Urteil vom Landgericht Hamburg (8. Zivilkammer) - 308 O 198/14

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen der Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte einer Verfahrensbeschreibung „Gefährdungsbeurteilung mit VGB-LmBH, Darstellung des Verfahrens“ in Anspruch.

2

Die Klägerin betreibt das Institut „F.- & B. I., W., A.-F. AO“. Gemeinsam mit Dr. R. S. entwickelte die Klägerin das „Verfahren Gefährdungsbeurteilung VGB“. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung, das nach § 5 Abs.1 ArbSchG vorgeschrieben ist, mit dem Ziel, geeignete Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Es gibt mehrere solcher Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung. Der Beklagte zu 2) ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei der Beklagten zu 1).

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Die Klägerin und der Beklagte zu 2) verhandelten im Jahr 2013 vor einer Einigungsstelle im Sinne von § 76 BetrVG als Beisitzer bei „L. m. B. H.“. Gegenstand der Einigungsstelle war der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu Gefährdungsbeurteilungen nach § 5 ArbSchG bei „L. m. B. H.“. Die Klägerin agierte für den Betriebsrat, der Beklagte zu 2) für die Arbeitgeberin. Im Rahmen dieser Einigungsstelle schlug die Betriebsseite das von der Klägerin angeblich aus dem „Verfahren Gefährdungsbeurteilung VGB“ mitentwickelte Verfahren „VGB-LmBH“ (Verfahren Gefährdungsbeurteilung L. m. B. in H.), Anlage K2, zur Anwendung im Betrieb unter Vorlage eines entsprechenden Entwurfes einer Betriebsvereinbarung vor. Hierzu übersandte die Klägerin den Mitgliedern der Einigungsstelle per Post die streitgegenständliche Verfahrensbeschreibung (Anlage K 2). Auch der Beklagte zu 2) erhielt als Beisitzer ein Exemplar.

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Die Verfahrensbeschreibung wurde aus dem Kreis der Mitglieder der Einigungsstelle von der Seite des Arbeitgebers eingescannt und als pdf-Datei an Herrn S. S., ein Mitarbeiter der zwei P P.: P. GmbH, als Sachverständiger für eine gutachterliche Stellungnahme zum VGB-LmBH übergeben. Mit Schreiben vom 20.11.2013 an den Einigungsstellenvorsitzenden nahm der Beklagte zu 2) Stellung zu dem Betriebsvereinbarungsvorschlag des Betriebsrates. Hierbei bezog er sich auf die Stellungnahme von Herrn S., welche dem Einigungsstellenvorsitzenden und den Beisitzern, also auch der Klägerin, als Kopie überreicht wurde.

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Die streitgegenständliche Verfahrensbeschreibung ist bis heute unveröffentlicht und war nur den Mitgliedern der Einigungsstelle zugänglich.

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Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 2) habe die von ihr und Dr. R. S. entwickelte Verfahrensbeschreibung unerlaubt vervielfältigt und verbreitet. Die Klägerin meint, ihr stehe daher ein Anspruch auf Unterlassung der Vervielfältigung aus §§ 97 Abs. 1, 16 UrhG sowie auf Unterlassung der Weitergabe gemäß §§ 97 Abs. 1, 17 UrhG gegen die Beklagten zu.

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Die Klägerin ist der Ansicht, das Einbringen des Werkes in die Einigungsstelle sei kein Verzicht auf die Rechte des Urhebers oder eine Einwilligung zu sehen. Eine weitergehende Rechteeinräumung als zur Nutzung durch die Parteien vor der Einigungsstelle sei damit nicht – auch nicht stillschweigend – verbunden gewesen.

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Die Verletzungshandlung sei auch nicht von § 45 UrhG gerechtfertigt. Die Einigungsstelle sei kein Schiedsgericht im Sinne der Norm. Die Klägerin meint, als Schrankenregelung müsse § 45 UrhG eng ausgelegt werden. Die Einigungsstelle sei ein innerbetriebliches Hilfsorgan eigener Art und sei insoweit nicht mit einem Schiedsgericht im Sinne des § 45 UrhG vergleichbar. Jedenfalls sei die Verfahrensbeschreibung nach Ansicht der Klägerin nicht vor der Einigungsstelle verwendet worden. Dies setze voraus, dass die Anwendung von den Beteiligten der Einigungsstelle erfolgte. Hierzu behauptet die Klägerin, die Eigenart des Verfahrens vor der Einigungsstelle zeichne sich dadurch aus, dass als Beisitzer bereits externe Spezialisten hinzugezogen würden, die wegen ihrer einschlägigen Qualifikation im Regelungsbereich der jeweiligen Einigungsstelle ausgewählt würden. Dadurch solle der Einigungsstelle eine selbstständige, sachgerechte und interne Regelung der Streitigkeit ermöglicht werden. Eine Hinzuziehung von externen Sachverständigen, noch dazu im Auftrag der Mitglieder und nicht des Vorsitzenden, sähe die nicht-öffentlich tagende Einigungsstelle nicht vor.

