Urteil vom Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (5. Kammer) - 5 Sa 68/05

Tenor

1. Die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 05.01.2005, Az.: 4 Ca 236 c/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz zu beschäftigen und sich daraus ergebenden Verzugslohn.

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Der jetzt 42-jährige Kläger ist bei dem beklagten Land, endvertreten durch das Straßenbauamt ..., als ausgebildeter Straßenwärter angestellt. Bei seiner Eingruppierung in Lohngruppe V a MTL-II erzielt er eine Monatsvergütung von rund € 1.900,00 brutto.

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Der Kläger ist seit dem 01.01.2001 fortlaufend arbeitsunfähig krank. Aufgrund einer Funktionseinschränkung der Wirbelsäule ist er dauerhaft nicht mehr in der Lage, die Tätigkeiten eines Straßenwärters auszuüben. Er ist zu 30 % schwerbehindert und Schwerbehinderten gleichgestellt. Ein von ihm gestellter Rentenantrag wegen Erwerbsminderung wurde abgelehnt.

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Der Kläger bot der Beklagten mehrfach seine Arbeitskraft z. B. als Hausmeister oder Mautkontrolleur an (Bl. 10, 11 13 f. d. GA.), welches die Beklagte mit dem Hinweis, dass eine andere Einsatzmöglichkeit als diejenige eines Straßenwärters in der Straßenmeisterei. I... nicht zur Verfügung stehe (Bl. 12, 15 d. GA.). Dem Kläger fehlen derzeit die fachlichen Voraussetzungen, um Verwaltungstätigkeiten ausüben zu können.

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Am 29.01.2004 hat der Kläger mit den Anträgen,

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1. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger an einem leidensgerechten Arbeitsplatz zu beschäftigen;

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2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 1.895,54 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2003 zu zahlen,

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Klage beim Arbeitsgericht Elmshorn erhoben. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere des streitigen Parteivorbringens, wie er in der ersten Instanz vorgelegen hat, wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. § 81 SGB IX scheide als Anspruchsgrundlage aus, da der Kläger kein schwerbehinderter Mensch i. S. d. § 2 SGB IX sei. Der Beschäftigungsanspruch könne auch nicht auf § 241 Abs. 2 BGB gestützt werden. Da der Kläger die vertraglich geschuldete Arbeit unstreitig nicht angeboten habe, stehe ihm auch kein Verzugslohn für den Monat November 2003 zu.

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Gegen dieses ihm am 10.01.2005 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 09.02.2005 beim Landesarbeitsgericht eingelegten Berufung, die er am 10.03.2005 begründet hat.

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Der Kläger ist der Auffassung,

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dass der Arbeitgeber zur Versetzung verpflichtet sei, wenn der Arbeitnehmer zur Erfüllung seiner geschuldeten Arbeitsleistung unfähig sei. Dies folge aus der sich aus § 241 Abs. 2 BGB ergebenden Rücksichtnahmepflicht. In analoger Anwendung des Rechtsgedankens des § 1 Abs. 2 KSchG könne sich der Arbeitgeber nicht damit begnügen, das Fehlen freier geeigneter Arbeitsplätze festzustellen, sondern habe ggf. eine Umorganisation vorzunehmen und einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Wahrnehmung seines Direktionsrechts freizumachen. Des Weiteren legt der Kläger im Berufungsverfahren den Gleichstellungsbescheid der Bundesanstalt für Arbeit - Arbeitsamt E... – vom 30.01.2002 vor und stützt seinen Beschäftigungsanspruch auf § 81 SGB IX. Die Beklagte habe ihn mithin entsprechend seinen Fähigkeiten und Kenntnissen zu beschäftigen.

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Der Kläger beantragt,

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das am 05. Januar 2005 verkündete und am 10 Januar 2005 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn, Aktenzeichen 4 Ca 236 c/04, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,

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1. den Kläger an einem leidensgerechten Arbeitsplatz zu beschäftigen;

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2. an den Kläger € 1.895,54 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01. November 2003 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Sie habe keine Möglichkeit, vermittels Direktionsrechts die Arbeitnehmer auf den Arbeitsplätzen, die der Kläger ausfüllen könne, so hin- und herzuschieben, dass am Ende ein Arbeitsplatz frei sei. So bedauerlich es sei, sei § 81 SGB IX keine Anspruchsgrundlage, die den Klagantrag tragen würde, weil die Voraussetzungen dazu einfach nicht vorhanden seien. Trotz intensiver Prüfung durch die Dienststelle Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein habe man keinen leidensgerechten Arbeitsplatz für den Kläger finden können. Die Beklagte beschäftige keine Hausmeister mehr. Diese Aufgaben seien auf die Gebäudemanagement Schleswig-Holstein (GMSH) übertragen worden. Die Mautkontrolle obliege nicht der Straßenbauverwaltung, sondern der Fa. Toll-Collect bzw. dem Bundesamt für Güterverkehr.

