Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (4. Kammer) - 4 Sa 509/15

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das 2. Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 19.10.2015 - 8 Ca 927/15 - aufgehoben.

II. Das 1. Versäumnisurteil vom 17.8.2015 wird in den Ziffern 4, 5 und 7 des Tenors aufrechterhalten. In den Ziffern 1, 2 und 3 des Tenors wird das Versäumnisurteil aufgehoben; insoweit wird die Klage abgewiesen.

Ziffer 6 des Tenors des Versäumnisurteils ist infolge (teilweiser) Klagerücknahme wirkungslos.

III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

IV. Der Kläger hat 67 % und die Beklagte 33 % der erstinstanzlichen Kosten zu tragen mit Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten im Termin vom 17.8.2015 entstandenen Kosten, die die Beklagte zu tragen hat. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden zu 65 % dem Kläger und zu 35 % der Beklagten auferlegt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren im Wesentlichen noch über die Wirksamkeit einer fristlosen sowie vorsorglich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung, über Arbeitsvergütungsansprüche des Klägers sowie über einen Anspruch des Klägers auf Fahrtkostenerstattung.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.05.2014 als Hausmeister gegen eine Bruttomonatsvergütung von 1.100,00 € beschäftigt. Die Beklagte, die im Bereich der Unter- und Weitervermietung von Wohnungen für Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen tätig ist, beschäftigt nach Behauptung des Klägers regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden, nach eigener Behauptung lediglich drei Arbeitnehmer.

3

Am 11.06.2014 wurde dem Kläger im Rahmen eines Termins zur persönlichen Vorsprache am Dienstsitz der Beklagten in Hamburg ein auf den 11.05.2015 datierendes Schreiben übergeben, mit welchem die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos sowie vorsorglich auch ordentlich kündigte.

4

Für die Monate April und Mai 2015 erhielt der Kläger keine Arbeitsvergütung.

5

Mit am 17.06.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben und die Beklagte auf Auszahlung von Arbeitsvergütung für die Monate April und Mai 2015, auf Erstattung der Kosten für die Reise zum Dienstsitz der Beklagten in Hamburg sowie auf Zahlung von Urlaubsabgeltung in Anspruch genommen.

6

In der auf den 13.07.2015 anberaumten Güteverhandlung erschien die Beklagte nicht, da ihr die Ladung zu diesem Termin noch nicht zugestellt worden war. Das Arbeitsgericht bestimmte daraufhin einen neuen Termin zur Güteverhandlung auf den 17.08.2015. Auch zu diesem Termin erschien die (ordnungsgemäß geladene) Beklagte nicht. Das Arbeitsgericht erließ daraufhin auf Antrag des Klägers folgendes Versäumnisurteil:

7

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11.05.2015, zugegangen am 11.06.2015, nicht aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen weiterhin fortbesteht.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen weiter zu beschäftigen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.100,00 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2015 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 1.100,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2015 zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Urlaubsabgeltung für das Kalenderjahr 2015 in Höhe von 507,65 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2015 zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 182,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 15.06.2015 zu zahlen.
8. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
9. Der Streitwert wird auf 7.828,58 EUR festgesetzt.

8

Gegen das ihr am 20.08.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24.08.2015 Einspruch eingelegt und mit Schriftsatz vom 24.09.2015 vorgetragen, das Arbeitsverhältnis habe mir Zugang der fristlosen Kündigung am 11.06.2015 geendet. Die Kündigung sei wirksam, da der Kläger während des Arbeitsverhältnisses in erheblicher Weise gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Der Kläger habe auf eigene Rechnung unter seinem Namen Wohnungen in Ludwigshafen angemietet, diese anschließend den ihm aus seiner Tätigkeit für sie - die Beklagte - bekannt gewordenen Kunden angeboten, um dadurch eigene Geschäfte mit diesen Kunden zu tätigen. Tatsächlich sei es ihm auch gelungen, einige Kunden dazu zu bewegen, Arbeitnehmer in seinen Wohnungen unterzubringen. Der Kläger habe entsprechende Rechnungen an diese Kunden ausgestellt; die Rechnungsbeträge seien sodann auf das Privatkonto des Klägers überwiesen worden. Hiervon habe sie - die Beklagte - erst Anfang Juni 2015 dadurch Kenntnis erlangt, dass der Kläger einem Arbeitskollegen einen Kontoauszug vorgelegt und erklärt habe, er habe jetzt eine eigene Firma, an die Kunden seiner Arbeitgeberin Geld überwiesen. Daraufhin sei der Kläger am 11.06.2015 zur Rede gestellt worden. Dabei habe er eingeräumt, auf eigene Rechnungen Wohnungen angemietet und an ihre Kunden vermietet zu haben. Bezüglich der geltend gemachten Fahrtkostenerstattung werde bestritten, dass der Kläger insoweit Auslagen getätigt haben könne.

