Urteil vom Landgericht Hamburg (25. Zivilkammer) - 325 O 346/19

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 493.588,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 21.10.2019 Zug um Zug gegen Rückübereignung einer Photovoltaik-Anlage in... W., W. Str. ... , mit einer Anlagenleistung von 267,70 kWp und Herausgabe etwaig enthaltener Einspeisevergütungen zu zahlen.

II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 818,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 21.9.2019 zu zahlen.

III. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte hinsichtlich der Rückübereignung der Photovoltaik-Anlage in... W., W. Str. ... , mit einer Anlagenleistung von 267,70 kWp im Annahmeverzug befindet.

IV. Hinsichtlich des weitergehenden Klagantrags zu I. und II. und der Verpflichtung zur Feststellung des Annahmeverzugs bezüglich etwaig erhaltener Einspeisevergütungen für die Photovoltaikanlage in W. wird die Klage abgewiesen.

V. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

VI. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger klagt auf Rückabwicklung von Kaufverträgen über Photovoltaikanlagen in W. und P.. Dieses Teilurteil betrifft allein die Ansprüche, die im Zusammenhang mit der Anlage in W. stehen.

2

Am 1.3./6.3.2018 schlossen die Parteien einen „Kaufvertrag über den Erwerb einer Photovoltaikanlage im Alleineigentum“ (Anlage K1), nach dem die Beklagte eine in W. zu errichtende und an das Stromnetz anzuschließende Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 267,60 kWp an den Kläger zu übereignen hatte. Die Beklagte sollte nach § 1 Abs. 4 des Vertrags auch kaufmännische Verwalterin werden. Zu diesem Zweck schlossen die Parteien am gleichen Tag einen Treuhands- und Verwaltungsvertrag (Anlage K2). In § 13 Abs. 1 des Kaufvertrags ist als geplanter Fertigstellungstermin der 30.6.2018 benannt. Die Übergabe der Anlage sollte nach §§ 13 Abs. 2, 14 des Vertrags innerhalb von zwei Wochen nach Fertigstellung erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt sollte der Kläger eine vollständige Anlagendokumentation, deren näherer Inhalt in § 1 Abs. 2 und § 7 des Vertrags beschrieben ist, erhalten.

3

Der Kläger zahlte nach Aufforderung (Anlage K4) den Kaufpreis an die im Vertrag benannte Treuhänderin. Die Beklagte teilte am 20.12.2018 (Anlage K5) mit, dass die Anlage noch im Jahr 2018 „EEG-seitig fertiggestellt“ werde. Die Einspeisung ins öffentliche Netz werde ab Frühjahr 2019 erfolgen. Mit E-Mail vom 22.3.2019 teilte die Beklagte mit, dass die Anlage in rund zwei Wochen komplett fertiggestellt sei (Anlage K6). Am 2.7.2019 informierte sie den Kläger, dass die Anlage gemäß § 13 des Kaufvertrags technisch fertiggestellt sei und dass mit jenem Schreiben die Übergabe erfolge (Anlage K7). Tatsächlich hat der Generalunternehmer eine bauliche Fertigstellung der Anlage zum 19.8.2019 bestätigt (Anlage B1). Ein Netzanschluss erfolgte jedenfalls bis Juni 2020 nicht.

4

Der Kläger forderte die Beklagte über seinen späteren Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 4.9.2019 zur Übergabe einer vollständigen Anlagedokumentation und zur Zahlung der durch das Schreiben veranlassten Anwaltskosten bis zum 20.9.2019 auf. Die Beklagte wies dieses ihr am 4.9.2019 zugegangene Schreiben am 18.9.2019 mangels glaubwürdig übermittelter Vollmacht zurück und gab an, zur Erstellung der Anlagedokumentation nicht in der Lage zu sein. Der Kläger erklärte daraufhin mit Schreiben vom 11.10.2019 (Anlage K11) den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises auf. Mit der Klagschrift forderte er die Beklagte vorsorglich auf, binnen zwei Wochen ab Zustellung der Klage den Netzanschluss herzustellen. Die Klage wurde am 9.12.2019 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 4.3.2020 trat der Kläger wegen des fruchtlosen Ablaufs dieser Frist erneut vom Kaufvertrag zurück.

5

Der Kläger behauptet, die Anlage sei noch immer nicht ans Netz angeschlossen. Die Beklagte habe ein Schreiben vom 15.6.2020 mit dem sie den Netzanschluss bestätigt habe, zwei Tage später per E-Mail widerrufen.

