Urteil vom Landgericht Hamburg (34. Zivilkammer) - 334 O 265/16

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin € 17.767,39 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 4.11.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der jeweils zu vollstreckenden Forderung vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Die Klägerin verlangt von der Beklagten, einer Immobilienfondskommanditgesellschaft, die Erstattung eines Betrages in Höhe von 17.767,39 € gemäß § 110 HGB sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

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Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft. Die Klägerin ist Kommanditistin. Im Laufe der Geschäftstätigkeit der Beklagten kam es immer wieder zu gewinnunabhängigen Ausschüttungen an die Kommanditisten.

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Im Gesellschaftsvermögen befindet sich die Immobilie S.str.... in B., die zunächst für die Dauer von 10 Jahren bis zum 30.9.2003 fest vermietet war. Nach Beendigung des Mietvertrags kam es zu Leerständen. Für die Immobilie konnte nur noch eine erheblich geringere Miete realisiert werden. Ein von der Beklagten aufgenommenes Darlehen bei ihrer Hauptgläubigerin, der S. AG, konnte nicht mehr ordnungsgemäß bedient werden. Die Beklagte und die S. AG führten 2008 Gespräche. Die Immobilie sollte verkauft werden, die Kommanditisten Ausschüttungen zurückzahlen. Es wurde ein notarieller Kaufvertrag geschlossen. Zwischen den Kaufvertragsparteien besteht Streit, ob die die Bedingungen des Kaufvertrages erfüllt und somit der Kaufvertrag wirksam zustande gekommen ist. Die Beklagte und die S. AG kamen in erneuten Gesprächen überein, dass die Kommanditisten 23,25% von den erhaltenen Ausschüttungen an die Beklagte zurückzahlen und die S. AG im Gegenzug auf eine Haftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB verzichte. Die Klägerin entschied sich nicht für dieses Angebot. Mit Schreiben vom 14.8.2013 forderten die Bevollmächtigten der S. AG die Klägerin unter Bezugnahme auf die Kommanditistenhaftung §§ 171,172 Abs. 4 Satz 2 HGB auf, erhaltene Ausschüttungen in Höhe von € 17.767,39 zurückzuzahlen und zwar an sie als Gläubigerin zum Zwecke der Tilgung der von der Beklagten geschuldeten Zinsen. Die Klägerin zahlte daraufhin den geforderten Betrag an die S. AG. Mit Schreiben vom 21.10.2016 forderte die Klägerin die Beklagten unter Fristsetzung bis zum 3.11.2016 ohne Erfolg auf, ihr den verauslagten Betrag zu erstatten.

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Die Klägerin trägt vor:

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Die teilweise Tilgung des Darlehens der Beklagten bei der S. AG sei als Sonderopfer im Sinne des § 110 HGB anzusehen. Die Beklagte habe ihn den geleisteten Betrag zu erstatten.

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Die Klägerin beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen,

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1. an sie € 17.767,39 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 3.11.2016 zu zahlen,

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2. an sie weitere € 1.100,51 vorgerichtlich Anwaltskosten zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte trägt vor:

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Es habe sich um keine freiwillige Aufwendung der Klägerin in Gesellschaftsangelegenheiten gehandelt, die sie den Umständen nach für erforderlich hätte halten dürfen. Darüber hinaus sei der Anspruch der Klägerin aus § 110 HGB nicht fällig. Auf der Grundlage des Vortrages der Klägerin ergebe sich, dass eine geordnete Abwicklung der Gesellschaft die Inanspruchnahme der Kommanditisten erfordert habe. Wenn sie die von Kommanditisten an die S. AG gezahlten Beträge erstatte, würden die erzielten Mietüberschüsse nicht zur Bedienung der Forderung der S. AG zur Verfügung. Die von der S. AG gewährten Darlehensmittel, die seit dem 15.11.2013 endfällig seien, seien wiederholt gestundet worden, um eine freihändige Veräußerung der Immobilie zu ermöglichen. Die Durchführung eines Rechtsstreits gegen die Käuferin wäre angesichts des in Rede stehenden Streitwertes mit hohen Prozessrisiken verbunden, die die Beklagte nicht aufbringen können. Sie plane nach Durchführung des Bietverfahrens den Verkauf der Immobilie. Das Vorgehen der Klägerin gefährde eine geordnete Abwicklung durch eine bestmögliche Veräußerung der Immobilie. Das Verhalten der Klägerin sei darüber hinaus treuwidrig.