9

Mit Beschluss vom 14.09.2015 hat das Arbeitsgericht Termin "zur weiteren Güteverhandlung über den Einspruch und zur Hauptsache" auf den 28.09.2015 bestimmt und in dem betreffenden Beschluss folgenden Hinweis erteilt: "Sollten Bedenken gegen die Durchführung eines weiteren Gütetermins bestehen, so wird um deren unverzügliche Mitteilung gebeten. Dann würde der Gütetermin aufgehoben und ein zeitlich späterer Kammertermin bestimmt werden."

10

Auf Antrag des Klägers wurde der betreffende Gütetermin auf den 19.10.2015 verlegt. Die mit Empfangsbekenntnis vom 29.09.2015 geladene Beklagte erschien zu diesem Termin wiederum nicht. Der Kläger nahm sodann seinen Klageantrag auf Zahlung von Urlaubsabgeltung (Ziffer 6. des Versäumnisurteils vom 17.08.2015) zurück und beantragte, den Einspruch gegen das Versäumnisurteil im Wege eines 2. Versäumnisurteils zurückzuweisen.

11

Das Arbeitsgericht erließ sodann am 19.10.2015 ein 2. Versäumnisurteil folgenden Inhalts:

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1. Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 17.08.2015 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Urteilstenor zu Ziffer 6 hiermit aufgehoben wird.
2. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 7.320,93 EUR festgesetzt.

13

Gegen das ihr am 23.10.2015 zugestellte 2. Versäumnisurteil hat die Beklagte am 16.11.2015 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihr mit Beschluss vom 18.12.2015 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 11.01.2016 begründet.

14

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht habe gegen § 54 Abs. 4 ArbGG verstoßen, indem es, nachdem sie - die Beklagte - im ersten Gütetermin säumig gewesen sei, einen weiteren Gütetermin bestimmt habe. Das Gericht hätte vielmehr nunmehr einen Kammertermin und nicht einen, im Gesetz nicht vorgesehenen, zweiten Gütetermin anberaumen müssen. Es fehle daher bereits an einer ordnungsgemäßen Ladung. Außerdem sei das Arbeitsgericht nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, da - bei richtiger Verfahrensweise - die Vorsitzende zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern über den Einspruch gegen das Versäumnisurteil hätten befinden müssen. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, habe der Kläger Konkurrenztätigkeiten ausgeübt, indem er auf eigene Rechnungen Wohnungen vermietet habe. Die Zahlungsanträge hinsichtlich des Annahmeverzuglohns seien bereits unschlüssig, da nach § 615 BGB erzielter Zwischenverdienst anzurechnen sei. Hierzu fehle jeglicher Vortrag des Klägers.

15

Die Beklagte beantragt,

16

das 2. Versäumnisurteil vom 19.10.2015 aufzuheben und die Klage unter Aufhebung des 1. Versäumnisurteils vom 17.08.2015 abzuweisen.

17

Hilfsweise,

18

den Rechtsstreit unter Aufhebung des 2. Versäumnisurteils vom 19.10.2015 an das Arbeitsgericht zurückzuverweisen.

19

Der Kläger beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Der Kläger verteidigt die Verfahrensweise des Arbeitsgerichts und macht geltend, keine Konkurrenztätigkeiten ausgeübt und Tätigkeiten auf eigene Rechnung ausgeführt zu haben.

