Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (3. Kammer) - 3 Sa 262/16

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.04.2016, Az.: 3 Ca 1470/15 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger einen Beschäftigungsanspruch gegenüber der Beklagten hat sowie über Ansprüche aus Annahmeverzug.

2

Der 55-jährige, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Kläger ist bei den US-Stationierungsstreitkräften seit 1977 beschäftigt. Seine Beschäftigungsdienststelle ist der "Flugplatz X.". Seit 1986 nimmt er die Tätigkeit eines "Lademeisters/Truckmaster" ein, die in der Vergütungsgruppe 4 a TVAL II eingruppiert ist. Seine Bruttomonatsvergütung betrug zuletzt 2.954,50 €.

3

In der Stellenbeschreibung eines Truckmasters vom 01.07.1983 (Bl. 59 - 63 d. A.) sind keine Angaben darüber enthalten, dass der Kläger selbst körperliche Tätigkeiten, insbesondere das Tragen von schweren Gegenständen zu verrichten hat.

4

Die US-Stationierungsstreitkräfte haben die Tätigkeitsbeschreibung für die Stelle eines Lademeisters/Truckmasters im Jahre 2002 geändert. Danach müssen "Möbelüberprüfer/Lademeister/Truckmaster" auch körperlich schwere Arbeiten verrichten, u. a. Gegenstände bis 34 kg heben können.

5

Die Aufgabe des Klägers als Lademeister bestand ursprünglich darin, Möbeltransporte im Bereich der US-Stationierungsstreitkräfte zu koordinieren, zu überwachen und für einen reibungslosen Ablauf Sorge zu tragen. Dazu gehörte die Überwachung der mit den eigentlich mit dem Transport befassten Personen sowie die formelle Abwicklung durch Fertigung von Ladepapieren, Möbelverzeichnissen usw. Der Kläger wurde vor seiner letzten Erkrankung, die am 14.09.2015 begann, geraume Zeit an einem anderen Arbeitsplatz eingesetzt, nämlich an der Warenausgabe am Tor 10.

6

Nach Ablauf der Arbeitsunfähigkeit, die vom 14.09. bis zum 31.10.2015 andauerte, bot der Kläger am 02.11.1015 seine Arbeitsleistung wieder an. Die US-Stationierungsstreitkräfte nahmen seine Arbeit nicht an, weil sie der Auffassung sind, der Kläger sei weiterhin arbeitsunfähig erkrankt. Eine medizinische Untersuchung von 2015 ergab, dass der Kläger keine Gewichte über 20 kg tragen kann und er daher für die Tätigkeit eines Möbelüberprüfers, Lademeisters und Fahrers entsprechend der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 nicht arbeitsfähig sei.

7

Der Kläger hat vorgetragen,
für ihn gelte weiterhin die Stellenbeschreibung, wie sie im Zeitpunkt der Zuweisungen der Stelle 1986 bestanden habe. Die US-Stationierungsstreitkräfte könnten nicht einseitig die Stellenbeschreibung und damit den Inhalt der arbeitsvertraglichen Pflichten ändern, jedenfalls dann nicht, wenn diese nicht der bisherigen Tätigkeit und insbesondere seiner Eingruppierung entsprechen. Die US-Stationierungsstreitkräfte befänden sich daher seit dem 02.11.2015 in Annahmeverzug. Im Übrigen hätten sie bei Zuweisung von Arbeitstätigkeiten auf seine Schwerbehinderteneigenschaft Rücksicht nehmen müssen.

8

Der Kläger hat beantragt,

9

1. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Lademeister/Truckmaster zu den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 19.02.1987 in der Vergütungsgruppe C-4a (Endstufe) zu beschäftigen.

10

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn

11

a) 2.915,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 725,97 Euro und

12

b) 2.915,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2016, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.071,67 Euro

13

c) 2.915,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2016, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.071,67 Euro sowie

14

d) 2.915,25 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016, abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.002,53 Euro zu zahlen.

15

Die Beklagte hat beantragt,

16

die Klage abzuweisen.

17

Die Beklagte hat vorgetragen,
eine Teilarbeitsunfähigkeit gebe es nicht. Ausweislich der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002 sei der Kläger verpflichtet, auch körperlich schwere Arbeiten, wie das Tragen von Gegenständen über 20 kg zu verrichten. Dies könne er entsprechend den Feststellungen aus dem Monat November 2015 nicht, so dass er seine Arbeitstätigkeit derzeit nicht verrichten könne. Die Beklagte befinde sich daher auch nicht in Annahmeverzug.

