Urteil vom Landgericht Flensburg (4. Zivilkammer) - 4 O 160/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages.
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Der Kläger schloss bei der Beklagten eine kapitalbildende Lebensversicherung gemäß dem Versicherungsschein vom 10.11.2004 (Anlage K 3, Bl. 22 ff. d.A.) ab. Dabei erhielt er die Verbraucherinformation (Anlage K 2, Bl. 21 d.A.) erst zusammen mit dem Versicherungsschein mit einem Anschreiben der Beklagten vom 10.11.2004 (Anlage K 1, Bl. 19 f. d.A.) übersandt.
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Mit Schreiben vom 26.11.2010 kündigte der Kläger die Versicherung zum 01.12.2010. Die Beklagte nahm mit Schreiben vom 26.11.2010 (Anlage K 17, Bl. 83 d.A.) eine Abrechnung vor und zahlte als Rückkaufswert zzgl. Überschussbeteiligung und einbehaltenen Beiträgen 3.328,39 € an den Kläger aus. Mit Schreiben seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 06.05.2011 und 11.05.2011 erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Versicherungsvertrages gemäß § 5a VVG 1994, den Widerruf gemäß §§ 495, 355 BGB und vorsorglich die Anfechtung nach §§ 119, 123 BGB und verlangte von der Beklagten die Rückzahlung aller eingezahlten Beiträge zzgl. Zinsen.
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Dieses Begehren verfolgt der Kläger mit der Klage weiter.
- 5
Er meint, die Widerspruchsfrist nach § 5 a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei nicht wirksam in Gang gesetzt worden, weil er in der Verbraucherinformation nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden sei, insbesondere habe eine Belehrung darüber gefehlt, dass eine rechtzeitige Absendung des Widerspruchs zur Fristwahrung ausreiche.
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Die Jahresfrist nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sei europarechtswidrig, ebenso aber auch der übrige Inhalt des § 5a VVG a.F. Das Policenmodell, das es erlaube, dem Versicherungsnehmer erst zusammen mit dem Versicherungsschein die Versicherungsbedingungen zu übersenden, widerspreche der Zielsetzung der europarechtlichen Richtlinien, wonach ein Verbraucher vor seiner verbindlichen Entscheidung für eine bestimmte Versicherung alle maßgeblichen Bedingungen kennen und die Möglichkeit zum Vergleich mit Konkurrenzprodukten haben müsse. Rechtsfolge dieser Europarechtswidrigkeit sei ein zeitlich unbeschränktes Widerrufsrecht.
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Auch nach § 495 BGB sei ein Widerrufsrecht begründet. Sei die Versicherungsprämie nämlich ein Jahresbeitrag, der mit entsprechenden Zuschlägen in monatlichen Raten zu zahlen sei, dann handele es sich der Sache nach um einen Kredit, bei dem die Angabe des effektiven Jahreszinses geboten sei. Die im alten Recht enthaltenen, von einer ordnungsgemäßen Belehrung unabhängigen Befristungen für einen Widerruf sein wegen Europarechtswidrigkeit unwirksam.
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Rechtsfolge von Widerspruch und Widerruf sei eine Rückerstattung aller Prämien nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, daneben aber auch eine Herausgabe der vom Versicherer gezogenen Nutzungen nach § 818 Abs. 1 BGB, also der Zinsvorteile. Diese müsse die Beklagte darlegen, da es sich um Vorgänge aus ihrer Sphäre handele. Die Zinsvorteile könnten aber jedenfalls auf 7 % geschätzt werden.
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Ihm stehe außerdem gegen die Beklagte auch ein Schadensersatzanspruch wegen Beratungsverschuldens zu. Er hätte nämlich entsprechend der Kick-Back-Rechtsprechung des BGH darüber belehrt werden müssen, dass ein Großteil der Prämien für die Zahlung der Provisionen der Versicherungsagenten und für Abschluss- und Verwaltungskosten verwendet würde. Durch die unterbliebene Belehrung sei ihm ein Schaden mindestens in Höhe der Klageforderung entstanden.
