Urteil vom Landgericht Hamburg - 325 O 336/17

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.525,47 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 9.8.2017 zu zahlen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Nebenintervention.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

und beschließt:

Der Streitwert wird auf 11.525,47 € festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein Leasingunternehmen, das auf das Leasing von Elektronik-Equipment spezialisiert ist. Der Beklagte betreibt einen Handels- und Trainingsstall für Springpferde mit 31 Boxen und 13 Mitarbeitern. Er schloss am 3.8./6.8.2015 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin einen als M.-Nutzungsvertrag bezeichneten Vertrag (Anlage K1) über die Nutzung eines „MultiCam“-Kameraüberwachungssystems der Nebenintervenientin für eine Vertragslaufzeit von 60 Monaten. Als monatliches Nutzungsentgelt waren 250 € netto vereinbart worden. Dem Vertrag waren die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin (Anlage K3) beigefügt. Nr. 6 dieser Bedingungen schließt Ansprüche und Rechte des Mieters wegen einer nicht vertragsgemäßen Lieferung oder Sach- und Rechtsmängeln aus. Zum Ausgleich werden dem Mieter die Ansprüche der Klägerin gegen den Lieferanten abgetreten. Nr. 13 ist eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten der Hamburger Gerichte.

2

Die Nebenintervenientin installierte das Kamerasystem am 3.8.2015 bei dem Beklagten, was dieser in einer Übernahmeerklärung bestätigte (K4). Am 11.8.2015 widerrief der Beklagte gegenüber der Nebenintervenientin einen mit ihr geschlossenen Vertrag unter Berufung auf das Fernabsatzgesetz (Anlage B6). Am 25.9.2015 verständigte er sich mit der Nebenintervenientin darauf, dass die Zahl der zu installierenden Kameras auf 5 reduziert wurde. Hierfür sollte der Beklagte eine monatliche Gutschrift von 100 € netto von der Nebenintervenientin erhalten. Das Abrechnungsverfahren mit der Beklagten sollte von der Vereinbarung unberührt bleiben. Im Gegenzug nahm der Kläger seinen Vertragswiderruf zurück (Anlage B1). Die Nebenintervenientin zahlte die monatlichen Gutschriften bis August 2016 auf Anforderung aus, die folgenden Gutschriften nicht mehr. Der Beklagte kündigte daraufhin das Vertragsverhältnis mit der Nebenintervenientin und teilte dies der Klägerin mit (Anlage B3).

3

Ab November 2016 bezahlte der Beklagte die vereinbarten Leasingraten nicht mehr. Für die Rückbuchungen von ihm widerrufener Lastschriften fielen bei der Klägerin Gebühren von je 7,96 € an. Der Beklagte begründete dies damit, dass das Kamerasystem nicht ordnungsgemäß funktioniere. Die Nebenintervenientin bestritt dies. Die Klägerin wies darauf hin, dass dies den Beklagten nicht dazu berechtigte, die Leasingraten zurückzubehalten und kündigte im Fall weiter ausbleibender Zahlungen die Kündigung des Leasingvertrags an (Anlage K7). Am 13.3.2017 kündigte sie den Leasingvertrag fristlos (Anlage K8). Der Beklagte gab daraufhin auf Aufforderung der Klägerin das Leasing-Objekt zurück. Die Klägerin ermittelte ihren Kündigungsschaden, indem sie die noch ausstehenden 41 Leasingraten abzinste (Anlage K9). Sie forderte den Beklagten durch anwaltliches Schreiben unter Fristsetzung zum 8.8.2017 erfolglos zur Zahlung des Kündigungsschadens, der bis zur Kündigung offen gebliebenen Raten und der Kosten der Rücklastschriftbuchungen auf (Anlage K10).

4

Die Klägerin meint, nach der Vermutung des § 1 Abs. 2 HGB sei davon auszugehen, dass der Beklagte Kaufmann sei. Die Nebenintervenientin habe sie nicht wirksam vertreten können.