6

Er meint, der Rücktritt sei berechtigt. Die Beklagte trage das Risiko von Verzögerungen durch ihre Subunternehmer und Zulieferer.

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Er beantragt u.a.,

8

I. die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag in Höhe von 493.588,20 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21.10.2019 Zug um Zug gegen Rückübereignung einer Photovoltaik-anlage in... W., W. Str. ... , mit einer Anlagenleistung von 267,70 kWp und Herausgabe etwaig erhaltener Einspeisevergütungen zu bezahlen

9

II. die Beklagte daneben zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von netto 4.196,90 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2019 zu bezahlen.

10

III. (...)

11

IV. (...)

12

V. festzustellen, dass sich die Beklagte hinsichtlich ihrer Verpflichtungen aus Ziff. I und III der Klagschrift im Annahmeverzug befindet.

13

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

15

Sie behauptet, die Anlage sei am 15.6.2020 ans Netz angeschlossen worden.

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Sie meint, der Rücktritt sei nicht wirksam, weil ihre Verpflichtung zur Übermittlung der Anlagedokumentation erst bei Übergabe der Anlage fällig werde. Diese sei noch nicht erfolgt. Der Netzanschluss liege nicht in ihrem Einflussbereich. Außerdem sei es unangemessen, einen Rücktritt zuzulassen, obwohl der Anschlusstermin feststehe. Sie habe sich mit der technischen Fertigstellung der Anlage nicht in Verzug befunden, weil das in § 13 des Vertrags genannte Datum nicht bindend sei und es an einer Mahnung durch den Kläger fehle.

17

Die Parteien verständigten sich in den Grundzügen auf den Abschluss eines Teilvergleichs über die Rückabwicklung des Kaufs der Photovoltaikanlage in W.. Dieser sah die Rückzahlung des Kaufpreises vor, wobei die erste Rate in Höhe von 125.000 € am 30.9.2020 gezahlt werden sollte. Im Fall des Ausbleibens einer Ratenzahlung sollte die gesamte Rückzahlungsforderung fällig werden. Die Beklagtenvertreter erklärten mit Schreiben vom 3.9.2020 die Bereitschaft diesen Vergleich abzuschließen, wenn ein dort zunächst vorgesehener Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszins auf 5 Prozentpunkte über dem Basiszins gesenkt wird. Hiermit erklärte sich der Klägervertreter mit Schreiben vom 7.9.2020 einverstanden. Dieses Schreiben ging am gleichen Tag bei Gericht ein. Am 8.9.2020 stellte das Gericht durch Beschluss das Zustandekommen eines Teilvergleichs mit dem durch die Schriftsätze vom 3.9.2020 und 7.9.2020 abgestimmten Inhalts fest. Aufgrund eines gerichtlichen Versehens wurde sowohl das Schreiben vom 7.9.2020 als auch der Beschluss vom 8.9.2020 dem Beklagtenvertreter erst am 2.10.2020 zugestellt.

18

Der Beklagte hält den Vergleichsschluss aufgrund der verspäteten Übermittlung der Annahme durch den Kläger für unwirksam.

19

Er beantragt,

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den Rechtsstreit fortzusetzen.

21

Der Kläger beantragt,

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durch Zwischenurteil die Wirksamkeit des mit Beschluss vom 8.9.2020 festgestellten Vergleichs festzustellen.

23

Er meint, der Vergleichsschluss sei wirksam. Ein gerichtlicher Vergleich komme auch materiell mit Eingang der jeweils zustimmenden Erklärungen bei Gericht wirksam zustande. Die Parteien verzichteten konkludent auf das ansonsten für eine Einigung bestehende Erfordernis des Zugangs der Erklärung der jeweils anderen Partei.

24

Mit Beschluss vom 1.2.2021 hat das Amtsgericht Hamburg ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet.

Entscheidungsgründe

25

I. Die zwischenzeitliche Insolvenz der Beklagten steht dem Erlass eines Teilurteils nicht entgegen, § 249 Abs. 3 ZPO.

26

II. Der Rechtsstreit ist nicht durch den mit Beschluss vom 8.9.2020 festgestellten Vergleich beendet worden.

27

II. Ein gerichtlich festgestellter Vergleich besitzt, selbst wenn er prozessrechtlich ordnungsgemäß zustande gekommen ist, keine Wirkung, wenn nicht zugleich ein materiell-rechtlich wirksamer Vergleich abgeschlossen wurde (Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 794 ZPO Rn. 15). Fehlt dem Vergleich die materielle Wirksamkeit, dann ist ihm zugleich die prozessrechtliche Wirkung der Beendigung des Rechtsstreits entzogen. Im Streit über die Fortsetzung des Verfahrens muss das Gericht deshalb prüfen, ob der Vergleich materiell-rechtlich wirksam geschlossen wurde (BGH, Urt. v. 3.12.1980 - VIII ZR 274/79, BGHZ 79, 71).