18

Das Arbeitsgericht Kaiserslautern hat daraufhin die Beklagte durch Urteil vom 14.04.2016 - 3 Ca 1470/15 - verurteilt, den Kläger als Lademeister/Truckmaster zu den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom 19.02.1987 in der Vergütungsgruppe C-4 a) Endstufe) zu beschäftigen und zur Zahlung von jeweils 2.915,25 € brutto für die Monate November 2015, Dezember 2015, Januar 2016 und Februar 2016. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 86 - 92 d. A. Bezug genommen.

19

Gegen das ihr am 06.06.2016 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 20.06.2016 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 06.09.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 03.08.2016 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 06.09.2016 einschließlich verlängert worden war.

20

Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, der Umfang der vom Kläger wahrzunehmenden Aufgaben ergebe sich aus der entsprechenden Stellenbeschreibung, vorliegend aus der geänderten Fassung vom 18.07.2002. Diese sehe vor, dass bei Umzügen Haushaltsgeräte (Waschmaschinen usw.), Möbel, Betten, Schränke sowie Umzugskisten diversen Inhalts aus dem LKW in Gebäude und umgekehrt transportiert würden. Der Arbeitnehmer müsse insoweit in der Lage sein, für längere Zeit ohne körperliche Anstrengungen auf sich zu nehmen und Einrichtungen und sonstige Ausstattungen von erheblichem Gewicht bis zu 34 kg heben. Auch nach der vom Kläger in Anspruch genommenen Stellenbeschreibung müsse er Lagerarbeiten wahrnehmen. Durch die Formulierung "leistet andere entsprechende und wesentliche, vorstehend nicht aufgelistete Aufgaben" werde deutlich, dass die Stellenbeschreibung nicht abschließend sei, andere Aufgaben könnten und würden von den US-Stationierungsstreitkräften zugewiesen. Dazu gehöre insbesondere, die übrigen Mitarbeiter tatkräftig zu unterstützen, mithin ebenfalls Möbel zu transportieren. Da dies sowohl in Bezug auf den Kläger, als auch in Bezug auf die übrigen Möbelüberprüfer/Lademeister (Fahrer) der gängigen Praxis entsprochen habe, seien diese zusätzlichen Aufgaben in die Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002 expliziet mit aufgenommen worden.

21

Vor seiner Erkrankung vom 14.09.2015 bis einschließlich 01.11.2015 sei der Kläger bei der Warenausgabe am Tor 0 eingesetzt gewesen. Insoweit handele es sich um eine Tätigkeit, die keine Qualifizierung voraussetze, die der Lohn- und Gehaltsstufe C 4 a) entspreche. Der Kläger sei auf dieser Position überqualifiziert und die Stelle sei niedriger bewertet. Warum der Kläger diese Tätigkeiten, welche konkret und wie lange ausgeübt habe, könne die Dienststelle nicht vortragen, weil aufgrund eines Vorgesetztenwechsels seit Januar 2015 insoweit personelle Veränderungen eingetreten seien. Jedenfalls treffe es aber nicht zu, dass die Zuweisung von Tätigkeiten am Tor 0 im Rahmen eines BEM erfolgt sei. Es habe in der fraglichen Abteilung zuvor Missmanagement gegeben mit der Folge, dass Mitarbeiter wiederholt außerhalb ihrer eigentlichen arbeitsvertraglich vorgesehenen Tätigkeiten oder lediglich reduziert auf einige wenige Aufgaben des gesamten Aufgabenfeldes eingesetzt worden seien. Nunmehr sei beabsichtigt, dieses Missmanagement zu bereinigen und die einzelnen Planstellen wieder wie im Stellenplan vorgesehen auszufüllen, um so den Personalhaushalt exakter planen und bewirtschaften zu können.

22

Nach dem Gutachten solle der Kläger aus ergonomisch ungünstiger Position keine Lasten heben, tragen und bewegen, die schwerer als 20 kg seien. Zudem solle der Kläger nicht häufig oder über einen längeren Zeitraum in einer Wirbelsäulenzwangshaltung arbeiten. Auch sei von Tätigkeiten mit dauerhaften oder häufigen Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit häufigem Besteigen von Treppen und Leitern ausdrücklich abzuraten. Auch dauerhafte stehende Tätigkeiten sollten möglichst vermieden werden. Diese Einschränkungen seien von dauerhafter Natur. Es werde deshalb bestritten, dass der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit in der Lage sei, die Tätigkeit als Möbelüberprüfer/Lademeister zu erbringen. Da der Kläger zur Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht im Stande sei, seien die US-Stationierungsstreitkräfte nicht bereit, das Arbeitsangebot des Klägers anzunehmen und bewerteten ihn als arbeitsunfähig.