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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist in Höhe von € 17.767,39 nebst Zinsen ab 4.11.2016 begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet.

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Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von € 17.767,39 gem. §§ 161 Abs. 2, 110 HGB.

17

Nach der über § 161 Abs. 2 HGB auch für Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft anwendbaren Vorschrift ist die Gesellschaft dem Gesellschafter zum Ersatz derjenigen Aufwendungen verpflichtet, die dieser in Gesellschaftsangelegenheiten macht und die er den Umständen nach für erforderlich halten darf. Diese Voraussetzungen liegen für die getätigte streitgegenständliche (Teil-) Rückzahlung der an die Klägerin gezahlten Ausschüttungen vor.

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Der Bundesgerichtshof hat in einer vergleichbaren Konstellation entschieden (Versäumnisurteil vom 20.06.2005 - II ZR 252/03):

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„Kommanditisten, deren Kapitalkonto durch gesellschaftsvertraglich zugelassene Ausschüttungen negativ geworden ist und die zur Abwendung einer Krisensituation der Gesellschaft ohne rechtliche Verpflichtung die Entnahmen an die KG zurückzahlen, erbringen auch dann ein die Erstattungspflicht der Gesellschaft nach § 110 HGB auslösendes Sonderopfer, wenn sie mit der Zahlung zugleich dafür sorgen, dass sie in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren im Außenverhältnis nicht nach § 172 IV HGB in Anspruch genommen werden können.“

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Die Grundsätze sind auf das vorliegende Verfahren übertragbar und anzuwenden.

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1. Ein den Erstattungsanspruch des § 110 HGB auslösendes Sonderopfer liegt dann vor, wenn die Rückzahlung der in der Vergangenheit empfangenen Ausschüttungen ohne rechtliche Verpflichtung erfolgt ist. Eine rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung des fraglichen Betrages an die S. AG etwa auf Grund gesellschaftsrechtlicher Regelungen ist nicht gegeben. § 3 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrages (Anl. B 1) enthält keine vertragliche Regelung, die den Gesellschafter zur Rückzahlung erhaltener Ausschüttungen verpflichtet.

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2. Auch der Umstand, dass die Klägerin die „Teilrückzahlung“ vorrangig oder auch ausschließlich vorgenommen hat, um einen weitere Inanspruchnahme durch einen Gläubiger der Gesellschaft zu verhindern, nimmt der Zahlung nicht den Charakter der Freiwilligkeit (vgl. hierzu Ebenroth-Boujong-Joost-Stroh, HGB, 2 Aufl., § 110 Rd. 12; BGH a.a.O. Die Frage der Freiwilligkeit des Vermögensopfers stellt sich im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter. Die Beklagte hatte keinen Anspruch aus dem Gesellschaftsverhältnis gegen die Klägerin auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages.

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3. Es handelt sich auch um eine Aufwendung in einer Gesellschaftsangelegenheit, wenn ein Gesellschafter erhaltene Ausschüttungen zurückzahlt. Dass der Gesellschafter damit erreichen will, dass ein Gläubiger der Gesellschaft ihn nicht weiter in Anspruch nimmt, führt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht dazu, ein Tätigwerden in Gesellschaftsangelegenheiten zu verneinen. Denn die Leistung an eine Gläubiger der Gesellschaft führt nicht dazu, dass die Klägerin im maßgeblichen Verhältnis zur Beklagten zu dieser Zahlung verpflichtet war und die Zahlung gegenüber den anderen Gesellschaftern kein Sonderopfer darstellt (HansOLG, Urteil vom 4.7.2014, Az. 11 U 35/14).