28

II. Das Zustandekommen des Vergleichs richtet sich nach § 145 ff. BGB. Wird er, wie es hier geschehen ist, dadurch abgeschlossen, dass die Parteien wechselseitig in Detailpunkten abweichende Zustimmungserklärungen übersenden, so stellt jede Erklärung nach § 150 Abs. 2 BGB einen neuen Antrag dar. Übereinstimmende Erklärungen, die dem Beschluss vom 8.9.2020 zugrunde lagen, haben die Parteien erst mit ihren Schriftsätzen vom 3.9.2020 (Beklagtenvertreter) und 7.9.2020 (Klägervertreter) dem Gericht übermittelt. Für die materielle Wirksamkeit des Vergleichs müssen diese Erklärungen innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB der anderen Vertragspartei zugegangen sein. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht anzunehmen, dass die Parteien bei einem gerichtlichen Vergleich generell auf den Zugang der Erklärung der Gegenseite verzichten. Gerade bei einem Vergleich, wie er hier geschlossen ist, bei dem einer Partei in Unkenntnis vom Wirksamwerden des Vergleichs durch das Versäumen einer Ratenzahlungsfrist erhebliche Schäden drohen, ist anzunehmen, dass diese Partei nicht auf den Zugang der gegnerischen Erklärung verzichtet. Allenfalls wird man ihre Erklärung so verstehen können, dass ein Zugang des gerichtlichen Beschlusses, mit dem der Vergleich festgestellt wird, den Zugang der Annahmeerklärung der Gegenseite ersetzen kann, weil sie mit der Übermittlung des gerichtlichen Beschlusses in gleicher Weise Gewissheit erlangt, dass der Vergleich wirksam zustande gekommen ist.

29

Die materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs hängt deshalb davon ab, ob der Zugang der Annahmeerklärung oder des Feststellungsbeschlusses beim Beklagtenvertreter am 2.10.2020 bzw. die am 30.9. vom Klägervertreter per E-Mail übermittelte Information, dass ein Vergleich zustande gekommen ist, noch innerhalb der Frist des § 147 Abs. 2 BGB erfolgt ist, wonach der einem Abwesenden gemachte Antrag nur bis zu dem Zeitpunkt angenommen werden kann, in welchem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Das ist nicht der Fall. Bei einem Vergleich, der eine erste Zahlung am 30.9.2020 vorsieht, kann der Anbietende (hier also die Beklagte) den Zugang der Annahme jedenfalls vor dem 30.9.2020 erwarten.

30

III. Dem Kläger steht aufgrund wirksamen Rücktritts ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises nach § 346 BGB zu. Jedenfalls am 4.3.2020, als der Kläger zum zweiten Mal eine Rücktrittserklärung aussprach, stand ihm ein Rücktrittsrecht zur Seite.

31

III. Zu den von der Beklagten im Kaufvertrag zugesagten Leistungen gehörte die Herstellung des Netzanschlusses der Anlage. Dies zeigt sich schon an der Beschreibung des Vertragsgegenstandes in § 1 Abs. 1 des Vertrags, wonach der Käufer eine noch zu errichtende und ans Stromnetz anzuschließende Photovoltaik-Anlage erwirbt. Ferner heißt es unter § 4 Abs. 1 des Vertrags: „die Verkäuferin verpflichtet sich, die Anlage nach den anerkannten Regeln der Technik am angegebenen Standort zu errichten, an das öffentliche Stromversorgungsnetz anzuschließen und in Betrieb zu nehmen.“ Dementsprechend ist die von der Beklagten vorformulierte Regelung in § 13 über die Fertigstellung so zu verstehen, dass bis zu der dort genannten anzuzeigenden Fertigstellung der Netzanschluss hergestellt wird. Dabei kann dahinstehen, ob der in § 13 Abs. 1 verwendete Ausdruck „technische Fertigstellung“ bei der Herstellung von Photovoltaikanlagen ansonsten einen anderen Zeitpunkt bestimmt, also etwa der von der Beklagten in einer E-Mail erwähnten „EEG-seitigen Fertigstellung“ entspricht. Denn im Kontext des Vertrags durfte der Kläger als Erwerber erwarten, dass die Fertigstellung, die mit der in § 14 als Abnahme ausgestalteten Übergabe einhergehen sollte, die vollständige Erbringung der von der Beklagten zugesagten Leistungen beinhaltet.