23

Da die US-Stationierungsstreitkräfte nicht in Annahmeverzug geraten und ihnen die Übertragung außerhalb des Direktionsrechts liegenden Tätigkeiten unter dem Gesichtspunkt des § 81 Abs. 4 S. 2 SGB IX nicht zumutbar gewesen sei, sei keine Anspruchsgrundlage für den Kläger geltend gemachten Zahlungsanspruch gegeben. Auch der Beschäftigungsanspruch sei aufgrund der bestehenden Arbeitsunfähigkeit nicht begründet.

24

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.09.2016 (Bl. 135 - 145 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 146 - 151 d. A.) Bezug genommen.

25

Die Beklagte beantragt,

26

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14. April 2016, Az.: 3 Ca 1470/15 abzuändern und die Klage abzuweisen.

27

Der Kläger beantragt,

28

1. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

29

2. er erklärt den Rechtsstreit hinsichtlich des Klageantrags zu 1) für erledigt

30

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn;

31

a) 2.915,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 725,97 €

32

b) 2.915,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2016 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.071,67 €,

33

c) 2.915,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2016 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.071,67 € zu zahlen.

34

d) 2.915,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.002,53 € zu zahlen,

35

e) 2.915,25 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 abzüglich Arbeitslosengeld in Höhe von 1.071,67 € zu zahlen.

36

Die Beklagte schließt sich der Erledigterklärung an und beantragt hinsichtlich der teilweisen Klageerweiterung im Berufungsverfahren deren Zurückweisung.

37

Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, die für ihn maßgebliche Stellenbeschreibung beinhalte ausschließlich administrative Tätigkeiten, zumindest aber keine schwere körperliche Arbeit. Dies folge bereits aus der Eingruppierung in die Tarifgruppe C-4 a). In diese Gehaltsgruppe eingruppiert seien z. B. Verwaltungsangestellte, Büroangestellte und Lagerverwalter. Körperlich schwere Arbeit werde hingegen in keiner dieser Gehaltsgruppen erwähnt. Die Tätigkeit des Klägers sei damit die eines Angestellten, nicht die eines Arbeiters gewesen. Es treffe nicht zu, dass es dem Kläger auferlegt worden sei, die Kollegen tatkräftig zu unterstützen, mithin ebenfalls Möbel zu transportieren. Dies habe der Kläger zwar in der Vergangenheit tatsächlich aus Gründen der Kollegialität ab und an getan; dies habe aber weder zu seinen Pflichten gehört, noch sei er dazu angewiesen gewesen. Es treffe auch nicht zu, dass dies "der gängigen Praxis" entsprochen habe und deshalb die Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002 verfasst worden sei. Die Ausführungen der Beklagten zu der internen Umorganisation der Abteilungen seien irrelevant. Maßgeblich sei allein, dass der Kläger unstreitig vor seiner Erkrankung am Tor 0 eingesetzt gewesen sei. Tatsächlich sei diese Umsetzung im Rahmen eines BEM erfolgt. Die Beklagte stelle das Gutachten von 2015 zwar zutreffend dar. Allerdings habe dem Gutachter offensichtlich die Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002, die nicht einschlägig sei, vorgelegt. Folglich sei der Gutachter von falschen Voraussetzungen ausgegangen. Zudem sei der Kläger durchaus noch in der Lage, Lasten bis 25 kg zu bewegen.

38

Vorliegend sei die Tätigkeit des Klägers nicht nur rahmenmäßig im Arbeitsvertrag umschrieben, sondern in der Stellenbeschreibung von 1983 konkret festgelegt worden. Danach schulde der Kläger administrative Arbeiten, jedenfalls aber keine schweren körperlichen Arbeiten. Daran finde das Direktionsrecht der Dienststelle seine Grenze. Die vom Kläger angebotene Arbeit sei somit exakt diejenige, die er ohnehin schulde.

39

Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 11.10.2016 (Bl. 159 - 167 d. A.) Bezug genommen.

40

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.

41

Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 12.12.2016.

Entscheidungsgründe

I.

42

Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

43

Zulässig ist auch die teilweise Klageerweiterung des Klägers im Schriftsatz vom 11.10.2016, weil sie lediglich den bisher erfassten Klagezeitraum um einen weiteren Kalendermonat (März 2016) erweitert. Die Beklagte hat sich insoweit in der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2016 rügelos eingelassen.

44

Zulässig und begründet ist auch die übereinstimmende Teilerledigungserklärung der Parteien. Denn am 17.05.2016 und damit nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils haben die US-Stationierungsstreitkräfte und der Kläger einen Änderungsvertrag (Bestätigung einer Personalmaßnahme) abgeschlossen, wonach der Kläger seit Mai.2016 nunmehr als Fachlagerist für die US-Stationierungsstreitkräfte tätig ist.