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Die Klägerin trägt weiter vor, der Beklagte zu 2) habe in der Einigungsstelle für die Beklagte zu 1) gehandelt.

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Mit Schriftsatz vom 25.08.2015 hat die Klägerin die Klage auf den Beklagten zu 2) erweitert.

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Die Klägerin beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,

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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeld bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft oder der Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im Geschäftsverkehr die Verfahrensbeschreibung „Gefährdungsbeurteilung mit VGB-LmBH, Darstellung des Verfahrens“, gemäß Anlage K2 im ganzen oder in Teilen

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a. zu vervielfältigen

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und/oder

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b. an Dritte weiterzugeben, wie dies im September 2013 geschehen ist an die zwei P P.: P. GmbH.

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2. der Klägerin und Herrn Dr. R. S. Auskunft darüber zu erteilen,

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a. in welchem Umfang die Beklagten die unter 1 bezeichneten Handlungen begangen haben und dabei

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b. sämtliche Empfänger der Weitergabe mit Namen und vollständiger Anschrift zu benennen; sowie

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4. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin und Herrn Dr. R. S. den Schaden zu ersetzen, der ihnen aus den Handlungen gem. Ziffer 1 entstanden ist und/oder noch entstehen wird;

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5. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin 1.642,40 € zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagten tragen vor, die Geschäftsführung der „L. mit B. H.“ habe aufgrund mangelnder eigener Sachkunde beschlossen, die Verfahrensbeschreibung durch einen externen Sachverständigen überprüfen zu lassen. Hierfür habe die Referentin für Personalentwicklung, A. E., die Verfahrensbeschreibung eingescannt und eine pdf-Kopie per E-Mail an einen Sachverständigen gesandt.

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Die Beklagten sind der Ansicht, die Verfahrensbeschreibung sei urheberrechtlich nicht geschützt, da ihr die individuelle Eigenart fehle, sie folge im Wesentlichen der ISO 10075. Im Übrigen sei die Weiterleitung der Verfahrensbeschreibung vorliegend jedenfalls von § 45 UrhG geschützt . Als gesetzliche Schlichtungsstelle müsse auch das Verfahren vor der Einigungsstelle zu den gesetzlich privilegierten Verfahren gezählt werden. Sachverständige seien auch Beteiligte am Verfahren, denen man die Unterlagen entsprechend zugänglich machen dürfe.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

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Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Unterlassung wegen Vervielfältigung und Weiterleitung der Verfahrensbeschreibung „Gefährdungsbeurteilung mit VGB-LmBH, Darstellung des Verfahrens“ gegen die Beklagten.

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1. Ein Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 97 Abs. 1, 16 UrhG besteht nicht. Es kann dahinstehen, ob die Verfahrensbeschreibung als Werk gemäß § 2 Abs.1 Nr.1 und 7, Abs. 2 UrhG geschützt ist. Denn auch wenn der Werkcharakter zu bejahen wäre, so wäre die streitgegenständliche Verletzungshandlung jedenfalls von der Schrankenregelung des § 45 Abs. 1 UrhG erfasst. Durch die gescannte Kopie der Verfahrensbeschreibung und ihre Weiterleitung an die zwei P P. P. GmbH verletzten die Beklagten nicht das Urheberrecht der Klägerin. Auf die Fragen der Aktivlegitimation der Klägerin und Passivlegitimation der Beklagten kommt es daher nicht entscheidungserheblich an.

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a. Nach § 45 Abs. 1 UrhG ist es zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde herzustellen oder herstellen zu lassen.

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(1) Die Einigungsstelle ist ihrer Definition nach zwar kein Gericht und kein Schiedsgericht im Sinne von § 45 UrhG. Sie verfolgt aber insoweit mit ihrem Verfahren im Wesentlichen Zwecke eines schiedsgerichtlichen Verfahrens im Sinne von § 45 UrhG und ist daher mit einem Verfahren vor dem Schiedsgericht vergleichbar.

