Urteil vom Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt (6. Kammer) - 6 Sa 88/14

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 08.10.2013 – 6 Ca 821/12 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund arbeitgerberseitiger Kündigung.

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Die Klägerin war seit 11.10.2010 bei der Beklagten als Bürokauffrau nach Maßgabe des Arbeitsvertrages vom selben Tage (Bl. 16, 17 d. A.) tätig, jedoch seit 08.12.2011 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist durchgängig arbeitsunfähig erkrankt.

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Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis, nachdem zuvor – die Klägerin ist zu 60 Prozent schwerbehindert – das Integrationsamt mit Bescheid vom 29.02.2012 (Bl. 42 ff d. A.) die erforderliche Zustimmung erteilt hatte, mit Schreiben vom selben Tage (Bl. 18 d. A.) das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgemäß zum 31.03.2012.

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Bei der Beklagten werden nicht mehr als 10 Arbeitnehmer i. S. d. § 23 Abs. 1 KSchG beschäftigt.

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Nach Auffassung der Klägerin sei die streitbefangene Kündigung rechtsunwirksam. Die Beklagte verstoße damit gegen die §§ 138, 242 BGB; 1, 3, 7 AGG und 84 SGB IX.

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Die Klägerin hat hierzu behauptet, die von der Beklagten gegenüber dem Integrationsamt als Kündigungsgrund angegebenen Schlechtleistungen haben nicht vorgelegen bzw. seien ihr nicht zurechenbar. Sofern bei ihrer Arbeitsleistung Fehler – unberechtigte Mahnschreiben – aufgetreten seien, beruhen diese auf unzureichender Zuarbeit anderer Mitarbeiter der Beklagten bzw. mit dieser verbundenen, im selben Bürogebäude ansässigen Schwestergesellschaften, insbesondere des Geschäftsführers der RWM und BWA Herrn F. Während des Verlaufs des Arbeitsverhältnisses habe die Beklagte derartige Pflichtverletzungen auch zu keinem Zeitpunkt ihr gegenüber aufgezeigt oder – unstreitig – gar durch Abmahnung sanktioniert.

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Weiter sei das Arbeitsverhältnis durch Mobbinghandlungen belastet worden. Insbesondere habe die bei einer Schwestergesellschaft tätige Mitarbeiterin Frau B sich in Bezug auf den Gesundheitszustand der Klägerin abfällig geäußert. Darüber hinaus sei sie durch den Geschäftsführer der RWM, Herrn L, gemobbt worden. Seitens der Beklagten sei ihr, obwohl ihr gegenteiliges bei der Einstellung zugesagt worden sei, für Dienstfahrten kein Fahrzeug mit Automatikgetriebe, wovon im Fahrzeugpool der Beklagten ausreichend vorhanden gewesen seien, zur Verfügung gestellt worden, obwohl sie aufgrund ihrer Gehbehinderung auf die Nutzung eines solchen Fahrzeuges angewiesen sei. Ihr Vorgesetzter, Herr S, sei mehrfach von ihr über diese Missstände informiert worden, habe jedoch nicht für Abhilfe gesorgt. Nachdem sie zur Beseitigung der Missstände das Integrationsamt eingeschaltet habe, sei ihr – unstreitig – auf Initiative des Integrationsamtes – weitere integrative Maßnahmen erfolgten nicht – ein anderes Büro zugewiesen worden. Hier habe jedoch – ebenfalls unstreitig – zunächst die Heizung nicht funktioniert.