II.

45

Das Rechtsmittel der Berufung der Beklagten hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

46

Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Kläger geltend gemachte Beschäftigungsanspruch bis zur übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der Prozessparteien im Berufungsverfahren begründet war.

47

Ein Arbeitnehmer hat das Recht, aufgrund des Arbeitsvertrages, also im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses und im Rahmen der versprochenen Dienste, nicht nur bezahlt, sondern auch tatsächlich beschäftigt zu werden (BAG [GS] 27.02.1985 EzA § 611 BGB Beschäftigungspflicht Nr. 9).

48

Kein Beschäftigungsanspruch besteht allerdings dann, wenn ein Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Eine "Teilarbeitsunfähigkeit" besteht grundsätzlich nicht; insoweit gilt folgendes:

49

Eine begrenzte Arbeitsunfähigkeit (Teilarbeitsunfähigkeit) ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer die vertraglich geschuldete Leistung nur noch teilweise in einem zeitlich verringerten Ausmaß, zu anderen Tageszeiten oder nur beschränkt auf bestimmte Tätigkeiten erbringen kann (Stückmann DB 1998. 1662 ff.). Auch Teilarbeitsunfähigkeit ist grds. Arbeitsunfähigkeit i.S.d. EZFG (BAG 29.01.1992 EzA § 74 SGB V Nr. 1; abl. Boecken NZA 1999. 675 f.).

50

Denn es macht keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer durch seine Krankheit ganz oder teilweise arbeitsunfähig wird (BAG 29.01.1992 EzA § 74 SGB V Nr. 1). Auch der vermindert Arbeitsfähige ist arbeitsunfähig krank i.S.d EZFG. eben weil er seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht voll erfüllen kann. Die für die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit maßgebliche vertraglich geschuldete Arbeitsleistung wird folglich als nach Inhalt. Umfang. Schwierigkeit und ähnlichen Qualifikationsmerkmalen unteilbare Einheit angesehen (LAG RhlPf 04.11.1991 LAGE § 1 LohnFG Nr 32). Denn das Gesetz kennt eine Teilarbeitsunfähigkeit ebenso wenig wie die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung einer Teilleistung. Deshalb kann der Arbeitgeber (unter Androhung, anderenfalls einen Teil des Entgelts zu verweigern) keine Teiltätigkeit verlangen. Eine abweichende Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien bleibt dagegen im Rahmen der geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen möglich. Das Krankenversicherungsrecht kennt allerdings die Möglichkeit der stufenweisen Wiedereingliederung des Arbeitnehmers in sein berufliches Umfeld im Wege der Rehabilitation, wovon die anfängliche Arbeitsunfähigkeit nicht berührt wird (BAG 29. 01.1992 EzA § 74 SGB V Nr. 1; 19.04.1994 EzA § 74 SGB V Nr. 2: ErfK/Reinhard § 3 EFZG Rn 12). Auch insoweit geht das Gesetz davon aus. dass Arbeitsunfähigkeit fortbesteht (ErfK/Reinhard § 3 EFZG Rn. 12); Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl., 2016, Kap. 3 Rdnr. 1896 ff.).

51

Arbeitsfähig ist der Arbeitnehmer danach allerdings wieder dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien die vom Arbeitnehmer an sich vertraglich geschuldete Arbeitsleistung einvernehmlich vorübergehend auf die Tätigkeiten beschränken, die er ihrer Art und/oder ihrem zeitlichen Umfang nach trotz seiner Erkrankung verrichten kann, ohne den Heilungsprozess zu beeinträchtigen (BAG 29.01.1992 EzA § 74 SGB V Nr. 1).

52

Kann der Arbeitnehmer die vertraglich festgelegte volle Arbeitsleistung (im Gegensatz zu einer Teilleistung) erbringen, liegt nicht deswegen eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vor. weil er aus gesundheitlichen Gründen hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit nur eingeschränkt verwendbar ist. Ist der Arbeitnehmer nicht in der Lage, der gesamten Bandbreite der arbeitsvertraglich an sich möglichen Leistungsbestimmungen im Rahmen des § 106 GewO gerecht zu werden, muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit und billigem Ermessen Rücksicht nehmen. Dementsprechend ist eine Krankenschwester im Krankenhaus ohne die Heranziehung zu Nachtschichten zu beschäftigen, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen keine Nachtschichten mehr leisten kann (BAG 09.04.2014 EzA § 106 GewO Nr 18 = NZA 2014. 719).