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Schiedsgerichte sind die aufgrund einer Vereinbarung der Parteien zur Entscheidung eines Rechtsstreits zuständigen Spruchkörper (§ 1029 ZPO) und die vom Gesetz vorgesehenen Schiedsinstitutionen wie beispielsweise die Schiedsstellen nach § 14 WahrnG und § 29 ArbNErfG (Dreier/Schulze/Dreier § 45 Rn. 5). Die Einigungsstelle hingegen ist ein von Betriebsrat und Arbeitgeber gemeinsam gebildetes Organ der Betriebsverfassung, dem kraft Gesetz gewisse Befugnisse zur Beilegung von Meinungsverschiedenheiten übertragen sind. Sie ist eine privatrechtlich innerbetriebliche Schlichtungs- und Einigungsstelle, die ersatzweise die Funktion der Betriebspartner wahrnimmt (Fitting, BetrVG, § 76 Rn. 4). Sie ist daher nicht, wie andere gesetzliche Schlichtungsstellen, bei einem Amt oder anderem Hoheitsträger angesiedelt. Im Gegensatz zum Schiedsverfahren kommt dem Spruch der Einigungsstelle von Gesetzeswegen auch keine bindende Wirkung zu. Diese tritt nur ein, wenn sich Betriebsrat und Arbeitgeber im Voraus unterwerfen oder den Spruch nachträglich annehmen. Auch im erzwingbaren Verfahren ist der Spruch kein vollstreckbarer Titel (Fitting, BetrVG, § 76 Rn. 132, 137). Der Spruch unterliegt der arbeitsgerichtlichen Rechtskontrolle hinsichtlich der Zuständigkeit, Einhaltung der Verfahrensgrundsätze und der inhaltlichen Rechtmäßigkeit (Fitting, BetrVg, § 76 Rn. 138)

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(2) Das Verfahren vor der Einigungsstelle ist jedoch von dem Sinn und Zweck des § 45 UrhG umfasst. Zur Umsetzung eines effektiven und schnellen Verfahrens vor der Einigungsstelle muss § 45 UrhG vorliegend erweiternd auslegt werden.

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Im Grundsatz ist die Norm als Schrankenregelung eng und streng am Wortlaut auszulegen. Entsprechend sind die in § 45 UrhG aufgezählten Verfahren als abschließende Aufzählung anzusehen. Im Grundsatz ist eine erweiterte Auslegung oder analoge Anwendung der Schrankenregelungen nicht angezeigt. Dieser Grundsatz beruht jedoch hauptsächlich darauf, dass der Urheber an der Verwertung seines Werkes möglichst vollumfänglich beteiligt werden soll und deshalb seine Ausschließlichkeitsrechte nicht übermäßig beschränkt werden dürfen. Im Einzelfall ist jedoch unter Abwägung der widerstreitenden Interessen eine erweiterte Auslegung der Schrankenregelungen des Urheberrechts zuzulassen. Neben den Interessen des Urhebers sind nämlich auch die hinter den Schrankenregelungen stehenden Interessen zu beachten. Entsprechend verbietet sich eine schematische Regel bezüglich der Auslegung von Schrankenregelungen (Wandkte/Bullinger, UrhG, Vorbem. §§ 44 ff. Rn. 1). In jedem Fall sind die durch die Schranken jeweils beachteten Interessen ihrem Gewicht nach entsprechend heranzuziehen und mit den Interessen des Urhebers in Ausgleich zu bringen (BGH, Urteil vom 20. März 2003 – I ZR 117/00 – Gies Adler; BGH, GRUR 02, 963 - elektronischer Pressespiegel). Ebenfalls zu berücksichtigen ist hierbei, wie sich die Geltung der Schranke auf die Interessen des Urhebers auswirkt. Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass eine eng am Wortlaut orientierte Auslegung einer großzügigeren, den schutzwürdigen Interessen der Allgemeinheit Rechnung tragenden Interpretation weichen muss (BGH, Urteil vom 20. März 2003 – I ZR 117/00 – Gies Adler, BGH GRUR 2002, 936 – elektronischer Pressespiegel). Dies ist zumindest anzunehmen, sofern die konkrete Fallgestaltung dem Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung noch gerecht wird und der Umfang der Freistellung dem entspricht, was der Gesetzgeber seinerzeit als regelungsbedürftig angesehen hat (Dreier/Schulze, UrhG, Vorbem. §§ 44 UrhG Rn. 7).