- 10
Hilfsweise könne er von der Beklagten Auskunft zur Ermittlung des Mindestrückkaufswertes verlangen. Die Beklagte habe nämlich bei der Abrechnung seines Vertrages die Beiträge in unzulässigerweise gezillmert und Stornoabzüge vorgenommen und im Ergebnis weniger als die Hälfte der Prämien als Rückkaufswert ausgezahlt.
- 11
Der Kläger beantragt,
- 12
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.839,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.06.2011 zu zahlen,
- 13
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 871,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
- 14
hilfsweise,
- 15
die Beklagte zu verurteilen,
- 16
a) in prüfbarer und - soweit für die Prüfung erforderlich - belegter Form darüber Auskunft zu erteilen, mit welchen Abschlusskosten die Beklagte den Zeitwert nach § 176 Abs. 3 VVG und welchem Abzug sie die Auszahlungsbeträge für den mit dem Kläger abgeschlossenen Lebensversicherungsvertrag belastet hat,
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b) die von der Beklagten erteilten Auskünfte durch die Vorlage entsprechender Unterlagen zu belegen,
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c) ggf. die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskünfte an Eides statt zu versichern und
- 19
d) die Beklagte zur Zahlung eines Betrages an den Kläger in einer nach der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 29.01.2011 zu verurteilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 22
Die Beklagte hält den Widerspruch des Klägers für verspätet und meint, er sei auf sein Widerspruchsrecht im Versicherungsschein ordnungsgemäß hingewiesen worden. § 5 a VVG a.F. sei europarechtskonform und wirksam. Nach einem Rücktritt sei ohnehin keine Widerspruch mehr möglich. Zudem habe der Kläger den Versicherungsvertrag durch sein Verhalten in den Jahren seit 2004 konkludent genehmigt, jedenfalls sei sein Widerspruchsrecht nach der langen Zeit verwirkt. Im Übrigen führe ein im Jahre 2011 erklärter Widerspruch nach § 152 VVG n.F. nur zu einem Anspruch auf Auszahlung des Rückkaufswertes.
- 23
Die Beklagte behauptet, sie habe keine Nutzungen von 7 % gezogen, erwirtschaftete Überschüsse seien den Versicherten nach § 81 VVG zugeflossen.
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Bei der Berechnung des Rückkaufswertes habe sie keinen Stornoabzug vorgenommen. Im Übrigen habe der Kläger wenigstens die Hälfte des ungezillmerten Deckungsbetrages erhalten.
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Die Beklagte hält schließlich das Verbraucherkreditrecht und die Kick-Back-Rechtssprechung im Bereich von Versicherungsverträgen für unanwendbar.
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Wegen der Einzelheiten der zitierten Schriftstücke wird auf die angegebenen Fundstellen in der Akte verwiesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.
1.
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Der Kläger kann keine Rückerstattung aller gezahlten Prämien nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB und keine Herausgabe von Nutzungen (Zinsvorteilen) nach § 818 Abs. 1 BGB verlangen, weil der Versicherungsvertrag zwischen ihm und der Beklagten wirksam zustande gekommen und nur durch die Kündigung des Klägers beendet worden ist.
a)
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Der Kläger konnte im Mai 2011 keinen Widerspruch nach § 5 a Abs. 1 Satz 1, 2 VVG a.F. mehr erklären, weil er die Frist von 30 Tagen nach Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen nicht gewahrt hat.
- 30
Diese Unterlagen sind ihm mit dem Anschreiben der Beklagten vom 10.11.2004 (Anlage K1) übersandt worden und unstreitig kurz nach diesem Datum zugegangen, während sein Widerspruch erst im Mai 2011 erklärt worden ist.
- 31
Dabei ist der Kläger durch die ihm übersandte Verbraucherinformation (Anlage K 2) auch ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden, sodass die Widerspruchsfrist gemäß § 5 a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. in Gang gesetzt worden ist.
- 32
So war die Widerspruchsbelehrung hinreichend deutlich hervorgehoben. Sie war durch Fettdruck gegenüber dem übrigen Schriftbild der Verbraucherinformation deutlich abgehoben, wobei diese ohnehin nur 2 Seiten (Vorder- und Rückseite) umfasste, sodass die auf der Vorderseite stehende Belehrung auf den ersten Blick zu erkennen war.