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Angesichts dieser Gesamtumstände sei die Kündigung wegen Verstoßes gegen die vorgenannten Bestimmungen rechtsunwirksam. Der Beklagten sei es darum gegangen, sie „als Person loszuwerden“. Die Kündigung stelle die Reaktion der Beklagten auf die Einschaltung des Integrationsamtes dar.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die schriftliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29. Februar 2012, zugegangen am 29. Februar 2012, nicht aufgelöst worden ist,
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2. hilfsweise für den Fall, dass die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1 obsiegt, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen als Bürokauffrau über den Auflauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen,
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sowie hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1

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3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein wohlwollendes qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen,
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ebenso hilfsweise für den Fall, dass die Klägerin mit dem Klageantrag zu 1 nicht durchdringt,

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4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 692,16 Euro brutto Urlaubsabgeltung nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2012 zu zahlen
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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Keineswegs habe die Klägerin im Verlauf des Arbeitsverhältnisses fehlerlose Arbeitsleistungen abgeliefert. Im Gegenteil sei das Arbeitsverhältnis durch permanente Schlechtleistungen seitens der Klägerin geprägt worden. Diese haben auch nicht auf unzureichender Zuarbeit von Mitarbeitern, sondern auf dem Unvermögen der Klägerin beruht.

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Mobbinghandlungen durch Frau B und Herrn L habe es nicht gegeben. Auch sei die Klägerin mit derartigen Vorwürfen nicht an ihren Vorgesetzten, Herrn S, herangetreten. Im Übrigen habe dieser mehrfach im Hinblick auf die mangelhaften Arbeitsleistungen mit der Klägerin das Gespräch gesucht und Vorschläge zur Problemlösung unterbreitet. Dabei habe die Klägerin eingeräumt, sie setze sich zu sehr unter Druck und mache deshalb Fehler. Exemplarisch sei insoweit auf fehlerhafte Mahnungen gegenüber Garagenmietern sowie auf fehlerhafte Betriebskostenabrechnungen zu verweisen, die von der Beklagten im Schriftsatz vom 14.12.2013 (Bl. 142 ff d. A.) im Einzelnen dargestellt werden. Auch habe die Beklagte nicht aus schikanösen Gründen der Klägerin kein Fahrzeug mit Automatikgetriebe für die von ihr eher selten zu erledigenden Dienstfahrten zur Verfügung gestellt. In ihrem Fahrzeugpool sei lediglich ein frei verfügbares Fahrzeug mit Automatikgetriebe, ein VW Caddy long, vorhanden, der überwiegend von Handwerkern benutzt werde.

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Zutreffend sei, dass in dem der Klägerin neu zugewiesenen Büro zunächst die Heizungsanlage defekt gewesen sei. Dieser Fehler sei erst mit Beginn der Heizperiode aufgefallen. Die sodann eingeleitete Reparatur habe wegen technischer Probleme allerdings einen längeren Zeitraum in Anspruch genommen.

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Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 08.10.2013 unter anderem die Kündigungsschutzklage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits den Parteien anteilig auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht insoweit ausgeführt, der streitgegenständlichen Kündigung komme Rechtswirksamkeit zu. Die Zustimmung des Integrationsamtes liege vor. Da auf die Rechtsbeziehungen der Parteien der Erste Abschnitt des KSchG nicht anwendbar sei, sei die Kündigung nicht auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu überprüfen. Ein Verstoß gegen die §§ 138, 242 BGB in Form einer willkürlichen Kündigung sei auch aus dem Sachvortrag der Klägerin nicht zu entnehmen. Diese räume vielmehr ein, dass das Arbeitsverhältnis sowohl bezogen auf ihre Arbeitsleistung als auch auf das Verhältnis zu Kollegen belastet gewesen sei. In einem Kleinbetrieb sei es dem Arbeitgeber nicht verwehrt, diese Umstände zum Anlass einer ordentlichen Kündigung zu nehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 206 bis 214 der Akte verwiesen.

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Gegen dieses, ihr am 26.02.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.03.2014 Berufung eingelegt und diese am 22.04.2014 begründet. Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie unter Vertiefung ihres Sachvortrages ihrem Kündigungsschutzantrag weiter.

