Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 499/14
Tenor
Das Versäumnisurteil des Landgerichts Dortmund vom 11.02.2015 (Az.: 3 O 499/14) wird aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 9.000,00 € tragen die Kläger als Gesamtschuldner mit Ausnahme der eventuell durch die Säumnis bedingten Mehrkosten, welche die Beklagte zu tragen hat.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Kläger, die mit einer weiteren Gesellschafterin eine vertrags- und privatärztliche radiologisch-nuklearmedizinische Gemeinschaftspraxis in I betreiben, fordern mit der vorliegenden Klage Bearbeitungsgebühren für zwei in Anspruch genommene B-FörderDarlehen zurück. Bei dem Darlehen vom 02.08.2010 mit einem Kreditbetrag von 312.500,00 € und dem Darlehen vom 04.03.2011 mit einem Kreditbetrag von 150.000,00 € wurden jeweils 2 % Bearbeitungsgebühr vom Nennbetrag in Abzug gebracht (Anlagen K2 und K4). Die Bearbeitungsgebühren in Höhe von 6.250,00 und 2.750,00 € wurden von der Beklagten einbehalten.
3Die Darlehensaufnahme durch die Kläger erfolgte ausweislich der Darlehensverträge jeweils zum Zwecke der Finanzierung ihrer Beteiligung an der Gemeinschaftspraxis („Verwendungszweck: Erwerb Kassenarztsitz/Geschäftsanteil“). Die Darlehensbeträge dieser zweckgebundenen Refinanzierungskredite stammten aus dem Kreditprogramm „O-.Bank.Mittelstandskredit“ und wurden der Beklagten von der O-.Bank und der L- Mittelstandsbank gemäß Refinanzierungszusagen vom 13.07.2010 und 25.02.2011 zur Verfügung gestellt. Dies war für die Kläger aus den Darlehensverträgen ersichtlich.
4Die Beklagte reichte die Darlehen in Höhe von jeweils 96 % des Nennbetrages an die Kläger aus. Den Förderbedingungen entsprechend teilte sich der jeweilige Abzug vom Nennbetrag ausweislich der Vertragsbedingungen auf eine einmalige, laufzeitunabhängige Bearbeitungsgebühr sowie eine Risikoprämie für das Recht zur außerplanmäßigen Tilgung des Darlehens in Höhe von jeweils 2 % des Nennbetrages auf. Die Förderbanken behielten ihrerseits bei der Auszahlung der Darlehensbeträge an die Beklagte insgesamt 4 % des jeweiligen Nennbetrages ein. Diese Abzugsbeträge verblieben bei den Förderbanken.
5Die Kläger sind der Ansicht, die Beklagte sei hinsichtlich der einbehaltenen Bearbeitungsgebühren ungerechtfertigt bereichert. Die formularmäßige Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr sei unwirksam, da die Klausel mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei und sie als Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben benachteilige. Daher verstoße die Regelung gegen § 307 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 BGB. Die vom BGH aufgestellten Grundsätze zur Unzulässigkeit von formularmäßig vereinbarten Bearbeitungsentgelten bei Verbraucherkreditverträgen seien auch im Falle von öffentlich geförderten Krediten anwendbar. Daher stehe ihnen ein Anspruch auf Rückzahlung der Bearbeitungsgebühren nebst gezogener Nutzungen und (Verzugs-) Zinsen auf diesen Betrag seit dem 16.10.2014 zu.
6Die Kläger haben ursprünglich beantragt,
7die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger den Betrag in Höhe von 9.000,00 € nebst gezogener Nutzungen in Höhe von 1.754,21 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.10.2014 zu zahlen.
8Am 11.02.2015 hat die Kammer im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 331 Abs. 3 ZPO ein klagezusprechendes Versäumnisurteil erlassen. Mit am 05.03.2015 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag hat die Beklagte Einspruch gegen das ihr am 19.02.2015 zugestellte Versäumnisurteil eingelegt und diesen sogleich und ergänzend mit Schriftsatz vom 08.10.2015 begründet.
9Die Beklagte ist der Ansicht, die von den Klägern angeführte BGH-Rechtsprechung sei nicht auf Unternehmenskredite übertragbar, jedenfalls seien Bearbeitungsentgelte bei Förderdarlehen nicht zu beanstanden. Es liege schon keine kontrollfähige Preisnebenabrede vor, sondern eine kontrollfreie Preisabrede. Der Abzugsbetrag diene zur Deckung der bei den Förderinstituten entstehenden Kosten, die durch die besondere Ausgestaltung der Fördertätigkeit bedingt seien. Insofern liege eine Sonderleistung im Interesse der Kläger vor. Jedenfalls sei eine unangemessene Benachteiligung der Kläger nicht gegeben. Schließlich habe die Beklagte durch das Bearbeitungsentgelt auch keinen Vorteil erlangt, da sie selbst das Darlehen nur reduziert um den Abzugsbetrag erhalten habe. Auch ein Nutzungsersatzanspruch scheide daher aus.