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Der Beginn der Widerspruchsfrist wurde hinreichend eindeutig durch die Formulierung "nach Überlassen der Unterlagen" bezeichnet, wobei im folgenden Satz die maßgeblichen Unterlagen aufgelistet wurden. Für einen durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist klar, dass ein "Überlassen" der Unterlagen vorliegt, sobald er diese tatsächlich erhalten hat, zumal er ja auch dann erst von der Verbraucherinformation Kenntnis erlangen kann.
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Dass eine rechtzeitige Absendung des Widerspruchsschreibens zur Wahrung der Widerspruchsfrist genügte, wurde durch den Zusatz: "Absendung genügt" eindeutig zum Ausdruck gebracht. Der unmittelbare textliche und inhaltliche Zusammenhang dieses Klammerzusatzes mit der Frist von 14 Tagen ließ zweifelsfrei erkennen, dass eine Absendung innerhalb von 14 Tagen gemeint war, es bedurfte deshalb nicht des ausdrücklichen Zusatzes: "rechtzeitige Absendung …".
- 35
Weiter war der Belehrung hinsichtlich der Folgen eines Widerspruchs eindeutig zu entnehmen, dass im Falle eines Widerspruchs der Versicherungsvertrag nicht als geschlossen gelten würde. Eine weitergehende Belehrung darüber, was im Falle eines Widerspruchs hinsichtlich bereits gezahlter Prämien und sonstiger schon erbrachter Leistungen gelten würde, war nach damaligem Recht nicht vorgeschrieben und insbesondere auch deshalb nicht erforderlich, weil sich die Belehrung ja nur auf den gesetzlichen Regelfall zu beziehen brauchte, nach dem ein Widerspruch innerhalb von 14 Tagen nach Übersendung des Versicherungsscheins und der Versicherungsunterlagen ausgeübt werden musste. In diesem Falle stellte sich die Problematik schon gezahlter Prämien ja allenfalls hinsichtlich der ersten Prämie.
- 36
Dass er das Widerspruchsrecht ohne Angabe von Gründen ausüben durfte, musste dem Kläger nicht noch ausdrücklich erläutert werden. Nach der Belehrung konnte er ja widersprechen, ohne dass dafür (abgesehen von der Frist) irgendwelche Bedingungen genannt waren. Bei einem verständigen Versicherungsnehmer konnte deshalb auch nicht der Irrtum entstehen, einen Widerspruch nur mit besonderer Begründung erklären zu dürfen.
- 37
Schließlich konnte der Kläger auch keinen Zweifel hinsichtlich des Adressaten eine Widerspruchserklärung haben. Es ergab sich aus der Natur der Sache, dass der Widerspruch gegenüber der Beklagten erklärt werden musste, deren Anschrift in der Verbraucherinformation ausdrücklich angegeben war.
b)
- 38
Das sogenannte Policenmodell, das § 5 a Abs. 1 Satz 1, 2 VVG a.F. zugrunde liegt, ist nicht europarechtswidrig.
- 39
Wie die Kommission der Europäischen Gemeinschaft in ihren Stellungnahmen vom 04.04.2006 (Anlage K 14) und vom 12.10.2006 (Anlage K 16) dargelegt hat, verlangt das (dort im Wortlaut wiedergegebene) europäische Recht lediglich, dass dem Versicherungsnehmer vor Abschluss des Versicherungsvertrages die im Einzelnen vorgegebenen Informationen zum Vertragsinhalt mitgeteilt werden. Darüber, wann und wie genau der Vertragsabschluss erfolgt, gibt es jedoch keine europarechtlichen Vorgaben. Das nationale Recht kann deshalb durchaus bestimmen, dass ein wirksamer Vertrag erst dann vorliegt, wenn der Versicherungsnehmer nach Übersendung der Vertragsunterlagen binnen einer bestimmten Frist keinen Widerspruch erklärt.