5

Sie beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

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an sie EUR 11.525,47 nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09. August 2017 zu zahlen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er meint, dass das Landgericht Hamburg nicht zuständig sei. Die Gerichtsstandsvereinbarung sei nicht wirksam, weil er kein kaufmännisches Unternehmen betreibe. Aufgrund der ausgebliebenen Zahlungen durch die Nebenintervenientin sei er berechtigt gewesen, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Der Vertrag mit der Klägerin sei ein verbundenes Geschäft, so dass die Kündigung des Beklagten gegenüber der Nebenintervenientin dazu führe, dass der damit zusammen hängende Leasingvertrag obsolet geworden sei. Er habe davon ausgehen können, dass die Nebenintervenientin berechtigt sei, den Vertragsgegenstand des Leasingvertrags auf 5 Kameras zu reduzieren. Aus dem gleichen Grund habe er auch den Vertrag gegenüber der Nebenintervenientin kündigen können.

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Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Entscheidungsgründe

I.

11

Die Klage ist zulässig. Das Landgericht Hamburg ist nach Nr. 13 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin örtlich zuständig. Die Parteien waren als Kaufleute nach § 38 ZPO berechtigt, eine Gerichtsstandsvereinbarung zu treffen. Dass der Beklagte Kaufmann ist, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 HGB. Nach dieser Bestimmung ist jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art und Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert. Aus der Negativformulierung ergibt sich, dass demjenigen, der die Kaufmannseigenschaft bestreitet, der Nachweis obliegt, dass ein kaufmännischer Geschäftsbetrieb nicht erforderlich sei. Der Beklagte hat hierzu nichts vorgetragen. Im Übrigen ergibt sich schon aus dem unstreitigen und mit der Anlage K12 belegten Vorbringen, wonach der Betrieb des Beklagten 13 Mitarbeiter, 5 - 8 feste eigene Springreitpferde, weitere eigene Pferde zum Handeln und 31 Boxen umfasst, dass dieser Betrieb nach Art und Umfang die Einrichtung eines kaufmännischen Geschäftsbetriebs erfordert.

II.

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Der Klägerin kann nach § 280 BGB die Zahlung von Schadensersatz in der begehrten Höhe verlangen. Nach § 314 Abs. 4 BGB schließt die Kündigung eines Vertrags aus wichtigem Grund die Geltendmachung von Schadensersatz nicht aus.

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1. Die den Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtverletzung des Beklagten besteht darin, dass er in den Monaten November 2016 bis März 2017 die fälligen Raten aus dem Nutzungsvertrag nicht bezahlte. Der Beklagte war nicht berechtigt, die Zahlung der Raten zu verweigern.

14

a) Ein Widerrufsrecht nach der für Fernabsatzgeschäfte geltenden Bestimmung des § 312c BGB stand dem Beklagten schon deshalb nicht zu, weil die Widerrufsrechte nach § 312 ff. BGB gemäß § 312 Abs. 1 BGB nur auf Verbraucherverträge Anwendung finden, der Beklagte und die Klägerin aber keine Verbraucher sind. Im Übrigen hatte der Beklagte auch nicht den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag widerrufen, sondern einen Vertrag mit der Nebenintervenientin. Ein solcher Vertrag bestand jedoch gar nicht. Nicht der Beklagte, sondern die Klägerin hatte einen Vertrag mit der Nebenintervenientin abgeschlossen, mit dem sie die Kameraanlage erwarb, die sie dem Beklagten zur Verfügung stellte.

