Urteil vom Landgericht Mannheim - 1 S 146/09

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 17.07.2009 - 1 C 117/09 - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 1.106,70 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.05.2008 zu zahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in der ersten Instanz. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

 
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Die Insolvenzschuldnerin ist unstreitig im Dezember 2007 die in den Rechnungen vom 18.04.2008 (K 3 und K 4) angeführten Touren nicht nur - wie im Leistungsnachweis aufgeführt - an 16,5 sondern an 17 Tagen gefahren. Ihr steht deshalb das vereinbarte Entgelt für einen weiteren halben Tag zu.
Im Berufungsverfahren legt der Kläger dar, dass die Insolvenzschuldnerin die Touren an allen 17 „reinen Werktagen“ des Dezember 2007 gefahren sei. Der Dezember 2007 wies zwar 23 Werktage auf, jedoch nur 17 Arbeitstage (Werktage ohne Samstage und ohne Heiligabend). Der Vortrag des Klägers war deshalb bei verständiger Würdigung dahingehend zu verstehen, dass die Insolvenzschuldnerin am 3.-7., 10.-14., 17.-21, 27. und 28.12.2007 die Touren gefahren ist. Dem tritt die Beklagte in der Berufung nicht entgegen. Unstreitiger Vortrag ist aber auch dann zu berücksichtigen, wenn er erst in der Berufung gehalten wird, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO findet insoweit keine Anwendung (BGH NJW 2008, 3434f m.w.N.).
Der Höhe nach ist die Forderung nicht bestritten.
2. Dem Anspruch steht nicht die doppelte Ausschlussklausel des § 13 des zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrages entgegen, weil diese unwirksam ist.
Der von der Beklagten als Spediteurin für eine Vielzahl von Verträgen entworfene und mit der Insolvenzschuldnerin als Frachtführerin geschlossene Vertrag enthält in § 13 u.a. folgende Regelung:
„Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis und sonstige Ansprüche im Zusammenhang mit diesem Vertragsverhältnis, ob bekannt oder unbekannt, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht worden sind.
Lehnt die andere Partei den Anspruch ab..., so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung... gerichtlich geltend gemacht wird...“
10 
Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß dem zweiten zitierten Absatz entfallen. Der Kläger hat den Anspruch zwar nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung durch den Beklagtenvertreter gerichtlich geltend gemacht, die Klausel ist aber wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie von der gesetzlichen Regelung des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB grob abweicht und die Insolvenzschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben dadurch unangemessen benachteiligt.
11 
Die Klausel regelt zwar nicht die Verjährung, der Verfall ist demgegenüber aber ein noch schärferer Eingriff in die Rechtsstellung des Klägers, weil er nicht nur eine rechtshindernde Einrede, sondern eine rechtsvernichtende Einwendung darstellt. § 439 Abs. 4 HGB schließt aber bereits eine vertragliche Veränderung der gesetzlichen Verjährungsfrist durch allgemeine Geschäftsbedingungen aus. Dass die Klausel zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt wurde, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht vorgebracht.
12 
Die Klausel ist im übrigen auch nicht mit dem auch im kaufmännischen Verkehr nach Treu und Glauben geltenden Grundsatz der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung zu vereinbaren. Zwar entspricht es einem anerkennenswerten Interesse des Auftraggebers, dass Nachforderungen nicht erst nach längerer Zeit gestellt werden, wenn die für den Vergütungsanspruch maßgebenden tatsächlichen Angaben nicht oder nur noch schwer ermittelt werden können. Jedoch kann nicht gesagt werden, dass eine längere Frist als eine solche von zwei Monaten den schutzwürdigen Interessen des Auftraggebers zuwiderliefe. Nach aller Erfahrung kann dieser seine Rechte auch im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsfrist hinreichend wahren. Andererseits steht, soweit die Interessen des Transportunternehmers berührt sind, einer Regelung, die einer Abkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Monate gleichkommt, das Bedenken entgegen, dass bei Geltung einer solchen Frist das berechtigte Anliegen des Unternehmers, vor Klageerhebung die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen zu können und nicht zu voreiliger Klageerhebung gezwungen zu sein, in unvertretbarer Weise eingeschränkt werden würde (siehe BGH NJW 88, 2888f).
13 
Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß der im ersten unter a) zitierten Absatz enthaltenen Verfallsklausel entfallen. Der Kläger (bzw. die Insolvenzschuldnerin) hat den Anspruch zwar nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Fälligkeit schriftlich bei der Beklagten geltend gemacht. Die Klausel ist aber wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Insolvenzschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Klausel greift mittelbar in die gesetzliche Verjährungsfrist des § 439 HGB von einem Jahr ein und weicht so stark davon ab, dass dies gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung indiziert.