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Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 07.06.2005 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und auch im Übrigen zulässig.

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In der Sache hat die Berufung indessen keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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I. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zuweisung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes.

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1. Die Berufungskammer hat bereits erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit des Klagantrags zu Ziff. 1, mit welchem der Kläger die Beschäftigung auf einem „leidensgerechten Arbeitsplatz“ begehrt (vgl. LAG Hessen, Urt. v. 08.01.1998 – 5 Sa 895/97 -, zit. n. Juris). Will der Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch klagweise durchsetzen, so muss er im Antrag die begehrte Beschäftigung nach Art und Umfang konkret bezeichnen, um dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu entsprechen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich im Rahmen seines Direktionsrechts befugt ist, dem Arbeitnehmer einen bestimmten Arbeitsplatz zuzuweisen. Der Arbeitnehmer kommt dem Bestimmtheitsgebot dann nach, wenn er die Tätigkeit nach Art und Umfang dahingehend konkretisiert, indem er neben dem Arbeitsumfang beispielsweise die Berufsbezeichnung (z. B.: Bäcker, Buchhalterin, Elektriker, Ingenieur) nennt oder die Tätigkeit (z. B.: Haushaltshilfe, Hausmeister, Gartenarbeiter, Bote, Schreibkraft) umschreibt. Ob der Arbeitnehmer dann als Bäcker in der Teigmacherei oder am Backofen beschäftigt wird, obliegt dem Arbeitgeber kraft dessen Direktionsrechts. Grundsätzlich ist auch ein Antrag der Auslegung gemäß § 133 BGB zugänglich. Für die Auslegung eines Antrages kann auch auf die Klagbegründung zurückgegriffen werden.

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Hieran gemessen bestehen zumindest Zweifel an der Zulässigkeit des Beschäftigungsantrages. Zwar nennt der Kläger in der Klagbegründung beispielhaft die Beschäftigung als Hausmeister und als Mautkontrolleur, indessen geht er auf die Einwände der Beklagten, dass diese über solche Arbeitsplätze nicht verfüge, nicht weiter ein, insbesondere bezieht er sich nicht auf einen einzigen nachweisbaren Hausmeisterposten oder eine verfügbare Mautkontrolleurstelle beim beklagten Land.

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2. Selbst wenn der Antrag unter Berücksichtigung des sich aus der Klagbegründung ersichtlichen Klageziels dahingehend auszulegen wäre, dass der Kläger eine Beschäftigung als Hausmeister oder Mautkontrolleur begehrt, ist der Antrag jedenfalls unbegründet.

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a) Nach § 81 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte und schwerbehinderten Menschen gleichgestellte Arbeitnehmer gegenüber ihren Arbeitgebern einen Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Nach § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX steht indessen auch dieser besonders kodifizierte Beschäftigungsanspruch unter dem Vorbehalt, dass seine Erfüllung für den Arbeitgeber zumutbar und nicht mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist. Das Schwerbehindertenrecht gewährt mithin keinen Anspruch auf einen bestimmten Arbeitsplatz und auch kein Recht, nach seinen Neigungen und Wünschen beschäftigt zu werden. Es räumt dem schwerbehinderten Arbeitnehmer im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf ein, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, dass er entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann. Der Anspruch entsteht unmittelbar bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (BAG, Urt. v. 03.12.2002 – 9 AZR 481/01 -; AP Nr. 2 zu § 81 SGB IX; BAG, Urt. v. 28.04.1998 – 9 AZR 348/97 -, AP Nr. 2 zu § 14 SchwbG 1986). Sofern der Arbeitgeber über einen näher konkretisierten leidensgerechten Arbeitsplatz verfügt, ist er verpflichtet, dem schwerbehinderten Arbeitnehmer diesen Arbeitsplatz entweder durch Ausübung seines Direktionsrechts zuzuweisen oder ihm den Abschluss eines dahingehenden Änderungsvertrages anzubieten. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber diesen leidensgerechten Arbeitsplatz erst durch Ausübung des Direktionsrechts für den schwerbehinderten Arbeitnehmer „freimachen“ muss und hierdurch für den versetzen Arbeitnehmer keine ernsthaften Erschwernisse verbunden sind (LAG Hamm, Urt. v. 17.05.2001 – 8 (6) Sa 30/01 -, zit. n. Juris). Bei der Besetzung freier Arbeitsplätze ist der Arbeitgeber von sich aus verpflichtet, zu prüfen, ob diese für den schwerbehinderten Arbeitnehmer in Betracht kommen. Im Rahmen dieser Prüfungspflicht muss der Arbeitgeber selbst initiativ werden und darf sich nicht darauf beschränken, dass sich der schwerbehinderte Arbeitnehmer auf Stellenanzeigen bewerben könne. Indessen ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, einen zusätzlichen Arbeitsplatz für den schwerbehinderten Arbeitnehmer einzurichten (LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 09.02.2004 – 7 Sa 1099/03 -, LAGE § 81 SGB IX Nr. 2). Insbesondere fällt es in die freie Unternehmerentscheidung des Arbeitgebers, festzulegen, welche Arbeiten er in seinem Betrieb durch eigene Mitarbeiter oder ggf. gar nicht oder etwa durch Fremdvergabe (Outsourcing) ausführen lassen will. Es ist nicht Sache der Arbeitsgerichte, die Sinn- und Zweckmäßigkeit der arbeitstechnischen Vorgaben und der Personalplanung des Arbeitgebers zu überprüfen.