- 40
Zuzugeben ist sicherlich, dass bei dieser Gestaltung der eigentliche Zweck der europarechtlichen Bestimmungen nicht optimal erreicht wird, der darin besteht, dass der Versicherungsnehmer vor seiner Entscheidung für einen bestimmten Versicherungsvertrag umfassend informiert und in der Lage sein soll, die Angebote verschiedener Versicherer sachgerecht miteinander zu vergleichen. Erhält er die dazu erforderlichen Informationen nämlich erst, nachdem er bereits den Antrag unterschrieben hat, dann ist die psychologische Hemmschwelle, sich jetzt überhaupt noch mit Vertragsklauseln zu beschäftigen und sich doch noch gegen den eigentlich schon ausgewählten Versicherungsvertrag zu entscheiden, sicherlich höher, als wenn dem Versicherungsnehmer diese Informationen bereits vor Antragstellung vorliegen. Ihm wird nunmehr eine Widerspruchslast auferlegt.
- 41
Allein der Umstand, dass das sogenannte Antragsmodell den europarechtlichen Zielsetzungen besser entspricht, führt aber noch nicht zur Unzulässigkeit des Policenmodells. Schließlich bleibt es auch bei dem Policenmodell - vorbehaltlich der hier noch nicht relevanten Regelung nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. - dabei, dass der Versicherungsnehmer eine verpflichtende Bindung noch verhindern kann, nachdem er alle Unterlagen erhalten hat und entsprechend belehrt worden ist. Entgegen der Auffassung der Europäischen Kommission handelt es sich bei dem Widerspruch rechtstechnisch um etwas anderes als einen Rücktritt von einem bereits wirksamen Vertrag.
- 42
Von einer Europarechtskonformität geht ersichtlich auch der Bundesgerichtshof aus, der ja in seinem Vorlagebeschluss an den EuGH vom 28.03.2012 nur die Jahresfrist nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. problematisiert hat, nicht aber das Policenmodell insgesamt.
c)
- 43
Selbst wenn man den vorstehenden Ausführungen zu 1. a) nicht folgen und die Belehrung der Beklagten als unzureichend ansehen wollte, wäre der Widerspruch des Klägers nach § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. verspätet. Der Kläger hat auch die Frist von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie nicht gewahrt.
- 44
Zu diesem Ergebnis gelangt man ohne weiteres, wenn man davon ausgeht, dass auch § 5 a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. europarechtskonform ist. Letztlich gilt aber auch dann nichts anderes, wenn man von einer Europarechtswidrigkeit ausgeht. In diesem Falle müsste die Vorschrift nämlich von den deutschen Gerichten trotzdem weiter angewandt werden.
- 45
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann auch eine klare, genaue und unbedingte Richtlinienbestimmung, mit der dem Einzelnen Rechte gewährt oder Verpflichtungen auferlegt werden sollen, im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich ausschließlich Private gegenüber stehen, nicht als solche Anwendung finden; den Richtlinien kommt keine horizontale Direktwirkung zu (BGH, Urteil vom 26.11.2008, Az.: VIII ZR 200/05, bei Juris Rd.-Nr. 35). Vielmehr sind die nationalen Gerichte (nur) verpflichtet, zur Durchführung einer europäischen Richtlinie erlassene Gesetze unter voller Ausschöpfung des Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (BGH, Urteil vom 09.04.2002, Az.: XI ZR 91/99, bei Juris Rd.-Nr. 14).
- 46
In dem auf das "Heininger-Urteil" des EuGH folgenden Urteil vom 09.04.2002 ist der BGH dieser Verpflichtung in der Weise nachgekommen, dass er § 5 Abs. 2 HWiG einschränkend ausgelegt hat, wobei diese Auslegung nach seiner Auffassung mit dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung vereinbar war (BGH, a.a.O., bei Juris Rd.-Nr. 17 ff.) und dieser Gesetzesbestimmung auch noch einen hinreichenden Anwendungsbereich beließ (BGH, a.a.O., bei Juris Rd.-Nr. 31).
