Urteil vom Landgericht Flensburg (1. Zivilkammer) - 1 S 77/07

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das Schlussurteil des Amtsgerichts Flensburg vom 06.09.2007 - 68 C 45/07 - geändert und die Klage abgewiesen, soweit sie über das Teilanerkenntnisurteil vom 13.06.2007 gegen die Beklagte zu 2) hinausgeht.

Soweit nicht die Beklagte zu 2) zur Kostentragung erster Instanz durch das Teilanerkenntnisurteil vom 13.06.2007 verurteilt worden ist, trägt die weiteren Gerichtskosten und weiteren eigenen außergerichtlichen Kosten des Klägers sowie die vollen außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) bei einem Streitwert von 1.630,30 € in erster Instanz der Kläger. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz trägt der Kläger bei einem Streitwert von 1.370,00 €.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

I.

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Der Kläger als ehemaliger Vermieter begehrt Schadensersatz von der Beklagten zu 1) wegen Verschlechterung seiner Wohnung. Neben der Beklagten zu 2), die unstreitig Mieterin gewesen war und gegen die das Amtsgericht gemäß damaligem Antrag bereits vollen Umfangs Teilanerkenntnisurteil erlassen hatte, soll auch deren Betreuerin, die Beklagte zu 1), für den Schaden ersatzpflichtig sein.

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Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Ziffer 1 ZPO Bezug genommen.

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Das Amtsgericht hat die - nach Teilrücknahme hinsichtlich der Mehrwertsteuer verbleibende - Klageforderung gegen die Beklagte zu 1) dem Kläger vollumfänglich zugesprochen. Es hat die Beklagte zu 1) ebenfalls als Mieterin angesehen. Dafür würden beide Exemplare des Mietvertrages sprechen. Denn in beiden Exemplaren sei auf Mieterseite auch die Beklagte zu 1) erwähnt. Unerheblich sei, dass der Kläger auf ein Exemplar, das die Beklagte zu 1) durch spätere Kennzeichnung für sich bestimmt habe, vor den Namen der Beklagten zu 1) das Wort "Betreuerin" gesetzt habe. Das Amtsgericht glaube der Beklagten zu 1) nicht, dass sie selbst den weiteren Zusatz "vertreten durch" vor Unterschriftsleistung des Klägers eingefügt habe. Die Vollständigkeit und Richtigkeit einer Vertragsurkunde werde vermutet. Für ihre Behauptung, sie habe ausschließlich als gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 2) gehandelt, sei die Beklagte zu 1) beweispflichtig und habe den Beweis nicht erbracht. Sie habe zwar ihre eigene Parteivernehmung angeboten, mit der der Kläger jedoch nicht einverstanden gewesen sei. Durch das Verhalten der Beklagten zu 2) sei dem Kläger ein Schaden in Form der Verunreinigung des Marmorfußbodens entstanden. Die Beklagte zu 1) könne den Schadenseintritt nicht durch einfaches Bestreiten negieren, indem sie behaupte, der Marmorfußboden habe keine Beeinträchtigung oder Beschädigung aufgewiesen, die die übliche Abnutzung übersteige. Sie habe diese Beeinträchtigung festgestellt, ansonsten hätte sie nicht Leistungsansprüche gegenüber den Haftpflichtversicherern der Beklagten zu 2) mit der Begründung gestellt, in den Marmorfußboden seien Ausscheidungen und Dreck eingedrungen.

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Die Beklagte zu 1) könne sich nicht darauf berufen, dass der Kläger seiner Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen sei, weil er nicht, wie von ihr angeraten, der Beklagten zu 2) fristlos gekündigt habe. Die Beklagte zu 1) habe nichts dazu vorgetragen, wann die Verunreinigung eingetreten sei. Insofern könne der Schaden bereits eingetreten sein, bevor die Beklagte zu 1) den Kläger zur Kündigung aufgefordert habe.