22

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A

23

Die Berufung ist zulässig.

24

Das Rechtsmittel ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Insbesondere erfüllt die Berufungsbegründung die Anforderungen des § 64 Abs. 2 d) ArbGG, da die Beklagte schlüssig vorgetragen hat, dass hinsichtlich des (weiteren) Gütetermins vom 19.10.2015 kein Fall der Säumnis vorgelegen habe. Insoweit erweist sich das Vorbringen der Beklagten als ausreichend, wonach es dem Arbeitsgericht verwehrt war, nach Einlegung des Einspruchs gegen das 1. Versäumnisurteil nochmals einen Gütetermin zu bestimmen. Zwar ist diesbezüglich - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht die Bestimmung des § 54 Abs. 4 ArbGG einschlägig, da diese Norm die Verfahrensweise des Gerichts innerhalb und nicht - wie vorliegend - außerhalb der mündlichen Verhandlung betrifft. Gleichwohl hat die Beklagte im Ergebnis schlüssig dargetan, dass die Anberaumung eines weiteren Termins zur Güteverhandlung nicht zulässig war mit der Folge, dass es an einer ordnungsgemäßen Terminsbestimmung fehlte und somit kein Fall der Säumnis vorlag.

B

25

Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel der Beklagten hat jedoch nur zum Teil Erfolg. Zwar führt die Berufung zur Aufhebung des 2. Versäumnisurteils vom 19.10.2015, jedoch nur zur teilweisen Aufhebung des der Klage stattgebenden 1. Versäumnisurteils vom 17.08.2015.

I.

26

Dem Erlass des 2. Versäumnisurteils stand entgegen, dass das Arbeitsgericht auf den Einspruch der Beklagten hin keinen weiteren Gütetermin, sondern vielmehr einen Kammertermin hätte bestimmen müssen. Nach § 54 Abs. 1 Satz 5 ArbGG ist die Anberaumung einer weiteren Güteverhandlung nur mit Zustimmung beider Parteien zulässig. Das diesbezüglich Einverständnis der Parteien muss ausdrücklich erklärt werden, ohne dieses ist eine Fortsetzung der Güteverhandlung nicht möglich (ErfK/Koch, 16. Aufl., § 54 Rz. 4; Germelmann, NzA 2000, 1017). In einer zusätzlichen Güteverhandlung kann daher bei Säumnis einer Partei nur dann ein Versäumnisurteil ergehen, wenn die Parteien mit ihrer Durchführung einverstanden waren (ErfK/Koch, a.a.O.; Arbeitsgericht Hamburg v. 09.03.2007 - 11 Ca 422/06 - juris).

27

Vorliegend fehlt es an dem erforderlichen ausdrücklichen Einverständnis der Parteien bezüglich der Durchführung einer weiteren Güteverhandlung. Zwar hat das Arbeitsgericht bei seiner Terminsbestimmung vom 14.09.2015 den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, Bedenken gegen die Durchführung eines weiteren Gütetermins zu äußern, und für diesen Fall die Bestimmung eines Kammertermins angekündigt. Der Umstand, dass keine der beiden Parteien hierauf reagiert hat, ersetzt jedoch nicht das erforderliche ausdrückliche Einverständnis. Es fehlt daher - bezogen auf die (weitere) Güteverhandlung vom 19.10.2015 - an einer ordnungsgemäßen Terminsbestimmung mit der Folge, dass kein Fall der Säumnis vorlag und somit kein 2. Versäumnisurteil hätte ergehen dürfen.

28

Das 2. Versäumnisurteil vom 19.10.2015 war daher aufzuheben.

II.

29

Trotz Unzulässigkeit und Aufhebung des 2. Versäumnisurteils hatte das Berufungsgericht gemäß § 538 Abs. 1 ZPO in der Sache, d.h. vorliegend über den Einspruch der Beklagten gegen das 1. Versäumnisurteil, selbst zu entscheiden. Eine Zurückverweisung nach § 538 Abs. 2 ZPO kam trotz des diesbezüglichen Hilfsantrages der Beklagten nicht in Betracht, da die Sache entscheidungsreif war.