14 
Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist weicht von dem gesetzlichen Verjährungsrecht auch dann ab, wenn sie keine gerichtliche Geltendmachung verlangt. Maßgebend ist nicht die Art und Weise der geforderten Geltendmachung, sondern die geregelte Rechtsfolge. Insofern begrenzen sowohl Ausschluss- als auch Verjährungsfristen die Möglichkeit, das Recht durchzusetzen, indem sie ein Tätigwerden des Anspruchsinhabers verlangen. Während der Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner eine Einrede und hindert damit die Durchsetzung der rechtlich fortbestehenden Forderung (§ 214 BGB). Damit besitzt die Ausschlussfrist sogar eine stärkere, für den Betroffenen nachteiligere Wirkung. Das Verjährungsrecht ist Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Rechtsfrieden herzustellen. Es bezweckt einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz des Schuldners vor einer drohenden Beweisnot und möglichem Verlust von Regressansprüchen gegen Dritte einerseits und der Notwendigkeit, den Gläubiger vor einem ungerechtfertigten Anspruchsverlust zu bewahren, andererseits. Diese Überlegungen treffen ebenso auf den Regelungsgegenstand der Ausschlussfristen zu. Auch hier soll das im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit anzuerkennende Klarstellungsinteresse des Schuldners in Einklang gebracht werden mit dem berechtigten Anliegen des Vertragspartners, vor einem Tätigwerden die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen zu können und nicht zu voreiliger (förmlicher) Geltendmachung gezwungen zu sein (BAG NJW 2006, 795, 797).
15 
3. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO. Die Kammer legt die Kosten der Berufung dem obsiegenden Kläger auf, weil er aufgrund seines neuen, erstmals in der Berufung gehaltenen Vortrags zu den Tagen der Leistungserbringung im Dezember 2007 obsiegt. In der ersten Instanz war sein Vortrag, wovon das Amtsgericht zurecht ausgegangen ist, unschlüssig.
17 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Gründe

 
Die zulässige Berufung ist begründet.
1. Die Insolvenzschuldnerin ist unstreitig im Dezember 2007 die in den Rechnungen vom 18.04.2008 (K 3 und K 4) angeführten Touren nicht nur - wie im Leistungsnachweis aufgeführt - an 16,5 sondern an 17 Tagen gefahren. Ihr steht deshalb das vereinbarte Entgelt für einen weiteren halben Tag zu.
Im Berufungsverfahren legt der Kläger dar, dass die Insolvenzschuldnerin die Touren an allen 17 „reinen Werktagen“ des Dezember 2007 gefahren sei. Der Dezember 2007 wies zwar 23 Werktage auf, jedoch nur 17 Arbeitstage (Werktage ohne Samstage und ohne Heiligabend). Der Vortrag des Klägers war deshalb bei verständiger Würdigung dahingehend zu verstehen, dass die Insolvenzschuldnerin am 3.-7., 10.-14., 17.-21, 27. und 28.12.2007 die Touren gefahren ist. Dem tritt die Beklagte in der Berufung nicht entgegen. Unstreitiger Vortrag ist aber auch dann zu berücksichtigen, wenn er erst in der Berufung gehalten wird, § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO findet insoweit keine Anwendung (BGH NJW 2008, 3434f m.w.N.).
Der Höhe nach ist die Forderung nicht bestritten.
2. Dem Anspruch steht nicht die doppelte Ausschlussklausel des § 13 des zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten abgeschlossenen Vertrages entgegen, weil diese unwirksam ist.
Der von der Beklagten als Spediteurin für eine Vielzahl von Verträgen entworfene und mit der Insolvenzschuldnerin als Frachtführerin geschlossene Vertrag enthält in § 13 u.a. folgende Regelung:
„Die Vertragspartner sind sich darüber einig, dass Ansprüche aus diesem Vertragsverhältnis und sonstige Ansprüche im Zusammenhang mit diesem Vertragsverhältnis, ob bekannt oder unbekannt, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner schriftlich geltend gemacht worden sind.
Lehnt die andere Partei den Anspruch ab..., so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung... gerichtlich geltend gemacht wird...“
10 
Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß dem zweiten zitierten Absatz entfallen. Der Kläger hat den Anspruch zwar nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung durch den Beklagtenvertreter gerichtlich geltend gemacht, die Klausel ist aber wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da sie von der gesetzlichen Regelung des § 439 Abs. 1 S. 1 HGB grob abweicht und die Insolvenzschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben dadurch unangemessen benachteiligt.