53

Hinzu kommt, dass ein schwerbehinderter Mensch bzw. ein einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellter Arbeitnehmer gem. § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX einen Anspruch darauf hat, dass ihm der Arbeitgeber im Rahmen der arbeitsvertragliche geschuldeten Tätigkeiten solche Aufgaben zuweist, die er aufgrund seiner Schwerbehinderung ausüben kann und bei denen er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter entwickeln kann (vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoss, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 13. Aufl., Kap. 2 Rz. 200). Dieser Anspruch greift selbst dann ein, wenn schwerbehinderte Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr erfüllen können, der Arbeitgeber allerdings die Möglichkeit hat, ihn in andere Tätigkeiten zuzuweisen.

54

Mit dem Arbeitsgericht ist vorliegend davon auszugehen, dass - bis zur übereinstimmenden Teilerledigungserklärung - ein Beschäftigungsanspruch des Klägers entsprechend seinem Antrag gegeben war.

55

Denn der Kläger ist nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen und konnte seit dem 02.11.2015 die arbeitsvertraglich geschuldeten Pflichten erbringen.

56

Das Arbeitsgericht hat insoweit ausgeführt:

57

"Unstreitig kann der Kläger die Tätigkeit eines Lademeisters, Truckmasters entsprechend der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 1986 verrichten. Körperlich nicht in der Lage ist er lediglich bezüglich der Tätigkeiten, die mit Heben und Tragen von Gewichten bis 34 kg zu tun haben, wie sie in der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 seitens der Stationierungsstreitkräften aufgestellt wurde.

58

Ein Arbeitgeber kann allerdings nicht einseitig den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten durch eine Änderung einer Stellenbeschreibung verändern, jedenfalls dann nicht, wenn es sich hierbei um völlig andersartige Tätigkeiten und insbesondere um minderwertige Tätigkeiten handelt. Diesbezüglich hat sich der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich nicht verpflichtet.

59

Dass es sich bei den Hebe- und Tragetätigkeiten gemäß der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 um minderwertige Tätigkeiten gegenüber denjenigen aus der Stellenbeschreibung von 1986 handelt, ergibt sich nicht zuletzt aus der Eingruppierung der Tätigkeit des Klägers in die Vergütungsgruppe C 4a des TVAL. Hierbei handelt es sich um eine Gehaltsgruppe für Angestellte, d. h. um Arbeitnehmer, die überwiegend geistige Arbeit verrichten. "Arbeitertätigkeiten", d. h. insbesondere körperlich schwere Arbeiten, wie sie nunmehr auch in der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002 für die Tätigkeit eines Lademeisters/Truckmasters gegeben sein sollen, sind allerdings nach § 56 TVAL in eine Lohngruppe für Arbeiter einzugruppieren.

60

Selbst wenn man anderer Ansicht sein sollte, ergäbe sich eine Verpflichtung der Beklagten, den Kläger zu beschäftigen jedenfalls aus § 81 Abs. 4 SGB 9. Auch hier wiederum ist unstreitig, dass er selbst nach der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002 vielfältige Tätigkeiten eines Lademeisters/Truckmasters im administrativen Bereich, wie sie auch schon in der Stellenbeschreibung aus dem Jahre 1986 enthalten waren, verrichten kann.

61

Es bestehen daher vielfältige und auch gebotene Möglichkeiten der Beklagten, den Kläger arbeitsvertragsgemäß zu beschäftigen."

62

Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen voll inhaltlich an, stellt dies hiermit ausdrücklich fest und nimmt gem. § 69 Abs. 2 ArbGG darauf Bezug.

63

Das Berufungsvorbringen der Beklagten rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Die Beklagte behauptet insbesondere, dass der Kläger ohne Gefährdung seiner Gesundheit nicht in der Lage sei, die Tätigkeit als Möbelüberprüfer/Lademeister zu erbringen. Dabei geht die Beklagte, ohne dass dies nach dem wechselseitigen Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen nachvollziehbar wäre, davon aus, dass sich der Inhalt der vom Kläger vertraglich geschuldeten Arbeitstätigkeit nach einer Stellenbeschreibung aus dem Jahre 2002 richtet. Hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen freilich nicht.

