Urteil vom Landgericht Hamburg (5. Zivilkammer) - 305 O 147/15

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.943,77 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen auf die vorgenannten Beträge in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.02.2015 zu zahlen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten Erstattung zuvor an sie geleisteter Beträge.

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Der Kläger ist Kommanditist der Beklagten mit einer Einlage von 50.000,- DM. Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft. Seit dem 2.9.1993 hält die Beklagte eine Immobilie in der S.str. in B.. Der Ankauf und die Errichtung dieser Immobilie wurden durch ein Darlehen der S. Bank finanziert. Das Objekt S.str. war bis zum 30.9.2003 vermietet, ein unmittelbarer Nachfolger fand sich nicht, was zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Beklagten führte. Ein bei der Hauptgläubigerin, der S. Bank AG, aufgenommenes Darlehen konnte demzufolge nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Die Beklagte führte im Jahre 2008 mit der S. Bank AG Gespräche, um den Bestand des Fonds zu sichern und eine geregelte Liquidation durchzuführen, bei der u.a. auch die Immobilie veräußert werden sollte. Da der Verkauf jedoch nicht zustande kam, trat die Beklagte erneut in Verhandlungen mit der S. Bank AG ein. Die S. Bank AG bot in diesem Rahmen den Kommanditisten an, dass sie insgesamt einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 23,25 % der Beteiligung an die Beklagte zurückzahlen, die das Geld sodann an die S. Bank AG weiterleitet, und im Gegenzug die S. Bank AG gegenüber den zahlenden Kommanditisten auf weitergehende Ansprüche gemäß §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB verzichtet.

3

Der Kläger unterzeichnete die beiden Freiststellungsvereinbarungen vom 21./31.1.2009 (Anl. K 1) und 22.3.2010 (Anl. K 2). In der 2. Freistellungsvereinbarung verpflichtete der Kläger sich unter Ziff. 1.1., von den erhaltenen Ausschüttungsbeträgen bis zum 31.3.2010 23,25 % bezogen auf seine Einlage, insgesamt 5943,77 €, zurückzuzahlen. Im Übrigen wird auf die Freistellungsvereinbarungen inhaltlich ausdrücklich Bezug genommen. An den Tagen, an der Kläger die Vereinbarungen unterzeichnete, leistete er Zahlungen in Höhe von 2876,02 € und 3047,64 € auf das in der Freistellungsvereinbarung benannte Treuhandkonto der Beklagten zur sofortigen Weiterleitung an die S. Bank AG.

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Mit Geschäftsbericht 2015 ließ die geschäftsführende Kommanditistin mitteilen, dass der geplante Verkauf der Immobilie an die N. V. final gescheitert war. Eine Beschlusslage über ein alternatives Vorgehen bestand nicht.

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Der Kläger ist der Ansicht, er habe gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung in der geltend gemachten Höhe gem. §§ 161 Abs. 2, 110 HGB. Die Rückzahlung von Ausschüttungsbeträgen zur teilweisen Tilgung des Darlehens der Beklagten bei der S. Bank AG sei ein freiwilliges Sonderopfer des Klägers gewesen. Es sei ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt, insbesondere habe sich aus dem Gesellschaftsvertrag (Anl. B 1) keine derartige Verpflichtung ergeben. Der Anspruch sei gem. § 271 BGB auch fällig. Eine Verjährung der Ansprüche sei nicht eingetreten, denn der Lauf der Verjährung sei auf der Grundlage der beiden Freistellungsvereinbarungen gemäß § 205 BGB gehemmt gewesen. Zudem verstoße die Geltendmachung der Verjährungseinrede gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.943,77 € sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.02.2015 zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie trägt vor, das Landgericht Hamburg sei örtlich unzuständig. Im Übrigen habe der Kläger die Zahlungen nicht freiwillig und im Geschäftskreis der Beklagten, sondern aufgrund der Freistellungsvereinbarungen und überwiegend aus Eigeninteresse geleistet. Ein Anspruch aus § 110 HGB sei nicht fällig bzw. seine Geltenmachung rechtsmißbräuchlich und ein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten. Hierzu behauptet sie, dass eine geordnete Abwicklung, die das erstrebte Ziel sei, bei Rückforderung der Beträge gefährdet sei. Die Beklagte beruft sich zudem auf die Einrede der Verjährung und meint, der Wortlaut der Freistellungsvereinbarungen gebe nichts für ein „verjährungshemmendes Stillhalteabkommen“ her.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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I. Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Kammergerichts (Beschluss vom 16.4.2012, 25 W 39/12) enthält nichts Maßgebliches über eine anderweitige örtliche Zuständigkeit als die des Landgerichts Hamburg gem. § 17 ZPO, weil der Sitz der Beklagten nach § 1 des Gesellschaftsvertrages (Anl. B 1) in Hamburg ist.