10Die Beklagte erhebt überdies die Einrede der Verjährung.
11Sie beantragt nunmehr,
12wie erkannt.
13Die Kläger beantragen,
14das Versäumnisurteil vom 11.02.2015 aufrechtzuerhalten.
15Wegen des weiteren Sach- und Steitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Terminsprotokoll vom 16.10.2015 Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe:
171.
18Das Versäumnisurteil der Kammer vom 11.02.2015 war aufzuheben und die Klage abzuweisen.
19Ein Anspruch auf Erstattung der Bearbeitungsgebühren nebst Nutzungen und Zinsen steht den Klägern unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus den §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1 BGB.
20a)
21Die Beklagte hat bei beiden Darlehen sowohl das Bearbeitungsentgelt als auch die Risikoprämie von jeweils 2 % des Nennbetrages im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB erlangt. Der direkte Einbehalt der Darlehensvaluten durch die Bank stellt vereinbarungsgemäß die Leistung der Bearbeitungsentgelte durch die Darlehensnehmer im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB dar. Die Darlehensnehmer sind daher so zu stellen, wie wenn die Bank die Darlehensvaluten voll an sie ausgezahlt hätte und sie diese teilweise sogleich zur Rückzahlung der Bearbeitungsentgelte an die Bank verwendet hätten (vgl. BGH, Urt. jeweils v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13 u. XI ZR 17/14 – Rn. 25 u. Rn. 21 jeweils m.w.N.).
22Der Einbehalt der Bearbeitungsgebühren in Höhe der eingeklagten insgesamt 9.000,00 € durch die Beklagte erfolgte allerdings mit rechtlichem Grund. Denn die Vereinbarung des Bearbeitungsentgeltes in den streitgegenständlichen Darlehensverträgen ist nicht nach § 307 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Es liegt keine unangemessene Benachteiligung der Kläger vor.
23aa)
24Zwar ist die formularmäßig vereinbarte Regelung betreffend die Bearbeitungsgebühr als eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zu qualifizieren, denn sie ist eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die den Klägern bei Abschluss der Verträge von der Beklagten gestellt worden ist.
25Weiterhin sind nach § 310 Abs. 1 S. 2 BGB auch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer verwendet werden, der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 u. Abs. 2 BGB grundsätzlich zugänglich.
26Auch stellt die Vereinbarung des Bearbeitungsentgeltes nach Auffassung des Gerichts eine kontrollfähige Preisnebenabrede dar und ist somit nicht der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 S. 1 BGB entzogen (vgl. LG Bamberg, Urt. v. 14.01.2015 – 3 S 80/14 – http://www.finanztip.de/community/attachment/343-lg-bamberg-3-s-80-14-pdf/; LG Augsburg, Urt. v. 16.12.2014 – 31 O 3164/14 – zit. nach juris; a.A. wohl LG Itzehoe, Urt. v. 01.07.2014 – 1 S 187/13 – zit. nach juris). Da das Bearbeitungsentgelt eine laufzeitunabhängige Zahlung ist, kann es nicht als Zins und daher nicht als kontrollfreie vertragliche Hauptleistungspflicht nach § 488 Abs. 1 S. 2 BGB eingeordnet werden. Ebenso wurde das Bearbeitungsentgelt nicht für eine rechtlich selbständige und deshalb kontrollfreie Sonderleistung erhoben. Vielmehr stellt das Bearbeitungsentgelt aus Sicht des verständigen Durchschnittskunden eine Entschädigung für den Aufwand der Bank bei Abwicklung und Auszahlung des Darlehens und damit eine kontrollfähige Preisnebenabrede dar (vgl. zur Differenzierung zwischen Preisneben- und Preishauptabreden: BGH, Urt. jeweils v. 13.05.2014 – XI ZR 405/12 u. XI ZR 170/13 – Rn. 25 ff. bzw. Rn. 34 ff.).
27bb)
28Allerdings hält die Vereinbarung des Bearbeitungsentgeltes der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 BGB stand, die Kläger sind durch die Vereinbarung nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt.
29Insbesondere ist die Erhebung eines Bearbeitungsentgeltes im vorliegenden Fall keine Bestimmung, die mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
30Die Rechtsprechung des BGH zur Unzulässigkeit von Bearbeitungsgebühren bei Verbraucherdarlehensverträgen (vgl. Urteile vom 13.05.2014, XI ZR 405/12 und XI ZR 170/13, Urteile vom 28.10.2014, XI ZR 348/13 und XI ZR 17/14) ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht übertragbar.