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b) Ein Leistungsverweigerungsrecht ergibt sich nicht aus einem Mangel des Kamerasystems. Abgesehen davon, dass der Beklagte nicht angegeben hat, worin ein Mangel dieses Systems bestehen soll, würde ein solcher Mangel nicht automatisch ein Recht zur Verweigerung der Bezahlung der weiteren Leasingraten begründen. Auf den Leasingvertrag als atypischem Mietvertrag finden zwar die Bestimmungen des Mietrechts Anwendung. Hiervon sind jedoch aufgrund der Besonderheiten des Leasings Abweichungen zulässig. Unter anderem ist es dem Leasinggeber gestattet, die ihn nach §§ 536 ff. treffende Gewährleistung für Mängel der Mietsache dadurch zu ersetzen, dass er dem Leasingnehmer die Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag mit dem Lieferanten abtritt oder zur Ausübung überträgt (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., Einf v. § 535 BGB Rn. 56). Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin in Ziffer 6 ihrer AGB Gebrauch gemacht.

16

c) Der Beklagte durfte auch nicht deshalb die weiteren Zahlungen verweigern, weil er gegenüber der Nebenintervenientin den Rücktritt erklärt hatte. Ein eigenes Rücktrittsrecht gegenüber der Nebenintervenientin bestand schon deshalb nicht, weil den Beklagten keine vertragliche Beziehung mit der Nebenintervenientin verband. Ob die Erklärung des Beklagten gegenüber der Nebenintervenientin so ausgelegt werden kann, dass der Beklagte ein ihm zur Ausübung übertragenes Rücktrittsrecht der Klägerin gemacht hat, kann dahinstehen. Auch dies würde ihn nämlich nicht ohne weiteres dazu berechtigen, die weiteren Raten einzubehalten. Zwar führt ein Rücktritt gegenüber dem Lieferanten der Leasingsache dazu, dass die Geschäftsgrundlage des Leasingvertrags entfällt, wodurch der Leasingnehmer von seiner Leistungsverpflichtung frei wird (BGH, Urt. v. 16.9.2015 - VIII ZR 199/14, NJW 2016, 397; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., Einf v § 535 BGB Rn. 58). Wenn aber der Lieferant die Berechtigung des ihm gegenüber erklärten Rücktritts bestreitet, kann der Leasingnehmer dem Leasinggeber den gegenüber dem Lieferanten erklärten Rücktritt nur dann entgegenhalten, wenn er den Lieferanten auf Rückgewähr verklagt hat (BGH, Urt. v. 16.6.2010 – VIII ZR 317/09, NJW 2010, 2798; Urt. v. 13.11.2013 – VIII ZR 257/12, NJW 2014, 1583).

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d) Der Rechtsgedanke des verbundenen Geschäfts nach § 358 BGB ist auf einen Leasingvertrag nicht übertragbar. Bei einem verbundenen Geschäft schließt ein Verbraucher neben einem Finanzierungsvertrag einen weiteren Vertrag über den Kauf einer Sache oder über eine Dienstleistung. Wenn diese Geschäfte verbunden sind, kann der Verbraucher Einwendungen aus dem Kauf- oder Dienstleistungsvertrag dem Darlehensgeber entgegen setzen. Bei einem Leasingvertrag hingegen schließt der Leasingnehmer nur einen Vertrag mit dem Leasinggeber, der das Leasingobjekt finanziert und es dem Leasingnehmer zur Verfügung stellt.

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e) Dass die Nebenintervenientin ihre Zahlungspflichten aus der als Anlage B1 eingereichten Vereinbarung nicht erfüllt hat, ist im Verhältnis der Parteien dieses Rechtsstreits ohne Bedeutung. In der Vereinbarung vom 25.9.2015 wurde ausdrücklich festgelegt, dass die Vereinbarung das Abrechnungsverfahren der Klägerin mit der Beklagten nicht berührt.

