwar ist in Ziff. 2 von der Auszahlung der sich zu Gunsten des Klägers ergebenen "Nettolöhnen" die Rede. Mit diesem Ausdruck sind entgegen der Ansicht der Beklagten aber nicht nur die Löhne für November und Dezember 2013 im engeren Sinne gemeint. Der Urlaubsabgeltungsanspruch des Klägers ist Lohn iSd. Ziff. 2 des Vergleichs. Er entsteht mit der in Ziff. 1 geregelten Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Ersatz für den nicht gewährten Urlaub, ohne dass er durch eine Arbeitsleistung verdient werden musste.
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2. Die Höhe des Urlaubsabgeltungsanspruchs steht zwischen den Parteien nicht im Streit. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288 Abs. 1 Satz 2, 291 BGB.
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III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.
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Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72 Abs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.
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