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(3) Das Verfahren vor einer Einigungsstelle ist mit einem Verfahren vor einem Schiedsgericht oder einer gesetzlichen Schiedsstelle vergleichbar.

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Das schutzwürdige Interesse der Allgemeinheit bei § 45 UrhG umfasst die Rechtspflege und die öffentlich Sicherheit. Abzuwägen sind folglich die Interessen des Urhebers mit denen eines effektiven Verfahrens. Das Verfahren vor der Einigungsstelle unterscheidet sich von dem vor einem Schiedsgericht zwar dadurch, dass der Spruch der Einigungsstelle für keine der Parteien einen vollstreckbaren Titel darstellt und der vollen arbeitsgerichtlichen Kontrolle untersteht (s.o.). Dies ist jedoch ein sehr formales Kriterium. Es bedeutet lediglich, dass die Einigungsstelle nicht mit hoheitlicher Gewalt ausgestattet ist (Richardi, BetrVG, § 76 Rn. 4). Über die Einigungsstelle soll ein effektives Verfahren zur Lösung von Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber gewährleistet werden. Hierdurch soll der Gang vor ein staatliches Gericht - zunächst - vermieden werden. Als solches Schlichtungsorgan bietet sie auch den Vorteil einer schnellen Entscheidung (Fitting, BetrVG, § 76 Rn. 1, 9, 11); ähnlich wie gesetzliche Schlichtungsstellen. Da beispielsweise auch die Position des Vorsitzenden der Einigungsstelle derjenigen eines Schiedsrichters im schiedsgerichtlichen Verfahren entspricht, werden die Vorschriften des schiedsgerichtlichen Verfahren im Verfahren vor der Einigungsstelle entsprechend angewendet (Richardi, BetrVG, § 76 UrhG Rn 89).

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Die Besonderheiten der Ausgestaltung des Verfahrens vor der Einigungsstelle und der gerichtlichen Kontrolle sind in erster Linie den gesetzlichen Vorgaben im Arbeitsrecht geschuldet. Durch das Verfahren vor der Einigungsstelle darf beispielsweise aufgrund des unausgeglichenen Kräfteverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer keine Vorwegnahme von Rechtsschutzmöglichkeiten erfolgen. Aber auch vor der Einigungsstelle muss gewährleistet sein, dass den Parteien zur Lösung des Konflikts ein effektives Verfahren geboten wird. Dafür muss insbesondere gewährleistet werden, dass alle Parteien über den gleichen Sach- und Informationsstand verfügen. Hierzu gehört auch, die Angaben einer Seite überprüfen zu können. Insbesondere wenn die Partei selbst nicht über die nötige Sachkenntnis verfügt, muss es möglich sein, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Die Möglichkeit, externe Sachverständige hinzuzuziehen, sieht das BetrVG ausdrücklich vor (siehe § 80 Abs.3 BetrVG). Diese müssen wiederum für eine sachgerechte Einschätzung die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen. Dem steht der Umstand, dass das Einigungsverfahren nur parteiöffentlich geführt wird, nicht entgegen. Grundsätzlich ist dadurch ein beratendes Engagement durch Dritte nicht ausgeschlossen. Hierzu zählt auch, dass eine Partei Privatgutachten in Auftrag geben darf (so geschehen durch die Arbeitgeberseite in LAG Köln: Beschluss vom 10.04.2001 - 13 (7) TaBV 83/00). Die Teilnahme anderer Personen während der Verhandlungsphase als Zeugen, Sachverständigen oder sonstiger Auskunftspersonen ist daher nicht ausgeschlossen (Beck-Ok/Werner, BetrVG, § 76 Rn. 28; Fitting, BetrVG, § 76 Rn 73). Sofern diese nicht Beisitzer sind, dürfen sie lediglich nicht an der abschließenden Beratung teilnehmen (Beck-OK/Werner, BetrVG, § 76 Rn. 28).

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Die Verfahrensbeschreibung wurde nicht um ihrer selbst willen, also als Werk vervielfältigt und verbreitet, sondern diente als Hilfsmittel für das konkrete Verfahren. Es sollte die Grundlage der Einigung zwischen den Parteien darstellen. Damit eine Einigung herbeigeführt werden kann, muss die Basis, auf der die Einigung erzielt werden soll, von allen Seiten auf ihre Substanz überprüft werden können.