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Die Kündigung verstoße auch deshalb gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB), weil hierin ein widersprüchliches Verhalten der Beklagten liege. So haben ihre Vorgesetzten ihr kurz vor Ende der Probezeit ausdrücklich versichert, Herr F sei mit ihrer Arbeit zufrieden. Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses habe es keine gegenteiligen Äußerungen der Beklagten gegeben. Eigentlicher Kündigungsgrund sei wohl ihre seit Anfang Dezember 2011 bestehende, zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung gewesen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Halle vom 08.10.2013 – 6 Ca 821/12 – abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29.02.2012, zugegangen am 29.02.2012, aufgelöst worden ist.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

30

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage, die die Klägerin in der Berufungsinstanz ausschließlich weiterverfolgt, zu Recht abgewiesen.

31

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die streitige ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.02.2012 zum 31.03.2012 aufgelöst. Der Kündigung kommt Rechtswirksamkeit zu.

I.

32

Die nach § 85 Abs. 1 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes lag zum Zeitpunkt der Kündigung unstreitig vor.

II.

33

Der Rechtswirksamkeit der Kündigung steht nicht § 84 SGB IX entgegen. Die Durchführung des Präventionsverfahrens nach Absatz 1 und des betrieblichen Eingliederungsmanagements nach Absatz 2 stellt keine formale Kündigungsvoraussetzung dar. Ein Unterlassen dieser Maßnahme findet lediglich im Anwendungsbereich des Ersten Abschnitts des KSchG Berücksichtigung (ErfK/Rolfs 15. Auflage SGB IX § 84 Rn. 11 m. w. N.). Dieser Abschnitt des KSchG findet jedoch auf die Rechtsbeziehung der Parteien unstreitig keine Anwendung (§ 23 Abs. 1 KSchG). Im Übrigen spricht die von dem Integrationsamt erteilte Zustimmung dagegen, dass ein Präventionsverfahren bzw. ein betriebliches Eingliederungsmanagement die Kündigung hätte verhindern können (vgl. BAG 07.12.2006 – 2 AZR 182/06 – juris Rn. 28 zu § 84 Abs. 1 SGB IX).

III.

34

Die Kündigung ist nicht wegen Verstoßes gegen §§ 134 BGB i. V. m. §§ 1, 3, 7 AGG unwirksam. Zwar sind außerhalb des Geltungsbereiches des Ersten Abschnitts des KSchG die Normen des AGG ungeachtet der Regelung in § 2 Abs. 4 AGG im Kündigungsschutzrechtsstreit zu berücksichtigen. Verstößt die Kündigung gegen Bestimmungen des AGG ist sie nach § 134 BGB nichtig (BAG 19.12.2013 – 6 AZR 190/12). Dabei wird eine Diskriminierung vermutet, wenn der Arbeitnehmer Tatsachen darlegen kann, die eine solche indizieren (§ 22 AGG).

35

Nach dem sich bietenden Sachverhalt ist auch unter Berücksichtigung der vorgenannten Darlegungs- und Beweislastnorm nicht davon auszugehen, dass die Kündigung vom 29.02.2012 durch eines der in § 1 AGG aufgeführten verpönten persönlichen Merkmale im Sinne einer Mitursächlichkeit bedingt ist.

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1. Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte die Schwerbehinderung der Klägerin als solche zumindest mitursächlich für die streitige Kündigung war, sind nicht dargetan worden. Die Beklagte stützt die Kündigung ausschließlich auf nach ihrer Einschätzung vorliegende schlechte Arbeitsleistungen der Klägerin und verweist unwidersprochen darauf, dass auch das Integrationsamt nach dem von der Klägerin erbetenen Gespräch im Jahr 2011 keinen Anlass dafür gesehen hat, integrative Maßnahmen vorzuschlagen, um mögliche Auswirkungen der Behinderung auf die Arbeitsleistung der Klägerin zu beseitigen

37

Aus der von der Klägerin in der Berufungsbegründung geäußerten Vermutung, ihre sich als langwierig abzeichnende Erkrankung sei der eigentliche Grund für die Kündigung gewesen, ergibt sich nichts Gegenteiliges.