31Dabei kann offenbleiben, ob eine Übertragung der Rechtsprechung auf Unternehmenskreditverträge möglich ist (vgl. hierzu die umfangreichen instanzgerichtlichen Rechtsprechungsnachweise bei van Bevern/Schmitt, BKR 2015, 323, 325 mit Fn. 27), da jedenfalls im Fall eines Förderdarlehens keine unangemessene Benachteiligung der Kläger durch die Erhebung eines sog. Bearbeitungsentgelts gegeben ist.
32Förderdarlehen haben die Besonderheit, dass damit wirtschafts- oder geopolitische, öffentliche Zwecke verfolgt werden (vgl. § 2 KfW-Gesetz). Diese Zwecke und die damit zusammenhängende Aufgabe der Förderbanken haben zur Folge, dass die Darlehenskonditionen nicht von den Kreditinstituten, die die Darlehensvaluta an den Endkreditnehmer ausreichen (vgl. § 3 Abs. 1 S. 1 KfW-Gesetz), beeinflusst werden. Vielmehr haben diese keine Möglichkeit, auf die Darlehenskonditionen Einfluss zu nehmen. Die Konditionen sind vielmehr in Förderrichtlinien festgeschrieben und das Darlehen wird – unabhängig davon, welche Hausbank einbezogen wird – dann ausgezahlt, wenn der Tatbestand dieser Richtlinien erfüllt ist. Es fehlt damit bereits an einer von der Geschäftsbank ausgeübten besonderen Gestaltungsmacht, deren Nachteile durch die Inhaltskontrolle gemäß den §§ 307 ff. BGB begrenzt werden müsste (ebenso: LG Bamberg, a.a.O.; LG Bückeburg, Urt. v. 11.09.2014 – 1 S 60/13 – http://www.finanztip.de/community/attachment/124-lg-bueckeburg-1-s-60-13-pdf/, Revisionsverfahren XI ZR 454/14 beim BGH anhängig).
33Im Falle eines Förderdarlehens nimmt die Bank, welche die Darlehensvaluta an den Endkreditnehmer ausreicht, als zwischengeschaltete Hausbank eine Art Vermittlerrolle ein. Diese vermittelnde Funktion und die daraus resultierenden Tätigkeiten, die sich schon aus der notwendigen Kommunikation mit den Förderbanken ergeben, sind notwendige Voraussetzungen zur Erlangung des Förderdarlehens aus dem Kreditprogramm der Förderbanken und geschehen damit vor allem im klägerischen Interesse. Die Kläger haben die Dienste der Beklagten deshalb in Anspruch genommen, weil sie nur durch deren Zwischenschaltung an die von den Förderbanken ausgebrachten zinsverbilligten Kredite aus öffentlichen Förderprogrammen gelangen konnten. Dass die Beklagte, die selbst nur 96 % der Kapitalsumme von den Förderbanken erhalten hat, nur einen entsprechenden Betrag an die Kläger weiterleitet, stellt angesichts der gewollten Vermittlung eines Vertrages bei den Förderbanken keine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben dar. Die Kläger können schlechterdings nicht erwarten, dass die Beklagte die Summe aus eigenen Mitteln anfüllt und mehr Kapital weiterleitet, als sie selbst von den Förderbanken erhalten hat (LG Itzehoe, ebda.; LG Augsburg, ebda.).
34b)
35Selbst wenn die Klausel betreffend die Bearbeitungsgebühr unwirksam wäre und damit ein rechtlicher Grund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB fehlte, käme ein Bereicherungsanspruch dennoch nicht in Betracht, da kein abschöpfungsfähiger Vorteil in dem Vermögen der Beklagten vorhanden ist.
36Zwar zahlte die Beklagte nur 96 % des Nennbetrages an die Kläger aus, sie erhielt jedoch selbst nur 96 % der Kapitalsumme von den Förderbanken ausgereicht. Durch den Einbehalt des Abzugsbetrages seitens der Förderbanken erlitt die Beklagte einen vermögensrechtlichen Nachteil, der mit der Bereicherung in Zusammenhang steht und daher als abzugsfähig zu berücksichtigen ist. Wirtschaftlich betrachtet reichte die Beklagte die Bearbeitungsgebühren nur an die Förderbanken weiter, sodass ihr selbst durch den Einbehalt der Bearbeitungsgebühren kein vermögensrechtlicher Vorteil verbleibt. Obwohl die Kläger keine Vertragsverhältnisse zur Förderbank unterhalten, stehen doch beide Vermögensverschiebungen in einem adäquat kausalen Zusammenhang und sind daher bei der Beurteilung über den Verbleib des Vermögensvorteils zu berücksichtigen (vgl. LG Augsburg, ebda.).
37Ein Anspruch der Kläger auf Herausgabe gezogener Nutzungen bzw. Zinsen gemäß den §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1 BGB scheidet vor diesem Hintergrund ebenfalls aus.
382.
39Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 91 Abs. 1 S. 1, 344 ZPO. Den Streitwert hat das Gericht nach § 3 ZPO festgesetzt. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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