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aa) Auch wenn sich die Berufungskammer nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die Beklagte ihrer oben dargelegten Prüfungspflicht, ob ein leidensgerechter Arbeitsplatz für den Kläger vorhanden ist, nicht gebührend nachgekommen ist, hat der Kläger keinen Anspruch darauf, als Hausmeister bei der Beklagten beschäftigt zu werden. Das beklagte Land beschäftigt keine eigenen Hausmeister mehr. Die Hausmeistertätigkeiten der landeseigenen Gebäude sind auf die GMSH, einer Anstalt öffentlichen Rechts, übertragen worden. Der Kläger geht auch Fehl in der in der Berufungsverhandlung geäußerten Auffassung, dass dies rechtlich nicht einwandfrei, zumindest zweifelhaft sei. Denn es obliegt dem Arbeitgeber, festzulegen, ob und ggf. mit wie viel Personal er bestimmte Arbeiten in seinem Betrieb/ Unternehmen ausführen lassen will. Die Beklagte hat sich entschlossen, die Verwaltung und Betreuung der landeseigenen Gebäude und Liegenschaften nicht mehr durch eigenes Personal wahrzunehmen, sondern auf die GMSH zu übertragen. Die GMSH ist eine eigene Rechtspersönlichkeit, sodass die Beklagte nicht über die bei der GMSH bestehenden Arbeitsplätze (Hausmeisterstellen) verfügen kann. Ungeachtet dessen hat die Kammer auch Zweifel daran, ob der Kläger aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen im Bewegungsapparat gesundheitlich in der Lage ist, die teilweise mit körperlich schwerer Arbeit verbundenen Hausmeistertätigkeiten auszuüben.

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bb) Die Beklagte beschäftigt auch keine Mautkontrolleure, sodass der Kläger auch keinen dahingehenden Beschäftigungsanspruch hat. Darüber hinaus hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass er die fachliche Qualifikation für einen solchen Arbeitsplatz besitzt.

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cc) Der Kläger hat auch sonst nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte über einen anderen leidensgerechten freien oder zumindest freimachbaren Arbeitsplatz verfügt. Zur ordnungsgemäßen Anspruchsbegründung hätte der Kläger zumindest annähernd konkret umschreiben müssen, wie er sich seine künftige Beschäftigung bei der Beklagten vorstellt. Dies ergibt sich aus der prozessualen Darlegungs- und Beweislastverteilung. Danach hat der Kläger die anspruchsbegründenden Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen. Dies gilt auch in Bezug auf den Beschäftigungsanspruch nach § 81 Abs. 4 SGB IX. Er hätte mithin die beantragte leidensgerechte Beschäftigung nach Art und Umfang konkretisieren müssen. Erst danach ist die Beklagte im Wege der abgestuften Darlegungs- und Beweispflicht gehalten, konkret zu erwidern und ggf. darzulegen, dass ein solcher Arbeitsplatz nicht vorhanden oder nicht frei ist. In diesem Rahmen hat die Beklagte dann auch darzulegen, auf welche Bereiche sie ihre Prüfung erstreckt hat. Ohne nähere Konkretisierung einer möglichen Beschäftigung ist es dem Gericht nicht möglich, zu überprüfen, ob die Beklagte überhaupt über einen leidensgerechten Arbeitsplatz verfügt und ob sie den Kläger im Rahmen der Zumutbarkeit hierauf beschäftigen kann.