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II. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe aus §§ 161 Abs. 2, 110 Abs. 1 HGB.

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Nach § 110 HGB, der gem. § 161 Abs. 2 HGB auch für die Kommanditgesellschaft gilt, ist die Gesellschaft dem Gesellschafter zum Ersatz verpflichtet, wenn er in den Gesellschaftsangelegenheiten Aufwendungen macht, die er nach den Umständen für erforderlich halten darf.

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1. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Zahlungen des Klägers an die S. Bank AG als Gläubigerin der Beklagten stellten Aufwendungen in einer Gesellschaftsangelegenheit dar. Sie erfolgten zur teilweisen Tilgung einer Gesellschaftsverbindlichkeit und auch freiwillig, denn der Kläger war gegenüber der Beklagten zu diesen Zahlungen nicht verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 20.6.2005, II ZR 252/03, juris Rz. 9; Hanseatisches Oberlandesgericht, Urteil von 4.4.2014, 11 U 310/13; LG Hamburg, Urteil vom 1.11.2013, 328 O 108/13).

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Eine Verpflichtung des Klägers ergab sich nicht daraus, dass ihm die Beklagte einen Teil der Kommanditeinlage durch gewinnunabhängige Ausschüttungen zurückzahlte. Es fehlt an einer Regelung im Gesellschaftsvertrag (Anl. B 1), die eine entsprechende Erstattung vorsieht. Dass der Kläger infolge der wieder aufgelebten Außenhaftung gem. §§ 171 Abs. 1 Hs. 1, 172 Abs. 4 HGB gegenüber der S. Bank AG möglicherweise zur Zahlung verpflichtet war, ist unerheblich (BGH aaO und Urteil vom 8.10.2013, II ZR 310/12).

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Auch aus den Freistellungsvereinbarungen (Anl. K 1 und K 2) kann keine rechtliche Bindung des Klägers entnommen werden, weil er diese freiwillig geschlossen hat, ohne in Bezug auf die Beklagte dazu verpflichtet gewesen zu sein. Er war weder vertraglich verpflichtet, die empfangenen Ausschüttungen zurückzuzahlen noch musste er sich mit den Freistellungsvereinbarungen dazu verpflichten.

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Der Kläger durfte die Aufwendungen den Umständen nach auch für erforderlich halten, weil er der Gesellschaft in einer wirtschaftlich schlechten Situation geholfen hat.

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2. Der Anspruch aus § 110 HGB ist auch fällig und seine Geltendmachung ist weder rechtsmißbräuchlich noch verstößt er gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten.

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Nach § 271 BGB kann der Gläubiger eine Leistung sofort verlangen, wenn eine Zeit für eine Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Hier fehlt es an einer bestimmten Zeit für die Leistung, so dass die Beklagte als Schuldnerin Vereinbarungen oder Umstände darlegen und ggf. nachweisen muss, aus denen sich eine spätere Leistungszeit ergibt. Dies hat die Beklagte nicht in ausreichendem Maße getan. Die Beklagte behauptet hierzu u.a., dass der Zweck der Freistellungsvereinbarungen nicht erfüllt sei und die Beklagte für eine geordnete Abwicklung noch Zeit brauche. Dem tritt der Kläger entgegen und macht insbesondere im Schriftsatz vom 11.6.2015 auf S. 6 ff. dezidierte Ausführungen im Hinblick auf die Fälligkeit und Höhe der Klagforderung. Hinreichende durch die Beklagte vorgetragene Umstände, die darauf schließen lassen, dass die finanzielle Situation der Beklagten nach wie vor ungeordnet sei, der verfolgte Zweck der Vereinbarung nicht erreicht würde und die Gesellschaft bei Rückforderung des geltend gemachten Betrages gefährdet wäre, liegen nicht vor. Es kann nicht erkannt werden, dass eine sofortige Geltendmachung der Summe von 5.943,77 € durch den Kläger eine maßgebliche Verschlechterung der finanziellen Situation der Beklagten nach sich ziehen würde. Von daher ist auch in der Geltendmachung der Forderung keine Rechtsmißbräuchlichkeit und kein Verstoß gegen gesellschaftsrechtliche Treuepflichten zu erkennen.