64

Der Kläger war unstreitig vor der maßgeblichen Erkrankung ab dem 14.09.2015 bei der Warenausgabe am Tor 0 bei den US-Stationierungsstreitkräften eingesetzt. Da dieser tatsächliche Arbeitseinsatz von den US-Stationierungsstreitkräften und dem Kläger offensichtlich einvernehmlich praktiziert wurde, erschließt sich die zuvor dargestellte Annahme der Beklagten bereits nicht. Anhaltspunkte dafür, dass die US-Stationierungsstreitkräfte und der Kläger insoweit eine Änderungsvereinbarung für die Zeit nach seiner Wiedergenesung getroffen hätten, lassen sich dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen nicht entnehmen. Wenn eine Vereinbarung hinsichtlich der Änderung des Inhalts der Tätigkeit zwischen den Parteien bzw. den US-Stationierungsstreitkräften und dem Kläger aber gar nicht getroffen wurde, war der Kläger vertraglich auch zu nichts anderem verpflichtet. Dass der Kläger die Tätigkeit bei der Warenausgabe am Tor 0 nach dem 01.11.2015 nicht ausüben konnte, behauptet die Beklagte nicht. Die Beklagte hat insoweit vorgetragen, der Kläger sei auf dieser Position völlig überqualifiziert und die Stelle niedriger bewertet. Das mag zutreffend sein, ändert dann aber ohne weitergehende arbeitsvertragliche Maßnahmen nichts am Inhalt der konkret vom Kläger zu diesem Zeitpunkt geschuldeten und anzubietenden Arbeitstätigkeit. Soweit die Beklagte auf Missmanagement im Bereich der US-Stationierungsstreitkräfte hingewiesen hat, ergibt sich gleichfalls kein anderes Ergebnis, da die Beklagte keineswegs insoweit ein kollusives Zusammenwirken zwischen Mitarbeitern der US-Stationierungsstreitkräfte und dem Kläger insoweit behauptet. Der Kläger hat insoweit dargelegt, diese zuletzt ausgeübte Tätigkeit sei ihm im Rahmen eines BEM zugewiesen worden. Die Beklagte hat dazu - unsubstantiiert - lediglich darauf hingewiesen, dass in einem derartigen Fall die Personalabteilung der US-Stationierungsstreitkräfte beteiligt gewesen wäre, was vorliegend aber nicht geschehen sei. Die Tätigkeit am Tor 0 sei zu keiner Zeit vorm Personalbüro der US-Stationierungsstreitkräfte bestätigt worden. An dem tatsächlichen und rechtlichem Befund, dass der Kläger vor seiner Erkrankung am Tor 0 tatsächlich eingesetzt wurde, mit der zuvor dargestellten Folge, vermag freilich auch dies nichts zu ändern.

65

Im Übrigen gilt für das Arbeitsverhältnis die am 01.07.1983 verfasste Stellenbeschreibung, die auch zu der tariflichen Eingruppierung des Klägers in die Vergütungsgruppe C 4 a) TV-AL II passt; danach handelt es sich um eine Gehaltsgruppe für Angestellte, d. h. um Arbeitnehmer die überwiegend geistige Arbeiten verrichten. Entgegen der Darstellung der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die arbeitsrechtliche Befugnis bestanden hätte, im Jahre 2002 im Wege einer "Anpassung" den Inhalt der vom Kläger vertraglich geschuldeten Tätigkeit dahin gehend zu ändern, dass es sich nunmehr - überwiegend - um eine Arbeitertätigkeit handeln würde. Soweit die Beklagte sich bemüht hat darzulegen, dass die Stellenbeschreibung von 1983 ganz offenkundig nicht abschließend sei und folglich die von ihr in Anspruch genommenen anstrengenden, unbequemen und körperlich schweren Arbeiten ohnehin naturgemäß mit enthielten, überzeugt dies aus den Gründen, auf die bereits das Arbeitsgericht hingewiesen hat - insbesondere der tariflichen Eingruppierung - keineswegs. Anhaltspunkte dafür, den Inhalt der geschuldeten Leistung ohne Änderungskündigung so ändern zu können, wie von der Beklagten gewünscht, besteht nicht.

66

Nach alledem hat das Arbeitsgericht dem Beschäftigungsantrag des Klägers im erstinstanzlichen Rechtszug zu Recht stattgegeben; die Berufung der Beklagten war insoweit - bis zur übereinstimmenden Teilerledigungserklärung im Berufungsverfahren - unbegründet.

67

Damit sind die geltend gemachten Zahlungsansprüche einschließlich der Klageerweiterung im Berufungsverfahren voll umfänglich begründet. Die US-Stationierungsstreitkräfte befanden sich, nachdem der Kläger seine Arbeitsleistung ordnungsgemäß am 02.11.2015 angeboten hatte und dieses Angebot nicht angenommen worden war, in Annahmeverzug gem. §§ 615, 293 ff. BGB. Damit besteht eine Verpflichtung, dem Kläger seine arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung zu zahlen, ohne dass dieser zur Nachleistung verpflichtet ist.

68

Abzuziehen sind die gem. § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Beträge aufgrund gezahlten Arbeitslosengeldes.

69

Das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren rechtfertigt insoweit keine abweichende Beurteilung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts. Aus den im Einzelnen bereits dargestellten Gründen ist für die Kammer bereits nicht nachvollziehbar, warum sich der Inhalt der vom Kläger geschuldeten Arbeitsleistung nach Maßgabe der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 inhaltlich bestimmen soll.