- 47
Im "Quelle-Urteil" vom 26.11.2008 hat der BGH ergänzend ausgeführt, dass eine richtlinienkonforme Auslegung des nationalen Rechts auch dann möglich sei, wenn eine einschränkende Gesetzesauslegung im engeren Sinne wegen des eindeutigen Gesetzeswortlautes nicht möglich sei. Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung fordere nämlich auch, das nationale Recht, wo dies nötig und möglich sei, richtlinienkonform fortzubilden, beispielsweise durch eine teleologische Reduktion. Das Verbot einer Auslegung contra legem sei funktionell zu verstehen und bezeichne den Bereich, in dem eine richterliche Rechtsfindung nach nationalen Methoden unzulässig sei (BGH, a.a.O., bei Juris Rd.-Nr. 20, 21).
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Auf das nationale deutsche Recht bezogen bedeutet das, dass sich die Gerichte wegen des Grundsatzes der Gewaltenteilung und ihrer Bindung an das Gesetz nicht gegen eindeutigen Willen des Gesetzgebers stellen dürfen (so auch das BVerfG in seinem auf das "Heininger-Urteil" des BGH bezogenen Beschluss vom 26.09.2011, Az. 2 BvR 2216/06, insbes. Abschnitt 45). Im "Quelle-Urteil" hat der BGH eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes angenommen, weil der Gesetzgeber einerseits zwar die von ihm formulierte Gesetzesbestimmung, andererseits aber ausdrücklich auch eine richtlinienkonforme Regelung gewollte habe. Auf dieser Grundlage ist der BGH zu einer teleologischen Reduktion gelangt. Dabei verblieb wiederum für die betroffene Verweisungsklausel in § 439 Abs. 4 BGB ein hinreichender Anwendungsbereich, die Verweisung auf die Rücktrittsvorschriften sollte nur insoweit nicht gelten, als diese zu einem Anspruch des Verkäufers gegen den Käufer auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen oder auf Wertersatz für die Nutzung der mangelhaften Sache geführt hätten.
- 49
Im Falle von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. lässt dem gegenüber der eindeutige Wortlaut keinen Spielraum für eine einschränkende Gesetzesauslegung im engeren Sinne dahingehend zu, dass das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers bestehen bleibt, solange er nicht sämtliche Informationen und die Belehrung über sein Widerspruchsrecht erhalten hat. Schließlich regelt § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. explizit diesen Fall gerade im umgekehrten Sinne.
- 50
Aus diesem Grunde kommt auch eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung im Wege der teleologischen Reduktion nicht in Betracht, selbst wenn man unterstellt, dass der Gesetzgeber mit § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. eine richtlinienkonforme Regelung schaffen wollte (wofür anders als im Falle des § 439 Abs. 4 BGB ausdrückliche Hinweise in der Gesetzesbegründung fehlen). Geht man nach dem "Heininger-Urteil" des EuGH davon aus, dass ein Widerrufsrecht generell nicht erlöschen darf, solange der Verbraucher über dieses gar nicht belehrt worden ist, und dass nach der Lebensversicherungsrichtlinie ein wirksamer Versicherungsvertrag nicht zustande kommen darf, solange der Versicherungsnehmer nicht alle Vertragsinformationen erhalten hat, dann verbleibt für § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. nämlich überhaupt kein richtlinienkonformer Anwendungsbereich mehr. Eine generelle Unanwendbarkeit einer Gesetzesnorm lässt sich jedoch nicht mit dem Institut einer teleologischen Reduktion begründen. Eine Gesetzesnorm für schlechthin unwirksam und unanwendbar zu erklären, steht den Gerichten nicht zu (abgesehen von Sonderfall des Bundesverfassungsgerichts im Falle der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen). In diesem Falle muss es dem Gesetzgeber selbst vorbehalten bleiben, die von ihm geschaffene, europarechtswidrige Regelung durch eine neue, europarechtskonforme zu ersetzen. Die Kammer schließt sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg in dessen Urteil vom 18.11.2011 (Anlage B 29) an.
d)
- 51
Auf die Frage einer Verwirkung sowie darauf, ob sich die Rechtsfolgen eines im Jahre 2011 erklärten Widerspruchs nach § 152 n.F. VVG richten würden, kommt es nicht mehr an.