30

Der Einspruch der Beklagten vom 24.08.2015 gegen das ihr am 20.08.2015 zugestellte 1. Versäumnisurteil erfolgte form- und fristgerecht. Der somit insgesamt zulässige Einspruch führt jedoch gemäß § 343 ZPO nur zur teilweisen Aufhebung des 1. Versäumnisurteils und zur teilweisen Abweisung der Klage.

1.

31

Die Kündigungsschutzklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene, mit Übergabe des Kündigungsschreibens am 11.06.2015 ausgesprochene außerordentliche Kündigung aufgelöst worden. Die Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam.

32

Ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs.1 BGB ist nach der allgemeinen gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d.h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.

33

Es ist allgemein anerkannt, dass Verstöße des Arbeitnehmers gegen das für die Dauer des Arbeitsverhältnisses bestehende Wettbewerbsverbot geeignet sind, einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Der Arbeitsvertrag schließt für die Dauer seines Bestandes aufgrund der Treuepflicht des Arbeitnehmers ein Wettbewerbsverbot ein, das über den persönlichen und sachlichen Geltungsbereich des § 60 HGB hinausgeht. Das Wettbewerbsverbot gilt demnach nicht nur für einen kaufmännischen Angestellten, sondern aufgrund der Treuepflicht für jeden Arbeitnehmer (KR/Fischermeier, 17. Aufl., § 626 BGB Rz. 478 m.N.a.d.R.).

34

Vorliegend steht in Ansehung des Sachvortrages der Beklagten, den der Kläger nicht ausreichend bestritten hat, zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass der Kläger in schwerwiegender Weise gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe auf eigene Rechnung Wohnungen angemietet und diese ihren (der Beklagten) Kunden im eigenen Namen angeboten, wobei es ihm auch gelungen sei, einige Kunden dazu zu bewegen, Arbeitnehmer in den von ihm angemieteten Wohnungen gegen Mietzahlungen unterzubringen. Dies habe er einem Arbeitskollegen unter Vorlage eines Kontoauszuges mitgeteilt. Letztlich habe er im Rahmen des Gesprächs vom 11.06.2015 auch eingeräumt, dass er auf eigene Rechnung Wohnungen angemietet und an Kunden vermietet habe. Diesen Sachvortrag der Beklagten hat der Kläger nach Maßgabe der Vorschriften des § 138 ZPO nur teilweise und im Übrigen völlig unzureichend bestritten. Insbesondere hat der Kläger nicht bestritten, sich seiner Konkurrenztätigkeit gegenüber einem Arbeitskollegen unter Vorlage eines Kontoauszuges berühmt und sein Fehlverhalten auch im Rahmen eines Gesprächs vom 11.06.2015 eingeräumt zu haben. Das pauschale Bestreiten des Klägers, Konkurrenztätigkeiten ausgeübt bzw. Tätigkeiten auf eigene Rechnung ausgeführt zu haben, erweist sich von daher als völlig substanzlos.

35

Die Beklagte war nicht gehalten, dem Kläger vor Ausspruch der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung zunächst eine Abmahnung zu erteilen. Zwar ist eine Abmahnung bei einem steuerbaren Verhalten grundsätzlich erforderlich. Bei schweren Pflichtverletzungen gilt dies aber nur, wenn der Arbeitnehmer mit vertretbaren Gründen annehmen konnte, sein Verhalten sei nicht vertragswidrig oder werde vom Arbeitgeber zumindest nicht als erhebliches, den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdendes Verhalten angesehen (BAG v. 21.06.2001 - 2 AZR 325/00 - AP Nr. 5 zu § 54 BAT, m.w.N.). Vorliegend konnte der Kläger keinesfalls annehmen, seine Konkurrenztätigkeit im unmittelbaren Geschäftsbereich der Beklagten werde von dieser nicht als bestandsgefährdendes Verhalten angesehen. Ein Arbeitgeber, der erfährt, dass ein Arbeitnehmer Konkurrenztätigkeiten ausübt, wird dies keinesfalls dulden.