32

III. Die Klägerin war jedenfalls im März 2020 berechtigt, den Vertrag wegen des noch immer nicht erfolgten Netzanschlusses zu kündigen. Die Leistung war fällig. Nach § 13 Abs. 1 des Vertrags war die technische Fertigstellung der Anlage bis zum 30.6.2018 geplant. Hierzu gehörte, wie soeben ausgeführt wurde, auch der Netzanschluss. Das genannte Datum stellte einen verbindlichen Fertigstellungstermin dar. Dies lässt sich im Rückschluss aus § 13 Abs. 3 des Vertrags herleiten, wo bestimmt ist, unter welchen Umständen sich die Fertigstellungsfrist verlängert. Einer solchen vertraglichen Regelung hätte es nicht bedurft, wenn der in Absatz 1 genannte Termin keine vertragliche Verbindlichkeit aufgewiesen hätte. Dass der Fertigstellungszeitpunkt in Abs. 1 als „geplant“ bezeichnet wird, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Denn natürlich kann eine Vertragspartei die Einhaltung eines geplanten Fertigstellungstermins zusagen. Allenfalls mag man aus der Verwendung des Wortes geplant (statt z.B. „Fertigstellungstermin ist der 30.06.2018“) herleiten, dass gewisse zeitliche Unsicherheiten bei der Fertigstellung bestehen. Der Erwerber mag angesichts dessen gehindert gewesen sein, schon eine kurzfristige Überschreitung des 30.6.2018 zum Anlass für eine Kündigung zu nehmen. Auch unter Berücksichtigung dieses Umstandes durfte aber ein Erwerber, der am 22.2.2018 eine Anlage erwarb, die zum 30.6.2018 fertiggestellt sein sollte, davon ausgehen, dass diese jedenfalls bis November 2019, als der Kläger die Nachfrist setzte, fertiggestellt sein würde.

33

III. Die mit der Klage gesetzte Nachfrist von zwei Wochen nach Klagzustellung war angemessen. Die säumige Partei kann nicht damit rechnen, dass ihr eine Nachfrist in dem Umfang gesetzt wird, wie sie für die erstmalige Erbringung der Leistung benötigt würde. Jedenfalls war aber – was für das Rücktrittsrecht genügt – im März 2020, als der Kläger den Rücktritt erklärte, eine angemessene Nachfrist abgelaufen.

34

III. Nach § 346 BGB kann der Kläger die Rückzahlung des Kaufpreises beanspruchen und muss dafür, wie dies schon im Klagantrag zum Ausdruck kommt, Zug um Zug die Rückübertragung der erhaltenen Gegenleistung anbieten.

35

IV. Die Beklagte befindet sich im Verzug mit der Annahme der Rückübereignung der dem Kläger zugewiesenen Photovoltaikanlage in W.. Ein Rechtschutzbedürfnis für die Feststellung des Annahmeverzugs ergibt sich aufgrund der Bestimmung des § 756 Abs. 1 ZPO. Das für den Annahmeverzug nach § 295 BGB genügende wörtliche Angebot zur Übereignung der Anlage ergibt sich jedenfalls aus der Zug-um-Zug-Einschränkung im Klagantrag zu I.

36

Dagegen ist hinsichtlich einer etwaig erzielten Einspeisevergütung kein Annahmeverzug festzustellen. Insofern ist schon das Rechtsschutzbedürfnis fraglich, denn der Kläger kann den Betrag einer etwaigen Einspeisevergütung einfach von dem zu vollstreckenden Zahlungsbetrag abziehen. Jedenfalls fehlt es aber an einem hinreichenden Angebot. Indem der Kläger erklärt hat, dass er bis zur ersten mündlichen Verhandlung keine Einspeisevergütung erhalten habe, hat er gerade keine Rückzahlung einer solchen Vergütung angeboten. In der Verhandlung über die Wirksamkeit des Vergleichs hat der Kläger zwar (insofern unprotokolliert) angesprochen, dass es zwischenzeitlich erste Auszahlungen gegeben habe, ein Angebot über die Rückzahlung konkreter bezifferter Einspeisevergütungen hat er jedoch auch in jenem Termin nicht abgegeben.