70

Der Annahmeverzug regelt aber grds. eine Leistungsverzögerung und setzt daher die Nachholbarkeit der Leistung voraus. Verzug und Unmöglichkeit schließen sich somit aus (BAG 24.11.1960 AP § 615 BGB, Nr. 18) Eine Nachholung der Arbeit kommt aufgrund des Fixschuldcharakters der Arbeitsleistung nicht in Betracht. Mit Zeitablauf wird die Leistung unmöglich (BAG 24.11.1960 AP § 615 BGB Nr. 18). Nachgeleistete Arbeit ist eine andere als die ursprünglich geschuldete Arbeit (Picker JZ 1985, 641 ff); Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, a.a.O., Kap. 3 Rdrn. 1577 ff.).

71

Annahmeverzug ist danach das Unterbleiben der Arbeitsleistung, das durch die vom Arbeitgeber, ohne durch betriebstechnische Umstände daran gehindert zu sein, verweigerte Annahme der vom Arbeitnehmer angebotenen Arbeit entsteht BAG 28.09.2016 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 51 = NZA 2017, 124). Unmöglichkeit ist dann gegeben, wenn, unterstellt der Arbeitgeber sei zur Annahme bereit gewesen, die Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer unmöglich ist (BAG 24.11.1960 AP § 615 BGB Nr. 18, 21.03.1985 EzA § 615 BGB Nr. 44; 30.01.1991 EzA § 615 BGB Betriebsrisiko Nr. 12. abl. ErfK/Preis § 615 BGB Rn 7). Liegt z.B. ein Fall des Unvermögens des Arbeitnehmers i.S.d. § 297 BGB vor. regelt § 326 BGB, ob der Vergütungsanspruch entfallt (Abs. 1) oder aufrechterhalten bleibt (Abs. 2 S. 1; BAG 28.09.2016 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 51 = NZA 2017, 124).

72

Der Arbeitnehmer muss die Arbeitsleistung persönlich tatsächlich so anbieten, wie sie zu bewirken ist (§§ 294, 613 S. 1 BGB, BAG 07.12.2005 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 12,; 19.05.2010 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 33), d. h. zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Art und Weise, der Arbeitnehmer muss sich also zur vertraglich vereinbarten Zeit an den vereinbarten Arbeitsort begeben und die nach dem Vertrag geschuldete Arbeitsleistung anbieten (BAG 07.12.2005 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 12; 15.05.2013 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 38; 28.09.2016 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 51 = NZA 2017, 124; s. a. BAG 19.09.2012 EzA § 4 TVG Ausschlussfristen Nr. 201 = NZA 2013, 101). Der Arbeitnehmer z.B., der zu dem vom Arbeitgeber festgelegten Schichtbeginn zur Arbeit erscheint, bietet zur rechten Zeit, am rechten Ort und in der rechten Weise seine Arbeit für die Dauer der Schicht tatsächlich an (LAG Köln 21.03.2013 LAGE § 4 ArbZG Nr. 4).

73

Ist die vom Arbeitnehmer zu erbringende Tätigkeit im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschrieben, obliegt es nach § 106 S. 1 GewO dem Arbeitgeber, den Inhalt der zu leistenden Arbeit näher zu bestimmen (vgl. BAG 19.05.2010 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 33). Die durch die wirksame Ausübung des Direktionsrechts näher bestimmte Tätigkeit ist die zu bewirkende Arbeitsleistung. Auf sie muss sich der Leistungswille des Arbeitnehmers richten (vgl. BAG 22.12.2012 - 5 AZR 249/11, BAGE 141, 34 = NZA 2012, 858). Kann der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts wirksam näher bestimmte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen nicht mehr ausüben, aber eine andere im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist das Angebot einer anderen Tätigkeit ohne Belang, solange der Arbeitgeber nicht durch eine Neuausübung seines Direktionsrechts diese zu der i.S.v. § 294 BGB zu bewirkenden Arbeitsleistung bestimmt hat. Andernfalls könnte der Arbeitnehmer den Inhalt der arbeitsvertraglich nur rahmenmäßig umschriebenen Arbeitsleistung selbst konkretisieren. Das widerspräche § 106 S. 1 GewO. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht ist Sache des Arbeitgebers (vgl. BAG; 19.05.2010 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 33; 27.05.2015 EzA § 280 BGB 2002 Nr. 7 = NZA 2015, 1053, s.a. Rdn. 2713).