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(4) Eine weiten Auslegung im vorliegenden Fall belastet die Klägerin auch nicht über Gebühr. Die Nutzung im Rahmen der Ausnahmeregelung ist vergütungsfrei. Das bedeutet, dass das Interesse des Urhebers an jeder Verwertung zu partizipieren, ausnahmsweise hinter schutzwerten Belange der Allgemeinheit zurücktreten muss (Dreier/Schultze, Vorbem. §§ 44 ff., Rn. 15). Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen ist diesbezüglich zu berücksichtigen, ob es durch die Vervielfältigung der Verfahrensbeschreibung und ihre Weiterleitung an den Sachverständigen zu keiner weitläufigen Verbreitung gekommen ist (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 20. April 1999 – 11 U 38/98 – juris Absatz Nr. 34). Vorliegend kam es nur zur Herstellung einer Kopie der Verfahrensbeschreibung und zur Weiterleitung an den Sachverständigen. Der Verletzungsumfang ist daher als eher gering einzuschätzen. Die vermögenswerten Interessen werden nicht über Gebühr beansprucht.

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b. Die Vervielfältigung und Weitergabe der Verfahrensbeschreibung an die zwei P P. GmbH erfolgte zur Verwendung in dem Verfahren vor der Einigungsstelle. Die Verfahrensbeschreibung wurde gerade nicht außerhalb des Verfahrens genutzt (vgl. hierzu BGH GRUR 2010, 623 – Restwertbörse: Einstellen von Fotos aus Sachverständigengutachten in eine Restwertbörse im Internet ist eine externe Nutzung). Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Verfahrensbeschreibung an einen externen, privat eingeschalteten Sachverständigen gesandt wurde. Eine solche Herbeiziehung ist grundsätzlich möglich (s.o.).

39

Das Gutachten hatte zudem einen engen Bezug zum Verfahren. Es sollte überprüft werden, ob das von der Arbeitnehmerseite vorgeschlagene Verfahren als Grundlage für eine Einigung geeignet ist. Ein über diesen unmittelbaren Verfahrensbezug hinausgehender Zweck wurde nicht verfolgt.

40

c. Es wurde nur ein einzelnes Vervielfältigungsstück der Verfahrensbeschreibung hergestellt. Im Rahmen von § 45 Abs. 1 UrhG dürfen immer nur einzelne Vervielfältigungsstücke hergestellt werden (BeckOK/Schulz, UrhG, § 45 Rn. 5). Die Verfahrensbeschreibung wurde eingescannt und an Herrn S. als pdf-Kopie weitergeleitet. Dass weitere Vervielfältigungsstücke seitens der Beklagten hergestellt wurden, ist vorliegend weder ersichtlich, noch von der Klägerin vorgetragen worden.

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2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung der Verfahrensbeschreibung gemäß § 18 UWG in Verbindung mit §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB analog. Den Beklagten wurde die Verfahrensbeschreibung nicht im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs anvertraut. Zu Zwecken des Wettbewerbs handelt, wer das Ziel verfolgt, zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens den Absatz von Waren oder den Bezug von Dienstleistungen zu fördern (Ohly/Sosnitza/Ohly UWG § 17 Rn. 13 - 31, beck-online). Das ist hier mit der Weitergabe einer PDF-Kopie der VGB-LmBH an die zwei P P. GmbH nicht der Fall. Die Weitergabe erfolgte, um die Verfahrensbeschreibung sachverständig überprüfen zu lassen.

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3. Der Klägerin steht auch der – hilfsweise – geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe gemäß § 97 Abs.1, 17 UrhG nicht zu. Sofern in der Überlassung eines Vervielfältigungsstücks der VGB-LmBH überhaupt eine Verbreitung im Sinne des § 17 Abs.1 UrhG zu sehen ist, wäre diese ebenfalls nach § 45 Abs.3 UrhG zulässig. Danach ist unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vervielfältigung auch die Verbreitung zulässig. Zur Begründung wird daher auf die Ausführungen unter I.1. Bezug genommen.

II.

43

Die Klägerin hat mangels Vorliegens einer Urheberrechtsverletzung oder eines Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht auch keinen Anspruch aus § 101 UrhG bzw. § 9 UWG auf Auskunft über dem Umfang der Nutzung oder über Empfänger einer Weitergabe durch die Beklagten.

III.

44

Aus den gleichen Gründen scheidet ein Anspruch auf Feststellung aus, dass die Beklagten zur Erstattung des Schadens verpflichtet sind, der aus der Vervielfältigung und Weitergabe der Verfahrensbeschreibung entstanden ist.

IV.

45

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

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