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Hiergegen wendet sich die Beklagte zu 1) mit ihrer Berufung, greift allerdings die gerichtlichen Ausführungen zu dem entstandenen Schaden nicht an. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen zur Frage ihrer Eigenschaft als Mieterin und ergänzt dies durch Vorlage des Kündigungsschreibens des Klägers vom 17.06.2006 (Bl. 105 d. A.). Im Übrigen vertieft sie ihre rechtlichen Ausführungen. Sie rügt insbesondere und führt näher aus, dass das Amtsgericht sein Urteil auf eine fehlerhafte Würdigung des von den Parteien vorgetragenen tatsächlichen Sachverhalts, auf eine fehlerhafte Beweiswürdigung und eine fehlerhafte rechtliche Bewertung gestützt habe.

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Die Beklagte zu 1) beantragt,

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das am 06.09.2007 verkündete und der Beklagten zu 1) und Berufungsklägerin am 17.09.2007 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Flensburg, Az.: 68 C 45/07, aufzuheben und den Antrag des Klägers und Berufungsbeklagten zurückzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung kostenpflichtig abzuweisen.

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Der Kläger verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und ergänzt, dass die Angabe zweier Mieter dem entspreche, was zwischen den Parteien telefonisch besprochen worden sei. Der Zusatz "vertreten durch", den die Beklagte zu 1) im Mieter-Exemplar vorgenommen habe, habe nicht den Parteivereinbarungen entsprochen. Diese Beklagte habe gerade Mietvertragspartei sein sollen, weil er, der Kläger, habe sicherstellen wollen, dass die Beklagte zu 1) "sich auch um die Wohnung kümmern sollte und auch auf die Einhaltung der Pflege achten sollte" (Bl. 110 d.A.). Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 1) ihre Büroanschrift und ihren Beruf angegeben habe, könne nicht gefolgert werden, dass sie keine Mietvertragspartei habe sein wollen.

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Von einer Verwahrlosung der Beklagten zu 2) habe die Beklagte zu 1) ihm, dem Kläger, nichts berichtet, sondern lediglich, dass die Beklagte zu 2) in einem vorigen Mietverhältnis einen Wohnungsbrand verursacht habe. Aus diesem Grunde sei ihm ja auch daran gelegen gewesen, dass die Beklagte zu 1) Mietvertragspartei geworden sei, nämlich „um zu gewährleisten, dass die Wohnung regelmäßig kontrolliert wurde".

Entscheidungsgründe

II.

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Die zulässige Berufung ist begründet und führt zur Abänderung des amtsgerichtlichen Schlussurteils und zur Klageabweisung, soweit es die Beklagte zu 1) betrifft. Diese haftet weder aus dem Mietvertrag (1.) noch aufgrund ihrer Betreuerstellung (2.).

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1. Eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber dem Kläger wegen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) bezüglich einer Pflicht aus dem Mietverhältnis besteht nicht.

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a) Bereits aus dem unstreitigen Parteivortrag folgt, dass die Beklagte zu 1) nicht neben der Beklagten zu 2) weitere Mieterin der Wohnung des Klägers geworden ist.

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Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in beiden Vertragsausfertigungen jeweils auf Seite 1 unterschiedliche Formulierungen zur Bezeichnung der Mieterseite gewählt worden sind, ist jedenfalls in beiden Fällen das Betreuungsbüro Flensburg-Angeln angegeben. Von beiden Mietverträgen hat der Kläger vor Rücksendung des für die Mieterseite bestimmten Exemplars und vor eigener Unterschrift hinsichtlich aller Formulierungen Kenntnis nehmen können. Dem Zusatz "Betreuungsbüro FL-Angeln" und erst recht dem weiteren Zusatz "Betreuerin" vor dem Namen der Beklagten zu 1) in dem Vertragsexemplar, das der Kläger selbst ausgefüllt hat und das erst später von der Beklagten zu 1) der Mieterseite zugewiesen wurde, muss entnommen werden, dass die Beklagte zu 1) nur in ihrer Funktion als Betreuerin der Beklagten zu 2) deren mietvertraglich unwirksamen Erklärungen zur Wirksamkeit verhelfen wollte, nämlich durch eigene Unterschrift aufgrund des bestehenden Einwilligungsvorbehalts gemäß § 1903 BGB. Insofern liegt hier ein Fall des § 164 Abs. 1 S. 2 BGB vor, nämlich ein konkludentes Handeln der Beklagten zu 1) im Namen der Beklagten zu 2). Daher ist nur letztere aus dem Mietvertrag berechtigt und verpflichtet. Es ist kein sonstiger denkbarer Grund vorhanden, aus dem heraus die Beklagte zu 1) ihre Funktion als Betreuerin in den Mietvertrag hätte aufnehmen sollen, wenn nicht, um die Betreuung offen zu legen und - nur - die Beklagte zu 2) wirksam zu verpflichten.

