Urteil vom Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz (5. Kammer) - 5 Sa 245/17

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Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28. März 2017, Az. 8 Ca 1303/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs.

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Der Beklagte betreibt einen Transport- und Umzugsservice. Der Kläger war bei ihm seit dem 01.02.2013 als Kurierfahrer zu einem monatlichen Bruttolohn von € 1.800,00 mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden beschäftigt. In § 12 des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 01.02.2013 war eine zweistufige Ausschlussfrist von jeweils drei Monaten geregelt.

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Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.11.2015 fristlos, hilfsweise fristgerecht. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Im Vorprozess (Az. 8 Ca 1595/15) erklärte der Kläger im Gütetermin am 05.01.2016 zu Protokoll, dass er "seit gestern" wieder in einem Arbeitsverhältnis stehe, sein Stundenlohn betrage € 8,50 brutto bei einer Arbeitszeit von 8 Stunden. Sodann schlossen die Parteien folgenden

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"Vergleich:

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1. Die fristlose Kündigung vom 28.11.2015 ist gegenstandslos.

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2. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Arbeitgeberkündigung vom 28.11.2015 mit dem 31.01.2016 enden wird.

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3. Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis mit einer Leistungs- und Verhaltensbewertung "gut".

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4. Bis zur Beendigung wird das Arbeitsverhältnis von der Beklagtenseite - unter Berücksichtigung des erzielten Zwischenverdienstes - ordnungsgemäß abgerechnet und der sich daraus ergebende Nettolohn an den Kläger ausgezahlt.

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5. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt."

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Nachdem der Beklagte weder ein Zeugnis noch Abrechnungen erteilt hatte, erhob der Kläger am 29.02.2016 erneut Klage. In diesem Vorprozess (8 Ca 278/16) stellte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 08.04.2016 gem. § 278 Abs. 6 ZPO das Zustandekommen und den Inhalt folgenden Vergleichs fest:

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"Vergleich

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1. Der Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis mit der Leistungs- und Verhaltensbewertung "gut".

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2. Der Beklagte rechnet das Arbeitsverhältnis bis zum 31.01.2016 ordnungsgemäß ab. Der sich daraus ergebende Nettoverdienst wird nach Vorlage einer Rückabtretung durch die Bundesagentur für Arbeit an den Kläger ausgezahlt."

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Im Zeitraum vom 01.01. bis zum 29.07.2016 war der Kläger ausweislich der Meldebescheinigung zur Sozialversicherung bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt. Laut Abrechnung vom 18.02.2016 zahlte ihm der andere Arbeitgeber für Januar 2016 einen Lohn iHv. € 1.156,00 brutto. Mit einer Überleitungsanzeige vom 29.02.2016 teilte die Agentur für Arbeit dem Beklagten mit, dass sie dem Kläger seit dem 10.12.2015 Arbeitslosengeld gewähre. Mit Schreiben vom 07.04.2016 übertrug die Bundesagentur den übergegangenen Anspruch auf den Kläger zurück. Seit dem 02.08.2016 ist der Kläger aufgrund eines neuen Arbeitsvertrags wieder für den Beklagten tätig.

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Der Kläger verlangt mit seiner am 14.11.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen (dritten) Klage für den Monat Dezember 2015 die Zahlung von € 1.800,00 brutto und für den Monat Januar 2016 weitere € 644,00 brutto (€ 1.800,00 abzgl. des Zwischenverdienstes). Er hat erstinstanzlich vorgetragen, das Arbeitsverhältnis bei seinem neuen Arbeitgeber habe erst am 01.01.2016 - und nicht früher - begonnen.

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Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2015 € 1.800,00 brutto zu zahlen,

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2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn für den Monat Januar 2016 € 644,00 brutto zu zahlen.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Der Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe nach seinen Informationen bereits seit dem 12.12.2015 anderswo gearbeitet. Im Übrigen seien seine Ansprüche aufgrund der vertraglich vereinbarten Ausschlussfrist verfallen, denn deren pauschale Geltendmachung sei nicht ausreichend gewesen. Der Kläger hätte die streitgegenständlichen Forderungen vielmehr im Juni 2016 einklagen müssen. Außerdem seien die Ansprüche verwirkt. Der Kläger wisse, was ihm vorgeworfen werde, und dass er nicht bereit sei, zu zahlen. Dennoch habe er ab 02.08.2016 wieder ein Arbeitsverhältnis mit ihm begründet. Deshalb habe er darauf vertrauen dürfen, dass der Kläger keine weiteren Ansprüche mehr gegen ihn erhebe.