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b) Das Arbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass § 241 Abs. 2 BGB für den strittigen Beschäftigungs- bzw. Versetzungsanspruch auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz keine geeignete Anspruchsgrundlage ist. Die in § 241 Abs. 2 BGB normierte Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme regelt nunmehr ausdrücklich einen allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, der auf alle Arten von Schuldverhältnissen Anwendung findet und zuvor der Generalklausel des § 242 BGB entnommen worden ist. Bei der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme i. S. d. handelt es sich im Gegensatz zu den Haupt- und Nebenleistungspflichten um so genannte nicht selbstständig einklagbare Schutzpflichten (Palandt, BGB, 64. Aufl., Rn. 7 zu § 241 BGB). Die Hauptleistungspflicht bestimmt den Schuldvertragstyp (z.B.: Kaufvertrag [§ 433 BGB]), Mietvertrag [§ 535 BGB], Dienstvertrag [§ 611 BGB]) und bedarf in der Regel einer ausdrücklichen Vereinbarung. Die Nebenleistungspflichten dienen der Vorbereitung, Unterstützung, Sicherung und vollständigen Erfüllung bzw. Durchführung der Hauptleistungspflicht; sie ergänzen die Hauptleistungspflicht. Die Nebenpflichten sind teils gesetzlich (z.B.: § 433 S. 2; § 535 S. 2 BGB; § 611 a BGB) aber überwiegend durch besondere Vereinbarung (z.B.: Verpackung- und Versicherungspflicht; Gestellung eines Dienstfahrzeugs) geregelt. Nebenpflichten sind selbstständig einklagbar. Die so genannten Schutzpflichten als weitere Verhaltens-, Aufklärungs-, Fürsorge-, Obhuts-, Sorgfalts- und unselbstständige Nebenpflichten bezwecken demgegenüber das Integritätsinteresse des Vertragspartners zu wahren. Jeder Vertragsteil hat sich bei der Abwicklung des Vertragsverhältnisses so zu verhalten, dass der andere Teil vor (Begleit-)Schäden an anderen Rechten, Rechtsgütern und rechtlich geschützten Interessen nach Möglichkeit bewahrt wird (Jauernig, BGB, 11. Aufl., Rn. 10 zu § 241 BGB). Zu diesen Schutzpflichten zählen insbesondere gegenseitige Rücksicht durch Aufklärung, Warnung, Sicherung, Obhut und Fürsorge). Die Schutzpflichten stehen nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis und sind, sofern sie nicht gleichzeitig vertragliche Nebenpflichten sind, nicht selbstständig einklagbar. Die Verletzung von reinen Schutzpflichten kann allenfalls Schadensersatzansprüche auslösen (Jauernig, a.a.O., Rn. 10 zu § 241 BGB; Palandt, a.a.O., Rn. 7 zu § 241 BGB).

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Dem steht insbesondere auch nicht die vom Kläger genannte Zitatstelle im Arbeitsrechts-Handbuch von Schaub entgegen (11. Auflage, § 45, Rn. 45). Aus der Fürsorge- und Rücksichtnahmepflicht kann sich eine selbstständig einklagbare Nebenpflicht des Arbeitgebers zur Versetzung - im oben genannten Sinne - ergeben, wenn der Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen und dem Arbeitgeber die Versetzung zumutbar ist. In diesem Fall erstarkt sozusagen die in § 241 Abs. 2 BGB normierte Schutzpflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme zu einer vertraglichen Nebenpflicht. Im vorliegenden Fall ist diese vertragliche Nebenpflicht gesetzlich geregelt in § 81 Abs. 4 SGB IX, deren Voraussetzungen vom Kläger nicht dargelegt worden sind.

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II. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf die Vergütung für November 2003. Da der Kläger im November 2003 nicht gearbeitet hat und der sechswöchige Entgeltfortzahlungsanspruch bereits abgelaufen war, steht ihm unstreitig weder Lohnanspruch noch ein Entgeltfortzahlungsanspruch zu, § 611 Abs. 1 2. Hbs. BGB, § 3 EfZG. Der Zahlungsantrag ist aber auch nicht gemäß § 615 BGB begründet. Der Kläger hat seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung unstreitig zu keinem Zeitpunkt angeboten, sodass die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung nicht in Verzug geraten ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Beklagte auch nicht deshalb mit der Annahme seiner Dienste in Verzug geraten, weil sie ihm keinen leidensgerechten Arbeitsplatz bereitgestellt hat. Insoweit kann auf Ziff. I. dieser Entscheidungsgründe verwiesen werden.

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Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO i. V. m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

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Es bestand gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, § 72 Abs. 2 ArbGG.


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