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Dafür spricht auch der nachfolgende Schriftverkehr, der darüber Aufschluss gibt, dass der Kläger selbst die Beklagte zu 2) als alleinige Mieterin gesehen hat. Das gilt namentlich für die Kündigungserklärung des Klägers vom 17.06.2006, die die bis dahin durchgehaltene Betrachtung fortsetzt, dass lediglich die Beklagte zu 2) Mieterin sei. In diesem Schreiben an die Beklagte zu 1) heißt es: „Ich teile Ihnen mit, dass ich das Mietverhältnis von Frau V. M. P. (...) kündigen muss (...)“.

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Hätte es tatsächlich zwei Mieter gegeben, muss sich der Kläger zudem fragen lassen, aus welchem Grund es nur ein Mietvertragsexemplar für die Mieterseite gegeben hat. Auch spricht zusätzlich gegen eine Qualifikation der Beklagten zu 1) als Mieterin der Umstand, dass sie zu keiner Zeit beabsichtigte, die Wohnung - zusammen mit der Beklagten zu 2) - selbst zu bewohnen.

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b) Der geltend gemachte Anspruch würde aber auch in dem Fall, dass die Beklagte zu 1) als weitere Mieterin anzusehen wäre, scheitern. Denn aus der Beschädigung einer Mietsache durch einen der Mieter folgt nicht automatisch auch die Haftung eines anderen Mieters. Vielmehr gilt bei Gesamtschuldnern gemäß § 425 Abs. 1 und 2 BGB der Grundsatz der Einzelwirkung, der besagt, dass für und gegen jeden Gesamtschuldner nur die in seiner Person liegenden Umstände maßgeblich sind (vgl. LG Berlin NJW-RR 2002, 1452; Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Aufl. 2007, § 538 Rdnr. 7; Palandt/Grüneberg a.a.O. § 425 Rdnrn. 4, 16), abgesehen von den hier nicht eingreifenden Sondervorschriften der §§ 422 bis 424 BGB. Eine Ausnahme ist für Mietverträge dann gemacht worden, wenn der Vermieter den eingetretenen Schaden einem der Mieter nicht zuordnen kann und der Schaden aus der „Gesamtsphäre“ der Mieter entstanden ist (vgl. LG Berlin a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da die Beklagte zu 2) mit ihrem Anerkenntnis die Verunreinigung eingeräumt hat, die der Kläger ohnehin nur ihr zugeschrieben hatte.

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Im übrigen enthält auch der Mietvertrag selbst (§ 18) keine Haftungserweiterung. Soweit es dort heißt, dass mehrere Vermieter und/oder Mieter „als Gesamtschuldner haften“, gilt das oben besagte. Voraussetzung ist bei jedem Mieter jedenfalls auch ein eigenes Verschulden (vgl. § 425 Abs. 2 BGB), über dessen Fehlen § 18 des Mietvertrages nicht hinweghelfen kann. Denn eine Haftung als Gesamtschuldner setzt zunächst voraus, dass überhaupt eine eigene Haftung besteht.

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2. Die Beklagte zu 1) ist auch nicht unmittelbar aus ihrer Stellung als Betreuerin oder wegen Verschweigens der Verwahrlosungstendenzen der Beklagten zu 2) dem Kläger gegenüber schadensersatzpflichtig.