38

Es fehlt bereits an Sachvortrag der Klägerin, dass die seit Dezember 2011 bestehende Erkrankung mit ihrer Behinderung im Zusammenhang steht. Auch im Übrigen hat die Klägerin keine Indiztatsachen vorgetragen, die diese Vermutung stützen könnten.

39

2. Ebenso wenig lassen sich aus dem Sachvortrag der Klägerin Indizien entnehmen, die Kündigung als solche beruhe auf Mobbinghandlungen der Beklagten i. S. d. § 3 Abs. 3 AGG, die wiederum durch ihre Behinderung ausgelöst worden seien. Den von der Klägerin geschilderten Verhaltensweisen einer Arbeitnehmerin eines mit der Beklagten wirtschaftlich verbundenen Unternehmens (Frau B) sowie des Geschäftsführers jenes Unternehmens (Herr L) kommt – die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin als wahr unterstellt – kein Indizwert dahin zu, die Beklagte habe mit Ausspruch der streitigen Kündigung die Klägerin (auch) „mobben“ wollen. Das behauptete Verhalten der Frau Ba bezieht sich auf das Jahr 2011. Hierauf hatte die Beklagte nach Einschaltung des Integrationsamtes reagiert und der Klägerin ein von dem Arbeitsplatz der Frau Ba räumlich getrenntes Büro zugewiesen, um Spannungen zwischen der Klägerin und Frau B zu vermeiden. Auch der weitere Sachvortrag der Klägerin betreffend Mobbinghandlungen (defekte Heizung im neuen Büro, Verweigerung von Dienst-PKW mit Automatikgetriebe) enthält keinen Indizwert bezogen auf die Kündigung vom 29.02.2012. Die Klägerin behauptet schikanöses Verhalten der Beklagten im Verlauf des Arbeitsverhältnisses. Hieraus lässt sich allenfalls als Indiz ableiten – die Behauptung als wahr unterstellt, dass die Beklagte durch Nichteinwirken auf Beschäftigte anderer Unternehmen die mit Sonderkündigungsschutz versehene Klägerin zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder einer Eigenkündigung veranlassen wollte. Hingegen liegt die Annahme fern, die Beklagte habe durch Ausspruch einer ordentlichen Kündigung, die der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedurfte, die Klägerin mobben wollen. Im Übrigen spricht gegen einen solchen Indizcharakter, dass die inkriminierenden Handlungen gerade nicht durch Arbeitnehmer der Beklagten – die Klägerin räumt ausdrücklich ein, dass sie von ihrem Vorgesetzten S nicht drangsaliert worden sei, sondern durch mit dieser nach dem sich bietenden Sachverhalt nicht arbeits- bzw. dienstvertraglich verbundenen Personen erfolgt sein sollen.

IV.

40

Die Kündigung verstößt nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

41

1. Sie stellt sich nicht als widersprüchliches Verhalten der Beklagten in diesem Sinne dar, auch wenn man für die Entscheidungsfindung den Sachvortrag der Klägerin, ihr sei kurz vor Ende der Probezeit mitgeteilt worden, Herr F sei mit ihrer Arbeit zufrieden; in späteren Personalgesprächen sei ihre Arbeitsleistung nicht bemängelt worden, zugrunde legt. Angesichts des zeitlichen Abstandes zwischen dem Ende der Probezeit und dem Kündigungszeitpunkt von ca. einem Jahr stünde die nach Behauptung der Klägerin geäußerte Zufriedenheit mit ihrer Arbeit einer auf (anschließende) Schlechtleistung gestützten Kündigung nicht im Sinne eines treuwidrigen Verhaltens entgegen. Aus dem behaupteten „Schweigen“ der Beklagten im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses ergibt sich ebenfalls kein Erklärungswert, aus dem ein verständiger Arbeitnehmer in der Position der Klägerin schutzwürdig das Vertrauen ableiten konnte, der Arbeitgeber werde das Arbeitsverhältnis nicht wegen Schlechtleistung kündigen.