11 
Die Klausel regelt zwar nicht die Verjährung, der Verfall ist demgegenüber aber ein noch schärferer Eingriff in die Rechtsstellung des Klägers, weil er nicht nur eine rechtshindernde Einrede, sondern eine rechtsvernichtende Einwendung darstellt. § 439 Abs. 4 HGB schließt aber bereits eine vertragliche Veränderung der gesetzlichen Verjährungsfrist durch allgemeine Geschäftsbedingungen aus. Dass die Klausel zwischen den Parteien im einzelnen ausgehandelt wurde, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Beklagten nicht vorgebracht.
12 
Die Klausel ist im übrigen auch nicht mit dem auch im kaufmännischen Verkehr nach Treu und Glauben geltenden Grundsatz der Ausgewogenheit von Leistung und Gegenleistung zu vereinbaren. Zwar entspricht es einem anerkennenswerten Interesse des Auftraggebers, dass Nachforderungen nicht erst nach längerer Zeit gestellt werden, wenn die für den Vergütungsanspruch maßgebenden tatsächlichen Angaben nicht oder nur noch schwer ermittelt werden können. Jedoch kann nicht gesagt werden, dass eine längere Frist als eine solche von zwei Monaten den schutzwürdigen Interessen des Auftraggebers zuwiderliefe. Nach aller Erfahrung kann dieser seine Rechte auch im Rahmen der gesetzlichen Verjährungsfrist hinreichend wahren. Andererseits steht, soweit die Interessen des Transportunternehmers berührt sind, einer Regelung, die einer Abkürzung der Verjährungsfrist auf zwei Monate gleichkommt, das Bedenken entgegen, dass bei Geltung einer solchen Frist das berechtigte Anliegen des Unternehmers, vor Klageerhebung die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen zu können und nicht zu voreiliger Klageerhebung gezwungen zu sein, in unvertretbarer Weise eingeschränkt werden würde (siehe BGH NJW 88, 2888f).
13 
Der Anspruch des Klägers ist nicht gemäß der im ersten unter a) zitierten Absatz enthaltenen Verfallsklausel entfallen. Der Kläger (bzw. die Insolvenzschuldnerin) hat den Anspruch zwar nicht innerhalb von zwei Monaten nach Eintritt der Fälligkeit schriftlich bei der Beklagten geltend gemacht. Die Klausel ist aber wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, da sie die Insolvenzschuldnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Die Klausel greift mittelbar in die gesetzliche Verjährungsfrist des § 439 HGB von einem Jahr ein und weicht so stark davon ab, dass dies gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unangemessene Benachteiligung indiziert.
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Eine einzelvertragliche Ausschlussfrist weicht von dem gesetzlichen Verjährungsrecht auch dann ab, wenn sie keine gerichtliche Geltendmachung verlangt. Maßgebend ist nicht die Art und Weise der geforderten Geltendmachung, sondern die geregelte Rechtsfolge. Insofern begrenzen sowohl Ausschluss- als auch Verjährungsfristen die Möglichkeit, das Recht durchzusetzen, indem sie ein Tätigwerden des Anspruchsinhabers verlangen. Während der Ablauf der Ausschlussfrist rechtsvernichtende Wirkung hat und von Amts wegen zu berücksichtigen ist, gibt die Verjährung dem Schuldner eine Einrede und hindert damit die Durchsetzung der rechtlich fortbestehenden Forderung (§ 214 BGB). Damit besitzt die Ausschlussfrist sogar eine stärkere, für den Betroffenen nachteiligere Wirkung. Das Verjährungsrecht ist Ausdruck des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Rechtsfrieden herzustellen. Es bezweckt einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz des Schuldners vor einer drohenden Beweisnot und möglichem Verlust von Regressansprüchen gegen Dritte einerseits und der Notwendigkeit, den Gläubiger vor einem ungerechtfertigten Anspruchsverlust zu bewahren, andererseits. Diese Überlegungen treffen ebenso auf den Regelungsgegenstand der Ausschlussfristen zu. Auch hier soll das im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit anzuerkennende Klarstellungsinteresse des Schuldners in Einklang gebracht werden mit dem berechtigten Anliegen des Vertragspartners, vor einem Tätigwerden die Sach- und Rechtslage abschließend prüfen zu können und nicht zu voreiliger (förmlicher) Geltendmachung gezwungen zu sein (BAG NJW 2006, 795, 797).
15 
3. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 3, 288 Abs. 2 BGB.
16 
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91, 97 Abs. 2 ZPO. Die Kammer legt die Kosten der Berufung dem obsiegenden Kläger auf, weil er aufgrund seines neuen, erstmals in der Berufung gehaltenen Vortrags zu den Tagen der Leistungserbringung im Dezember 2007 obsiegt. In der ersten Instanz war sein Vortrag, wovon das Amtsgericht zurecht ausgegangen ist, unschlüssig.
17 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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