36

Auch das Ergebnis der bei jeder Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung steht der Wirksamkeit der streitbefangenen außerordentlichen Kündigung nicht entgegen. Zugunsten des Klägers sind lediglich die gegenüber seiner Ehefrau und seinem Kind bestehenden Unterhaltsverpflichtungen zu berücksichtigen. Er war beim Kündigungsausspruch jedoch erst 33 Jahre alt und sein Arbeitsverhältnis bei der Beklagten hatte lediglich ca. 13 Monate bestanden. Zugunsten der Beklagten ist zu berücksichtigen, dass sie es als Arbeitgeberin schlichtweg nicht dulden kann, dass ein Arbeitnehmer erhebliche Konkurrenztätigkeiten in ihrem eigenen Geschäftsbereich entfaltet. Unter Berücksichtigung aller Umstände war es der Beklagten nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten bzw. zum Ende eines Kalendermonats (§ 622 Abs. 1 BGB) fortzusetzen.

2.

37

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen weiterhin fortbesteht, erweist sich dieser Feststellungsantrag als unzulässig. Ihm fehlt das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass zwischen den Parteien über die streitbefangene Kündigung hinaus weitere Tatbestände im Streit stehen, die zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben könnten.

3.

38

Da die Kündigungsschutzklage der Abweisung unterliegt, erweist sich auch der Weiterbeschäftigungsantrag als unbegründet.

4.

39

Die auf Zahlung von Arbeitslohn für die Monate April und Mai 2015 in Höhe von jeweils 1.100,00 € brutto gerichteten Zahlungsanträge sind begründet.

40

Die Ansprüche des Klägers folgen aus § 611 Abs. 1 BGB. Der Einwand der Beklagten, der Kläger müsse sich einen etwaigen Zwischenverdienst anrechnen lassen, geht ins Leere, da es vorliegend nicht um Annahmeverzugsansprüche (§ 615 BGB) geht.

41

Die geltend gemachten Zinsansprüche folgen aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

5.

42

Die Klage auf Erstattung von Fahrtkosten in Höhe von 182,50 € ist ebenfalls begründet. Der Anspruch ergibt sich aus analoger Anwendung der §§ 675, 670 BGB.

43

Der Arbeitnehmer kann Aufwendungsersatz gegen den Arbeitgeber geltend machen, sobald er eigenes Vermögen im Interesse des Arbeitgebers eingesetzt hat und die erbrachten Aufwendungen nicht durch das Arbeitsentgelt abgegolten sind. Der Anspruch ist in analoger Anwendung der §§ 675, 670 BGB allgemein anerkannt (ErfK/Preis, 15. Aufl., § 611 BGB, Rz. 533 m.N.a.d.R.).

44

Der Kläger ist unstreitig am 11.06.2015 auf Anweisung der Beklagten zu deren Sitz in Hamburg angereist. Die Beklagte ist daher verpflichtet, ihm die dabei verauslagten Reisekosten zu erstatten. Die vom Kläger diesbezüglich geltend gemachten Kosten für den Erwerb eines Fahrtickets in Höhe 157,50 € sowie einer Bahncard in Höhe von 25,00 € hat die Beklagte lediglich pauschal und damit unzureichend bestritten. Es wäre insoweit Sache der Beklagten gewesen, die Richtigkeit der vom Kläger angegebenen Preise im Wege eines substantiierten Sachvortrages zu erschüttern.

6.

45

Soweit die Beklagte in Ziffer 6 des Versäumnisurteils vom 17.08.2015 auch zur Zahlung von Urlaubsabgeltung in Höhe von 507,65 € brutto verurteilt wurde, ist das Versäumnisurteil gemäß § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO wirkungslos geworden, da der Kläger den betreffenden Klageantrag in der Güteverhandlung vom 19.10.2015 zurückgenommen hat. Dies war zur Klarstellung in den Urteilstenor mit aufzunehmen.

C

46

Nach alledem war zu entscheiden, wie geschehen.

47

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

48

Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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