19

2. Die Höhe des Schadensersatzanspruchs ist von der Klägerin zutreffend berechnet worden. Die Klägerin ist aufgrund des Zahlungsverzugs des Beklagten wirksam vom Vertrag zurückgetreten. Nach Nr. 10 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen war die Klägerin berechtigt, den Nutzungsvertrag zu kündigen, wenn ihr Vertragspartner mit der Zahlung des für ein Quartal geschuldeten Betrags nach schriftlicher Abmahnung mit Kündigungsandrohung für mehr als einen Monat in Verzug blieb. Die Regelung ist nicht nach § 307 BGB unwirksam, denn sie stellt den Vertragspartner der Klägerin besser als die gesetzliche Regelung in § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB, die bereits bei einem Rückstand von zwei Monatsmieten und ohne eine vorherige Androhung eine außerordentliche Kündigung ermöglicht.

20

a) Nach der Kündigung besteht der Schaden der Klägerin in den Zahlungsraten, die ihr infolge der Kündigung nicht mehr zugeflossen sind. Diese hat die Klägerin, da sie vor dem vertraglich vereinbarten Zeitpunkt angefallen sind, zutreffend abgezinst. Sie hat auch richtigerweise berücksichtigt, dass sie die unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes geforderten Raten, die nach der Kündigungserklärung angefallen wären, nur als Nettobetrag geltend machen kann, während die bis zur Kündigung angefallenen Raten als vertragliche Gegenleistung mehrwertsteuerpflichtig sind (Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., Einf v § 535 BGB Rn. 70).

21

b) Der Schaden reduziert sich nicht deshalb, weil der Beklagte der Klägerin das Kamerasystem überlassen hat. Die Klägerin wäre nämlich zur Amortisation ihrer Aufwendungen ohnehin nach dem Ende des Leasingvertrags berechtigt gewesen, das gebrauchte Kamerasystem zu verwerten. Eine Anrechnung auf die noch ausstehenden Raten wäre dann angezeigt, wenn der Umstand, dass die Klägerin die Kameras infolge der Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt verwerten konnte, als ihr dies bei Ablauf des Nutzungsvertrags möglich gewesen wäre, zu einem höheren Verwertungserlös geführt hat (vgl. BGH, Urt. v. 8.3.1995 – VIII ZR 313/93, NJW 1995, 1541). Dass dies bei dem vom Beklagten geleasten Kamerasystem der Fall ist, ist aber nicht zwingend. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, dass die zum Zeitpunkt der Kündigung noch ausstehende Vertragslaufzeit von etwa 3,5 Jahren nicht besonders lang ist und dass Überwachungskameras keinem Verschleiß unterliegen, wie dies etwa bei einem geleasten Kraftfahrzeug der Fall wäre, bei dem es einen erheblichen Wertunterschied macht, ob es nach 1,5 Jahren oder nach 5 Jahren verwertet wird. Der Beklagte hat auch nichts dazu vorgetragen, dass das Kamerasystem, nachdem es etwas mehr als 1,5 Jahre im Einsatz war, einen höheren Verkaufserlös erwarten ließ, als wenn es nach fünf Jahren verwertet worden wäre.

22

c) Zu Recht hat die Klägerin auch die Rücklastschriftgebühren als weitere Schadensersatzposition in Rechnung gestellt. Die Parteien haben den Einzug der monatlichen Raten per Lastschrift vereinbart. Eine solche Vereinbarung beinhaltet konkludent die Zusage des Schuldners, auf seinem Konto ein ausreichendes Guthaben vorzuhalten und von der ihm eröffneten Möglichkeit, eine Lastschrift zu widerrufen, bei berechtigten Abbuchungen keinen Gebrauch zu machen. Die Abbuchungen der Klägerin waren berechtigt, weil dem Beklagten, wie oben dargestellt wurde, kein Zurückbehaltungsrecht zustand.

III.

23

Die begehrten Zinsen stehen der Klägerin nach § 288 Abs. 2 BGB zu. Der Beklagte ist kein Verbraucher im Sinn des § 13 BGB, da er den Nutzungsvertrag im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit abgeschlossen hat.

IV.

24

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 101 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO. Die Streitwertfestsetzung ergeht nach § 63 Abs. 2 GKG.

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