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4. Der Erstattungsanspruch der Klägerin ist auch fällig. Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen kann. Nach § 271 BGB kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, wenn für die Leistung eine Zeit weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Fehlt eine gesetzliche oder vertragliche Bestimmung der Leistungszeit, ist der Schuldner, der sich auf eine die Fälligkeit hindernde Abrede oder Umstände beruft, darlegungs- und beweispflichtig. Die diesbezüglichen Ausführungen der Beklagten lassen keine Umstände erkennen, aufgrund derer nicht von einer Fälligkeit der Forderung auszugehen wäre.

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Die Treupflicht kann zwar unter besonderen Voraussetzungen die Fälligkeit eines Anspruches verhindern. Das von der Beklagten insoweit angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.06.2005 (Az.: II ZR 252/03) ist vorliegend jedoch nicht einschlägig. In jenem Urteil wurde eine Treuepflicht für denjenigen Gesellschafter angenommen, der auf bloßes Anfordern hin freiwillig einen Teil der empfangenen Ausschüttungen zurückgezahlt hatte, um unmittelbar bevorstehende Maßnahmen zu verhindern. In dem hier vorliegenden Fall zahlte der Klägerin hingegen erst, nachdem die Berechtigung der S. AG zur Inanspruchnahme der Kommanditisten der Beklagte als berechtigt festgestellt worden war und zwischenzeitlich mehr als drei weitere Jahre vergangenen sind.

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Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, das Vorgehen der Klägerin gefährde eine geordnete Abwicklung durch eine bestmögliche Veräußerung der Immobilie. Die Zivilkammer 32 hat in einem Parallelverfahren mit Urteil vom 25.1.2017 zum Az. 332 O 291/16 hierzu ausgeführt:

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Das Hanseatische Oberlandesgericht hat entschieden, dass die Beklagte nicht jahrelang die Ausgleichszahlungen verweigern darf, um die Gesellschaft außerhalb eines geordneten Liquidationsverfahrens abzuwickeln (HansOLG vom 3.11.2016, 11 U 105/16). Die Gesellschaft fordert in Umgehung der Mitbestimmungsrechte der Gesellschafter gemäß § 8 Abs. 4 c des Gesellschaftsvertrages für Maßnahmen, die auf einseitigen Maßnahmen der Geschäftsführung beruhen, eine Treuepflicht, die lediglich unter den Voraussetzungen eines Beschlusses gemäß § 8 Abs. 4 c anzunehmen wären (Hans OLG vom 13,8,2015, 11 U 25/15 -Anlage K5 in 311/16).

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Es kommt auch nicht darauf an, ob durch die Erfüllung der Forderung die Haftung des Klägers wieder aufleben würde. Dieses Risiko ist allein vom Kläger zu tragen, ohne dass es der Beklagte zur Zahlungsverweigerung dienen könnte. Dies gilt ebenso für die grundsätzliche Möglichkeit, insoweit vom Insolvenzverwalter in Anspruch genommen werden zu können. Dass dies unmittelbar droht, ist nicht vorgetragen.

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Eine Treuwidrigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger dem Verkauf nicht zugestimmt hat. Seine Einschätzung, dass der Verkauf in Anbetracht der von ihm eingeschätzten wirtschaftlichen Situation des Fonds nicht angezeigt sei, widerspricht nicht seinem Zahlungsverlangen.“

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Diese Ausführungen sind vollen Umfangs auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar und die zuständige Einzelrichterin schließt sich dem an.

II.

32

Die geforderten Zinsen stehen der Klägerin gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB zu. Verzug ist mit Ablauf der in dem Anwaltsschreiben gesetzten Frist bis zum 3.11.2016 am 4.11.2016 eingetreten.

III.

33

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten gemäß §§ 311 Abs. 1, 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 BGB. Auf Grund des Vortrages der Klägerin kann nicht festgestellt werden, dass die Beklagte sich im Verzug befand als sie von dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Zahlung aufgefordert wurde.

IV.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit § 708 Nr. 11, 709 ZPO.

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