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Von einer weiteren Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 28.03.2017 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 28.03.2017 Bezug genommen. Gegen das am 04.05.2017 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit einem am 10.05.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 04.08.2017 verlängerten Frist mit einem am 02.08.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet.

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Er macht geltend, der Kläger habe bereits ab 12.12.2015 bei einem anderen Arbeitgeber gearbeitet. Das Arbeitsgericht hätte die von ihm benannte Zeugin vernehmen müssen, denn sein erstinstanzlicher Beweisantrag sei nicht als unzulässiger Ausforschungsbeweis zu bewerten. Er habe die dargetane Tatsache hinreichend mit Datum und Umstand bestimmt. Die geltend gemachten Ansprüche seien jedenfalls verfallen. In den Prozessvergleichen, die in den zwei Vorprozessen (8 Ca 1595/15, 8 Ca 278/16) abgeschlossen worden seien, sei kein Zahlungsanspruch mit einem vollstreckungsfähigen Inhalt vereinbart worden. Der Kläger sei deshalb spätestens sechs Monate nach Fälligkeit verpflichtet gewesen, eine konkrete Summe einzuklagen. Er berufe sich zudem auf allgemeine Verwirkung des klägerischen Anspruchs. Spätestens nachdem der Kläger ab 02.08.2016 mit ihm ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen sei, habe er davon ausgehen dürfen, dass der Kläger seine vermeintlichen Ansprüche nicht mehr weiterverfolge.

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Der Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 28.03.2017, Az. 8 Ca 1303/16, abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Außerdem wird Bezug genommen auf den Inhalt der zur Information des Gerichts beigezogenen Akten 8 Ca 1595/15 und 8 Ca 278/16 (ArbG Kaiserslautern).

Entscheidungsgründe

I.

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Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung des Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

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In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der Kläger hat gegen den Beklagten für die Monate Dezember 2015 und Januar 2016 einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt € 2.444,00 brutto.

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1. Der Vergütungsanspruch für die Zeit vom 01.12.2015 bis zum 31.01.2016 folgt aus § 611 Abs. 1 iVm. § 615 Satz 1 BGB. Nach § 615 Satz 1 BGB kann der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn der Arbeitgeber mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug kommt. Der Arbeitnehmer muss die infolge des Annahmeverzugs ausgefallene Arbeit nicht nachleisten. Der Beklagte geriet mit Zugang der fristlosen Kündigung vom 28.11.2015 in Annahmeverzug. Dieser endete zu dem im Prozessvergleich vereinbarten Beendigungszeitpunkt, dem 31.01.2016.

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a) Nach § 615 Satz 2 BGB ist auf den Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs ua. das anzurechnen, was der Arbeitnehmer durch anderweitige Verwendung seiner Dienste verdient hat. Im Streitfall haben die Parteien eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.01.2016 durch Prozessvergleich geregelt. Im Januar 2016 erzielte der Kläger ausweislich der vorgelegten Lohnabrechnung einen anderweitigen Verdienst iHv. € 1.156,00 brutto. Es verbleibt damit ein Anspruch des Klägers iHv. € 2.444,00 brutto (€ 1.800,00 für Dezember 2015 und € 644,00 für Januar 2016).

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b) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorhandensein eines anderweitigen Verdienstes trifft den Arbeitgeber (vgl. BAG 19.03.2002 - 9 AZR 16/01 - Rn. 27). Der Beklagte hat keine Anhaltspunkte für eine Erwerbstätigkeit des Klägers bereits ab dem 12.12.2015 dargelegt. Er beschränkt sich auf die Behauptung, der Kläger habe bereits ab 12.12.2015 anderweitig gearbeitet. Eine Substantiierung dieser Behauptung fehlt. Das reicht in Anbetracht des Vortrags des Klägers nicht aus. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich eine DATEV-Lohnabrechnung seines neuen Arbeitgebers für den Monat Januar 2016 vorgelegt. In dieser Abrechnung ist das Eintrittsdatum 01.01.2016 vermerkt. Außerdem hat der Kläger die Meldebescheinigung zur Sozialversicherung des neuen Arbeitgebers für die Zeit vom 01.01. bis zum 29.07.2016 vorgelegt. Schließlich bezog der Kläger ausweislich der Überleitungsanzeige der Bundesagentur für Arbeit ab dem 10.12.2015 Arbeitslosengeld. Aufgrund dieser Umstände hätte der Beklagte darlegen müssen, aufgrund welcher konkreten Tatsachen er davon ausgeht, dass der Kläger bereits ab dem 12.12.2015 anderswo gearbeitet hat.