37

V. Die vom Kläger beanspruchten Nebenforderungen sind überwiegend begründet.

38

V. Zinsen auf die Hauptforderung kann der Kläger nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB beanspruchen. Der höhere Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB steht dem Kläger nicht zu, weil die von ihm geltend gemachte Kaufpreisrückzahlung keine Entgeltforderung im Sinn des § 288 Abs. 2 BGB darstellt. Außerdem hat der Kläger, sofern er eigenes Vermögen angelegt hat, wovon das Gericht mangels anderweitigen Vortrags ausgeht, als Verbraucher gehandelt, was ebenfalls den in § 288 Abs. 2 BGB genannten Zinssatz unanwendbar macht.

39

Zinsen sind in zeitlicher Hinsicht wie beantragt zuzusprechen. Schon der Rücktritt mit Schreiben vom 11.10.2019 war wirksam. Diesem Rücktritt ging ein Schreiben voraus, mit dem die Beklagte nur dazu aufgefordert wurde, eine vollständige Anlagendokumentation zu erstellen. Die Beklagte hat eine solche Dokumentation nicht eingereicht, was bei der hier streitgegenständlichen Anlage eine erhebliche Pflichtverletzung im Sinn des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB darstellt. Dieser Einschätzung liegt zugrunde, dass die Erstellung der Anlagendokumentation nach den Angaben der Beklagten (Anlage K10) nicht möglich war, solange die Anlage nicht an das Stromnetz angeschlossen war. Der Netzanschluss erfolgte aber frühestens im Juni 2020, also ein Dreivierteljahr nach Fristablauf. Auf die bei anderem Kaufverträgen zwischen der Beklagten und dem Kläger sowie anderen Erwerbern erörterte Frage, zu welchem Preis der Erwerber in der Lage gewesen wäre, die Anlagendokumentation selbst durch eine fachkundige Person erstellen zu lassen, kommt es hier nicht an, weil es auch dem Kläger zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht möglich gewesen wäre, die geschuldete Anlagendokumentation zu erstellen. Die Fristsetzung, die dem Rücktritt vorausging, war auch wirksam gesetzt worden. Die Zurückweisung „mangels glaubhaft vorgelegter Vollmacht“ (Anlage K9) erfolgte zwei Wochen nach Zugang des Schreibens und damit nicht unverzüglich im Sinn des § 174 Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie konnte daher nicht zur Unwirksamkeit der Aufforderung führen.

40

V. Vorgerichtliche Anwaltskosten kann der Kläger nach §§ 280, 286 BGB beanspruchen. Die Beklagte war bereits ohne Mahnung in Verzug geraten, weil sie die Anlage nicht zu dem im Vertrag genannten Datum fertiggestellt hatte. Zwar ist dieses Datum mit dem Wort „voraussichtlich“ eingeschränkt worden. Dies hindert jedoch die Anwendung von § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht, sondern stellt allein einen Hinweis an den Vertragspartner dar, dass er mit möglichen Verzögerungen der Leistung gegenüber dem vertraglichen Leistungszeitpunkt zu rechnen habe.

41

Die klägerischen Anwälte waren berechtigt, für das Schreiben vom 4.9.2019 einen Gegenstandswert in Höhe des Wertes der Anlage anzusetzen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger seine Anwälte von vornherein vorgerichtlich damit beauftragt hatte, gegebenenfalls den Rücktritt vom Kaufvertrag zu erklären. Denn schon der Gegenstandswert für eine Aufforderung zur Übersendung einer vollständigen Anlagedokumentation durfte, wenn diese Dokumentation einen Netzanschluss der Anlage voraussetzte, mit dem vollen Wert der Anlage angesetzt werden.

42

V. Der Kläger kann auch nach §§ 286, 288 Abs. 1 BGB Zinsen auf die vorgerichtlichen Anwaltskosten beanspruchen. Verzug der Beklagten mit der Zahlung trat ohne Mahnung aufgrund der Schreiben vom 18.9.2019 ein, mit denen die Beklagten zu erkennen gab, dass sie den Kläger nicht von den Kosten seiner Anwälte freistellen werde. Der höhere Zinssatz nach § 288 Abs. 2 BGB greift auch hier aus den oben genannten Gründen nicht ein.

43

VI. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

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