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3. Die Forderung des Klägers ist auch nicht verjährt, so dass die Beklagte die Leistung nicht gem. § 214 BGB verweigern darf. Grundsätzlich gilt mangels anderweitiger Regelungen auch für Ansprüche aus § 110 HGB gem. §§ 195, 199 Abs. 1 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren ab Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hatte. Verjährungsbeginn war mithin zum Ende der Jahre 2009 und 2010, in denen die Freistellungsvereinbarungen abgeschlossen und das Geld vom Kläger ausgezahlt wurde.

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Jedoch ist - wie von Klägerseite mit Schriftsatz vom 25.9.2015 richtig ausgeführt - die Verjährung zunächst gem. § 205 BGB gehemmt gewesen. Sodann verstößt die Geltendmachung der Verjährungseinrede gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung. Das Gericht schließt sich insoweit der Auffassung der Klägerseite an.

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Es war zunächst so, dass der Kläger nach Unterzeichnung der Freistellungsvereinbarungen in den Jahren 2009 und 2010 und der Auszahlung der Beträge diese Forderungen nicht sofort wieder hätte geltend machen bzw. die Beklagte die Leistung vorübergehend hätte verweigern dürfen. Eine andere Sichtweise hätte offensichtlich und für beide Parteien erkennbar und gewollt dem Zweck der Freistellungsvereinbarungen widersprochen, eine geordnete Abwicklung des Kreditverhältnisses mit der S. Bank AG zu ermöglichen, wozu auch der Verkauf der Immobilie gehören sollte. Zunächst war also die Verjährung durch ein zwischen den Parteien stillschweigend abgeschlossenes und so auszulegendes Stillhalteabkommen gem. § 205 BGB gehemmt, wobei aber nicht eindeutig festzustellen ist, wie lange dies genau dauerte.

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Die genaue Dauer der Hemmung der Verjährung kann aber auch dahinstehen, weil die Geltendmachung der Verjährungseinrede durch die Beklagte vorliegend gegen das Verbot der unzulässigen Rechtsausübung verstößt. Die Beklagte hatte mit Abschluss der Freistellungsvereinbarungen dem Kläger gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der - wie zuvor ausgeführt - dahin ging, dass zunächst im Sinne einer geordneten Abwicklung des Kreditverhältnisses mit der S. Bank AG u.a. auch die Immobilie veräußert werden sollte. Hiervon konnte der Kläger nach den Vereinbarungen ausgehen, so dass er von der Rückforderung der geleisteten Zahlungen während der Verjährungsfrist abgehalten wurde. Der Kläger durfte ebenfalls davon ausgehen und sich darauf verlassen, dass sich die Beklagte für diesen Zeitraum auch im Falle der Geltendmachung von Rückzahlungsforderungen nicht auf die Einrede der Verjährung berufen würde. Unstreitig hat die geschäftsführende Kommanditistin in ihrem Geschäftsbericht 2015 mitteilen lassen, dass der geplante Verkauf der Fondsimmobilie an die N. V. final gescheitert sei und eine Beschlusslage für ein alternatives Vorgehen nicht existiere. Wenn der Kläger sodann mit dieser Klage aus März 2015 - kurz nachdem also das Scheitern des Verkaufs durch den Geschäftsbericht mitgeteilt worden ist - seinen Anspruch auf Rückzahlung der Beträge einklagt, so kann die Beklagte ihm nicht mit Erfolg diese Einrede der Verjährung entgegen halten. Der Kläger hat kurz nach Wegfall des Vertrauenstatbestandes, also der Mitteilung des Scheiterns des Verkaufs, Klage erhoben, was rechtzeitig ist. Die hiergegen erhobene Verjährungseinrede erfolgt unter Verstoß gegen Treu und Glauben, weil sich die Beklagte die zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen damit einseitig und rechtsmißbräuchlich zu Nutze macht und den Kläger als Gesellschafter, der der Gesellschaft in Krisenzeiten durch Zahlungen geholfen hat, damit versucht, um seinen berechtigten Rückzahlungsanspruch zu bringen.

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III. Der Kläger hat ebenfalls einen Anspruch auf die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren und die geltend gemachten Zinsen gem. §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 und 4 BGB. Der Kläger hat die Beklagte durch seinen Prozessbevollmächtigten zur Zahlung bis zum 20.2.2015 aufgefordert, nachdem er bereits zuvor selbst erfolglos Zahlung von der Beklagten verlangt hatte. Die Beklagte befand sich mithin seit dem 21.2.2015 in Verzug und hat demgemäß dem Kläger den geltend gemachten, richtig berechneten Verzugsschaden zu ersetzen.

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IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 Satz 2 ZPO.

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