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Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, der Beklagte habe nicht in zulässiger Weise Beweis angetreten. Die Verfahrensrüge des Beklagten greift nicht durch. Die Berufung berücksichtigt nicht, dass das Arbeitsgericht nur zulässigen Beweisantritten nachzugehen hatte. Wird ein Beweis angetreten, bei dem es an der Bestimmtheit der zu beweisenden Tatsachen fehlt und sollen durch die beabsichtigte Beweiserhebung erst die Grundlagen für substantiierte Tatsachenbehauptungen gewonnen werden, ist der Beweisantritt unzulässig und unbeachtlich. Gem. § 373 ZPO muss die beweispflichtige Partei diejenigen Tatsachen bezeichnen, zu denen der Zeuge vernommen werden soll. Tatsachen sind konkrete, nach Zeit und Raum bestimmte, der Vergangenheit oder der Gegenwart angehörige Geschehnisse oder Zustände. Entsprechen die unter Beweis gestellten Behauptungen nicht diesen Anforderungen, dient die Beweiserhebung der Ausforschung und hat zu unterbleiben (vgl. BAG 25.03.2015 - 5 AZR 368/13 - Rn. 23 mwN). Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Beklagte keine hinreichend substantiierten Tatsachen vorgetragen hat, die den Schluss auf einen anderweitigen Verdienst des Klägers bereits ab dem 12.12.2015 zulassen. Eine unsubstantiierte, nicht durch Einzeltatsachen belegte allgemeine Behauptung wird nicht durch einen Beweisantritt zu einem schlüssigen Vortrag (vgl. BAG 21.01.2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 47 mwN).

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c) Soweit der Kläger ab dem 10.12.2015 Arbeitslosengeld bezogen hat, sind die nach § 115 SGB X auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangenen Ansprüche im Wege einer privatrechtlichen Abtretung nach § 398 BGB am 07.04.2016 auf den Kläger zurückübertragen worden, so dass er insoweit wieder Inhaber der streitgegenständlichen Forderung ist.

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2. Die Klageansprüche sind nicht gem. § 12 des Arbeitsvertrags vom 01.02.2013 verfallen.

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a) Der Kläger hat entgegen der Ansicht der Berufung beide Stufen der einzelvertraglich vereinbarten Ausschlussfrist von jeweils drei Monaten mit der am 16.12.2015 erhobenen Klage im Vorprozess (8 Ca 1595/15) gewahrt.

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Der Kläger hat mit der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 28.11.2015 alle hiervon abhängigen Ansprüche wirksam schriftlich geltend gemacht. Der Beklagte musste erkennen, dass der Kläger nicht nur den Bestand des Arbeitsverhältnisses, sondern auch die durch die Kündigung bedrohten regelmäßig fällig werdenden Einzelansprüche sichern wollte (vgl. BAG 17.10.2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 36 mwN; BAG 19.05.2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 18 mwN). Mit der Erhebung der Klage hat der Kläger die Ansprüche zugleich auch iSv. § 12 des Arbeitsvertrags „gerichtlich geltend gemacht“. Die Erhebung einer bezifferten Zahlungsklage ist regelmäßig nicht erforderlich (vgl. BAG 19.09.2012 - 5 AZR 924/11 - Rn. 19 im Anschluss an BVerfG 01.12.2010 - 1 BvR 1682/07).