2.
- 52
Der Kläger kann die Klage auch nicht mit Erfolg auf einen Widerruf nach §§ 495, 355 BGB stützen, weil die Regelung über die Prämienzahlungen nach § 3 Nr. 1, 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Anlage K 3) bei unterjährigen Ratenzahlungen keine Kreditgewährung enthält.
- 53
Nach § 499 Abs. 1 BGB a. F., jetzt § 506 Abs. 1 BGB n.F. stellt zwar u.a. die Gewährung eines entgeltlichen Zahlungsaufschubs einen Kreditvertrag dar, und in § 3 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ist für den Fall halbjährlicher, vierteljährlicher oder monatlicher Zahlungen von Zuschlägen die Rede.
- 54
Dem gegenüber ist aber der Gesetzgeber bei der Schaffung des VerbrKrG (des Vorgängers des jetzigen Verbraucherdarlehensrechts) ausdrücklich davon ausgegangen, dass Dauerschuldverhältnisse mit laufenden Zahlungen nicht schon dann unter das VerbrKrG fallen würden, wenn die Tarife nach der Zahlungsweise (monatlich, vierteljährlich usw.) gestaffelt werden, wie dies z.B. bei Versicherungsverträgen angetroffen werde. Bei dieser Tarifgestaltung liege kein Zahlungsaufschub vor, vielmehr stünden Rabattgesichtspunkte im Vordergrund. Dem wird allerdings entgegengehalten, dass es letztlich nur eine Frage der Darstellung durch den Versicherer ist, welche Summe den maßgeblichen Ausgangsbetrag bilden soll, ob dem Versicherungsnehmer bei einmaliger oder jährlicher Zahlung ein Rabatt gewährt wird, oder ob er umgekehrt bei unterjähriger Zahlungsweise mit Zuschlägen belastet wird. Gerade deswegen kann es aber im Ergebnis für die Frage, ob ein entgeltlicher Zahlungsaufschub gewährt wird, nicht auf die jeweiligen Formulierungen ankommen.
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Überzeugender ist vielmehr nach Auffassung der Kammer der Ansatz, der nicht isoliert nur die verschiedenen vertraglichen Zahlungsmöglichkeiten miteinander vergleicht, sondern vielmehr darauf abstellt, ob gegenüber dem dispositiven Gesetzesrecht ein Zahlungsaufschub vorliegt. Weicht nämlich eine im Vertrag vorgesehene Zahlungsvereinbarung in Zeitabschnitten nicht zugunsten des Zahlungsverpflichteten vom dispositiven Recht ab, dann bringt ihm die vertragliche Regelung keine wirtschaftliche Besserstellung, sodass auch nicht von einem Kredit gesprochen werden kann (Nachweise im Beschluss des OLG Hamm vom 24.08.2011 -Az. 20 U 51/11 - auf Seite 3/4). Dabei regelt das VVG lediglich die Fälligkeit der Erst- oder Einmalprämie in § 35 a.F./ § 33 n.F. VVG, sodass es im Übrigen nach dem dispositiven Gesetzesrecht gemäß § 271 Abs. 1 BGB auf die von den Parteien getroffene Bestimmung der Leistungszeit ankommt. Auch die Regelung in § 9 a.F. /§ 12 n.F. VVG, wonach die Versicherungsperiode ein Jahr beträgt, ändert daran nichts, weil damit nichts über die Fälligkeit der Prämien gesagt ist. Insoweit schließt sich die Kammer den zutreffenden Ausführungen des OLG Hamm a.a.O. auf Seite 4 bis 6 an.
3.
- 56
Der Kläger kann die Klageforderung auch nicht auf einen Schadensersatzanspruch wegen Beratungsverschuldens nach den früheren Regelungen der c.i.c. (jetzt § 280 Abs. 1 BGB) stützen.
- 57
Eine unrichtige Belehrung über das Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG a.F. liegt, wie oben unter 1. a) bereits dargelegt, nicht vor.