42

2. Eine Treuwidrigkeit ergibt sich weiterhin nicht daraus, dass die Klägerin von der Beklagten nicht zuvor wegen der von ihr angenommenen Schlechtleistung abgemahnt worden ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches der Ersten Abschnitts des KSchG ist der Arbeitgeber hierzu vor Ausspruch einer Kündigung nicht verpflichtet (BAG 21.02.2001 – 2 AZR 579/99).

43

3. Die Kündigung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als treuwidrig. Der aus Artikel 12 GG herzuleitende und über die Generalklauseln des BGB umzusetzende Mindestschutz des Arbeitnehmers auch außerhalb des Geltungsbereiches des Ersten Abschnitts des KSchG beschränkt sich darauf, diesen vor willkürlichen oder auf sachfremden Motiven beruhenden Kündigungen zu schützen (BVerfG 27.01.1998 – 1 BvL 15/87). Die Kündigung darf nicht rechtsmissbräuchlich sein (BAG 22.05.2003 – 2 AZR 426/02 – juris Rn. 27).

44

Dass der Kündigungsentschluss der Beklagten auf Willkür beruht oder mangels schutzwürdigem eigenen Interesse rechtsmissbräuchlich ist, hat die Klägerin nicht darlegen können. Zutreffend hat das Arbeitsgericht insoweit ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die Klägerin tatsächlich im erheblichen Umfang Schlechtleistungen erbracht hat oder ob von ihr eingeräumte Fehler auf mangelnder Zuarbeit Dritter beruhen. Willkür scheidet bereits dann aus, wenn die Beklagte einen tragfähigen Grund, der jedoch nicht am Maßstab des § 1 Abs. 2 KSchG zu messen ist, für die Kündigung vorbringen kann. Ein solcher Grund steht der Beklagten zur Seite. Das Arbeitsverhältnis der Parteien war unstreitig durch Probleme bei der Zusammenarbeit mit Kollegen in fachlicher aber auch persönlicher Hinsicht belastet. Dies räumt die Klägerin ein, indem sie vorträgt, sie habe nicht die nötige Zuarbeit erhalten. Wenn die Beklagte sich entschließt, diese objektiv gegebene Störung des Betriebsablaufs durch Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin im Wege der ordentlichen Kündigung zu beseitigen, so ist damit jedenfalls nicht die Grenze zur Willkür oder zum Rechtsmissbrauch überschritten. Auch wenn eine hierauf gestützte Kündigung im Geltungsbereich des Ersten Abschnitts des KSchG sich als sozialwidrig erweisen würde, so bedeutet dies angesichts der gesetzgeberischen Wertung, Kündigungen in Kleinbetrieben gerade nicht an diesem Maßstab zu messen, nicht, dass eine sozialwidrige Kündigung „automatisch“ als willkürlich einzustufen ist.

V.

45

Aus den vorgenannten Gründen ist die Kündigung auch nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig. Sie ist vielmehr von einem Grund getragen, der in der Rechtsordnung Anerkennung findet.

VI.

46

Ein zur Unwirksamkeit der Kündigung führender Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB (i. V. m. § 134 BGB) liegt ebenfalls nicht vor. Die auch insoweit darlegungspflichtige Klägerin hat hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Ihr Sachvortrag, die Kündigung sei die Reaktion auf die Einschaltung des Integrationsamtes im Jahr 2011, ist nicht ausreichend. Weitere Indiztatsachen, aus denen auf eine derartige Motivationslage des Arbeitgebers (vgl. BAG 22.05.2003 – 2 AZR 426/02 – juris Rn. 50) geschlossen werden könnte, hat die Klägerin nicht dargetan.

VII.

47

Da die Beklagte auch die der Klägerin zustehende Kündigungsfrist gewahrt hat (§§ 622 Abs. 1 BGB; 86 SGB IX), konnte das Rechtsmittel der Klägerin keinen Erfolg haben.

B.

48

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

C.

49

Gegen diese Entscheidung findet ein weiteres Rechtsmittel nicht statt. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor. Den entscheidungserheblichen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.

50

Auf § 72a ArbGG wird hingewiesen.


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