Urteil vom Landgericht Hamburg (31. Zivilkammer) - 331 O 476/16

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 17.767,39 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 1.100,51 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten Erstattung eines Sonderopfers nach § 110 HGB.

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Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft. Zweck der Beklagten ist die Errichtung und Verwaltung einer im Alleineigentum der Beklagten stehenden Büroimmobilie in B., S.str. ... (nachfolgend: Immobilie). Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, Frau G. N., war mit einer Einlage in Höhe von DM 100.000,-- Kommanditist der Beklagten.

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Der Ankauf und die Errichtung der Immobilie durch die Beklagte wurde durch ein Darlehen der S. AG finanziert. Die Immobilie war bis zum 30.9.2003 fest vermietet. Ein unmittelbarer Nachfolger fand sich nicht, was zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten führte. Das Darlehen bei der Hauptgläubigerin, der S. AG (nachfolgend: S.), konnte nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Um den Bestand des Fonds zu sichern und gegebenenfalls eine geregelte Liquidation durchzuführen, führte die Beklagte im Jahr 2008 mit der S. Bank AG Gespräche. Dabei war zunächst geplant, dass ein Teil des rückständigen Darlehens durch den Verkauf der Immobilie S.str. und ein weiterer Teil durch Zahlung der Kommanditisten aufgebracht werden sollte, und zwar durch Rückzahlung eines Teils der erhaltenen Ausschüttungen. Über die Begleichung des hiernach verbleibenden Restdarlehens wurde seinerzeit keine Einigung erzielt. Der Verkauf der Immobilie kam nicht zustande, sodass die Beklagte erneut in Verhandlungen mit der S. Bank AG eintrat. Die S. schlug den Kommanditisten vor, dass sie einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen, die das Geld daraufhin an die S. weiterleite, und im Gegenzug gegenüber den Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichtet.

4

Die seitens der Beklagten angebotene Freistellungsvereinbarung wurde von der Klägerin nicht unterzeichnet. In der Folge wurde sie durch die S. Bank AG gerichtlich auf Grundlage des § 172 Abs. 4 HGB in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen von € 17.767,39 in Anspruch genommen. Mit Urteil vom 24.3.2016 wurde die Klägerin verurteilt, an die S. AG einen Betrag in Höhe von € 17.767,39 zu bezahlen. Die Klägerin leistete in der Folge die Zahlung des titulierten Betrages an die S. Bank AG. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Rückzahlung eines Teils der Ausschüttung zur teilweisen Tilgung des Darlehens der Beklagten gegenüber der Bank als Sonderopfer im Sinne des § 110 HGB anzusehen sei, da er zur Zahlung nicht verpflichtet gewesen sei. Ihr stehe vor diesem Hintergrund ein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu.

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Die Klägerin beantragt,

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1. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 17.767,39 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 28.10.2016 zu bezahlen,

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2. die Beklagte zu verurteilen, an sie € 1.100,51 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu bezahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Nach ihrer Auffassung liegen die Voraussetzungen des § 110 HGB nicht vor. Ein Anspruch aus § 110 HGB sei nicht fällig bzw. seine Geltendmachung rechtsmissbräuchlich und ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten. So behauptet sie, dass eine geordnete Abwicklung, die das erstrebte Ziel sei, bei Rückforderung der Beträge gefährdet sei, da dann unter anderem die zur Bedienung der fälligen Forderungen der S. Bank AG benötigten Mittel fehlten.

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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Die Klägerin hat gegen die Beklagte Erstattungsanspruch aus §§ 161 Abs. 2, 110 HGB in Höhe von € 17.767,39.

14

Nach § 110 HGB, der gemäß § 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft gilt, ist die Gesellschaft dem Gesellschafter zum Ersatz verpflichtet, wenn er in der Gesellschaftsangelegenheit Aufwendungen macht, die er nach den Umständen für erforderlich halten darf. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

15

Die Zahlungen der Klägerin an die S. stellen Aufwendungen in einer Gesellschaftsangelegenheit dar. Sie erfolgten freiwillig zur teilweisen Tilgung einer Gesellschaftsverbindlichkeit. Die Klägerin war gegenüber der Beklagten zu diesen Zahlungen nicht weder auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages oder aus sonstigen Gründen verpflichtet (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil vom 4.4.2014, Az.: 11 O 310/13). Es fehlt insbesondere an einer Regelung im Gesellschaftsvertrag, die eine entsprechende Erstattung vorsieht. Dass die Klägerin aufgrund des Urteils vom 24.3.2016 Zahlungen leistete, ist unerheblich, denn die Klägerin war im für diese Frage maßgeblichen Innenverhältnis zur Beklagten nicht zur Zahlung verpflichtet (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 16.8.2016, 11 U 216/15).

16

Der Anspruch der Klägerin aus § 110 HGB ist auch fällig und seine Geltendmachung ist weder rechtsmissbräuchlich noch verstößt sie gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten.

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Nach § 271 BGB kann der Gläubiger eine Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für eine Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Fehlt es an einer bestimmten Zeit für die Leistung, sodass die Beklagte als Schuldnerin Vereinbarungen oder Umstände darlegen und gegebenenfalls beweisen muss, aus dem sich eine spätere Leistungszeit ergibt. Dies hat die Beklagte nicht im ausreichenden Maße getan. Die Beklagte behauptet hierzu, die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht gebiete es, auf die Situation der Gesellschaft Rücksicht zu nehmen.

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Hinreichende durch die Beklagte vorgetragene Umstände, die darauf schließen lassen, dass die finanzielle Situation der Beklagten nach wie vor ungeordnet sei, der verfolgte Veräußerungsprozess durch die Rückforderung des geltend gemachten Betrages gefährdet wäre, liegen nicht vor. Es kann nicht erkannt werden, dass eine sofortige Geltendmachung der Summe von € 17.767,39 durch die Klägerin eine maßgebliche Verschlechterung der finanziellen Situation der Beklagten nach sich ziehen würde. Daher ist auch in der Geltendmachung der Forderung keine Rechtsmissbräuchlichkeit und Verstoß gegen die gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten zu erkennen (s. bereits Landgericht Hamburg, Urteil vom 1.12.2015, Az.: 828 O 75/15 und Urteil vom 30.10.2015, Az.: 305 O 147/15).

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Die Klägerin hat ebenfalls einen Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren und die geltend gemachten Zinsen gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 und 4 BGB. Die Klägerin hat die Beklagte durch ihre Prozessbevollmächtigten zur Zahlung bis zum 27.10.2016 aufgefordert. Die Beklagte befand sich mithin seit dem 27.10.2016 in Verzug und hat der Klägerin demgemäß den geltend gemachten Verzugsschaden zu ersetzen.

20

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

21

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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