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Eine gesetzliche Verpflichtung der Beklagten, den Kläger darüber zu informieren, in welchem Umfang seine Prämienzahlungen für Provisionen und Abschluss- und Verwaltungskosten verwendet werden würden, bestand 2004 nicht, sie ist erst mit Wirkung ab 01.01.2008 für Neuverträge gesetzlich begründet worden. Die sogenannte Kick-Back-Rechtsprechung des BGH ist auf den Abschluss eines Lebensversicherungsvertrages nicht anzuwenden.
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Diese Rechtsprechung betrifft nur Banken und andere gewerbliche Kapitalanlageberater, die im Rahmen von Geschäftsbesorgungs- oder Kommissionsverträgen tätig werden. Das hat der BGH in seinem Urteil vom 29.11.2011 (Az. XI ZR 220/10; bei Juris Rn 39) ausdrücklich klargestellt. Etwas anderes besagt auch das vom Kläger vorgelegte Urteil des LG Heidelberg (Anlage K 21) nicht. Im dortigen Fall richtete sich die Klage nämlich auch nicht gegen einen Versicherer, sondern gegen eine Bank, die ihrem Kunden eine Lebensversicherung als Kapitalanlage empfohlen hatte.
- 60
Dem gegenüber hat der Kläger bei der Beklagten einen normalen Versicherungsvertrag abgeschlossen. In diesem Rahmen bezieht sich die Beratung durch den Versicherer in aller Regel darauf, hinsichtlich welcher Risiken ein Versicherungsbedarf besteht und wie dieser sachgerecht abgedeckt werden kann. Auch eine kapitalbildende Lebensversicherung dient in diesem Sinne zunächst einmal der Absicherung. Dass sie zugleich - anders als eine reine Risikoversicherung - auch den Charakter einer Kapitalanlage hat, macht den Versicherer noch nicht zu einem Anlageberater. Dass hier im konkreten Fall der Kläger von der Beklagten speziell eine Kapitalanlageberatung gewünscht und sich aufgrund einer solchen für den Abschluss des Lebensversicherungsvertrages entschlossen hätte, trägt der Kläger selbst nicht vor.
4.
- 61
Schließlich ist die Klage auch insoweit unbegründet, als der Kläger meint, dass ihm jedenfalls ein höherer Rückkaufswert als der von der Beklagten ausgezahlte zustehen müsse, und darauf seine Hilfsanträge stützt.
- 62
Nach dem grundlegenden Urteil des BGH vom 12.10.2005 (VersR 2005, 1565 ff.) sind zwar die Klauseln über die Berechnung des Rückkaufswertes wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam. Daraus folgt aber lediglich, dass einem Versicherungsnehmer auch dann, wenn er den Versicherungsvertrag schon nach recht kurzer Zeit kündigt, sodass nach dem Zillmerungsverfahren zunächst nur die Abschlusskosten durch seine Prämienzahlungen ausgeglichen worden sind, jedenfalls ein Rückkaufswert zustehen muss, der der Hälfte des mit den Rechnungsgrundlagen der Prämienkalkulation berechneten ungezillmerten Deckungskapitals entspricht. Dabei ist die Hälfte des ungezimmerten Deckungskapitals wegen des Abzugs von Risikoanteilen und laufenden Verwaltungskosten stets geringer als die Hälfte der eingezahlten Prämien (OLG Köln, Beschluss vom 25.06.2012, Anlage B 18) und beträgt rund 40 % der gezahlten Beiträge (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.08.2011, Anlage B 17).
- 63
Der Kläger hat demgegenüber nach seinen eigenen Angaben 7.267,60 € Beiträge gezahlt und einen Rückkaufswert von 3.328,39 € ausgezahlt bekommen, das entspricht knapp 46 % der gezahlten Prämien.
- 64
Kommt somit ein Zahlungsanspruch des Klägers auf einen höheren Rückkaufswert von vornherein nicht in Betracht, dann besteht auch für einen vorgeschalteten Auskunftsanspruch keine Grundlage.
5.
- 65
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
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