74

Allerdings kann es die Rücksichtnahmepflicht gem. § 241 Abs. 2 BGB gebieten, dass der Arbeitgeber von seinem Direktionsrecht erneut Gebrauch macht und die zu erbringende Leistung innerhalb des vereinbarten Rahmens anderweitig derart konkretisiert, dass dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung wieder möglich wird. Verletzt der Arbeitgeber schuldhaft diese Pflicht. kommt ein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers nach § 280 Abs. 1 BGB wegen entgangener Vergütung in Betracht (BAG 19.05.2010 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 33; 27.05.2015 EzA § 280 BGB 2002 Nr. 7 = NZA 2015. 1053). Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Neubestimmung der Tätigkeit des Arbeitnehmers setzt voraus, dass dieser die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz verlangt und dem Arbeitgeber mitgeteilt hat. wie er sich seine weitere, die aufgetretenen Leistungshindernisse ausräumende Beschäftigung vorstellt Diesem Verlangen muss der Arbeitgeber i. d. R. entsprechen, wenn ihm die in der Zuweisung einer anderen Tätigkeit liegende Neubestimmung der Arbeitsleistung zumutbar und rechtlich möglich ist, insbes. wenn dem keine betrieblichen Gründe, zu denen auch wirtschaftliche Erwägungen zählen können, oder die Rücksichtnahmepflicht gegenüber anderen Arbeitnehmern entgegenstehen. Ist ein leidensgerechter Arbeitsplatz nicht frei, setzt ein Austausch des Arbeitnehmers voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, der den anderen Arbeitsplatz innehat. im Wege des Direktionsrechts eine andere Tätigkeit zuweisen kann, die Neuausübung des Direktionsrechts diesem Arbeitnehmer gegenüber billigem Ermessen entspricht und der auszutauschende Arbeitnehmer einem Arbeitsplatzwechsel nicht seine Zustimmung verweigert hat (BAG 19.05.2010 EzA § 615 BGB 2002 Nr. 33; 27.05.2015 EzA § 280 BGB 2002 Nr. 7 = NZA 2015, 1053).

75

In Anwendung dieser Grundsätze kann entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht davon ausgegangen werden, dass vorliegend kein Annahmeverzug gegeben gewesen sei. Denn insoweit vermag die Kammer der Beklagten bereits nicht dahin zu folgen, was Gegenstand der nach Ende der Arbeitsunfähigkeit vom Kläger geschuldeten Arbeitspflicht war.

76

Im Übrigen würde selbst dann, wenn man der Auffassung der Beklagten folgen würde, sich kein anderes Ergebnis rechtfertigen lassen. Denn die Beklagte geht zwar vorliegend davon aus, dass lediglich die Möglichkeit eines verschuldensabhängigen Schadenersatzanspruchs nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB gegeben sein könnte, vor dem Hintergrund, dass sie meint, ein Verschulden des Arbeitgebers sei insoweit nicht gegeben. Dem folgt die Kammer freilich nicht. Denn das Verschulden (§ 276 BGB) des Arbeitgebers wäre dann vorliegend schon darin zu sehen, dass dem Kläger die vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit als vertraglich geschuldet zugewiesene Tätigkeit am Tor 0 nicht wiederholt zugewiesen wurde, ohne dass sich dem Vorbringen der Beklagten in beiden Rechtszügen dafür nachvollziehbare Gründe entnehmen lassen. Wenn der Arbeitgeber insoweit der Auffassung war, dass diese Tätigkeit im Hinblick auf die geleistete Vergütung nur minderwertig sei, ist zwar nachvollziehbar, dass der Arbeitgeber wiederum inhaltlich eine Tätigkeit anstrebt, die der tariflichen Bezahlung entspricht. Dies kann grundsätzlich auch durchaus im Wege des Direktionsrechts durch Einzelweisung geschehen, sofern diese billigem Ermessen entspricht. Billigem Ermessen kann eine derartige Weisung aber nur dann entsprechen, wenn sie sich im Rahmen des vertraglich Vereinbarten hält. Vorliegend wurde dem Kläger gegenüber eine derartige Einzelweisung ersichtlich nicht ausdrücklich erteilt; er wurde schlicht nicht beschäftigt. Die Tätigkeiten, die die Beklagte in beiden Rechtszügen als allein vertraglich geschuldet ansieht, entsprechen aber, wie dargelegt, nicht den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den US-Stationierungsstreitkräften und dem Kläger. Vor diesem Hintergrund bestünden, falls es entscheidungserheblich darauf angekommen wäre, keinerlei Bedenken gegen die Annahme eines Verschuldens.

77

Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und der teilweisen Klageerweiterung des Klägers im Berufungsverfahren stattzugeben.

78

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

79

Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.

Verwandte Urteile

Keine verwandten Inhalte vorhanden.

Referenzen