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Ausschlussfristen bezwecken, dem Schuldner zeitnah Gewissheit darüber zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er noch zu rechnen hat. Schon mit der Erhebung einer Bestandsschutzklage - hier am 16.12.2015 - kann sich der Arbeitgeber auf die vom Ausgang dieser Streitigkeit abhängigen Forderungen einstellen, Beweise sichern und vorsorglich Rücklagen bilden. Ihm muss bewusst sein, dass ggf. auch über die Höhe der zu zahlenden Vergütung noch Streit entstehen kann und nicht selten auch entsteht. Dass die Ansprüche nicht in einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Bestimmtheit geltend gemacht werden, ist - wie bei der Wahrung der ersten Stufe der Ausschlussfrist für Ansprüche, die vom Ausgang der Bestandsschutzstreitigkeit abhängen - aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen.

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Im Streitfall kommt noch hinzu, dass sich der Beklagte in zwei Prozessvergleichen (8 Ca 1595/15 und 8 Ca 278/16) verpflichtet hat, das Arbeitsverhältnis bis zum 31.01.2016 "ordnungsgemäß abzurechnen" und den "sich daraus ergebenden Nettoverdienst" an den Kläger auszuzahlen. Die Ansicht der Berufung, der Kläger hätte seine Ansprüche zur Wahrung der Ausschlussfrist gleichwohl noch beziffern müssen, ist rechtlich nicht haltbar.

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b) Im Übrigen verstößt die arbeitsvertragliche Ausschlussfristenregelung wegen der Einbeziehung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn gegen § 3 Satz 1 MiLoG. Danach sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, insoweit unwirksam. Die Norm erfasst ua. Regelungen über Ausschlussfristen, soweit diese (auch) zur Vermeidung des Verfalls des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn dessen rechtzeitige Geltendmachung verlangen. Denn Ausschlussfristen betreffen die Art und Weise der Geltendmachung eines entstandenen Anspruchs. Sie beschränken somit iSv. § 3 Satz 1 MiLoG die Geltendmachung des (Mindestlohn-)Anspruchs in zeitlicher Hinsicht (vgl. BAG 17.10.2017 - 9 AZR 80/17 - Rn. 20 mwN).

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Der Kläger musste für einen Monatslohn von € 1.800,00 brutto wöchentlich 48 Zeitstunden arbeiten. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn besteht seit dem 01.01.2015 (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 1 MiLoG). Da im streitgegenständlichen Zeitraum der gesetzliche Mindestlohn je Zeitstunde € 8,50 brutto betrug, weicht die Ausschlussfristenregelung zu Ungunsten des Klägers von der Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung des Mindestlohns aus § 1 MiLoG ab. Es ist unerheblich, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht gearbeitet hat, denn nach § 615 Satz 1 BGB erhält der Gläubiger keinen eigenständigen, neuen Anspruch. Er behält vielmehr den ursprünglichen Erfüllungsanspruch (vgl. BAG 27.01.2016 - 5 AZR 9/15 - Rn. 16 mwN).

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3. Der Kläger hat die streitigen Vergütungsansprüche entgegen der Ansicht des Beklagten schließlich auch nicht verwirkt (§ 242 BGB). Die Verwirkung des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindestlohn ist nach § 3 Satz 3 MiLoG ausgeschlossen. Damit wird dem Beklagten der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung durch den Kläger abgeschnitten. Der Anspruch eines Arbeitnehmers auf die Arbeitsvergütung bis zur Höhe des Mindestlohns unterliegt nur der regelmäßigen dreijährigen Verjährung nach §§ 195, 199 BGB.

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Ohnehin kann - entgegen den diesbezüglichen Angriffen der Berufung - der Umstand, dass der Kläger ab dem 02.08.2016 erneut ein Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten eingegangen ist, kein schutzwertes Vertrauen des Beklagten begründen, Zahlungsansprüche aus dem zum 31.01.2016 aufgelösten (ersten) Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mehr erfüllen zu müssen. Da der Kläger durchgehend eine Vergütung für die Zeit vom 01.12.2015 bis zum 31.01.2016 angestrebt hat, fehlt es sowohl am erforderlichen Zeit- als auch am Umstandsmoment. Von einem Verwirkungstatbestand kann nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Der Beklagte verhält sich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich auf Verfall und Verwirkung beruft, obwohl er sich in zwei Prozessvergleichen zur Abrechnung und Zahlung der streitgegenständlichen Vergütung dem Grunde nach verpflichtet hat.

III.

46

Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

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Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

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