21

a) Ein Betreuer kann Dritten gegenüber aus Sachwalterhaftung verpflichtet sein, im übrigen mangels Drittwirkung von § 1833 BGB nur nach den allgemeinen Grundsätzen, insbesondere also aus unerlaubter Handlung (vgl. Palandt/Diederich-sen, a.a.O., vor § 1896 Rdnr. 16, 17).

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Ein nicht an einem Vertrag direkt Beteiligter kann aus Verschulden bei Vertragsanbahnung (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) haften, wenn er besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (vgl. Palandt/Grüneberg, a.a.O., § 311 Rdnr. 63 m.w.N.): Es haftet der Handelnde, der in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen, dadurch die Verhandlungen beeinflusst und dabei über das normale Verhandlungsvertrauen hinaus persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen hat. Ein die Eigenhaftung (mit)begründender Umstand kann die berufliche Stellung des Verhandelnden, seine Funktion oder seine Stellung als Sachwalter sein (Grüneberg a.a.O.). In der Regel wird eine Eigenhaftung bei einem Betreuer nicht in Betracht kommen (Grüneberg a.a.O. Rdnr. 64 unter Hinweis auf BGH NJW 1995, 1213 = FamRZ 1995, 282).

23

Entscheidend ist, dass die Beklagte zu 1) auf die Entscheidung des Klägers, mit der Beklagten zu 2) einen Mietvertrag abzuschließen, im Sinne der obigen Ausführungen keinen relevanten Einfluss genommen hat. Denn die Beklagte zu 2) und der Kläger waren sich nach übereinstimmendem Parteivortrag bereits über den Vertrag einig, bis sich herausstellte, dass eine Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt bestand.

24

Wenn über die konkrete Problematik der Verwahrlosungstendenzen der Beklagten zu 2) gemäß dem Vortrag des Klägers gar nicht gesprochen worden sein soll, kann dieser Umstand ihn auch nicht zum Vertragsschluss bewegt haben im Sinne einer Zusicherung, dass eine derartige Problematik nicht bestehe. Das behauptete Verschweigen der Verwahrlosungstendenzen könnte nur dann zur Schadensersatzpflicht führen, wenn die Beklagte zu 1) hier eine Aufklärungspflicht gehabt hätte. Aus dem Vortrag des Klägers folgt hier schon nicht, dass die Beklagte zu 1) sich weitergehend in die Vertragsverhandlungen eingebracht haben soll als notwendig war, um über eine Einwilligung zu dem Vertrag zu entscheiden. Soweit der Kläger dies in der Berufungsverhandlung anders dargestellt hat, hat die Beklagte zu 1) dies jedenfalls bestritten, ohne dass der Kläger seinen Vortrag hätte beweisen können. Insofern hat die Beklagte zu 1) nach alledem kein besonderes Vertrauen des Klägers in Anspruch genommen und dann auch keine damit im Zusammenhang stehende Aufklärungspflicht gehabt.

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b) Die allgemeine Stellung der Beklagten zu 1) als Betreuerin für sich genommen kann jedenfalls nach den Ausführungen in der Entscheidung BGH NJW 1995, 1213 eine Sachwalterhaftung nicht begründen. Denn die auf einem staatlichen Hoheitsakt beruhende Tätigkeit des Betreuers hat keine eine Vertrauenshaftung verstärkende oder auslösende Wirkung (BGH a.a.O. Rdnr. 13 bei juris). Zudem dient die Betreuung dem Interesse des Betreuten und nicht Dritter (vgl. BGH a.a.O. Rdnr. 15 - 17 bei juris und oben a)). Im übrigen ging offenbar auch der Kläger nicht davon aus, dass die Beklagte zu 1) die Beklagte zu 2) rund um die Uhr unter persönlicher Anwesenheit betreuen würde. Die nach den eigenen Vorstellungen des Klägers von der Beklagten zu 1) erwartete Einhaltung der Kontrolle und Pflege der Wohnung hätte ohnehin nicht den eingetretenen Schaden verhindern können.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, für die erste Instanz auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 713 ZPO.


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